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Selbstmitgefühl versus Selbstwertgefühl

Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich Selbstmitgefühl ähnlich positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt wie Selbstwertgefühl, aber nicht dieselben Fallstricke mit sich bringt. Bei einer Umfrage in den Niederlanden, an der eine große Bevölkerungsstichprobe teilnahm (Neff und Vonk, 2009), waren höhere Scores auf der SCS mit einer größeren Stabilität des Selbstwertgefühls als Zustand (über einen Zeitraum von acht Monaten, zu zwölf unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben) verbunden als eines Selbstwertgefühls, das von bestimmten Eigenschaften abhängt. Das mag damit zusammenhängen, dass Selbstmitgefühl weniger von persönlichen Eigenschaften wie körperlicher Attraktivität oder Leistung und Erfolg abhängt als Selbstwertgefühl. Die Forschungsergebnisse deuteten darauf hin, dass Selbstmitgefühl in geringerem Maß mit dem Hang einhergeht, sich mit anderen zu vergleichen, mit weniger Befangenheit in der Öffentlichkeit sowie mit weniger Grübelei, Wut und mentaler ­Verschlossenheit als Selbstwertgefühl. Selbstwertgefühl hatte außerdem eine starke Verbindung zum Narzissmus, während Selbstmitgefühl überhaupt nicht mit Narzissmus assoziiert wurde. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass selbstmitfühlende Menschen im Gegensatz zu Menschen mit hohem Selbstwertgefühl weniger darauf fokussiert sind, sich selbst zu bewerten, sich anderen überlegen zu fühlen, ihre Standpunkte zu verteidigen oder mit Wut auf Menschen zu reagieren, die nicht ihrer Meinung sind. Selbstmitgefühl scheint Menschen auch eher zu befähigen, mit Stress umzugehen, als Selbstwertgefühl. In einer Studie wurden die Teilnehmer aufgefordert, ihren Stresspegel und ihre Stimmung über einen Zeitraum von vierzehn Tagen zweimal täglich über ihr Smartphone zu melden (Krieger, Hermann, Zimmermann und Holtforth, 2015). Man stellte fest, dass ihr allgemeiner Selbstmitgefühls-Level, nicht aber ihr allgemeines Selbstwertgefühl weniger negative Gefühle in stressigen Situationen prognostizierte. Selbstmitgefühl kann auch die Auswirkungen eines geringen Selbstwertgefühls auf das Wohlbefinden abpuffern. So fand man im Rahmen einer Längsschnittstudie mit Jugendlichen heraus, dass Neuntklässler mit geringem Selbstwertgefühl, aber viel Selbstmitgefühl ein Jahr später psychisch gesünder waren als diejenigen, die auch wenig Selbstmitgefühl hatten (Marshall et al., 2015).

Leary und Kollegen (2007) führten eine Studie durch, bei der Selbstmitgefühl und Selbstwertgefühl im Hinblick auf die Akzeptanz von Feedback verglichen wurden. Die Teilnehmenden wurden gebeten, ein Video zu erstellen, in dem sie sich vorstellten und ihre Persönlichkeit beschrieben. Dann wurde ihnen gesagt, dass jemand ihr Video anschauen und ihnen Feedback darüber geben würde, wie warmherzig, freundlich, intelligent, sympathisch und reif sie wirkten (das Feedback wurde von einem anderen Teilnehmenden gegeben). Eine Hälfte der Teilnehmenden bekam positive Rückmeldungen, die andere neutrale. Selbstmitfühlende Personen blieben relativ unbeeindruckt, unabhängig davon, ob das Feedback positiv oder neutral war, und waren bereit, es so oder so als Beschreibung ihrer eigenen Persönlichkeit anzunehmen. Menschen mit hohem ­Selbstwertgefühl neigten jedoch dazu, sich aufzuregen, wenn sie ein neutrales Feedback erhielten. (»Wie bitte, ich bin nur Durchschnitt?«)

Sie leugneten auch eher, dass das neutrale Feedback ihrer Persönlichkeit entsprach, und neigten dazu, es Faktoren wie der Stimmung des jeweiligen Beobachters zuzuschreiben. Das deutet darauf hin, dass selbstmitfühlende Menschen eher in der Lage sind zu akzeptieren, wer sie sind, unabhängig davon, in welchem Maße sie von anderen gelobt werden. Selbstwertgefühl blüht dagegen nur auf, wenn die Bewertungen gut sind, und kann zu Vermeidungsstrategien führen, wenn die Möglichkeit besteht, mit unangenehmen Wahrheiten über sich selbst konfrontiert zu werden (Swann, 1996).

Selbstmitgefühl im Vergleich mit Achtsamkeit

Einige Wissenschaftler haben sich dafür interessiert, ob Selbstmitgefühl und Achtsamkeit zu unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf persönliches Wohlbefinden führen. Obwohl Selbstmitgefühl auch das achtsame Wahrnehmen negativer, selbstbezogener Gedanken einschließt, fügt es die Elemente »Selbstfreundlichkeit« und »Erfahrung gemeinsamen Menschseins« hinzu, was zusätzlich zur psychischen Gesundheit beitragen kann. Als man beispielsweise den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit, Selbstmitgefühl und Wohlbefinden bei Menschen mit moderaten bis schweren Angstzuständen und/oder Depressionen untersuchte, stellte man fest, dass Selbstmitgefühl eine signifikant höhere Varianz im Hinblick auf Angst, Besorgtheit, Depression und Lebensqualität erklärte als Achtsamkeit allein (Van Dam, Sheppard, Forsyth und ­Earleywine, 2011). Ebenso scheint Selbstmitgefühl bei Collegestudenten im Hinblick auf Depression, Angst, Glücksempfinden, positive und negative Gefühle und Lebenszufriedenheit ein stärkerer Prädiktor zu sein als Achtsamkeit (Woodruff et al., 2014). Forscher fanden außerdem heraus, dass das ­Induzieren einer selbstmitfühlenden Reaktion auf Gefühle der Traurigkeit bei ehemals oder gegenwärtig depressiven Menschen depressive Stimmungen effektiver verringert als eine Strategie des achtsamen Akzeptierens (Ehret, ­Joormann und Berking, 2018).

Interessanterweise ist Selbstmitgefühl ein negativer Prädiktor für Scham­anfälligkeit, Achtsamkeit hingegen nicht (Woods und Proeve, 2014), was darauf hinweist, dass Freundlichkeit und Verbundenheit sich selbst gegenüber notwendig sind, um zu verhindern, dass sich negative Gedanken in Hinblick auf die eigene Person als Scham manifestieren. Darüber hinaus scheinen Selbstmitgefühl und Achtsamkeit eine unterschiedliche Rolle bezüglich der Selbststigmatisierung und des Wohlbefindens bei Menschen mit psychischen Krankheiten und HIV-positiven Menschen zu spielen (Yang und Mak, 2016). Achtsamkeit bremst hauptsächlich den Automatismus der Selbststigmatisierung bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, und Selbstmitgefühl beeinflusst hauptsächlich die Verbindung zwischen Stigma-Identität und Wohlbefinden bei Menschen, die mit HIV leben.

Mehrere Forscher haben die Rolle der Achtsamkeit und des Selbstmitgefühls im Hinblick auf einen Zuwachs an Wohlbefinden im Zusammenhang mit Meditation verglichen. Obschon sowohl erhöhte Achtsamkeit als auch mehr Selbstmitgefühl die Korrelation zwischen Meditation und Glücksempfinden erklären helfen (Campos et al., 2016), ist Selbstmitgefühl ein stärkerer Prädiktor für psychisches Wohlbefinden bei Meditierenden als Achtsamkeit, selbst unter Berücksichtigung der Meditationserfahrung (Baer, Lykins und Peters, 2012). In einer mit Jugendlichen durchgeführten Studie, die an einem fünftägigen Meditations-Retreat teilnahmen (Galla, 2016), war die Zunahme des Selbstmitgefühls ebenfalls ein stärkerer Prädiktor für Wohlbefinden im Hinblick auf wahrgenommenen Stress, Grübelei, depressive Symptome, Lebenszufriedenheit sowie positive und negative Gefühle als die Zunahme an Achtsamkeit. Die Forscher stellten außerdem fest, dass Teilnehmende, die vor einer Achtsamkeitsmeditationssitzung kurz angeleitet wurden, warmherzig und mitfühlend mit sich umzugehen, eine höhere Bereitschaft zeigten, das Training fortzusetzen (Rowe, Shepstone, Carnelley, Cavanagh und Millings, 2016), was darauf hinweist, dass Selbstunterstützung beim Erlernen der anspruchsvollen Fertigkeit der Achtsamkeitsmeditation zu verhindern hilft, dass die Teilnehmenden entmutigt werden und aufgeben.

Selbstmitgefühl und Motivation

Obwohl einige Leute befürchten, Selbstmitgefühl könne zu Selbstzufriedenheit führen, gibt es genügend empirische Evidenz, welche die Annahme stützt, dass Selbstmitgefühl die Motivation eines Menschen eher verstärkt als untergräbt. Während Selbstmitgefühl beispielsweise in negativem Verhältnis zu Perfektionismus steht, gibt es keinen solchen Zusammenhang in Bezug auf das Niveau der Leistungsstandards, die für das Selbst festgesetzt wurden (Neff, 2003a). Selbstmitfühlende Menschen stecken sich genauso hohe Ziele wie andere, erkennen und akzeptieren aber, dass sie ihre Ziele nicht immer erreichen können. Es hat sich gezeigt, dass ein kurzes Selbstmitgefühlstraining die Eigeninitiative erhöht, das heißt den Wunsch, sein volles Potenzial zu entfalten (Dundas, Binder, Hansen und Stige, 2017). Außerdem stellte man fest, dass selbstmitfühlende Menschen weniger Motivationsängste haben und seltener selbstsabotierende Verhaltensweisen wie Prokrastination an den Tag legen als Menschen mit einem Mangel an Selbstmitgefühl (Sirois, 2014; Williams, Stark und Foster, 2008). Sie leiden seltener am sogenannten »Impostor-Phänomen« (Hochstaplersyndrom), das in akademischen Umfeldern die Leistungsmotivation hemmen kann (Patzak, Kollmayer und Schober, 2017). Auch bleiben sie eher optimistisch, wenn sie bei der Jobsuche auf Hindernisse stoßen (Kreemers, van Hooft und van Vianen, 2018). Darüber hinaus fanden Neff und Kollegen (2005) einen positiven Zusammenhang zwischen Selbstmitgefühl und ­Lernzielen (der inneren Motivation, zu lernen und zu wachsen) und einen negativen Zusammenhang mit Performance-Zielen (dem Wunsch, sein Selbstbild zu verbessern; Dweck, 1986). Selbstmitfühlende Menschen sind also motiviert, etwas zu erreichen – aber aus innerer Motiven und nicht, weil sie gesellschaftliche Anerkennung suchen. Eine Längsschnittstudie untersuchte, wie sich das Selbstmitgefühl von Studienanfängern auf ihre Reaktionen auf vereitelte Lernfortschritte im ersten Collegejahr auswirkte (Hope, Koestner und Milyavskaya, 2014). Man fand heraus, dass höhere Selbstmitgefühls-Niveaus auf weniger negative Gefühle an Tagen hinwiesen, an denen Ziele nicht erreicht wurden. Die Studie ergab auch, dass sich selbstmitfühlende Studierende mehr Gedanken darüber machten, ob ihre Ziele persönlich sinnvoll waren, als über das Erreichen eines Ziels. Selbstmitgefühl scheint Menschen also zu helfen, Ziele weise zu wählen und weniger auf Ergebnisse fixiert zu sein.

Man stellte fest, dass selbstmitfühlende Menschen weniger Angst vor dem Scheitern haben (Neff et al., 2005) und dass sie, wenn sie scheitern, eher bereit sind, es noch einmal zu versuchen (Neely et al., 2009). Auf diese Weise hilft Selbstmitgefühl den Menschen, aus dem Scheitern zu lernen, statt dadurch geschwächt zu werden. Es wurden beispielsweise mehrere Studien durchgeführt, um zu untersuchen, wie sich Selbstmitgefühl auf die Betrachtung vergangenen Verhaltens auswirkt, das man bereut (Zhang und Chen, 2016). Bei einer Studie wurde das Maß an Selbstmitgefühl kodiert, das sich in spontanen Beschreibungen von Ereignissen, die Reue auslösten, auf einem Blog zeigte. Die Beschreibungen, die mehr Selbstmitgefühl ausdrückten, wurden von den Forschern auch mit größeren persönlichen Fortschritten assoziiert. Eine zweite Studie ergab, dass größeres Trait-Selbstmitgefühl (das heißt Selbstmitgefühl als relativ stabile, zeitlich überdauernde Persönlichkeitseigenschaft) ein Prädiktor für größere selbst- und fremdbeobachtete persönliche Weiterentwicklung durch erinnerte bereute Erfahrungen ist. In der dritten Studie half man Menschen, mit Mitgefühl und Verständnis auf ein memoriertes Ereignis zu blicken, das sie bereuten, und stellte fest, dass diese Teilnehmenden von größeren persönlichen Fortschritten berichteten als die Teilnehmenden in zwei Kontrollsettings (»Bestätigen Sie Ihre positiven Eigenschaften« oder »Denken Sie an ein Hobby, das Ihnen Freude macht«). Insgesamt deuteten diese Ergebnisse darauf hin, dass Selbstmitgefühl angesichts von Reue oder Bedauern inneres Wachstum fördert.

In einer weiteren Studie wurde untersucht, welchen Einfluss Selbstmitgefühl auf die Lernmotivation nach einem Misserfolg haben würde (­Breines und Chen, 2012). Die Studierenden mussten einen sehr schwierigen Vokabeltest absolvieren, bei dem alle schlecht abschnitten. Eine Gruppe der Teilnehmenden wurde ermutigt, nach diesem Versagen mitfühlend mit sich umzugehen, eine andere Gruppe bekam einen Schub für ihr Selbstwertgefühl (zum Beispiel »Du musst ja intelligent sein, wenn du es auf diese Universität geschafft hast«), und eine weitere Gruppe erhielt keinerlei Ermutigung oder Rückmeldung. Als Nächstes wurde den Studenten gesagt, sie würden einen weiteren Vokabeltest erhalten, und man gab ihnen eine Liste mit Wörtern und Definitionen, die sie so lange studieren konnten, wie sie wollten, bevor sie den Test absolvierten. Die Zeit, die sich die Studenten vor dem Test für die Liste nahmen, wurde als Maß für die Motivation, sich zu verbessern, genommen. Jene Studierenden, die ermutigt worden waren, nach ihrem Scheitern beim ersten Test mitfühlend mit sich umzugehen, nahmen sich mehr Zeit für das Studium der Liste als diejenigen in den anderen beiden Settings. Diese Zeit stand in Relation zu dem tatsächlichen Abschneiden der Teilnehmenden beim Test. Die Ergebnisse dieser Studien weisen darauf hin, dass ein freundlicher und mitfühlender Umgang mit uns selbst, wenn wir scheitern oder Fehler machen, uns die Unterstützung gibt, die wir brauchen, um unser Bestes zu geben und auch dann nicht aufzugeben, wenn wir entmutigt sind. Sie legen auch nahe, dass Selbstmitgefühl uns angesichts des Scheiterns die Art von »Mumm« und Resilienz geben kann, die von Forschern zunehmend als Schlüssel zum Lebenserfolg betrachtet wird (Duckworth, 2016).

Untersuchungen weisen darauf hin, dass Selbstmitgefühl auch im Zusammenhang mit Sport motivationssteigernd wirkt. Es wurde ­festgestellt, dass selbstmitfühlende Menschen mehr von innen heraus motiviert sind, Sport zu treiben, und dass ihre Trainingsziele mehr auf ihre Gesundheit ausgerichtet sind als auf egoorientierte Bestrebungen wie beispielsweise, besser als andere zu sein (Magnus, Kowalski und McHugh, 2010; Mosewich, Kowalski, Sabiston, Sedgwick und Tracy, 2011). Weitere Untersuchungen belegen, dass selbstmitfühlende Sportler konstruktivere (zum Beispiel positiv, ausdauernd und verantwortungsvoll) und weniger maladaptive Reaktionen (zum Beispiel grüblerisch, passiv, selbstkritisch) auf emotional problematische Sportereignisse zeigen (Ferguson, Kowalski, Mack und Sabiston, 2015). Darüber hinaus stellten Mosewich und Kollegen (Mosewich, Crocker, Kowalski und DeLongis, 2013) fest, dass bereits eine Woche Selbstmitgefühlstraining den Sportlern half, auf sportliche Rückschläge konstruktiver zu reagieren (weniger Selbstkritik, Grübelei und Besorgtheit über Fehler).

Obwohl einige vielleicht die Befürchtung hegen, Selbstmitgefühl bedeute, sich aus der Verantwortung zu stehlen, legen Forschungsergebnisse nahe, dass Selbstmitgefühl auch die Motivation erhöht, persönliche Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Bei einer Studie wurden die Teilnehmenden beispielsweise gebeten, sich an eine kurz zurückliegende Handlung zu erinnern, für die sie sich schuldig fühlten (zum Beispiel Betrug bei einer Prüfung, Lügen gegenüber einem Beziehungspartner oder eine verletzende Aussage), die ihnen, wenn sie daran dachten, immer noch ein schlechtes Gefühl gab (Breines und Chen, 2012). Die Forscher fanden heraus, dass Teilnehmende, denen man half, selbstmitfühlend mit ihren kürzlichen Verfehlungen umzugehen, motivierter waren, sich zu entschuldigen und solches Verhalten in Zukunft zu vermeiden, als die Mitglieder zweier Kontrollgruppen. Eine ähnliche Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Selbstmitgefühl von Studenten und der Akzeptanz ihrer moralischen Verfehlungen in zwei Kulturen: China und den Vereinigten Staaten (Wang, Chen, Poon, Teng und Jin, 2017). Die Ergebnisse zeigten, dass in beiden Kulturkreisen ein höheres Maß an Selbstmitgefühl mit einer verringerten Tendenz einherging, Handlungen wie Diebstahl oder Plagiierung zu akzeptieren oder sich beim Lösen einer Gemeinschaftsaufgabe egoistisch zu verhalten. Obwohl also Selbstmitgefühl die Selbstakzeptanz erhöht, führt es nicht dazu, schlechtes Verhalten zu akzeptieren.

Nur bei einer Studienreihe fand man eine Ausnahme von diesem Muster (Baker und McNulty, 2011). Die Forscher wollten die Zusammenhänge untersuchen zwischen Geschlecht, Pflichtbewusstsein, Selbstmitgefühl und der Tendenz, zwischenmenschliche Fehler in Liebesbeziehungen wiedergutzumachen (zum Beispiel um Lösungen für Probleme zu finden). Während pflichtbewusste Männer, die Selbstmitgefühl hatten, eher dazu neigten, Fehler zu bereinigen, war diese Tendenz bei wenig pflichtbewussten Männern, die selbstmitfühlend waren, weniger wahrscheinlich. Das lässt darauf schließen, dass diese Männer Selbstmitgefühl als Vorwand benutzten, nicht das Richtige zu tun. Bemerkenswert ist, dass selbstmitfühlende Menschen in der Regel gewissenhafter sind. Angesichts der Tatsache, dass dies ein Einzelbefund bei einer ungewöhnlichen Untergruppe von Individuen ist (Männer mit hohem Selbstmitgefühl und wenig Pflichtbewusstsein), sollte man vorsichtig mit der Verallgemeinerung dieser Ergebnisse sein. Dennoch sind sie eine nützliche Erinnerung daran, dass alles missbraucht werden kann, wenn die eigenen Absichten unlauter sind.

Selbstmitgefühl und Gesundheit

Die allgemein verbreitete Befürchtung, Selbstmitgefühl könne zu Zügellosigkeit und dazu führen, sich gehen zu lassen, wird durch Forschungsergebnisse widerlegt, die zeigen, dass Selbstmitgefühl gesunde Verhaltensweisen fördert (Biber und Ellis, 2017; Homan und Sirois, 2017). So legt die ­Forschung beispielsweise nahe, dass Selbstmitgefühl ein wichtiger Aspekt des gesunden Alterns ist (Allen und Leary, 2014; Brown, Huffman und Byrant, 2018) und dass ältere Menschen, die selbstmitfühlend sind, sich, wenn nötig, eher medizinisch behandeln lassen (Terry und Leary, 2011) oder medizinische Hilfsmittel wie Rollatoren benutzen (Allen, Goldwasser und Leary, 2012). In einer drei Untersuchungen umfassenden Studienreihe fanden die Forscher heraus, dass selbstmitfühlende Menschen motivierter waren, gesund zu bleiben und bei Gesundheitsproblemen medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, als diejenigen, denen es an Selbstmitgefühl mangelte (Terry, Leary, Metha und Henderson, 2013). Außerdem stellten sie fest, dass bewusste Freundlichkeit gegenüber sich selbst und wohlwollende Selbstgespräche auf die Verbindung zwischen Selbstmitgefühl und proaktivem Gesundheitsverhalten hinwiesen. Selbstmitgefühl ist mit einem stärkeren Gefühl der Selbstwirksamkeit in Gesundheitsfragen verbunden (zum Beispiel der Zuversicht, Maßnahmen durchführen zu können, die für die Erhaltung der eigenen Gesundheit wichtig sind) sowie konkreten gesunden Verhaltensweisen wie dem Verzehr ausgewogener Mahlzeiten, regelmäßiger physischer Aktivität und ausreichendem Schlaf (Sirois und Hirsch, 2019; Sirois, Kitner und Hirsch, 2015). Selbstmitgefühl geht auch mit einer höheren Bereitschaft einher, sich bei Krankheiten wie Zöliakie an die notwendige Diät zu halten (Dowd und Jung, 2017), und einer größeren Selbstfürsorge bei Diabetespatienten (Ferrari, Dal Cin und Steele, 2017). In der Tat ergab eine große multinationale Studie an Patienten mit HIV/Aids, dass Menschen mit mehr Selbstmitgefühl seltener riskante Verhaltensweisen an den Tag legten (wie beispielsweise ungeschützten Sex praktizieren; Rose et al., 2014).

Selbstmitgefühl scheint Menschen auch zu helfen, das Rauchen aufzugeben oder zu reduzieren. Personen, die während einer dreiwöchigen Compassion-Focused-Therapie angeleitet wurden, mitfühlend mit den mit der Aufgabe des Rauchens verbundenen Schwierigkeiten umzugehen, reduzierten ihren Zigarettenkonsum deutlicher als diejenigen, die angeleitet wurden, sich Gedanken über ihren Konsum zu machen und ihn zu überwachen (Kelly, Zuroff, Foa und Gilbert, 2009). Die Selbstmitgefühls-Intervention war besonders wirksam bei denjenigen, die sehr selbstkritisch oder resistent gegen Veränderungen waren. Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass selbstmitfühlende Menschen seltener süchtig nach Schokolade sind (Diac, Constantinescu, Sefter, Raşia und Târgoveçu, 2017) und dass zunehmendes Selbstmitgefühl alkoholabhängigen Menschen hilft, weniger zu trinken (Brooks, Kay-Lambkin, Bowman und Childs, 2012).

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9783867813242
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