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4 Testtheoretische Voraussetzungen zur Realisierung sonder- und heilpädagogischer sowie lerntherapeutischer Diagnostik

Lernziele

1. Erklären, was man unter einem psychologischen Test versteht.

2. Inhalt und Bedeutung von Gütekriterien kennen lernen und die Relevanz sowie die Problematik der Gütekriterien im Bereich sonder- und heilpädagogischer Fragestellungen erkennen:

– Wissen vermitteln, dass Objektivität auch Grenzen hat.

– Die Bedeutung von Reliabilitäts- und Validitätskoeffizienten kennen- und verstehen lernen.

– Verstehen, warum Normen für den Umgang mit psychometrischen Tests wichtig sind und erkennen, wo ihre Grenzen liegen.

– Einsicht gewinnen in den historischen Ansatz der Normierung, ihn problematisieren.

– Einführen in grundlegende Begriffe, die mit Normierung im Zusammenhang stehen.

– Normierungsmöglichkeiten in Bezug auf die praktische Anwendung kennen lernen.

– Den Umgang mit Normen und Normentabellen vermitteln.

– Erkennen, dass auch Nebengütekriterien für den praktischen Umgang mit Tests bedeutsam sind.

– Den Begriff „Standardisierung“ mit seinen verschiedenen Aspekten verstehen.

– Die Brauchbarkeit von Tests mit Hilfe der Gütekriterien beurteilen können.

– Aufgrund der Kenntnis der Gütekriterien zur Einsicht gelangen, dass Tests und testdiagnostisches Vorgehen nicht zu absoluten, vielmehr zu begrenzten Aussagen (Wahrscheinlichkeitsaussagen) führen.

– Erkennen, dass jedes Testergebnis Fehler einschließt.

– Standardmessfehler und Vertrauensbereiche – falls im Test nicht angegeben – berechnen können.

3. Die Vorteile von Klassifikationen (Einteilungen) erkennen und Tests – gegebenenfalls – nach mehreren Aspekten klassifizieren.

4. Wissen um die spezielle Problematik von Verfahren projektiver Art erwerben.

5. Eine für sonderpädagogische Fragestellungen akzeptable Einteilung von Tests nennen.

Eine wichtige Ausgangsbasis sonderpädagogischer Diagnostik stellt vor allem im Rahmen institutioneller Gegebenheiten – neben anderen Informationsquellen – sowohl für Psychologen als auch für diagnostizierende (Sonder-)Pädagogen die Durchführung, Auswertung und Interpretation psychologisch und schulpädagogisch orientierter Tests dar. Ohne die Anwendung wissenschaftlich und empirisch fundierter Tests ist die Erstellung „sonderpädagogischer Gutachten“ kaum vorstellbar.

Die Problematik der Verwendung von „Tests“ im Rahmen sonder- und heilpädagogischer Fragestellungen wurde allerdings vor allem im wissenschaftlichen Bereich bereits seit Mitte der 1970er Jahre häufig in Form von Kritik und Ablehnung behandelt. Andererseits wurde die Verwendung von Tests bei der Gutachtenerstellung im Rahmen des „Verfahrens der Aufnahme und Überweisung in die Sonderschule“ (Deutscher Bildungsrat) als selbstverständlich angesehen, ja geradezu postuliert (Kautter / Munz 1974). Zwei Momente sind dabei zu beachten: Unter institutionellem Aspekt im Kontext Schule wurde die Verwendung von Tests zur Selektion von Kindern, deren Lernleistungen und / oder Verhaltensweisen von den Vorgaben der Lehrpläne, den Erwartungen von Schulen und Lehrern abwichen – hierzu gehörten i. d. R. Kinder mit Behinderungen – kaum in Frage gestellt; im Rahmen pädagogischer und heilpädagogischer, speziell im Kontext integrativer und inklusiver Pädagogik stößt die Verwendung psychometrischer Tests auf Kritik bis Ablehnung. Allerdings besteht für das Konzept der klassischen Testtheorie im Rahmen unterschiedlicher Institutionen und Systeme (Schulen, Heime, forensischer Bereich, Verkehrswesen …) durchaus eine Notwendigkeit.

Es gibt mehrere Begründungen für die Kenntnis testtheoretischer Grundlagen für Fachleute, die in den Bereichen Sonder- und Förderschulen, an Sonderpädagogischen Förderzentren, Diagnose- und Förderklassen, Kooperationsschulen, aber auch an Grund- und Hauptschulen im Kontext Schülerprobleme und -nöte tätig sind. Lehrer an Sonder- und Förderschulen wurden und werden relativ häufig mit Implikationen psychologischer Testverfahren konfrontiert, indem sie

– eine sinnvolle Auswahl im Hinblick auf eine Untersuchung treffen müssen,

– selbst Tests im Rahmen einer Begutachtung und bei der Erstellung eines Förderplanes durchführen,

– mit Tests im Sinne qualitativer Diagnostik (Variation von Testbedingungen) umgehen,

– Gutachten kritisch lesen, verstehen und analysieren,

– aus Befunden Informationen entnehmen, z. B. zwecks Fehleranalyse, Ursachenfindung,

– eine kritische Stellungnahme zu einem bereits vorliegenden Gutachten eines Psychologen, Mediziners, Kinder- und Jugendpsychiaters abgeben,

– neu erschienene Testverfahren beurteilen,

– bei der Lektüre eines diagnostischen Fachbuches Fachbegriffe kennen sollten,

– insgesamt gesehen kritisch und in allgemeinpädagogischer, sonder- und heilpädagogischer sowie lerntherapeutischer Verantwortung mit psychologischen Tests umgehen.

Insofern ist es im Rahmen einer Betrachtung der Problematik Tests notwendig, auch auf Grundlagen und Termini klassischer Testtheorie einzugehen. Unter Berücksichtigung der zahlreichen Arten von Tests geht es darum, über wesentliche Aspekte psychologischer Testverfahren kritisch zu informieren.

Psychologen haben im Verlauf der vergangenen hundert Jahre versucht, immer exaktere Methoden zur Diagnose z. B. der Intelligenz, verschiedener Arten der Wahrnehmung, der Motorik sowie sozialer und emotionaler Bereiche zu entwickeln. Hierzu gehören auch die Ausdifferenzierung diagnostischer Methoden und die damit verbundene Möglichkeit der Einschätzung von Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen allgemein. Akzentuiert dargestellt beruft sich die Psychologie dabei auf die Statistik, auf Wahrscheinlichkeitsaussagen (Gauß) und leitet davon die „Normalverteilung“ von Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen ab. Geschätzt werden auf dieser Basis die Abstände von Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Leistungen von der sogenannten Normalität, vom Durchschnitt oder von der „durchschnittlichen Normalität“.

Testtheorie und die Anwendung von Tests wurden aus verschiedenen Gründen kritisiert:

1. Es besteht die Schwierigkeit, ja Unsicherheit, Persönlichkeitseigenschaften wie Intelligenz, Angst, Motivation, Gefühle überhaupt, wissenschaftlich genau zu bestimmen. Psychologen sprechen im Zusammenhang mit solchen Persönlichkeitseigenschaften, die wissenschaftlich nicht exakt definiert bzw. empirisch erfasst werden können, von „hypothetischen Konstrukten“.

2. Es ergibt sich die Problematik, welche Verhaltensweisen diese Eigenschaften repräsentieren, also durch welche Fragen oder Aufgabenstellungen (Items) man diese Eigenschaften oder Verhaltensweisen prüfen, testen oder erkennen kann.

3. Die Grenzwerte (z. B. für IQ-Werte) bei verschiedenen Klassifikationen sind relativ willkürlich gesetzt. In unterschiedlichen Publikationen und bei verschiedenen Autoren finden sich z. B. im Hinblick auf „geistige Behinderung“ z. T. erhebliche Differenzen hinsichtlich der Grenzwerte.

4. Werden Menschen mit einer Behinderung auf der Basis der Normalverteilungsannahme / -theorie, durch den Vergleich mit einer fiktiven Normalität bzw. dem statistisch bestimmten „Durchschnitt“ in der Regel negativ oder defizitär beschrieben. Aus der expliziten Betonung des Negativabstandes zur Normalität, also der „Defizite“, ergeben sich vor allem die Negativbeschreibungen von Behinderung, Entwicklungsverzögerung und Störungen im Lernen und Verhalten.

5. Geht in unserer an Leistung, Erfolg und Perfektion orientierten Gesellschaft mit der Klassifizierung auch häufig eine negative Wertung einher. Gerade Klassifikation und die damit verbundene Wertung wirken sich aufgrund der daraus hervorgehenden Einstellung und Wahrnehmung auf Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung negativ aus.

6. Die Anwendung spezieller diagnostischer Messverfahren traditioneller Art impliziert die Gefahr, das Verhalten von Kindern mit Behinderungen lediglich auf Teil- bzw. Funktionsbereiche zu reduzieren. Psychometrisch orientierte Diagnoseinstrumente leisten an sich keinen direkten Beitrag zur Informationsgewinnung über den Grad der Selbstständigkeit der Daseinsbewältigung in gegenwärtigen oder zukünftigen Lebenssituationen.

7. Diagnostische Messverfahren erfassen nicht die Lebenswirklichkeit eines Kindes. Sie diagnostizieren nicht, was ein Kind bisher gelernt hat, wo es, wie und warum es handelt, wie ein Kind bisher gelebt, was es erfahren hat. Lineare Aufgabenstellungen diagnostischer Messverfahren erweisen sich in der Regel als wenig motivierend, eher künstlich und realitätsfern. Psychometrische Tests prüfen kaum Handlungs- voraussetzungen für zukünftiges Lernen, Arbeiten und Leben. Sie liefern keine direkten Informationen über Fördermöglichkeiten.

8. Objektivität und Kontrolle verhindern die Offenheit zum Verstehen lernen und zur Wahrnehmung dessen, was ein Kind wirklich zeigen möchte. Das Verhalten eines Kindes in einer Problemsituation, speziell eines Kindes mit Behinderung auch nur annäherungsweise verstehen und interpretieren zu wollen, setzt das Bemühen um eine Beziehung zum Kind voraus.

Bei aller Kritik an der Verwendung psychometrischer Tests ergeben sich selbst unter förderdiagnostischem Aspekt betrachtet auch einige positive Momente:

– In kurzer Zeit liefern Tests manchmal relativ viele, zum Teil bisher unbekannte Informationen, die auch für Förderungsprozesse eine Bedeutung haben. Bei der Verwendung von Individualverfahren ist gleichzeitig Verhaltensbeobachtung möglich.

– Es besteht die Möglichkeit der Entdeckung bislang nicht bekannter oder falsch eingeschätzter Kompetenzen und Fertigkeiten oder auch Ressourcen.

– Unerwartet hohe Ergebnisse oder Leistungen z. B. in den Bereichen Intelligenz, Motorik oder Sprache zeigen, dass ein Kind nicht adäquat unterrichtet und gefördert wurde, z. B. auch bei vorliegender Hochbegabung oder Spezialbegabung.

– Ein Test kann zur Erkennung von Ursachen für schulische Probleme und / oder Verhaltensauffälligkeiten wie z. B. in den Bereichen Emotionalität (Angst, Aggression), Wahrnehmung, Motorik, Sprache, Kommunikation und Sozialverhalten beitragen.

– Die Durchführung von Tests, die Interpretation und Diskussion der Ergebnisse ermöglichen eine bessere Einschätzung der Gesamtproblematik, können zu einem besseren Verstehen eines Kindes in einer Problemsituation hervorgerufen durch das soziale Umfeld, speziell durch die Anforderungen der Schule, beitragen.

– Qualitative Diagnostik mit einer modifizierten Durchführung von Testaufgaben (Variation von Testbedingungen) entsprechend den Möglichkeiten eines Kindes können zu einer besseren Einschätzung der Lernausgangslage führen.

Dabei erweisen sich die differenzierte Betrachtung und Analyse sogenannter „Fehler“, d. h. eine Fehleranalyse (Bundschuh 2019, 108–111) als Ausgangsbasis für Förderung und als Chance zum Fortschritt bezüglich Wissen und Kenntnis im Hinblick auf einen Schüler in einer Problemsituation hinsichtlich seines bisherigen Lernwegs, seines Lernverhaltens und vorhandener Lösungsansätze.

Förderdiagnostisches Handeln beruht auf anthropologischen und pädagogischen Prämissen (Bundschuh 2019, 81–94) und schließt die Beachtung der gesamten kindlichen Persönlichkeit, die Orientierung am Kind und seinen speziellen Bedürfnissen sowie die Kind-Umfeld-Bedingungen ein. Eine Entscheidung für oder gegen die Verwendung von Tests im sonder- und heilpädagogischen Arbeitsfeld kann nur auf der Basis (heil-)pädagogischer Verantwortung erfolgen.

Es wird dem Leser empfohlen, „zweigleisig zu denken“: Einmal gibt es die Realitäten wie z. B. die Institution Schule, zum anderen gibt es ein Wissen um das pädagogisch Notwendige, um das, was ein Kind wirklich braucht. Letzteres ist in diesem Kapitel nicht Gegenstand der Erörterung, es wird nur stellenweise angesprochen. Der Aspekt Förderung wird speziell am Ende von Kapitel 6 thematisiert. Hier geht es zunächst in erster Linie um die kritische Vermittlung testtheoretischer Grundlageninformationen.

Psychodiagnostische Strategien, die sich der Veränderungsdiagnostik bedienen, greifen zwangsläufig auf Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie (Bundschuh 2008, 87–114) zurück, insbesondere wenn es darum geht, entwicklungsbedingte Prozesse zu erfassen. Die psychodiagnostische Erfassung von Merkmalsausprägungen und die psychodiagnostische Urteilsbildung im Allgemeinen werden durch vielfältige kognitive Faktoren beeinflusst, deren Verständnis zur Optimierung psychodiagnostischer Prozesse beiträgt.

Psychodiagnostische Erkenntnisse unterliegen den Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit, deren Reflexion für eine angemessene Bewertung psychodiagnostischer Ergebnisse von Bedeutung ist, d. h., der Umgang mit diagnostischen Methoden setzt auch die Kenntnis wissenschaftlicher Grundlagen (Testtheorie, Wissen über Fehler, Grenzen diagnostischer Möglichkeiten) voraus.

Psychologisch betrachtet sind Entwicklung und Bewertung psychodiagnostischer Erhebungsmethoden und Prozesse ohne die Erkenntnisse der Psychometrie nicht möglich. Die Mess- und Testtheorie stellt daher nach wie vor das zentrale Methodenfach für die Psychologische Diagnostik dar.

4.1 Der psychologische Test

Das Wort „Test“ stammt aus dem englischen Sprachgebrauch. Es bedeutet soviel wie Probe. Gustav A. Lienert, an dessen Ausführungen in dem für die vorliegende Thematik als Standardwerk anerkannten Buch „Testaufbau und Testanalyse“ sich die folgenden Darstellungen zunächst orientieren, schreibt dem Wort „Test“ im psychologischen Sprachverständnis eine mehrfache Bedeutung zu. Unter „Test“ kann verstanden werden (Lienert 1998, 1):

1. „Ein Verfahren zur Untersuchung eines Persönlichkeitsmerkmals.“ (Persönlichkeitsmerkmale sind z.B. Intelligenz, Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisleistungen, Ängstlichkeit, Selbstsicherheit …)

2. „Der Vorgang der Durchführung der Untersuchung.“ (Es geht darum: Was geschieht im Testverlauf? Z.B. Einstellung des Probanden, Darbietung von Instruktionen und Testmaterial …)

3. „Die Gesamtheit der zur Durchführung notwendigen Materialien.“ (Z.B. Testmaterial, Testhandbuch …)

4. „Jede Untersuchung, sofern sie Stichprobencharakter hat.“ (Stichprobe: Zufällige Auswahl aus einer Gesamtheit)

5. „Gewisse mathematisch-statistische Prüfverfahren.“ (Z. B. χ2-Test; t-Test; U-Test)

Eine wichtige Bedeutung kommt sicherlich dem ersten Punkt zu; denn sehr häufig wird das Wort „Test“ in dieser Bedeutung gebraucht. Im Sinne dieser Auffassung definiert auch Lienert: „Ein Test ist ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung“ (Lienert 1998, 1). Die Schwerpunkte dieser Definition kann man wie folgt setzen:

1. Nur die wissenschaftlich begründete Untersuchung kann als Test gelten; wobei wir „wissenschaftlich“ so interpretieren, dass der Test auf dem Wege der empirischen Überprüfung und Erprobung zustande gekommen ist und in seinem Aufbau Gesetzen der Logik nicht widersprechen darf.

2. Die Durchführung geschieht routinemäßig, also unter Standardbedingungen, man könnte auch sagen „handwerksmäßig“.

(Von „Standardbedingungen“ spricht man, wenn der Test den sogenannten „Gütekriterien“ entspricht, wenn das Verhalten des Testleiters, die Untersuchungssituation und die Kriterien der Auswertung genau festgelegt, „standardisiert“ sind.)

Der Lehrer für Sonderpädagogik muss über die Standardisierung eines Verfahrens Bescheid wissen, um den Grad der Wahrscheinlichkeit einer subjektiven Verfälschung der Ergebnisse zumindest einschätzen zu können.

3. Der Test ermöglicht eine relative Positionsbestimmung des untersuchten Individuums innerhalb einer Gruppe von Individuen bezüglich eines Merkmals.

(Relativ heißt, dass das Ergebnis niemals exakt bestimmt werden kann, weil Testergebnisse mit Messfehlern behaftet sein können, demnach bewegt sich der wahre Wert eines Ergebnisses in einer gewissen Streubreite. So muss man z. B. wissen, dass ein IQ von 89 im Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder bedeuten kann, dass der Intelligenzquotient des betreffenden Probanden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit etwa zwischen 81 und 97 liegen kann.

Positionsbestimmung besagt, dass angegeben wird, um wie viel ein Individuum besser oder schlechter im Test abschneidet als der Durchschnitt der Gruppe, an welcher der Test normiert wurde.)

4. Bestimmte – also verhaltens- und erlebnisanalytisch – abgrenzbare Eigenschaften werden überprüft, z. B. Gedächtnis, verbale Fähigkeiten, Formauffassung, Motivation, Geltungsstreben.

Zusammenfassend kann Folgendes hervorgehoben werden:

Ein psychologischer Test

1. ist ein Beobachtungs- oder Prüfsystem.

2. richtet sich auf eine Verhaltensstichprobe, die möglichst exakt einen Teilbereich einer Persönlichkeit erfassen soll. Dabei wird der Verhaltensausschnitt, den der Test intendiert, umso enger sein, je exakter der Test misst. Eine Ergänzung, Bekräftigung oder Zurückweisung eines Ergebnisses wird jedoch durch weitere Verfahren notwendig sein. Deshalb braucht man auch mehrdimensionale oder multidimensionale Tests; z. B. wird, wenn man Intelligenz etwa als ein zusammengesetztes Merkmal betrachtet, nicht ein eindimensionales Verfahren genügen.

3. klassifiziert eine Person innerhalb einer Gruppe oder stuft quantitativ auf einer Skala ein.

4. will Aussagen über zukünftiges Verhalten machen. Die Frage lautet vor allem auch im sonderpädagogischen Bereich: Mit welcher Sicherheit kann er das? Kann er das überhaupt?

Im Bereich der sonderpädagogischen Förderdiagnostik ergibt sich vor allem ein Problem aus der Tatsache, dass aus den wenigen Beobachtungs- und Testdaten, die ja nur eine kleine Stichprobe aus dem Gesamtverhalten (zum Beispiel aus dem schulischen Bereich, Motorik, Wahrnehmung)darstellen, die leider noch zu häufig in „unverantwortlich kurzer Zeit“gewonnen werden, dass eben aus diesem relativ kleinen Verhaltensausschnitt Aussagen über das Verhalten in einer ähnlichen oder einer anderen Situation erfolgen sollen, in der das Kind vielleicht ganz anders engagiert und motiviert ist. So steht der diagnostizierende Pädagoge zum Beispiel vor der nahezu unlösbaren Aufgabe abzuschätzen, wie sich ein Kind aufgrund der aus der Untersuchungssituation hervorgehenden Fördervorschläge oder irgendwelcher Umschulungsmaßnahmen in seiner zukünftigen Umwelt entwickeln und verhalten wird.

Wenn wir auf die ursprüngliche Intention von Tests zurückgehen, so können wir feststellen, dass von einer momentanen gegenwärtigen Leistung eines Probanden über die erfolgten Leistungen einer Bezugsgruppe, an der der Test in der Eichstichprobe normiert wurde, auf die zukünftigen Leistungen des zu Untersuchenden geschlossen wird. Das Problem liegt darin, dass das zukünftige Verhalten eines Kindes aber nicht von der Standardbezugsgruppe, sondern von inneren und äußeren Bedingungen der individuellen Situation wie etwa Motivation, Angst, Freude, Frustration abhängt. Gerade die genannten Bedingungen müssen bei irgendwie beeinträchtigten, entwicklungsgefährdeten Kindern als häufig unstabil oder nur schwer fassbar angesehen werden.

Aufgrund der Testdefinition hätte man zunächst den Eindruck gewinnen können, es könnten mit Hilfe dieser Verfahren klare und gesicherte Aussagen erfolgen. Die Analyse von Tests, Testsituationen und Testergebnissen führt dann jedoch zu einigen Unsicherheiten.

Einige Probleme und Fehlerquellen bei der Verwendung von Tests sollen deshalb zunächst punktuell angesprochen werden. Es handelt sich um einige ungelöste Testprobleme, deren Kenntnis für den Untersucher wichtig ist.

Selbst wenn ein Test alle Definitionsmerkmale von Lienert enthält, können Fehler nicht ausgeschlossen werden. So könnte Angst bei Tests, die Leistungen fordern, das Zustandekommen eines optimalen Ergebnisses verhindern. Gerade bei lern- und leistungsgestörten Kindern könnte eine volle Leistungsentfaltung sowohl in der Schule als auch bei einem Leistungstest infolge Angst, mangelnder Motivation oder auch aus neurotischen Gründen unmöglich werden.

Zufällige Fehler können ein Testergebnis verfälschen, z. B. wenn ein Kind eine Anweisung (Instruktion) nicht richtig verstanden hat. Der häufig unter Zeitdruck stehende Lehrer für Sonderpädagogik könnte möglicherweise übersehen, dass ein Kind einer Instruktion nicht folgen konnte. So besteht beispielsweise auch bei dem Motoriktest LOS KF-18 und vor allem bei einigen Untertests der Testbatterie für Geistigbehinderte (Befolgen von Anweisungen, Hamburger Version der Lincoln-Oseretzky-Skala), aber auch bei anderen „gängigen“ Testverfahren die Gefahr, dass Kinder die Anweisung nicht verstehen, dass sie gar nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird.

Ein weiterer gravierender Fehler entsteht, wenn etwa ein falscher Test zur Erfassung eines bestimmten Merkmals angewendet wird oder wenn die Testergebnisse falsch interpretiert werden. So wäre es völlig unzulässig, wenn man nach der Verwendung eines Intelligenztests behaupten würde, dass die gezeigte Leistung angeboren sei.

Eine weitere Fehlerquelle stellt die Bekanntheit eines Tests dar. Es könnte z. B. sein, dass einige Eltern, die ihre Kinder einschulen wollen, erfahren haben, welche Aufgabenstellungen im Schulreifetest gefordert werden. Sie konnten ihre Kinder entsprechend einstellen. Der Test wird dann nicht mehr unter Standardbedingungen durchgeführt, weil von einigen Kindern die Lösung von Aufgaben trainiert werden konnte, während andere – mangels Kenntnis – dazu nicht in der Lage waren. Ähnlich könnte es sein, wenn ein Kind wiederholt mit dem gleichen Intelligenztest konfrontiert wird.

Jeder Pädagoge, der verantwortungsbewusst Tests durchführt, auswertet, interpretiert, aus den Ergebnissen Schlüsse zieht, sollte sich der genannten Implikation bewusst sein. Ein kritischer Umgang mit psychologischen Tests erweist sich prinzipiell als notwendig.

4.1.1 Bestandteile eines Tests

Zu den gebräuchlichen Tests gehören einige notwendige Bestandteile. G. A. Lienert teilt ein in Materialbestandteile und Durchführungsbestandteile (1998, 5 f.).

Die Materialbestandteile eines Tests werden auch „Testrequisiten“ genannt. Bei den standardisierten Testverfahren ist die Durchführung eines Tests ohne diese Requisiten nicht möglich. Zu ihnen gehören:

1. das Testhandbuch oder Testmanual (engl.). Es enthält gewöhnlich eine kurze Beschreibung des Tests und eine Darstellung der theoretischen Grundlagen, Hinweise werden gegeben für die Durchführung und für die Interpretation anhand von Normen.

Für den sonderpädagogischen Bereich wäre es dringend erforderlich, dass im Zusammenhang mit den Normen und Interpretationshinweisen auch die aufgrund der Ergebnisse angezeigten Fördermaßnahmen (Trainingsschwerpunkte, Übungen, Therapiemaßnahmen …) zumindest punktuell angeführt werden.

2. das Testmaterial zur Durchführung und Auswertung eines Tests. Hierzu gehören Testhefte, manipulierbare Gegenstände (Klötzchen, Bälle, Bildmaterial …) Unterlagen zur Bearbeitung und Verarbeitung der Testergebnisse.

3. die Auswertungshilfen; gemeint sind Kontrollblätter, Loch- und Klarsichtfolien, Schablonen, Messgeräte. (Bei einigen Tests kann auch über die Verlage eine Auswertung mittels Computer erfolgen.)

Nach dem Testverlauf und methodisch lassen sich die Durchführungsbestandteile wie folgt anführen:

1. Die Testanweisung oder Instruktion des Testleiters (Tl). Zum einen wird der Tl informiert über Bedingungen, Durchführung und Auswertung des Tests, zum anderen aber auch der Proband (Pb) (oder eine Gruppe von Probanden [Pbn]) über die Testleistung, die von ihm gefordert wird. Der Pb kann sich in gewisser Weise auf die Testaufgaben einstellen.

Für die sonderpädagogische Diagnostik wird im Hinblick auf die besonderen Probleme der Kinder gefordert, dass Instruktionen möglichst kurz und verständlich formuliert werden. Es wäre durchaus denkbar, dass Alternativmöglichkeiten von Instruktionen für beeinträchtigte Kinder angeboten werden (ähnlich den Instruktionen für Kinder und Erwachsene), damit eine gewisse Objektivität der Bedingungen gewahrt bleibt; denn es wäre möglich, dass ein Kind eine Leistung deshalb nicht vollbringen kann, weil es eine Instruktion nicht versteht und vielleicht die wesentlichen Momente gedächtnismäßig nicht behalten kann.

2. Die Testdurchführung kann z. B. bestehen in einer geistigen Tätigkeit (logisch-mathematisches Denken, Gedächtnisleistungen, verbale Aufgaben …), in einer motorischen Reaktion (Feinmotorik: Kreise punktieren, Figuren ausschneiden, Zeichnen, Perlen in eine Schnur fädeln; Grobmotorik: Hüpfen mit beiden Beinen, Luftsprung mit Klatschen …), in einer Stellungnahme (Fragebogen) zu einer Verhaltens-, Erlebnis- oder Einstellungsfrage.

3. Die Testauswertung kann durch Auszählen, auf schematische oder automatische, aber auch intuitive Weise (z. T. bei projektiven Verfahren) erfolgen (s. auch Auswertungshilfen).

4. Die Interpretation (sie findet allerdings erst nach der Testdurchführung statt).

4.1.2 Phasen des testdiagnostischen Prozesses

Um die Bedingungen für alle zu untersuchenden Personen gleich zu halten, muss der Ablauf eines testdiagnostischen Prozesses genau festgelegt sein. Ein Test sollte allen Pbn in der gleichen Weise angeboten werden. Diese Forderung ist wohl optimal und ideal nur theoretisch erfüllbar, in der Praxis werden vollständig standardisierte (gleiche) Testbedingungen kaum realisierbar sein.

Im Zusammenhang mit Tests wurde bereits auf einige Fehlerquellen verwiesen. Im Hinblick auf die Bedingungen einer Testdurchführung muss auf weitere Fehlerquellen hingewiesen werden. Auf eine systematische Darstellung der Beeinflussung von Testergebnissen muss hier jedoch verzichtet werden. Hier nur einige wichtige Aspekte zu dieser Problematik.

Beeinflussend können wirken die Art der Darbietung der Instruktion (Betonungen, Monotonie, Verständlichkeit der Sprache), jede soziale und kommunikative Interaktion zwischen Tl und Pb, weitere Momente wie Beleuchtung, Lärm, Intaktheit des Testmaterials …

Der ideale Diagnostiker und der ideale Proband sind wohl Fiktionen. Im Zusammenhang mit Versuchsbedingungen bringt bereits M. Sader zum Ausdruck: „Es gibt wohl kaum eine nennenswerte Versuchsbedingung, die nicht schon einmal planmäßig variiert worden wäre und von der man nicht gefunden hätte, daß ihre Variation die Versuchsergebnisse merklich beeinflussen kann“ (Sader 1957, 54)

Um Fehler zu vermeiden oder weitgehend einzuschränken, ist eine größtmögliche Festlegung des testdiagnostischen Prozesses nötig. Gewöhnlich werden vier Phasen unterschieden: Provokation, Registrierung, Auswertung und Interpretation:

1. Die Provokation fordert infolge einer bestimmten Reizkonstellation den Probanden zu einem Verhalten heraus. Die Provokation kann geschehen z. B. durch eine Frage, durch die Aufforderung, etwas zu tun (verbal, zeichnerisch, motorisch). Sie wird allgemein durch die Instruktion eingeleitet.

2. Die Registrierung gehört zu den Aufgaben des Tl oder eines Helfers (Protokollant, weiterer Beobachter). Die Art der Registrierung des gezeigten Verhaltens (Reaktion des Pb auf die Provokation) ist in den jeweiligen Testhandbüchern vorgegeben. Gewöhnlich werden die Aspekte des Testverhaltens registriert, die für die Diagnose eine Bedeutung haben. Beim von Behinderung bedrohten oder offensichtlich behinderten Kind wird es jedoch wichtig sein, nicht nur die Momente festzuhalten, die später in die Testauswertung eingehen, vielmehr sollte die Registrierung nahezu aller Verhaltensweisen in der Testsituation erfolgen.

Dies kann auf schriftliche Weise, per Tonbandgerät (Verbalverhalten), im Idealfall mit Hilfe einer Videoaufzeichnung (falls der Pb dadurch nicht beeinflusst wird), geschehen. Manchmal können durch die Verhaltensbeobachtung bei Individualverfahren (von einem Tl kann nur ein Pb getestet werden) erste vorsichtige Schlüsse auf die Ursachen etwa einer Leistungsstörung gezogen werden. Beobachtet werden könnten z. B. Ängstlichkeit, Gehemmtheit, Aggressivität (allg. Verhaltensstörungen), Motorik, Sprache. Aus der Verhaltensbeobachtung können sich ferner Hinweise auf die zusätzliche Einbeziehung spezieller Testverfahren ergeben. Es kann wohl gesagt werden, dass die bei uns üblichen Verfahren zur Erfassung der Intelligenz eine exakte Registrierung der Antworten nötig machen. Grundsätzlich muss auf die Objektivität der Registrierung geachtet werden, d. h., dass verschiedene Testleiter dasselbe Testverhalten eines Pb in identischer Weise registrieren.

3. In der Auswertung werden die registrierten Verhaltensdaten aufbereitet. Dieser Vorgang kann von Test zu Test sehr verschieden sein. Es geht manchmal um die Häufigkeit bestimmter Reaktionen, manchmal um die Feststellung, wie viele Antworten richtig oder falsch sind. Schwierig wird die Auswertung bei Testverfahren, bei denen die Entscheidung der Bewertung subjektiven Einflüssen eines Tl unterliegt (Kreativität). Zu den wohl schwierigsten – aber auch umstrittensten Verfahren gehören die sogen. „projektiven Verfahren“. Bei den meisten Tests „objektiver“ Art ergibt sich zunächst ein Rohwert, der dann mit Hilfe von Tabellen umgerechnet wird, sodass der Vergleich der individuellen Testergebnisse mit den Daten eines repräsentativen Querschnitts aus der Population (Gruppe, welcher der Proband angehört) möglich wird (Normdaten).

4. In der Interpretationsphase schließlich werden die diagnostischen Schlussfolgerungen aus dem bereits aufbereiteten Datenmaterial gezogen. Mit Schlussfolgerungen ist gemeint, dass zuverlässige Aussagen erfolgen können über zukünftiges Verhalten, z. B. über Fähigkeiten (logisches Denken, Rechnen, Konzentration, Gedächtnis) oder über sonstige Persönlichkeitseigenschaften.

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9783846352861
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