Читать книгу: «Lives Collide», страница 6
Nach einer kurzen Pause fragt Ben: „Mit Aiden?"
„Wieso glaubst du das?", frage ich mit gerunzelter Stirn und betrachte sein Profil, während er auf die Straße sieht.
„Keine Ahnung, es war nur geraten."
Ich lehne meinen Kopf an die Kopflehne und sehe aus dem Fenster. „Aiden und ich haben uns heute Morgen gestritten. Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich all seine Anrufe ignoriert habe."
Wieso erzähle ich ihm das? Ben muss denken, dass unsere Beziehung schlecht läuft, wenn ich ihm von unserem Streit erzähle und das möchte ich nicht. Denn es läuft eigentlich gut.
„Dann solltest du ihn am besten sofort anrufen, wenn du auf deinem Zimmer bist", rät er mir. "Jemanden zu ignorieren ist noch schlimmer, als sich zu streiten, finde ich. Ich habe das immer gehasst, wenn das meine Freundin gemacht hat."
"Du hast eine Freundin?"
"Hatte", korrigiert er mich. "Wir haben uns nach drei Jahren letzten Winter getrennt. Sie war unerträglich." Er stöhnt genervt.
"Klingt nach Liebe", sage ich ironisch.
"Es war Liebe! Aber sie war total nervig. Sie hat angefangen sich die Haare blond zu färben und hat sich für nichts anderes mehr interessiert, als irgendwelche Kosmetikscheiße von Laroel oder so was."
"Ich glaube, du meinst Loreal", korrigiere ich ihn amüsiert.
"Laroel, Loreal, ist doch alles derselbe Müll. Auf jeden Fall bedaure ich es keine Sekunde, dass sie mich irgendwann betrogen hat." Er schüttelt sich kurz. "Endlich nie wieder dieser ekelige Make-Up Geschmack im Mund beim Küssen."
Ich lache und zeige auf den Parkplatz auf dem Campus. "Hier vorne kannst du halten."
Ben hält neben dem Platz, wo Aiden sonst immer hält und stellt den Motor ab. Jetzt kann ich mir das schlechte Gewissen nicht mehr ausreden.
Ich könnte Aiden verschweigen, dass ich heute mit Ben unterwegs war.
Nein, auf gar keinen Fall.
Ben und ich sind nur Freunde und ich werde Aiden nichts verschweigen und ihn nicht hintergehen indem ich ihm Dinge verheimliche. Vielleicht findet er es auch gar nicht so schlimm, da ja Ben weiß, dass Aiden und ich ein Paar sind. Ich werde es ihm auf jeden Fall sagen, wenn ich ihn gleich anrufe.
Ben hatte recht, als er sagte, dass ignorieren noch viel schlimmer ist, als streiten. Wir sind immerhin keine Kindergartenkinder.
"Danke, dass du mich mitgenommen hast", sage ich zu Ben und er nickt.
"Das ist kein Problem. Ich danke dir für den lustigen Tag." Sein Lächeln ist warm und sympathisch, wie immer.
"Ja, es war wirklich lustig." Ich lächele und öffne die Autotür.
Als ich schon draußen stehe, sagt Ben noch: "Raven, sehen wir uns denn mal wieder? Natürlich nur zu einem freundschaftlichen Kaffee."
Ich bücke mich zu ihm ins Auto. "Vielleicht statte ich dir ja im Krankenhaus mal einen Besuch ab. Natürlich nur auf freundschaftlicher Basis", zitiere ich ihn und grinse neckisch.
Er lacht leise. "Okay, das wäre toll."
Auf dem Weg in mein Zimmer gehen mir die schlimmsten Dinge im Kopf herum.
Wieso habe ich das Gefühl, dass ich Aiden hintergehe, wenn ich mit Ben rede?
Ich hatte heute immerhin nicht einmal das Gefühl, dass Ben mich anmacht und er hat selbst ständig behauptet, dass es nur auf freundschaftlicher Basis läuft. Und ich habe ihm auch keinerlei Hoffnung gemacht.
Ein klein wenig Angst staut sich in mir an, denn ich kann wirklich nicht einschätzen, wie Aiden reagieren wird, wenn ich ihm sage, dass ich mit Ben unterwegs war.
Wir müssen einfach wie zwei normale Erwachsene reden. Ja, das ist das Beste.
Seufzend stecke ich den Schlüssel in das Schlüsselloch meiner Zimmertür und öffne sie. Ich schließe sie hinter mir und werfe mein Handy, Schlüssel und Geldbeutel auf mein Bett. Als ich mich gerade auf das Bett fallen lassen will, sehe ich jemanden am Fensterbrett gelehnt.
"Wow, du hast mich erschreckt", keuche ich und halte mir die Hand über das Herz, als ich Aiden entdecke, der mich mit verschränkten Armen betrachtet.
Sein Blick sieht nicht glücklich aus.
O, nein.
"Wie bist du hier reingekommen?", frage ich unsicher und merke, wie mein Puls sich beschleunigt.
"Aby", sagt er knapp und sieht mich mit leeren Augen an.
"O", mache ich und wippe unsicher auf meinen Füßen.
Ich höre Aiden tief einatmen und er sieht auf mein Bett, auf dem meine braune Tasche liegt. "Du hast deine Tasche bei mir vergessen."
Als Danke nicke ich ihm nur kurz zu.
"Ich habe dich unendlich mal angerufen."
"Ich weiß", sage ich leise und sehe schuldbewusst auf den Boden.
"Wieso bist du nicht rangegangen?"
"Ich wollte nicht", meine ich mit zuckenden Achseln.
Er seufzt. "Raven, du kannst nicht einfach abhauen und meine Anrufe ignorieren. Und das den ganzen beschissenen Tag lang."
"Es tut mir leid, aber ich war nun mal wütend auf dich."
"Dann solltest du mit mir darüber reden und dich nicht verhalten wie ein Kind."
Ich kneife meine Augen zusammen und sehe ihn scharf an. "Ich verhalte mich nicht wie ein Kind."
Aiden verdreht die Augen und stützt sich von dem Fensterbrett ab. "Jetzt hör endlich auf ständig einen Streit zu beginnen. Willst du das nicht lieber normal klären? Wir sind keine pubertierenden Teenager mehr."
Auf einmal komme ich mir so bescheuert vor. Ich schiebe es einfach auf meine Tage.
"Okay", seufze ich ergeben und lasse mich auf mein Bett fallen. Ich will mich nicht schon wieder mit Aiden streiten, ich will ihn endlich wieder bei mir haben. Der Tag heute ohne ihn, war merkwürdig und so leer ohne ihn.
Aiden setzt sich mir gegenüber auf Abys Bett, lehnt seine Ellenbogen auf seine Knie und faltet seine Hände.
"Wo ist Aby eigentlich?", frage ich.
"Bei Andy. Sie hat mir nur ihren Schlüssel gegeben."
"Okay..." Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
"Okay", atmet er tief ein. "Also wieso bist du heute gegangen?"
"Weil du gemein warst."
"Ich war nicht gemein."
"Du hast mich nicht ernst genommen und hast Witze über meine Periode gemacht."
Seine Mundwinkel zucken. "Weil du dich aufgeführt hast, wie eine Frau in den Wechseljahren."
"Mal davon abgesehen, dass ich nun mal Hormonschwankungen habe, habe ich trotzdem genug Gründe, um mich so aufzuführen."
Kurze Stille, dann seufzt er. "Ich wollte dir die Sache mit New York noch sagen."
"Wann? Das ist schon zwei Wochen her."
"Ich... Keine Ahnung, aber ich wollte es dir nicht verheimlichen. Ich dachte, um ehrlich zu sein, nicht, dass du so ausrastest."
"Findest du, dass ich übertrieben habe?", frage ich und fühle mich plötzlich schlecht, weil ich ihn so angeschrien habe.
Er zuckt mit den Schultern. "Kann ich dir nicht sagen. Ich wüsste nicht mal, wie ich reagieren würde, wenn ich an deiner Stelle wäre."
Ich nicke leicht mit dem Kopf und sehe auf meine nervös miteinander spielenden Finger.
"Und die Sache mit dem Buch", fängt Aiden an, doch ich unterbreche ihn.
"Nein, stopp", sage ich und halt eine Hand hoch. "Darüber möchte ich nicht reden. Zumindest jetzt nicht... Irgendwie hat das einen größeren Effekt auf mich, als ich dachte."
Er lässt die Schultern hängen. "Ja, ich verstehe."
Es herrscht wieder ein kurzes Schweigen zwischen uns, dann frage ich unglücklich: "Und?... Was hältst du von New York? Ich meine, das ist eine riesige Chance für dich."
"Ich weiß", antwortet er mit einem nachdenklichen Ton.
Bei der Vorstellung, dass Aiden nach Amerika gehen wird, bekomme ich einen höllischen Schmerz in der Brust.
Wenn er tatsächlich gehen würde, dann... Ja, was wäre dann? Dann wäre ich am Boden zerstört.
Dann wäre meine Sonne weg, mein Licht, mein Atem.
Ich kann mir kein Leben ohne Aiden hier in London vorstellen. Ich werde wahrscheinlich an dem Schmerz vergehen.
"Ich weiß noch nicht, ob ich nach Amerika gehen werde, Baby", sagt Aiden einfühlsam, als er merkt, dass meine Laune von Sekunde zu Sekunde sinkt.
"Ich habe deine Anrufe nicht angenommen, weil ich mit Ben in einem Café war", flüstere ich, mein Blick auf den Boden gerichtet und meine Stimme gebrochen, gemischt mit einem schrecklichen Gewissen.
Aiden ist einfach wieder so lieb, er muss es wissen.
Doch er sieht gar nicht schockiert aus. Sein Blick ist fast schon gefühlskalt.
"Ich weiß", meint er nur neutral und sieht aus dem Fenster. "Ich habe dich gesehen, wie du aus seinem Auto ausgestiegen bist."
Ich reise entsetzt die Augen auf. Das ist ja noch schlimmer.
Er sieht wieder zu mir und lacht leise verbittert auf. "Ich habe gehofft, dass du es mir selbst sagen würdest."
"Aber das habe ich."
"Wie kam es dazu?", fragt er und gibt mir kein Stück das Gefühl, dass er sauer oder enttäuscht ist.
"Wir haben uns zufällig am Bahnhof getroffen", erzähle ich unsicher. "Und dann hat er mich gefragt und ja..."
"Und du warst noch so sauer auf mich, dass du zugestimmt hast." Ich kann seine Stimmung immer noch nicht einschätzen. Irgendetwas zwischen Gut und Böse.
Ich nicke.
Aiden atmet tief ein und aus, steht auf, stellt sich wieder ans Fenster und sieht heraus.
Kann er mir jetzt endlich einmal sagen, ob er wütend auf mich ist oder nicht? Ich fühle mich so hilflos.
"Ich will, dass du weißt, dass ich dir vertraue", sagt er bestimmend. "Aber ich will auch, dass du weißt, dass ich Ben absolut nicht ausstehen kann und ich es nicht befürworten kann, dass so etwas wie heute öfters vorkommt. Ich werde dir nicht verbieten dich mit irgendwelchen Leuten zu treffen, die du magst, aber ich will mir einfach sicher sein können, dass du weißt, wo du hingehörst."
Erleichtert atme ich aus und merke erst jetzt, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten habe. "Ich gehöre zu dir", sage ich leise und sehe auf seinen Hinterkopf.
Ich sehe ihn von hinten lächeln und stehe auf. Liebevoll lege ich meine Arme von hinten um seine Taille und presse meine Wange fest gegen seinen Rücken. "Es tut mir leid."
Ganz leicht spüre ich seine Atembewegungen an meiner Brust und ich bedaure, dass ich sein Herz nicht hören kann.
Er dreht sich zu mir um und drückt mich fest an seine Brust.
Jetzt kann ich sein Herz hören.
"Mir tut es auch leid", sagt er und küsst meinen Kopf. "Morgen darfst du wieder zu den Kursen gehen."
Ich muss schmunzeln und drücke mich noch fester an ihn. "Ich liebe dich."
Aiden lacht leise und nimmt meinen Kopf zwischen seine Hände. "Ich liebe dich", sagt er und küsst mich.
Kapitel 4
Aiden
Auf dem Weg nach Hause explodiert mein Kopf vor lauter Gedanken. Dieses scheiß Amerika. Wieso muss es unbedingt am anderen Ende der Welt liegen? Ich weiß ganz genau, dass New York noch öfter zwischen Raven und mir stehen wird und dass noch einige Diskussionen auf uns zukommen. Das macht mich nachdenklich. Als ich den Brief gelesen habe, war mein erster Gedanke: Fuck, ja, auf jeden Fall.
Allerdings kam mir schon in der nächsten Sekunde Ravens Gesicht in den Kopf und dass ich sie hier lassen muss, wenn ich tatsächlich nach New York gehe. Und das lässt die Sympathie für das Land der Träume erheblich sinken. Ich könnte ihr zwar anbieten einfach mit mir zu kommen und dort mit mir zu leben, aber das wäre zu viel. Sie würde hundertprozentig nein sagen und ich kann es ihr nicht mal verübeln. Raven ist immerhin nach London gekommen um eine erfolgreiche Schriftstellerin zu werden und nicht mir dabei zu zuschauen, wie ich ihren Traum lebe.
Es muss ätzend für sie sein, zu zusehen, wie ich das lebe, wovon sie schon von klein an träumt.
Am liebsten würde ich sie einfach mitnehmen und das Jahr mit ihr gemeinsam in New York verbringen, dann muss ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, welche Entscheidung in dem Fall die beste wäre.
Ich könnte meine Mum fragen, was das richtige wäre, doch ihre Antwort - und wahrscheinlich auch jede andere - kann ich mir schon denken. Sie würde sagen, dass ich nach Amerika gehen soll, weil ich hart dafür gearbeitet habe und es eine verdammte Riesenchance für mich ist.
Aber fuck, ich will Raven nicht verlassen müssen. Ich will mir nicht mal vorstellen, wie beschissen das wäre, wenn wir eine Fernbeziehung führen. Und die müssten wir führen, denn mich von ihr, wegen so etwas, zu trennen, sehe ich nicht ein.
Ich kann mir schon vorstellen, dass ich einen Hass auf New York entwickeln werde, weil ich weiß, dass ich mit Raven ständig nur telefonieren und skypen kann. Und dann ist da auch noch diese beschissene Zeitverschiebung.
Das wird mir alles den Schlaf rauben, wortwörtlich.
Mit schlechter Laune öffne ich die Tür meines Apartments und lasse sie unsanfter wieder zufallen wie ich es vorhatte.
Die Wohnung strahlt so etwas Leeres und Kaltes aus, wenn Raven nicht hier ist. Wie konnte ich es nur vorher ohne sie hier alleine aushalten?
Ich hänge meine Jacke auf, ziehe mir die Schuhe aus und gehe in die Küche.
Dieses scheiß Gespräch muss ich jetzt einfach hinter mich bringen.
Seufzend lasse ich mich in einen Stuhl fallen und suche in meinen Kontakten meines Handys die Nummer von Black Poe Enterprise heraus.
"Black Poe Enterprise, Sie sprechen mit Viola Lenovo", ertönt eine weibliche Stimme in der Leitung. Sie klingt alt.
Ich räuspere mich und dränge meine schlechte Laune in den Hintergrund. "Guten Tag, hier ist Aiden Bender. Ich rufe an, weil Sie -“
"Aiden Bender?", fragt sie und unterbricht mich.
Ich runzle die Stirn. "Ja, Aiden Bender."
"Ich verstehe schon. Ich verbinde sie sofort mit dem CEO Mister Black. Guten Tag, Mister Bender."
Ein weiteres Tuten ist in der Leitung, bevor ich noch etwas sagen konnte. Okay?
"Ah, Mister Bender", grüßt mich eine tiefe Männerstimme freundlich. "Schön, dass Sie uns anrufen."
"Hallo Mister Black", sage ich freundlich. "Ich würde gerne über ihr Angebot reden, das Sie mir gemacht haben."
"Natürlich, natürlich." Er scheint wirklich überaus glücklich zu sein. "Wir haben bereits alle unsere Anliegen in dem Brief erwähnt, also was möchten Sie denn gerne wissen?"
"Erst einmal würde mich interessieren wann ich nach New York kommen soll, damit wir ausführlich darüber über Ihr Angebot reden können.."
"Na am besten sofort!", lacht der glückliche Mann. "Für uns könnte es nicht früh genug sein, denn Sie sind eine große Bereicherung für unsere Firma."
Ich überlege. "Also ist das Datum irrelevant?"
"Selbstverständlich! Sie können fliegen, wann Sie möchten. Hauptsache, Sie besuchen uns überhaupt." Er lacht weiter.
Ich lache ebenfalls, einfach aus Freundlichkeit. "Das hört sich gut an. Wäre es denn möglich eine weitere Person mitzubringen?"
"Das ist gar kein Problem, Mister Bender. Die Kosten für Ihre Begleitung übernehmen wir natürlich auch."
Erleichtert atme ich aus. Wenigstens das.
Ich überlege und reibe mir das Kinn. Unter der Woche würde Raven niemals mit mir mitfliegen, immerhin will sie unbedingt zu den Kursen.
"Dann würde ich dieses Wochenende kommen und wir können über Einzelheiten sprechen. Übrigens bedanke ich mich bei Ihnen, dass Sie mir diese Ehre erweisen, immerhin hat Ihre Firma nur die besten Autoren unter Vertrag."
"Deshalb haben wir Sie ja kontaktiert. Ihr Buch ist außergewöhnlich!"
Nachdem wir aufgelegt haben, lasse ich mich erschöpft auf die Couch fallen.
Wieso muss mein Glück gleichzeitig mit so vielen Problemen in Verbindung stehen?
Insgeheim hoffe ich, dass mir in Amerika irgendetwas nicht gefallen könnte und mich davon abbringt dort hinzugehen. Vielleicht so etwas, wie ein ätzender Chef oder schlechte Bezahlung.
Allerdings war Mister Black, der Chef, wirklich nett am Telefon und was die Bezahlung angeht, bin ich mir fast sicher, dass ich mehr als zufrieden sein werde.
Argh. Ich will keine Entscheidung zwischen einer Beziehung mit Raven hier in London und meinem Traum in New York treffen müssen. Kann Black Poe nicht einfach ihren Sitz hier nach London verlegen?
Da kommt mir eine Idee. Vielleicht haben sie ja noch mehrere Firmen, die näher liegen, als New York. Es muss nicht mal hier in London sein. Einfach England würde schon ausreichen.
Voller Hoffnung hole ich mein Handy aus der Tasche und fange an zu googlen.
Dubai, Deutschland, Russland, Südafrika, Spanien,... Alles, nur nicht England. Da wäre Deutschland noch am nächsten.
Wieso zur Hölle hat man seine Firma in Spanien, aber nicht in England? Die Briten vergöttern doch Verlagsfirmen!
Ich schmeiße mein Handy in die andere Ecke der Couch und lege mir die Arme über das Gesicht.
Das alles ist ein riesiger Albtraum.
Wenn ich mir Ravens Gesicht vorstelle, wenn ich ihr sage, dass ich mich für Amerika entscheide, rutscht mir sofort das Herz bis in die Fußsohlen.
Sie meinte zwar vorhin, dass sie denkt, es wäre eine enorme Chance für mich, doch natürlich merkt jeder Vollidiot, dass sie mindestens genauso traurig ist wie ich.
Aber ich hoffe, dass sie mit mir nach Amerika fliegt und wir dort ein gemeinsames Wochenende verbringen können. Vielleicht findet sie ja so sehr Gefallen an New York, dass sie... Nein, das kann ich mir abschminken.
Ravens Traum ist hier in London. Ich sollte sie nicht zu irgendwelchen Dingen überreden, nur, weil ich sie nicht loslassen möchte.
Aber theoretisch ist es auch nur ein Jahr, und das kann schnell vorbei gehen. Ich werde wiederkommen, wir können normal hier in London leben und sie macht ihr College in Ruhe fertig.
Aber das ist auch ein Jahr, indem sie ohne mich hier ist. Was, wenn sie jemanden kennenlernt? Oder was, wenn Ben ständig um sie herum geiert?
Bei dem Gedanken an ihn, bekomme ich das kalte Kotzen. Dieser Kerl ist wirklich das letzte. Schüttelt mir an der Beerdigung von Tammy die Hand und hängt dann wieder meiner Freundin am Arsch.
Er wird auf jeden Fall ein Problem für mich sein, wenn ich nicht da bin. Aber erst einmal warte ich ab.
Raven
"Oh Mann, ich bin so aufgeregt", quietsche ich und hüpfe wie ein kleines Kind auf und ab. "Ich wollte schon immer mal nach New York!"
Aiden läuft neben mir in der Schlange, die geradewegs in das Flugzeug geht und seufzt. "Ich bin froh, wenn wir endlich da sind. Das sind unendlich viele Stunden Flug."
"Du bist echt ein Miesepeter", sage ich und verschränke augenrollend die Arme. "Aber das ist mir egal, denn ich freue mich trotzdem."
Als Aiden mich gefragt hatte, ob ich mit ihm übers Wochenende nach New York fliegen will, weil er dort sein Vorstellungsgespräch hat, konnte ich nicht anders als sofort zuzustimmen. Ich glaube, ich habe ihn mindestens eine Million Mal abgeknutscht, weil New York meine absolute Traumstadt ist. Die ganze Woche konnte ich kaum schlafen, weil ich so gespannt auf das Empire State Building, den Times Square, den Hudson River und die tausend anderen Dinge, die New York zu bieten hat, bin.
Ich fühle mich wie ein kleines Mädchen, wenn ich mir vorstelle, dass ich Aiden schon die ganze Woche das Ohr abgekaut habe, was ich unbedingt alles sehen und machen möchte, wenn wir in Amerika sind. Irgendwann habe ich mich sogar selbst genervt, deshalb nahm ich es ihm nicht mal mehr übel, als er einfach aufgehört hat mir zuzuhören und nur noch ein "Hm", "Aha" oder "höchst interessant" von ihm kam.
Hauptsache Amerika. New York, du meine große Liebe, ich bin so bereit für dich!
"Schönen Abend", grüßt uns die Stewardess mit einem der üblichen Stewardess-Lächeln, als wir uns gerade in unsere Sitze setzen. "Wir starten in fünfzehn Minuten, kann ich Ihnen schon etwas zu trinken anbieten?"
Hoch lebe die erste Klasse. In der zweiten Klasse hätten wir nicht so einen Service sondern müssten erst einmal Stunden auf Getränke warten.
Ich sehe zu Aiden, der sich gerade den Anschnallgurt fest um die Hüfte bindet. Ein wenig zu fest.
"Müssen wir die Getränke bezahlen?", frage ich ihn mit dem Blick auf den Gurt, der ihm in die Magengegend drückt.
"Mister Black Poe übernimmt die Kosten, Miss", beantwortet die Stewardess meine Frage.
Ich sehe zu ihr und grinse. "Sehr gut, dann nehme ich ein Glas Champagner."
Sie nickt. "Gute Wahl. Sir, was kann ich Ihnen bringen?", sagt sie zu Aiden.
Er legt seinen Kopf in die Kopflehne und sagt seufzend: "Einen doppelten Scotch."
Als die Stewardess abdampft um andere Gäste mit ihrem Stewardess-Lächeln zu beglücken, betrachte ich Aiden skeptisch. "Ist alles okay bei dir?"
"Alles bestens", sagt er und schließt die Augen. Seine Schultern sind total verkrampft und angespannt.
Jetzt verstehe ich. Aiden hat Flugangst!
Wissend grinse ich und lege mich ebenfalls zurück. "Schade, dass die erste Klasse immer vorne ist. Bei einem Flugzeugabsturz ist es hinten immer am sichersten, habe ich mal in einer Dokumentation gesehen."
Aiden öffnet schlagartig die Augen und ich sehe ihn von der Seite schlucken. "Ach wirklich?", fragt er mit krächzender Stimme und versucht sich nichts anmerken zu lassen.
"Ja wirklich. Vorne ist es so gut wie unmöglich zu überleben, wenn wir in Turbulenzen geraten würden. Vor allem, wenn einem die Triebwerke das Gesicht wegbrennen", erzähle ich locker und schließe die Augen.
Ich höre ihn leise und erschrocken nach Luft ringen und etwas wie "Oh Gott" murmeln.
"Ähm, meinst du nicht wir sollten eventuell - vielleicht - nur wenn du möchtest - einfach aus Sicherheitsgründen - doch in die zweite Klasse? Und, ähm, das ist auch ziemlich teuer für Black Poe und ich will nicht, dass dir was passiert", stottert er unsicher und versucht selbstbewusst zu klingen.
Aiden hat tatsächlich Flugangst, das ist ja Wahnsinn.
Amüsiert öffne ich meine Augen und lehne mich wieder nach vorne zu ihm. "Hast du etwa Flugangst?" Ich versuche möglichst unwissend zu klingen.
"Flugangst?", lacht er nervös auf und reibt sich unauffällig seine schwitzenden Handflächen an der Jeans ab. "Pah, neee!"
"Weiß nicht." Ich zucke lässig mit den Schultern. "Aber wenn du keine hast, dann kann ich dir ja sagen, dass bei Flügen von England nach Amerika bisher die meisten Unfälle passiert sind, weil über dem Atlantik die meisten Gewitter sind. Aber zum Glück sieht die Wettervorhersage bisher gut aus."
Mit großen Augen lehnt er sich wieder zurück und starrt auf den Sitz vor sich.
"Ihre Getränke", sagt die Stewardess und reicht mir meinen Champagner und Aiden seinen Scotch.
"Vielen Dank." Ich lächele ihr freundlich zu und stelle Aiden den Scotch auf den kleinen Tisch vor sich. "Bitte schön."
Schnell greift er danach und kippt es in einem Zug runter. Als er es hinstellt verzieht er angeekelt sein Gesicht, lehnt sich dann aber wieder angespannt zurück.
"Jetzt sollte die Flugangst verschwinden, huh?", necke ich ihn und trinke einen Schluck von dem Champagner, der übrigens köstlich schmeckt. Er kostet bestimmt Unmengen von Geld.
Aiden seufzt. "Ich hasse fliegen einfach. Es ist die reinste Folter!"
"Du darfst meine Hand halten, wenn du dir vor Angst in die Hosen machst."
Er sieht mich mit scharfem Blick an.
"Was denn?", frage ich grinsend. "Ist doch nicht schlimm, wenn du Flugangst hast!"
"Ich habe keine Flugangst, ich mag einfach nur keine Flugzeuge."
Mit der Zunge schnalzend lehne ich mich wieder zurück und schließe die Augen. "Typische Menschen mit Flugangst", murmle ich noch leise, bevor ich eindöse.
"Raven!" Jemand pikst ständig in meine Wange. "Raven, wach sofort auf!"
Verschlafen öffne ich die Augen und sehe unmittelbar in Aidens grüne Augen, die mich mustern.
"Was ist denn los?", gähne ich und richte mich auf. "Sind wir schon abgestürzt?"
Es ist drei Uhr nachts und Aiden hat noch nicht einmal geschlafen, wir fliegen schon sechs Stunden lang.
Er schüttelt nervös mit dem Kopf und deutet nach vorne. "Noch nicht, aber gleich! Guck doch!", flüstert er hektisch und nickt zum Cockpit.
Mit zusammengeschobenen Brauen sehe ich an den Sitzen vorbei, durch den Gang zum Cockpit. Dort sind zwei Stewardessen. Eine steht und füllt gerade Kaffee in einen Becher und die andere sitzt auf einem kleinen Einzelsitz an der Wand.
"Was ist denn da?", frage ich mit dem Blick immer noch suchend nach vorne gerichtet.
Aiden beugt sich zu mir und sieht jetzt mit mir nach vorne. "Die Stewardess", sagt er leise. "Sie guckt schon die ganze Zeit total angespannt und jetzt sitzt sie auch noch angeschnallt in einem Sitz! Das bedeutet, wir werden gleich in einen Sturm kommen und - Oh Gott, jetzt betet sie auch schon."
Die Stewardess hat einfach ihre Hände gefaltet und die Augen geschlossen. Wahrscheinlich will sie schlafen.
Oh Mann. Das ist schon das vierte Mal, dass Aiden mich weckt, weil er denkt, wir stürzen ab. Dieses Mal macht er die Stewardess dafür verantwortlich und vorhin war es ein Mann mit Kopftuch, bei dem er dachte, er hätte hundertprozentig eine Bombe unter seiner Haube versteckt.
Ich sehe ihn belustigt an und setze mich wieder richtig hin. "Aiden, alles ist gut, wir stürzen nicht ab. Sie schläft doch nur."
Er setzt sich ebenfalls wieder richtig hin und sieht mich skeptisch an. "Bist du dir sicher? Ich bin doch noch viel zu jung, um diese Welt zu verlassen." Gleich weint er bestimmt.
"Baby", lache ich und nehme seine Hand. "Ich verspreche dir, dass wir nicht abstürzen. Und wenn doch und wir sterben, dann kannst du mich töten."
Nach einer kurzen Pause, in der er mich böse angefunkelt hat, sagt er: "Ich rede jetzt nicht mehr mit dir." Eingeschnappt zieht er seine Hand aus meiner und verschränkt die Arme, sieht aus dem Fenster.
Amüsiert schmunzele ich und lehne mich wieder zurück. "Dann kann ich wenigstens schlafen."
Als wir - zu Aidens Glück - endlich in New York gelandet sind, haben wir uns gleich auf den Weg mit einem typischen New Yorker Taxi zu unserem Hotel gemacht.
Meinen Blick kann ich von den ganzen Hochhäusern und vielen Gassen nicht lassen, als wir durch die Straßen sausen. Es hupt wirklich durchgehend irgendwer und der Verkehr ist das reinste Chaos. Hier ist es tatsächlich genauso wie in den ganzen Hollywoodstreifen. Ständig ertönen Polizeisirenen und überall sind tausende von Leuten. Selbst morgens um sieben Uhr scheinen die Menschen nichts Besseres zu tun zu haben, als über die verschiedenen Avenues zu laufen.
Im Großen und Ganzen ist es genau so, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Vielleicht sogar noch besser.
Wie nicht anders erwartet, kommen wir an einem extrem edlen Hotel an, das sogar genau am Central Park liegt. Die Türen sind vergoldet und der Boden aus Marmor. Es ist wie im Paradies.
Aiden ist jetzt auch wieder besser drauf, als er endlich festen Boden unter den Füßen hat und scheint genauso verliebt in die Stadt zu sein wie ich, denn sein Blick ist auch die ganze Zeit zu den Wolkenkratzern im Himmel gerichtet.
Doch trotz den vielen aufregenden Sachen legen wir uns erst mal für ein paar Stunden schlafen, denn Aiden hat den ganzen Flug kein Auge zugemacht, weil er zu sehr damit beschäftigt war, Angst zu haben und hat mich damit die meiste Zeit selbst wachgehalten.
Aiden
"Selbst das Essen ist so, wie ich es mir vorgestellt habe", schwärmt Raven und sieht auf ihren Burger, der aussieht wie ein verdammtes Kunstwerk.
"Ein vegetarischer Burger kann nie gut sein", necke ich sie und beiße in meinen eigenen Burger.
Selbst der billigste Burger in New York schmeckt abgöttisch gut und das geht mir gehörig auf die Nerven. Diese Stadt hat mir schon von der ersten Sekunde an den Atem geraubt und mich einfach komplett fasziniert mit so vielen unterschiedlichen Menschen und Ecken.
Es ist fast unmöglich für mich, diese Stadt nicht zu mögen.
Ich hatte gehofft, dass mich der Verkehr wenigstens irre machen würde, doch nicht mal der stört mich. Es macht New York einfach noch viel interessanter. Sogar jede einzelne Seele ist verdammt freundlich gegenüber den anderen.
Jetzt bleibt mir nur noch übrig zu hoffen, dass morgen irgendetwas schief geht, wenn ich bei Black Poe bin. Ansonsten komme ich wohl nicht drum herum, hier her zu kommen.
"Burger können auch ohne Fleisch gut schmecken", meint Raven und beißt genüsslich in ihr Burger artiges Ding. Sie wischt sich über die Mundwinkel. "Was machen wir heute Abend noch?"
Ich sehe sie mit erhobener Braue an. "Als ob du das noch nicht raffiniert durchgeplant hättest."
Jetzt grinst sie breit. "Okay, also ich hatte gedacht, dass wir nach dem Essen entweder zum Times Square gehen oder eventuell auf das Empire, immerhin soll die Aussicht von oben richtig schön sein. Gerade, wenn es dunkel ist. Aber das ist auch extrem weit und ich weiß nicht, ob so spät noch die Busse fahren. Theoretisch könnten wir auch einfach in einen typischen New Yorker Pub und die typischen New Yorker Menschen beobachten. Aber Moment Mal! Wir sind ja noch gar nicht einundzwanzig. Ach, Mist ... Das habe ich gar nicht bedacht." Sie seufzt enttäuscht. "Aber egal. Dann würde ich sagen, dass wir einfach meinen vorherigen Plan befolgen und zum Empire State Building gehen. Was sagst du?"
"Ich wage es zu behaupten, dass meine Meinung hier irgendeinen Funken von Anspruch hat", sage ich mit zuckenden Mundwinkeln.
"Du hast Recht." Grinsend beißt sie wieder in ihren Burger. "Also das Empire. Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin!"
Ich lache. "Doch, glaub mir, das kann ich. Ist ja nicht so, als hättest du mir nicht schon die ganze Woche davon erzählt."
Raven ignoriert meine Worte und fängt wieder an zu schwärmen: "Oh Mann, ich meine, wenn ich mir vorstelle wie schön der Ausblick einfach sein muss, wenn man über die beleuchteten Straßen sieht und einfach -"
Ich schalte wieder ab. Dieses ganze Geschwärme über die Aussichtspunkte, Sehenswürdigkeiten und tausend verschiedenen Möglichkeiten kann ich mir einfach nicht mehr anhören. Außerdem ist es sowieso immer das Gleiche, das sie erzählt.
Aber es freut mich, dass sie New York so zu lieben scheint. Sie geht hier richtig auf und strahlt nur noch den ganzen Tag. Besser kann ich mir das Wochenende eigentlich gar nicht vorstellen.
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