Читать книгу: «Perelandra», страница 2

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Dann, mit einem Geräusch wie aus einer anderen Welt, öffnete sich die Tür; ich hörte das Scharren von Stiefeln auf dem Fußabstreifer, und in der Türöffnung vor dem grauen Nachthimmel sah ich Ransoms dunkle Silhouette. Wieder kam aus der Lichterscheinung das Sprechen, das keine Stim-me war, und anstatt einzutreten, blieb Ransom auf der Fußmatte stehen und antwortete. Beide redeten in einer fremdartigen, vielsilbigen Sprache, die ich noch nie gehört hatte.

Ich will gar nicht versuchen, die Gefühle zu entschuldigen, die in mir aufkamen, als dieses nichtmenschliche Ding meinen Freund ansprach und dieser ihm in der nichtmenschlichen Sprache antwortete. Sie sind im Grunde unentschuldbar; aber wer glaubt, sie wären in einem solchen Augenblick unwahrscheinlich, der kennt weder die Weltgeschichte richtig noch sein eigenes Herz. Ich empfand Unmut, Entsetzen und Eifersucht. Am liebsten hätte ich geschrien: »Lass doch deinen Schutzgeist, verfluchter Magier, kümmer dich endlich um mich!«

Doch wirklich sagte ich: »Ah, Ransom. Gott sei Dank, dass Sie da sind!«

2 _______

Die Tür fiel zu (zum zweiten Mal an diesem Abend), und nach kurzer Suche hatte Ransom eine Kerze gefunden und angezündet. Ich sah mich schnell um, konnte aber niemanden außer uns beiden sehen. Das Auffälligste im Raum war der große weiße Gegenstand. Jetzt konnte ich seine Form genau erkennen. Es war eine große, sargähnliche Kiste, und sie war offen. Auf dem Boden daneben lag der Deckel, über den ich wahrscheinlich gestolpert war. Beides bestand aus demselben weißen Material, das wie Eis aussah, doch trüber war und weniger glänzte.

»Mein Gott, bin ich froh, dass Sie hier sind!«, sagte Ransom. Er kam auf mich zu und gab mir die Hand. »Ich hatte Sie vom Bahnhof abholen wollen, aber alles musste in solcher Eile vorbereitet werden, und im letzten Moment musste ich noch nach Cambridge. Ich hatte wirklich nicht die Absicht, Sie diesen Weg allein machen zu lassen.« Dann merkte er offenbar, dass ich ihn noch immer ziemlich benommen an sah, und fügte hinzu: »Sagen Sie – es fehlt Ihnen doch

nichts, oder? Sie sind ohne Schaden durch die Sperre gekommen?« »Die Sperre? Ich verstehe nicht.«

»Ich dachte, Sie hätten vielleicht Schwierigkeiten gehabt, hierher zu kommen.«

»Ach, das!«, sagte ich. »Sie meinen, es waren nicht bloß meine Nerven? War da wirklich etwas?«

»Ja. Die anderen wollten nicht, dass Sie kommen. Ich habe schon befürchtet, dass so etwas passieren würde; aber ich hatte keine Zeit, etwas zu unternehmen. Außerdem war ich ziemlich sicher, dass Sie irgendwie durchkommen würden.«

»Wen meinen Sie mit den anderen? Unsere irdischen Eldila?«

»Natürlich. Sie haben Wind bekommen von dem, was hier vorgeht …«

Ich unterbrach ihn. »Um die Wahrheit zu sagen, Ransom, die ganze Sache beunruhigt mich von Tag zu Tag mehr. Auf dem Weg hierher ging mir durch den Kopf …«

»Oh, sie setzen Ihnen alle möglichen Dinge in den Kopf, wenn Sie es zulassen«, sagte Ransom leichthin. »Am besten ist es, sich nicht darum zu kümmern und einfach weiterzugehen. Versuchen Sie nicht, ihnen zu antworten. Sie verwickeln Sie dann gern in endlose Diskussionen.«

»Aber sehen Sie«, sagte ich, »dies ist kein Kinderspiel. Sind Sie ganz sicher, dass dieser Herr der Finsternis, dieser verdorbene Oyarsa der Erde, wirklich existiert? Wissen Sie genau, dass es zwei Seiten gibt, und auf welcher wir stehen?«

Er richtete plötzlich einen seiner sanften, aber seltsam Furcht erregenden Blicke auf mich.

»Sie zweifeln im Grunde an beidem, nicht wahr?«, fragte er. »Nein«, antwortete ich nach einer Pause ziemlich beschämt.

»Dann ist es gut«, sagte Ransom vergnügt. »Kümmern wir uns also um das Abendessen; dabei kann ich Ihnen dann alles erklären.«

»Was ist mit diesem Sarg?«, fragte ich ihn, als wir in die Küche gingen.

»Darin soll ich reisen.« »Ransom!«, rief ich. »Er – es – der Eldil will Sie doch wohl nicht nach Malakandra zurückbringen?«

»Nicht doch«, sagte er. »Sie verstehen nicht, Lewis. Wenn er mich nur wieder nach Malakandra bringen würde! Ich würde alles geben, was ich besitze, nur um noch einmal in eine dieser Talschluchten zu blicken und zu sehen, wie sich das herrlich blaue Wasser durch die Wälder schlängelt. Oder oben auf dem Hochland zu stehen und zu beobachten, wie ein Sorn die Hänge hinabgleitet. Oder um noch einmal einen Abend zu erleben wie jenen, an dem Jupiter aufgestiegen ist, so strahlend, dass man nicht hinsehen konnte, und an dem die Asteroiden wie eine Milchstraße waren, in der jeder Stern so hell leuchtete wie die Venus, wenn man sie von der Erde aus betrachtet! Und die Düfte! Sie wollen mir nicht aus dem Sinn. Man sollte meinen, es wäre am schlimmsten bei Nacht, wenn Malakandra am Himmel steht und ich es sehen kann. Aber nicht dann ist meine Sehnsucht am stärksten, sondern an heißen Sommertagen, wenn ich in das tiefe Blau hinaufblicke und denke, dass es dort, viele Millionen Meilen entfernt, wo ich nie, nie wieder hinkommen werde, einen Ort gibt, den ich kenne, dass dort in diesem Augenblick Blumen über Meldilorn blühen und Freunde von mir ihren Geschäften nachgehen und mich willkommen hießen, wenn ich wiederkäme. Nein, nichts dergleichen. Ich werde nicht nach Malakandra geschickt. Mein Ziel ist Perelandra.«

»Das, was wir Venus nennen?« »Ja.« »Und Sie sagen, Sie würden dort hingeschickt?«

»Ja. Vielleicht erinnern Sie sich, dass Oyarsa mir vor meiner Rückkehr von Malakandra zu verstehen gab, meine Reise könnte der Beginn eines neuen Abschnitts sein im Leben des Sonnensystems – den Gefilden Arbols. Es könnte bedeuten, sagte er, dass die Isolation unseres Planeten, die Belagerung, sich ihrem Ende nähere.«

»Ja, ich erinnere mich.« »Nun, es sieht tatsächlich so aus, als sei etwas im Gange. Zum einen nehmen die beiden Seiten, wie Sie sagen, hier auf Erden allmählich deutlichere Konturen an, scheinen weniger in unsere menschlichen Angelegenheiten verwickelt. Man könnte sagen, sie beginnen, Farbe zu bekennen.«

»Ja, den Eindruck habe ich auch.«

»Zum anderen plant der Schwarze Statthalter – unser verbogener Oyarsa – irgendeinen Angriff auf Perelandra.«

»Aber kann er sich denn frei im Sonnensystem bewegen? Wie kommt er dort hin?«

»Genau das ist der springende Punkt. In seiner eigenen Gestalt kann er sich nicht dort hinbegeben. Wie Sie wissen, wurde er lange vor der Entstehung menschlichen Lebens in die Grenzen dieses Planeten verwiesen. Wenn er sich außerhalb der Mondbahn blicken ließe, würde man ihn zurücktreiben – und zwar mit Gewalt. Zu einem solchen Krieg könnten Sie oder ich so wenig beitragen wie ein Floh zur Verteidigung Moskaus. Nein. Wenn er auf Perelandra Fuß fassen will, muss er es auf andere Art und Weise versuchen.«

»Und was haben Sie damit zu tun?«

»Nun – ich bin einfach hinbeordert worden.«

»Von dem – von Oyarsa?«

»Nein. Der Befehl kommt von weiter oben. Alle Befehle kommen letzten Endes von dort, wissen Sie.«

»Und was sollen Sie tun, wenn Sie da sind?«

»Das hat man mir nicht gesagt.«

»Sie werden also einfach zu Oyarsas Gefolge gehören?«

»O nein. Er wird nicht dort sein. Er wird mich zur Venus bringen – mich dort abliefern. Soweit ich weiß, werde ich danach ganz auf mich gestellt sein.«

»Aber hören Sie, Ransom – ich meine …« Die Stimme versagte mir.

»Ich weiß«, sagte er mit seinem entwaffnenden Lächeln, »es klingt absurd. Dr. Elwin Ransom im Alleingang gegen die Mächte der Finsternis. Vielleicht fragen Sie sich sogar, ob ich größenwahnsinnig geworden bin.«

»So habe ich es nicht gemeint«, sagte ich.

»Ich glaube doch. Jedenfalls habe ich selbst es so empfunden, seit ich von der Sache weiß. Aber wenn Sie es genau überlegen, ist es dann wirklich absonderlicher als das, was wir alle jeden Tag tun sollten? Wenn die Bibel vom Kampf gegen die Mächte der Finsternis und gefallene Engel spricht (unsere Übersetzung ist hier übrigens höchst irreführend), dann heißt das, dass ganz gewöhnliche Menschen diesen Kampf ausfechten müssen.«

»Nun, das mag sein«, sagte ich. »Aber das ist etwas völlig anderes. Das bezieht sich doch auf einen moralischen Konflikt.«

Ransom warf seinen Kopf zurück und lachte. »Ach, Lewis!«, sagte er, »Sie sind unnachahmlich, einfach unnachahmlich!«

»Sagen Sie, was Sie wollen, Ransom, da besteht einfach ein Unterschied.«

»Ja, das stimmt. Aber der Unterschied ist nicht so groß, dass die Vorstellung, jeder von uns könnte den Kampf womöglich in dieser und in jener Form ausfechten müssen, größenwahnsinnig wäre. Ich will Ihnen sagen, wie ich es sehe. Sie haben doch gemerkt, dass unser kleiner Krieg hier auf Erden verschiedene Phasen durchläuft, und bei jeder benehmen die Leute sich so, als werde diese Phase ewig dauern. Dabei ändert die Lage sich ständig vor unseren Augen, und die Chancen und Gefahren in diesem Jahr sind ganz andere als noch im letzten. Genauso ist Ihre Vorstellung, normale Menschen kämen nie oder höchstens auf psychologischer oder moralischer Ebene – in Form von Versuchungen und dergleichen – mit den dunklen Eldila in Berührung, einfach ein Gedanke, der während einer bestimmten Phase des kosmischen Krieges Gültigkeit hatte: nämlich während der Phase der großen Belagerung, der Phase, die unserem Planeten den Namen Thulkandra eintrug, der schweigende Stern. Aber angenommen, diese Phase ist vorbei? In der nächsten Phase kann es jedermanns Aufgabe sein, ihnen auf … nun, auf völlig andere Art und Weise gegenüberzutreten.«

»Ich verstehe.«

»Denken Sie nur nicht, ich sei auserwählt worden, nach Perelandra zu gehen, weil ich etwas Besonderes sei. Man weiß nie, oder erst viel später, warum dieser oder jener für irgendeine Aufgabe auserwählt worden ist. Und wenn man es erfährt, hat man gewöhnlich keinen Grund zur Eitelkeit. Ganz gewiss wird niemand wegen der Eigenschaften ausgewählt, die er selbst als seine besonderen Stärken betrachtet. Ich denke eher, dass ich hingeschickt werde, weil die beiden Kerle, die mich nach Malakandra entführt haben, dadurch, ohne es zu wollen, einem Menschen Gelegenheit gegeben haben, die Sprache zu lernen.«

»Welche Sprache meinen Sie?«

»Hressa-Hlab natürlich. Die Sprache, die ich auf Malakandra gelernt habe.«

»Aber glauben Sie denn, dass diese Sprache auch auf der Venus gesprochen wird?«

»Habe ich Ihnen nichts davon erzählt?«, fragte Ransom und beugte sich vor. Wir saßen jetzt am Tisch und hatten

unsere Mahlzeit aus kaltem Fleisch, Bier und Tee fast beendet. »Das überrascht mich, denn ich habe es schon vor zwei oder drei Monaten entdeckt, und aus wissenschaftlicher Sicht ist es einer der interessantesten Aspekte der ganzen Angelegenheit.

Es scheint, dass wir uns mit der Annahme, Hressa-Hlab sei die eigentliche Sprache der Marsbewohner, gründlich getäuscht haben. Eigentlich müsste man diese Sprache Alt-Solarisch nennen, oder Hlab-Eribol-ef-Cordi.«

»Was in aller Welt wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, dass es für alle vernunftbegabten Lebewesen auf den Planeten unseres Sonnensystems ursprünglich eine gemeinsame Sprache gab. Ich meine die Planeten, die immer bewohnt waren und von den Eldila die ›Niederen Welten‹ genannt werden. Die meisten Planeten waren natürlich nie bewohnt und werden es nie sein, jedenfalls nicht in unserem Sinne. Diese ursprüngliche Sprache ging auf unserer Welt, auf Thulkandra, im Verlauf der ganzen Tragödie verloren. Keine der jetzt bekannten menschlichen Sprachen hat sich aus ihr entwickelt.«

»Aber was ist mit den beiden anderen Sprachen auf dem Mars?«

»Ich muss gestehen, dass ich darüber nichts weiß. Eines jedoch weiß ich und könnte es wohl auch philologisch beweisen. Diese anderen Sprachen sind unvergleichlich jünger als Hressa-Hlab, vor allem Surnibur, die Sprache der Sorne. Ich glaube, es ließe sich zeigen, dass Surnibur eine für malakandrische Verhältnisse relativ neue Entwicklung ist. Wahrscheinlich ist es erst in einer Zeit entstanden, die etwa unserem Kambrium entspricht.«

»Und Sie glauben, auf der Venus wird Hressa-Hlab oder Alt-Solarisch gesprochen?«

»Ja. Ich kann also bereits die Sprache, wenn ich ankomme. Das macht vieles leichter, obwohl – als Philologe finde ich es eher enttäuschend.«

»Aber Sie haben keine Ahnung, was Sie tun sollen oder was für Verhältnisse Sie antreffen werden?«

»Nicht die geringste Ahnung. Wissen Sie, bei manchen Aufgaben darf man vorher nicht zu viel wissen … Vielleicht muss man Dinge sagen, die nicht richtig zur Wirkung kämen, wenn man sie vorbereitet hätte. Und was die Verhältnisse betrifft, nun, so weiß ich nicht viel. Es ist warm, und ich werde nackt sein. Unsere Astronomen wissen überhaupt nichts über die Oberfläche von Perelandra. Die äußere Schicht der Atmosphäre ist zu dick. Die Hauptfrage scheint zu sein, ob der Planet sich um seine eigene Achse dreht oder nicht, und wenn ja, mit welcher Geschwindigkeit. Es gibt zwei Theorien. Ein Mann namens Schiaparelli glaubt, der Planet brauche für eine Umdrehung um die eigene Achse dieselbe Zeit wie für eine Umkreisung Arbols – ich meine der Sonne. Die anderen glauben, er drehe sich in dreiundzwanzig Stunden einmal um sich selbst. Das ist eines der Dinge, die ich herausfinden werde.«

»Wenn Schiaparelli Recht hat, dann wäre es auf der einen Seite der Venus immer Tag und auf der anderen immer Nacht, nicht wahr?«

Er nickte nachdenklich. »Und es gäbe eine eigenartige Übergangszone«, sagte er nach kurzer Pause. »Stellen Sie sich das einmal vor. Man käme in ein Land immer währenden Zwielichts, und mit jeder Meile würde es kälter und dunkler. Und dann könnte man nicht weitergehen, weil es keine Luft mehr gäbe. Ich frage mich, ob man an der Grenze, gerade noch im Hellen, stehen und in die unzugängliche Nacht

hineinblicken könnte? Und vielleicht ein paar Sterne sehen – der einzige Ort, wo dies überhaupt möglich wäre, denn auf der Tagseite wären sie natürlich nie zu sehen … Wenn es dort eine technische Zivilisation gibt, dann haben sie vielleicht eine Art Tauchanzüge oder U-Boote auf Rädern, um auf die Nachtseite vorzudringen.«

Seine Augen blitzten, und selbst ich, der ich hauptsächlich daran gedacht hatte, wie ich ihn vermissen würde und wie wohl die Chancen stünden, ihn lebend wiederzusehen, erschauderte vor Staunen und Wissbegierde. Dann sprach er weiter.

»Sie haben mich noch nicht gefragt, welche Rolle Ihnen zufällt«, sagte er.

»Heißt das etwa, dass ich mitkommen soll?«, sagte ich und erschauderte wieder, diesmal jedoch aus den genau entgegengesetzten Gründen.

»Keineswegs. Sie sollen mich hineinpacken und zur Stelle sein, um mich bei der Rückkehr wieder auszupacken – wenn alles gut geht.«

»Einpacken? Ach so, ich hatte diese Sache mit dem Sarg vergessen. Ransom, wie um alles in der Welt wollen Sie in diesem Ding reisen? Wie wird es angetrieben? Wie steht es mit Luft – und Nahrung – und Wasser? Es bietet gerade genug Platz, dass Sie darin liegen können.«

»Der Oyarsa von Malakandra selbst wird die Antriebskraft sein. Er wird den Behälter einfach zur Venus bewegen. Fragen Sie mich nicht wie. Ich habe keine Ahnung, welche Organe oder Werkzeuge sie benutzen. Aber ein Geschöpf, das seit mehreren Milliarden Jahren einen Planeten in seiner Umlaufbahn hält, wird wohl im Stande sein, mit einer Kiste fertig zu werden!«

»Aber was werden Sie essen? Wie werden Sie atmen?«

»Er sagt, keines von beiden sei nötig. Soweit ich verstanden habe, werde ich mich in einem scheintoten Zustand befinden. Aber das ist seine Sache.«

»Und Sie sind damit einverstanden?«, fragte ich, denn wieder beschlich mich eine Art Grauen.

»Wenn Sie fragen, ob mein Verstand darauf vertraut, dass er mich (sofern kein Unfall passiert) wohlbehalten auf Perelandra absetzt, dann ist die Antwort ja«, sagte Ransom. »Wenn Sie fragen, ob meine Nerven und meine Fantasie ebenso darauf vertrauen, dann, fürchte ich, ist die Antwort nein. Man kann viel von Anästhesie halten und trotzdem in Panik geraten, wenn einem die Maske über das Gesicht gezogen wird. Mir ist zu Mute wie einem Mann, der an ein Leben nach dem Tod glaubt, zu Mute sein mag, wenn er einem Erschießungskommando vorgeführt wird. Vielleicht ist es eine gute Übung.«

»Und ich soll Sie in dieses verwünschte Ding packen?«, fragte ich.

»Ja«, sagte Ransom. »Das ist der erste Schritt. Sobald die Sonne aufgegangen ist, müssen wir damit hinaus in den Garten und es so aufstellen, dass keine Bäume oder Gebäude im Weg sind. Das Gemüsebeet ist wohl der richtige Platz. Dann lege ich mich hinein – mit einer Augenbinde, weil diese

Wände das Sonnenlicht außerhalb der Atmosphäre nicht hinreichend abhalten –, und Sie schrauben den Deckel darauf. Danach werden Sie wahrscheinlich sehen, wie das Ding davongleitet.«

»Und dann?«

»Nun, dann beginnt der schwierige Teil. Sie müssen sich bereithalten; sobald Sie verständigt werden, müssen Sie wieder herkommen, den Deckel abnehmen und mich herauslassen.«

»Wann werden Sie voraussichtlich zurückkommen?«

»Das kann niemand sagen. In sechs Monaten – einem

Jahr – zwanzig Jahren. Das ist das Problem. Ich fürchte, es ist eine ziemlich schwere Bürde, die ich Ihnen da auferlege.«

»Ich könnte in der Zwischenzeit sterben.«

»Ich weiß. Sie werden sich die Mühe machen müssen, einen Nachfolger auszuwählen, und zwar umgehend. Es gibt vier oder fünf Menschen, denen wir vertrauen können.«

»Wie wird man mich verständigen?«

»Oyarsa wird Ihnen ein Zeichen geben. Es wird unmissverständlich sein. Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Und noch etwas. Ich habe keinen besonderen Grund zu der Annahme, dass ich verletzt zurückkomme. Aber für alle Fälle – wenn Sie einen Arzt kennen, den wir in das Geheimnis einweihen könnten, wäre es vielleicht gut, ihn mitzubringen, wenn Sie kommen und mich herauslassen.«

»Käme Humphrey in Frage?«

»Genau der Richtige. Und nun zu den persönlichen Angelegenheiten. Ich konnte Sie in meinem Testament nicht berücksichtigen, und Sie sollen wissen, warum.«

»Lieber Ransom, ich habe bis jetzt noch nie an Ihr Testament gedacht.«

»Natürlich nicht. Aber ich würde Ihnen gerne etwas hinterlassen. Ich habe es aus folgendem Grund nicht getan. Ich werde verschwinden. Es ist möglich, dass ich nicht zurückkomme, und in dem Fall wäre ein Mordprozess durchaus denkbar. Wir können also gar nicht vorsichtig genug sein. Um Ihretwillen, meine ich. Und nun zu ein paar privaten Dingen.«

Wir steckten die Köpfe zusammen und redeten lange über Dinge, die man normalerweise mit Verwandten und nicht mit Freunden bespricht. Ich erfuhr sehr viel mehr über Ransom, als ich zuvor gewusst hatte, und die Anzahl merkwürdiger Menschen, die er ›für den Fall, dass ich etwas für sie tun könne‹, meiner Fürsorge empfahl, machte mir Ausmaß und Verschwiegenheit seiner Wohltätigkeit deutlich. Mit jedem Satz schienen die Schatten der bevorstehenden Trennung und eine Art Grabesstimmung drückender auf uns zu lasten. Plötzlich fielen mir alle möglichen liebenswerten kleinen Eigenheiten und Wendungen an Ransom auf, so wie sie uns bei einer geliebten Frau auffallen, bei einem Mann jedoch nur, wenn die letzten Stunden seines Fronturlaubs ablaufen oder das Datum einer möglicherweise lebensgefährlichen Operation näher rückt. Wie wir Menschen nun einmal sind, konnte ich kaum glauben, dass jemand, der jetzt so nahe, so greifbar war und mir (in gewisser Weise) zur Verfügung stand, in wenigen Stunden völlig unerreichbar wäre, nur noch ein Bild – bald sogar nur noch ein flüchtiges – in meiner Erinnerung. Und schließlich kam zwischen uns eine Art Scheu auf, weil jeder wusste, was der andere empfand. Es war sehr kalt geworden.

»Bald geht es los«, sagte Ransom.

»Erst wenn er – der Oyarsa – zurückkommt«, sagte ich, obwohl ich nun, da der Augenblick der Trennung so nahe war, wünschte, es wäre schon vorbei.

»Er hat uns gar nicht verlassen«, sagte Ransom. »Er war die ganze Zeit hier im Haus.«

»Sie meinen, er hat all diese Stunden im Nebenzimmer gewartet?«

»Nicht gewartet. Das kennen sie gar nicht. Sie und ich, wir wissen, dass wir warten, weil wir Körper haben, die müde oder unruhig werden, und darum empfinden wir das Verstreichen der Zeit. Außerdem unterscheiden wir zwischen Pflicht und Freizeit und haben daher den Begriff der Muße. Das ist bei ihm nicht so. Er war die ganze Zeit hier, aber das können Sie ebenso wenig ›Warten‹ nennen, wie Sie seine gesamte Existenz als ›Warten‹ bezeichnen können. Genauso gut könnten Sie sagen, ein Baum warte im Wald, oder das Sonnenlicht warte am Hang eines Berges.« Ransom gähnte. »Ich bin müde«, sagte er, »und Sie sind es auch. Ich werde in meinem Sarg dort gut schlafen. Kommen Sie, wir tragen ihn hinaus.«

Wir gingen ins Nebenzimmer, und ich musste mich vor der gesichtslosen Flamme aufstellen, die nicht wartete, sondern einfach war, und mit Ransom als Übersetzer wurde ich dort gewissermaßen vorgestellt und auf das große Vorhaben eingeschworen. Dann nahmen wir die Verdunkelung ab und ließen den grauen, trostlosen Morgen ein. Gemeinsam trugen wir Sarg und Deckel hinaus, die sich so kalt anfühlten, dass es uns die Finger zu verbrennen schien. Das Gras troff von Nachttau, und meine Schuhe waren sofort durchnässt. Der Eldil war mit uns dort draußen auf dem kleinen Rasenplatz; meine Augen konnten ihn im trüben Tageslicht kaum erkennen. Ransom zeigte mir die Verschlüsse des Deckels und wie er befestigt werden musste; dann standen wir eine Weile verloren herum, bis schließlich der letzte Augenblick kam. Er ging ins Haus und kam nackt wieder zum Vorschein, eine lange, weiße, fröstelnde, müde Vogelscheuche von einem Mann in der bleichen, nasskalten Morgenstunde. Sobald er in die abscheuliche Kiste gestiegen war, musste ich ihm eine dicke

Augenbinde anlegen. Dann legte er sich hin. Ich dachte jetzt nicht an den Planeten Venus und glaubte nicht wirklich, dass ich Ransom jemals wiedersehen würde. Hätte ich es gewagt, so wäre ich von dem ganzen Vorhaben zurückgetreten: Aber das andere Ding – das Wesen, das nicht wartete – war da, und die Furcht vor ihm lastete auf mir. Mit einem Gefühl, das

seitdem oft in Albträumen wiederkehrt, befestigte ich den kalten Deckel über dem lebendigen Mann und trat zurück. Im nächsten Augenblick war ich allein. Ich hatte nicht gesehen, wie er verschwand. Ich ging wieder hinein, und mir wurde übel. Einige Stunden später schloss ich das Haus ab und kehrte nach Oxford zurück.

Die Monate verstrichen, wurden zu einem Jahr und sogar noch etwas mehr. Es gab Bombenangriffe, schlimme Nachrichten und enttäuschte Hoffnungen, und die Erde war voller Finsternis und grausamer Heimsuchungen. Dann kam eines Nachts Oyarsa wieder zu mir. Humphrey und ich mussten in aller Eile aufbrechen, stundenlang in überfüllten Zügen stehen und in frühen Morgenstunden auf zugigen Bahnsteigen warten, bis wir schließlich im klaren Morgensonnenlicht in der kleinen Unkrautwildnis standen, zu der Ransoms Garten inzwischen geworden war, und einen schwarzen Punkt am Himmel sahen; und dann war die Kiste plötzlich beinahe lautlos zwischen uns herabgeglitten. Wir machten uns an die Arbeit, und nach etwa anderthalb Minuten hatten wir den Deckel geöffnet.

»Großer Gott! Ganz zerfetzt!«, rief ich beim ersten Blick ins Innere.

»Moment«, sagte Humphrey. Da begann die Gestalt in dem Sarg sich zu regen und richtete sich auf, wobei sie eine Menge rotes Zeug abschüttelte, das Kopf und Schultern bedeckt hatte und das ich im ersten Augenblick für Fleisch und Blut gehalten hatte. Als es herunterfiel und vom Wind davongetragen wurde, sah ich, dass es Blumen waren. Ransom blinzelte ein wenig, dann rief er uns beim Namen, streckte jedem von uns eine Hand entgegen und stieg heraus ins Gras.

»Wie geht es euch beiden?«, fragte er. »Ihr seht ziemlich mitgenommen aus.«

Ich schwieg einen Augenblick, verblüfft über die Gestalt, die aus diesem engen Gehäuse gestiegen war – beinahe ein neuer Ransom, strahlend vor Gesundheit, mit kräftigen Muskeln und scheinbar zehn Jahre jünger. Früher hatte er bereits ein paar graue Strähnen gehabt; doch nun war der Bart, der ihm bis auf die Brust reichte, wie aus reinem Gold.

»Oh, Sie haben sich in den Fuß geschnitten«, sagte Humphrey. Und dann sah auch ich, dass Ransom an der Ferse blutete.

»Brr, es ist kalt hier unten«, sagte Ransom. »Hoffentlich haben Sie den Boiler angezündet und heißes Wasser gemacht. Und etwas zum Anziehen könnte ich auch gebrauchen.«

»Ja«, sagte ich, während wir ihm ins Haus folgten. »Humphrey hat an alles gedacht. Ich fürchte, mir wäre es nicht eingefallen.«

Ransom verschwand im Badezimmer, ließ die Tür offen und war bald in dichte Dampfwolken gehüllt. Humphrey und ich unterhielten uns mit ihm vom Treppenabsatz aus. Wir stellten ihm so viele Fragen, dass er sie kaum beantworten konnte.

»Die Theorie von Schiaparelli ist ganz falsch«, rief er. »Es gibt dort einen gewöhnlichen Wechsel von Tag und Nacht.« Und: »Nein, meine Ferse tut nicht weh – oder jedenfalls noch nicht lange.« Und: »Danke, irgendwelche alten Sachen. Legen Sie sie einfach auf den Stuhl.« Und: »Nein, danke. Mir ist nicht nach Spiegeleiern und Schinken oder dergleichen. Obst ist nicht da, sagen Sie? Nun, macht nichts. Brot oder Haferbrei oder so etwas.« Und: »In fünf Minuten bin ich fertig.«

Immer wieder fragte er, ob es uns wirklich gut ginge, er meinte wohl, wir sähen krank aus. Ich ging hinunter, um Frühstück zu machen; Humphrey wollte bleiben und die Schnittwunde an Ransoms Ferse untersuchen und verbinden. Als er wieder zu mir kam, betrachtete ich gerade eine der roten Blüten, die in der Kiste gelegen hatten.

»Eine sehr schöne Blume«, sagte ich und reichte sie ihm.

»Ja«, sagte Humphrey und untersuchte sie mit den Händen und Augen eines Naturwissenschaftlers. »Welch außerordentliche Zartheit! Ein Veilchen wirkt daneben wie gemeines Unkraut.«

»Wir könnten ein paar von ihnen in Wasser legen.«

»Hat keinen Zweck. Sehen Sie – sie ist schon verwelkt.«

»Wie finden Sie Ransom?«

»Im Großen und Ganzen scheint er in bester Verfassung. Aber diese Ferse gefällt mir nicht. Er sagt, sie blute schon lange.«

Bald darauf gesellte Ransom sich fertig angezogen zu uns, und ich schenkte Tee ein. Den ganzen Tag und bis tief in die Nacht hinein erzählte er uns die folgende Geschichte.

765,32 ₽
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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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301 стр. 2 иллюстрации
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9783865064295
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