Читать книгу: «Seewölfe Paket 24», страница 2

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2.

Der einzige, den die emsige Betriebsamkeit überhaupt nicht zu stören schien, war Old O’Flynn. Er hatte die „Empress“ in die Bucht verholt und aus den Augenwinkeln wahrgenommen, daß es hier „ganz herrlich“ war, aber damit hatte es sich auch schon.

Na fein, dann lagen sie eben in einer geschützten Bucht und nicht mehr auf dem Präsentierteller. Auf der „Golden Hen“ kamen sie auch ohne ihn aus, Leute waren ja genug da, und so hockte Old Donegal an diesem herrlichen Vormittag an Bord seines Schiffes und grübelte, wie er schon zuvor gegrübelt hatte.

Er sah und hörte nicht, was um ihn herum vorging, denn durch seinen Schädel geisterten pausenlos Ideen, eine immer besser als die andere. Allerdings plagten ihn mitunter auch ganz abstruse Ideen, aber das entsprach eben der O’Flynnschen Persönlichkeit. Schließlich mußte man alle Möglichkeiten durchgehen.

Was den alten Knurrhahn beschäftigte und woran er sich in Gedanken so ergötzte, war der Bau einer neuen Kneipe.

Kneipe? Gott bewahre, eine „Rutsche“ mußte es sein, ähnlich wie jene auf der untergegangenen Schlangen-Insel, der er immer noch lebhaft nachtrauerte.

Hm, allerdings war das hier ziemlich schlecht, überlegte er und räusperte sich ärgerlich. Am Nordufer war ja wohl nichts mit der Errichtung einer Rutsche, das hatten die anderen Kerle bereits mit der „Golden Hen“ vereinnahmt. Außerdem war es da ziemlich flach. Wie, zum Teufel, sollte man da eine Rutsche bauen?

Der Alte hockte neben der Pantry, stierte auf die Planken und merkte nicht, daß sein Bootsmann Martin Correa schon die ganze Zeit über am Grinsen war. Heute spinnt O’Flynn wieder mal einen unsichtbaren Faden, dachte Martin. Da war er nicht ansprechbar, nicht einmal seine liebe Mary konnte ihm da ein Wort entlocken, obschon sie offenbar etwas auf dem Herzen hatte.

Ein paar Male hatte sie schon zum Sprechen angesetzt, um Old O’Flynn mit leuchtenden Augen etwas zu verklaren. Doch der hockte da und stierte weiterhin Löcher in die Luft.

„Wirklich herrlich hier“, sagte Martin, wobei er versuchte, den Alten ein wenig aus der Reserve zu locken.

„Hm, ja“, war alles, was er zu hören kriegte.

O’Flynn nahm ein Stückchen Holzkohle und zeichnete ein paar Striche auf die sauberen Planken. Nachdem er das Gekraxel ausgiebig betrachtet hatte, wischte er es wieder weg. Und weil die Holzkohle ein bißchen schmierte, gab es einen entsprechend dunklen Fleck auf den Planken.

Wieder erschien die rothaarige Mary. Sie lächelte und blickte auf ihren alten Brummbär. Ihre Zähne blitzten, doch gerade als sie etwas sagen wollte, zog Old Donegal voller Andacht und Emsigkeit neue Striche.

Auf Marys Stirn erschien eine steile Falte des Unmuts.

„Was schmierst du da ständig auf den Planken herum?“ fragte sie. „Ist das eine neue Art, den Tag zu vertrödeln? He, ich habe dich etwas gefragt, Mister O’Flynn!“

„Ja, herrlich hier“, knurrte der Alte, der überhaupt nicht zugehört hatte, „und auch schön warm.“

Sie redeten aneinander vorbei, denn Old O’Flynn hörte wieder nicht zu. Er gab lediglich nichtssagende und banale Antworten, um seine Ruhe zu haben.

„Herrlich hier und auch schön warm!“ fauchte Mary. „Was sind denn das für dämliche Antworten?“

„Ja, genau“, brummte Old O’Flynn freundlich.

Martin Correa feixte noch mehr, als Mary kopfschüttelnd mit dem Finger an die Stirn tippte. Aber es sah ganz so aus, als bahne sich bald ein handfester Ehekrach an, denn die resolute Mary ließ sich auf die Dauer nicht mit faulen Antworten abspeisen. Martin kannte das, denn die Snugglemouse konnte ziemlich heftig explodieren, und mitunter ging ihr Temperament mit ihr durch.

Aber noch beherrschte sie sich, wenn auch kopfschüttelnd. Zähneknirschend enterte sie wieder in die Pantry ab, wo sie mit Pfannen und Töpfen hantierte.

Old O’Flynn brabbelte etwas, wischte erneut die Striche aus und vergrößerte den Fleck zu einem schwarzen Gebilde. Nicht einmal die Sauerei auf den Planken störte ihn.

Etwas später lehnte er sich ein wenig zurück, starrte zuerst geistesabwesend in den Himmel und kratzte sich dann ausgiebig das Kinn.

Dann schien er aus einem Traum zu erwachen und sah sich um. Das tat er ziemlich lange und wirkte dabei erstaunt, als sei er total überrascht, in dieser Bucht zu liegen.

„Sieht ja alles ganz anders aus“, murmelte er.

„Wie meinst du das?“ fragte Martin verwirrt.

„Na – diese komische Halbinsel.“

„Aber – wir haben doch vor einer halben Stunde verholt.“

„Ach ja, richtig“, brummte Old Donegal. „Hatte ich fast schon vergessen. Klar, wir haben zur Rutsche verholt.“

„Zur Rutsche?“ fragte Martin fassungslos. Jetzt geht es bei Old Donegal wohl endgültig los, dachte er, jetzt fängt es im Gebälk an zu bröseln und zu bröckeln.

„Äh, zur Bucht natürlich. Laß mich Joch mit deinem Scheiß in Ruhe, ich habe zu tun.“

„Ich habe ja auch nichts gesagt“, brummte Martin, der mit den Schrullen und Marotten des Alten bestens vertraut war. Aber heute schien er im Kopf nicht ganz richtig zu sein.

Old Donegal sah sich jetzt aufmerksam um. Klar, sie hatten verholt, er hatte gar nicht mehr daran gedacht. Er dachte nur noch an seine Rutsche und wo und wie man sie am besten bauen konnte. Denn es war klar, daß eine Pinte her mußte. Schließlich ging es um das Wohl aller, und da durfte eine Pinte nicht fehlen. Das hatte er ja auch schon mit Hasard besprochen.

Er stierte zu der Kiefer hinüber und schrak heftig zusammen, als sich in der Krone etwas bewegte. Da tauchte eine Hand aus dem Gast auf und verschwand gleich wieder. Dann bewegten sich die Zweige, gleich darauf war alles wieder still und bewegungslos. Sekundenlang vergaß er die Rutsche.

„Wir werden beobachtet“, sagte er heiser zu Martin. „Offenbar hockt dort ein Kerl in der Kiefer. Bring mir mal die Muskete! Den knall’ ich da runter wie einen faulen Fisch.“

Martin Correa seufzte. Heute war das schon ein ganz besonderes Kreuz mit dem Alten, der blickte überhaupt nicht mehr durch und sah wieder mal Gespenster.

„Erstens einmal“, sagte er, „pflegen Fische nur in Ausnahmefällen auf Bäumen zu hocken und faule Fische schon gar nicht. Und zweitens ist das unser Ausguck, der Franzose Roger Lutz, den Jean an Land geschickt hat.“

„Und wenn es einer von den Schnapphähnen ist, der vielleicht überlebt hat?“ fragte Old O’Flynn beharrlich weiter.

„Es hat aber niemand überlebt, und ich weiß genau, daß es Roger ist, der da hockt.“

„Na schön“, brummte Old O’Flynn, „und jetzt laß mich gefälligst in Ruhe und frage mir nicht dauernd Löcher in den Bauch. Ich hab’ schwerwiegende Entscheidungen zu treffen.“

„Na, dann gut Treff, Admiral“, sagte Martin ergeben. Der Alte ging ihm heute langsam, aber sicher auf den Geist, und das wollte bei einem Mann wie Martin Correa schon viel heißen.

Old O’Flynn war wieder bei seiner Pinte, und diesen Gedanken spann er jetzt gründlich und sehr ausgiebig weiter. Erneut versank die Welt um ihn herum. Die Gesichter verblaßten zu Schemen, nur der Strand rückte klar und scharf heran.

Hm, der Südhang dieser Bucht, der kam schon eher in Frage. Sieht gar nicht so übel aus, überlegte er. Der Strand war steiler. Da bot sich eine Rutsche schon eher an.

Klar, da könnte man ein festes Pfahlhaus ins Wasser bauen, ein schönes Ding mit starken Pfählen, die man in den Grund rammen müßte.

Natürlich müßte es eine getarnte Luke im Boden haben, falls jemand wieder Stunk anfing, Carberry zum Beispiel oder der Wikinger, die schon durch die alte Rutsche auf der Schlangen-Insel gesaust waren.

Ha, da würden die Krakeeler – schwuppdiwupp – mit einem Affentempo ins Wasser sausen und konnten sich abkühlen!

Old O’Flynn lachte laut auf und rieb sich die Hände. Diese Vorstellung amüsierte ihn köstlich. Sollte der Profos nur anfangen, überlegte er, dem würde er schon zeigen, wo es langging. Wie ein Amboß würde der ins Wasser fliegen.

Er lachte so laut und meckernd, daß Martin verstört zusammenfuhr und ihm einen besorgten Blick zuwarf.

„Der wird sich noch wundern“, sagte Old Donegal laut.

Im Geiste sah er bereits einen nach dem anderen von den Banausen durch die Rutsche flitzen.

„Wer wird sich wundern?“ fragte Martin.

„Na, der Profos. Ganz große Klüsen wird der kriegen.“

Martin hatte nicht die geringste Ahnung, warum sich der Profos wundern und vor allem weshalb er „ganz große Klüsen“ kriegen würde, aber er hakte nicht mehr nach. Außerdem war der Profos auch gar nicht hier, sondern auf der „Isabella“, und die war noch unterwegs und nicht einmal in Sicht.

Er sah Old O’Flynn lange und sehr nachdenklich an.

Ist wohl besser, ihm heute aus dem Weg zu gehen, dachte er. Reden konnte man mit ihm nur Unsinn, und vielleicht kriegte er bei seinen krausen Gedankengängen etwas in den falschen Hals.

„Jaja, der Profos wird sich noch wundern“, sagte Martin beschwichtigend und verzog sich weiter nach vorn.

„Der Wikinger auch!“ brüllte Old O’Flynn und ließ wieder dieses schreckliche meckernde Lachen vom Stapel.

„Jaja, der auch“, murmelte Martin.

Old O’Flynn spann seine Überlegungen weiter. Er war gerade dabei, auszurechnen, wie tief die Pfähle seiner Pinte ins Wasser gerammt werden mußten, damit die Kneipe nicht umfiel. Natürlich durfte sie bei Hochwasser auch nicht unter Wasser stehen. Da war verdammt viel zu überlegen und zu berücksichtigen.

Wenn er dort vorn die Pfähle …

Ein Schatten fiel über die Planken und deckte gnädig den Schmierfleck zu, den Old Donegal auf den hellen Planken hinterlassen hatte.

„Donegal!“ flötete Mary leise. Diesmal klang ihre Stimme gar nicht so wie ein Reibeisen, sie klang eher samtig und weich. „Du hörst heute überhaupt nicht zu. Aber ich muß dir etwas ganz Wichtiges sagen, ja, ich muß dir etwas verkünden.“

Erwartungsvoll sah sie ihn an. Sie stand neben der Pantry und lächelte geheimnisvoll.

Wenn er dort vorn die Pfähle – mindestens sechs mußten es sein – ins Wasser rammte …

„Ich muß dir etwas ganz Wichtiges sagen“, wiederholte Mary. Ein ganz klein bißchen Reibeisen war jetzt wieder in der Stimme und auch ein wenig Ungeduld.

„Wie?“ fragte Donegal zerstreut. „Ist was?“

Mary hatte jetzt die Arme in die Hüften gestemmt. Ihre Augen blitzten, ihre Lippen wurden etwas schmaler.

Dieser Kerl hört nicht einmal zu, dachte sie erbost, der nimmt mich überhaupt nicht zur Kenntnis. Dabei hatte sie ihm wirklich etwas Wichtiges zu sagen. Da half kein Gurren, kein zartes Wort und auch kein Säuseln. Old O’Flynn mußte man auf den Amboß legen und ihm den Scheitel mit dem Vorschlaghammer nachziehen. Diese rauhe Tour verstand er vielleicht.

Er hockte immer noch desinteressiert und scheinbar dröselig herum und war am Rechnen. Ja, mindestens sechs Pfähle mußten dort ins Wasser …

„Du wirst Vater!“ brüllte Mary.

Vorn am Bug der „Empress“ zuckte Martin Correa verstört zusammen. Er zog das Genick ein und schluckte.

„Jaja, bin ich schon“, sagte Old O’Flynn lakonisch. „Sechs Pfähle“, fügte er geistesabwesend hinzu, „ich meine, achtmal bin ich schon Vater. Sieben Söhne, eine Tochter, aber die …“

Der ansonsten liebevollen Snugglemouse ging fast der Gaul durch. Dieser sture Bock! Sie hätte sich die Haare raufen können über sein verdammtes Desinteresse. Jetzt wurde ihre Stimme schrill und lauter, denn sie hatte sich vorgestellt, daß Donegal sie ob dieser erfreulichen Nachricht liebevoll in die Arme nehmen würde. Statt dessen hockte er da und faselte Unsinn.

„Jetzt wirst du zum neunten Male Vater!“ schrie sie, außer sich vor Ärger.

„Du meinst, neun Pfähle?“ fragte Donegal. „Es muß aber immer eine gerade Zahl sein, sonst kann der Bau nicht stehen.“

„Himmel noch mal!“ schrie Mary fuchtig. „Ich rede davon, daß du Vater wirst, Mister O’Flynn. Geht das nicht in deinen verdammten Holzkopf hinein?“

„Was werd’ ich?“

„Vater!“ brüllte Mary. „Du wirst Vater, Mister O’Flynn, und zwar zum neunten Male!“

Old O’Flynn merkte, daß in seinem Schädel etwas klickerte.

„Vater, was?“ brabbelte er. Erst jetzt sah er Mary an, und nun ging ihm offenbar auch ein Licht auf. Aber statt ihr um den Hals zu fallen, begann dieser sture Bock doch wahrhaftig zu rechnen, wobei er die Finger zu Hilfe nahm.

„Was soll das?“ fauchte sie gereizt.

„Ich rechne gerade nach.“

Martin Correa hockte ganz vorn am Bug und grinste still vor sich hin. Er kapierte nicht so genau, um was es ging, aber die beiden hatten sich offenbar ganz schön in der Wolle. Schien sich zu einem handfesten Krach zu entwickeln, wenn Old O’Flynn nicht bald einlenkte. Aber der war noch weit davon entfernt.

„Was, bei allen O’Flynnschen Geistern, rechnest du denn?“ rief sie empört. „Da gibt’s überhaupt nichts zu rechnen, Mister O’Flynn. Schließlich weiß ich, daß ich guter Hoffnung bin.“

„Bin ich auch“, sagte Donegal, „ich hoffe, daß alles klappt mit der neuen Rutsche.“

„Himmel, ist das ein Kreuz mit dir. Du bist ja total verrückt mit deiner Rechnerei.“

Old O’Flynn fiel ein, daß er auf diese Art und Weise mit seiner Rechnerei nicht weiterkam. Schließlich hatte ihm Mary ja etwas Wichtiges verschwiegen.

„Äh, wann, ich meine, wann soll denn das passiert sein mit uns und so?“ stotterte er. „Ich meine – wann …“

„Genau vor zwei Monaten“, sagte Mary. „Seit zwei Monaten habe ich nichts mehr gehabt.“

„Was hast du nicht gehabt?“

Die rothaarige Snugglemouse war fast den Tränen nahe.

„Kein Dingsbums!“ schrie sie. „Stell dich nicht so dämlich an, du alter Bock, du weißt genau, was ich meine!“

„Was für ’n Dingsbums denn?“ stammelte der Alte verwirrt. „Was ist denn das schon wieder?“

„Bist du so dämlich, oder tust du nur so, Mister O’Flynn? Ich habe das seit zwei Monaten nicht gehabt, was eine Frau sonst immer einmal im Monat hat. Kapierst du das endlich?“

„Äh, langsam“, brummelte der Alte, „das ist alles so verwirrend. Du hast zweimal das nicht gehabt, was einmal im Monat – oder umgekehrt? Äh, verdammt, das soll einer kapieren. Da ist ja die Rechnung mit dem Pfahlhaus einfacher. Du mußt nämlich wissen, daß ich mindestens sechs Pfähle …“

Diesmal funkelten die Augen der Snugglemouse so intensiv und gefährlich, daß Old O’Flynn vorsichtshalber das Genick einzog. Seine bessere Hälfte war mächtig empört und so in Braß, wie er sie seit langem nicht mehr erlebt hatte. Ihre Stimme wurde zu einem schrillen Diskant, vor dessen Intensität Donegal zurückwich.

„Deine Pfähle interessieren mich einen Dreck, du Holzklotz! Seit zwei Monaten war nichts mehr, und du faselst dummes Zeug durch die Gegend. Finde dich, verflucht noch mal, endlich damit ab, Vaterfreuden entgegenzusehen.“

„Kann nicht sein“, behauptete Donegal stur. „Außerdem ist das ganz natürlich, wenn das mal ausbleibt. Das lag nämlich an den vielen Aufregungen der letzten Tage und Wochen.“

Und dann begann er aufzuzählen, wobei er erneut die Finger zu Hilfe nahm.

„Da war Arauas Tod, dann der Untergang der Schlangen-Insel, dann der Untergang von Coral Island, dann die Schnapphähne, und dann war da noch …“

„Gar nichts war!“ brüllte Mary wild. „Du faselst Quatsch, Mister O’Flynn!“ Immer wenn sie in Braß war, redete sie Donegal mit Mister O’Flynn an.

„Und du faselst auch Quatsch“, fuhr Old O’Flynn auf. „Ich kann das einfach nicht glauben, Miß Snugglemouse.“

Jetzt ging es los, wie Martin verstört feststellte.

„Was heißt hier Miß Snugglemouse?“ schrie sie empört. „Ich bin eine O’Flynn und ganz legal mit einem dämlichen Ochsen wie dir verheiratet, mit einem sturen Bock, der an nichts weiter denkt als an seine verdammte Pinte. Bau sie doch aus dem Holz, das du in deinem Schädel hast, Mister O’Flynn! Das reicht aus, um noch ein ganzes Dorf zu bauen – und noch ein paar Schiffe dazu.“

Sie zitterte vor Empörung und Ärger, aber Old O’Flynn war mit seinen Nerven auch schon fast auf den Planken, und jetzt wurde er gallig und giftig. Zum einen sah er sich bei seinem „Rutschenbau“ ernsthaft gestört, und zum zweiten sollte er einfach so übergangslos Vater werden. Väterchen Old O’Flynn, was? Das mußte er erst einmal durch den Hals kriegen.

„Ich bin viel zu alt dazu, um Vater zu werden!“ brüllte er fuchtig. „Jawoll, verdammt noch mal, ich bin nicht mehr der Jüngste.“

Er wollte es partout nicht wahrhaben, daß er noch einmal Vater wurde, wie Mary verzweifelt feststellte. Der eigensinnige Kerl stritt einfach alles ab. Es war zum Verzweifeln mit ihm. Da fiel kein liebes Wort, da war kein stolzes Lächeln. Stur und eigensinnig beharrte er darauf, daß er nicht Vater wurde.

Mary schniefte ein wenig. Sie ging nach unten in die Pantry, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, und ließ ihn allein neben der Pantry stehen.

Voller Wut nahm sie einen Kochtopf vom Haken und knallte ihn auf die Planken der kleinen Anrichte. Es schepperte und dröhnte.

Old O’Flynn blieb auf beiden Ohren taub. Er war schon wieder am Rechnen, wie viele Pfähle er brauchte.

3.

Als Mary nach einer Weile wieder an Deck erschien, hatte sie die große Bratpfanne in der Hand, hievte eine Pütz Wasser hoch und begann die Pfanne zu schrubben. Old O’Flynn kriegte nur einen äußerst giftigen Blick ab.

Während sie emsig an der Pfanne herumschrubbte, blickte Old Donegal mißmutig über das Wasser. Seine Laune war dahin, er brummelte etwas in seine Bartstoppeln.

„Na, hast du jetzt alles überdacht?“ fragte Mary leise. „Kann man wieder mit dir reden?“

„Mit mir kann man überhaupt nicht reden“, knirschte Donegal sauer. „Schon gar nicht über Vaterfreuden und so ’n Scheiß, weil ich nämlich zu alt dazu bin.“

Mary nahm einen neuen Anlauf, aber der alte Zausel hatte jetzt ausgesprochen schlechte Laune.

Mit sanft klingender Stimme sagte sie: „Es ist aber so, Donegal. Das kommt für dich vielleicht unerwartet, und du mußt damit erst fertig werden.“

„Ich bin schon fertig!“ brüllte Old O’Flynn. „Nämlich mit Gott, der Welt und allem anderen.“

„Kann ich verstehen, überhaupt wenn ich dein Gesicht betrachte. Das sieht aus wie der erste Wagen einer Geisterbahn!“

Vorn am Bug bedauerte der Bootsmann Martin lebhaft, daß er nicht mehr weiterkonnte. Am liebsten hätte er sich verdrückt, denn jetzt ging der Zirkus offenbar wieder von vorn los. So nahm er den Schwabber und benäßte hingebungsvoll und grinsend die Galionsfigur am Bug.

Das mit der Geisterbahn ging dem Alten doch merklich auf die Nerven. Er war stocksauer, denn damit hatte ihm die Snugglemouse ein hartes Ding verpaßt.

„Vielleicht wird das auch ein Geist, von dem du dauernd quatschst!“ schrie er mit knallrotem Schädel. „Ein heiliger Geist, was? Aber was immer das auch wird, ich bin jedenfalls nicht der Vater. Weiß der Satan, wer das war!“

Mary glaubte, sich verhört zu haben. Ihr Gesicht wurde hart und wild. Jetzt verstieg sich Donegal sogar noch dazu, seine Vaterschaft zu leugnen oder anzuzweifeln. Das war zuviel des Guten. Das hätte er nie und nimmer sagen dürfen. Ihr Temperament ging mit ihr durch. Auch sie war jetzt knallrot angelaufen.

„Sag das noch einmal!“ fauchte sie wild.

„Das sag’ ich noch hundertmal!“ keifte Old O’Flynn. „Tausendmal sag’ ich das sogar – und noch mehr, wenn’s sein muß!“

„Und das ist dein voller Ernst, Mister O’Flynn?“

„Mein voller Ernst ist das.“

Da explodierte die rothaarige Frau mit der Reibeisenstimme. In wilder jäher Wut hob sie die Eisenpfanne und knallte sie Old O’Flynn kraftvoll über den Schädel.

Es donnerte so laut, als sei ein Gong geschlagen worden. Martin Correa zuckte so heftig zusammen, als hätte das Ding ihn getroffen.

„So, das ist dein Geist!“ schrie Mary.

Aber das hörte Old O’Flynn kaum noch. In seinem Schädel fand eine bestialisch laute Detonation statt, und dann flogen Millionen bunter Sternchen an ihm vorbei, eins feuriger und farbiger als das andere.

Er wankte und wackelte und setzte sich dann total benommen auf die Planken. Die Welt bestand nur noch aus einem vielfältigen Reigen buntschillernder Dinger, die ihn pausenlos umkreisten.

Mary schmiß wütend die Bratpfanne hin, schluchzte laut auf und verschwand schniefend in der Pantry. Hinter sich donnerte sie das Schott zu, daß es durch die ganze Karavelle dröhnte. Dann schloß sie auch noch ab, wobei sie wieder laut schluchzte.

Old O’Flynn hockte inzwischen wie benebelt auf den Planken und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er hörte immer noch das laute Dröhnen der Bratpfanne, und ihm war, als schlage seine bessere Ehehälfte erneut damit zu. Die ganze Welt wackelte und wankte, als er versuchte aufzustehen. Aber das war nicht ganz einfach, er griff ständig haltsuchend um sich.

Martin wollte ihm zuerst zu Hilfe eilen, aber dann ließ er es lieber bleiben. Er hatte da so seine Erfahrungen mit den O’Flynns.

Die faßten das vielleicht als Einmischung in ihr Eheleben auf, und dann donnerte ihm die resolute Mary vielleicht auch noch eine Bratpfanne auf den Schädel.

Am besten war, er tat so, als hätte er von dem ganzen Drama nichts mitgekriegt. Dann war ihm auch die Peinlichkeit erspart, als Zeuge dabeigewesen zu sein. Aber das Grinsen konnte er sich trotzdem nicht verkneifen.

War ja mal wieder ein feiner Ehekrach, dachte er, und die rothaarige Mary hatte es dem alten Rauhbein höllisch gegeben. Er hatte nur nicht genau gehört, um was es eigentlich gegangen war. Nur von „Vater“ hatte er etwas verstanden und daß alle beide außerordentlich giftig waren.

Old O’Flynn war jetzt endlich auf den Beinen. Er schwankte wie ein Rohr im Wind und griff an seinen Schädel.

Ah, da wuchs etwas unter seiner Hand, das so groß wurde wie der in seiner Phantasie wachsende Pfahlbau der Pinte. Himmel, tat das weh! Sein ganzes Gesicht war zerknittert – und dann diese Sterne! Gerade raste wieder ein Komet vorbei, der zischend ins Meer schlug.

Der Alte wackelte ächzend und wie betrunken über Deck und schwankte von einer Seite zur anderen. Er sah wirklich aus, als hätte er randvoll geladen.

Nur weg, dachte er mühsam, sonst flog ihm noch so ein Ding an den Schädel. Mary war darin recht großzügig. Auf Tortuga hatte sie ihm in Diegos Kneipe auch einen Bierhumpen auf den Schädel gedonnert, als er mit ihr anbändeln wollte.

Verflixt, die hatte vielleicht einen Schlag drauf!

Mit glasigen Augen wackelte er weiter. Er wußte kaum noch, was er tat, er wollte nur fort, zum Auslüften, damit er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

Schnaufend astete er sich voran, wo längsseits die Jolle vertäut lag. Sie verschwamm ständig vor seinen dösigen Blicken und tanzte auf und nieder.

„Halt doch mal an“, brummte er.

Er warf keinen Blick mehr zurück, aber er war immer noch stocksauer. Und wenn er mit schmerzverzerrtem Gesicht nach seinem Schädel tastete, dann wurde ihm angst und bange. Da wuchs ein Horn in die Höhe, das bis in den Himmel zu streben schien. Meilenweit mußte man das Horn sehen können.

„Verdammt, verdammt“, brummte er torkelnd. „Das hat aber gesessen. Väterchen, was?“ brabbelte er weiter. „Daß mich dieser und jener hole, zum Teufel.“

Leise ächzend und vor sich hin schimpfend, enterte er total dösig in die Jolle, ergriff die Riemen und paddelte los wie einer, der zum ersten Male eine Jolle durchs Wasser karrt.

Etwas später erreichte er das Land. Ohne rechts oder links zu blicken, verschwand Old O’Flynn im Ufergestrüpp auf der Südseite der Insel.

Seitdem blieb er für längere Zeit verschollen.

In der Pantry aber stand Mary. Sie schluchzte leise und vergoß ein paar Tränen, aber es waren Tränen der Wut und des Ärgers.

„Dieser Scheißkerl!“ schluchzte sie vor sich hin. „Der begreift überhaupt nichts. Der freut sich nicht einmal und spuckt gleich Gift und Galle, weil er Vater wird.“

Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen ab.

„Na warte, Mister O’Flynn“, flüsterte sie, „dich werde ich schon hoch auf Trab bringen, bis du jubelst, daß deine Sippe um ein weiteres O’Flynnchen vermehrt wird. Das bringe ich dir noch bei, Mister!“

Mary O’Flynn war hart im Nehmen, und sie hatte Erfahrungen in ihrem Leben gesammelt. Sie hörte auf zu weinen und sah sinnend an das Schott der Pantry.

Männer, dachte sie, zeigten ja mitunter die merkwürdigsten Reaktionen, wenn sie erfuhren, daß sie Vater wurden. Manche reagierten darauf gelassen und friedfertig, andere regten sich furchtbar auf. O’Flynn war eben einer von der Sorte, die sich aufregte und das einfach nicht kapieren konnte oder wollte. Ein altes Ekel war dieser Mister O’Flynn. Aber auch in seinem Herzen würde sich noch eine Wandlung vollziehen, da war sie sich ihrer Sache ganz sicher.

Als sie das alles überdacht hatte, war sie wieder ganz die alte Mary mit dem goldenen Herzen.

Sie entriegelte das Schott und ging an Deck, wo Martin Correa verlegen grinsend herumstand. Man sah ihr auch nicht mehr an, daß sie eben noch geweint hatte.

„Wo ist denn dieser Mister O’Flynn geblieben, Martin?“ fragte sie mit etwas rauher Stimme. Sie sah sich nach allen Seiten um, aber von „Mister O’Flynn“ war weit und breit nichts zu sehen.

Martin räusperte sich verlegen und trat dabei unruhig von einem Bein auf das andere.

„Er – er hat die Jolle genommen und ist an Land gepullt. Er ist da drüben ins Gebüsch gerannt.“

„Gerannt?“ fragte Mary.

„Ja, er hatte es ziemlich eilig. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.“

„Soll er“, sagte Mary grimmig. „Da kann der Kapitän auslüften und darüber nachdenken, was er falsch gemacht hat.“ Und was für ein altes Ekel er ist, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Soll ich nach ihm rufen?“ fragte Martin.

„Der findet von allein zurück, Martin. Und wenn er wieder an Bord ist, hat er hoffentlich auch Vernunft angenommen. Sonst soll ihn der Teufel holen.“

„Aye, aye“, sagte Martin. „Soll ich nicht doch lieber …?“

„Nein, er soll nachdenken. Schließlich ist er alt genug, um zu wissen, was er tut.“

Martin bezweifelte das zwar manchmal, aber das behielt er doch lieber für sich. Der Kapitän würde erst mal seinen dösigen Schädel auslüften und dann brav zu Kreuze kriechen. War ja nicht das erste Mal, daß es einen handfesten Krach gab. Danach war Old O’Flynn immer ruhig und bescheiden zurückgekehrt.

In der Cherokee-Bucht gingen die Arbeiten unermüdlich weiter.

Die Schatzbeute war längst an Land gebracht worden, auch die Kanonen standen jetzt an Deck der „Wappen“ und der „Pommern“. Ein paar weitere waren mit den Jollen zum Land gebracht worden.

Die Wein- und Pulverfässer waren ebenfalls ausgeladen und am nahen Strand gestapelt worden.

Am Bug der „Golden Hen“ waren inzwischen unter Hesekiel Ramsgates sachkundiger Anleitung schwere Taljen angeschlagen worden.

Jetzt waren die Männer dabei, Leinen zum Land zu bringen und ebenfalls Taljen an den stämmigsten Kiefern anzuschlagen. Es war kurz nach Mittag.

„Du hast recht gehabt, Hesekiel“, sagte Jean Ribault. „Bis zum späten Nachmittag dürften wir mit dem Anschlagen fertig sein. Ich habe nicht geglaubt, daß wir es so schnell schaffen. Immerhin ist es eine Heidenarbeit.“

Der alte Schiffbaumeister nickte lächelnd.

„Vor Einbruch der Dämmerung sind wir fertig. Ich schlage vor, daß wir dann morgen früh damit beginnen, die Karavelle mit allen Mann auf den Strand zu ziehen und abzupallen. Es ist besser, wenn wir das bei Tageslicht tun. Morgen sind die Männer auch wieder frisch und ausgeruht.“

„Vorschlag angenommen“, sagte der Franzose.

Inzwischen ging Mary O’Flynn nach achtern, wo sich Gotlinde und Gunnhild mit den Kindern aufhielten.

„Hier in der Bucht wimmelt es von Langusten“, sagte sie. „Ein paar haben wir ja heute morgen schon an der Bay gefangen. Aber hier gibt es viel mehr. Die Männer werden hungrig sein, wenn sie mit der Arbeit fertig sind. Wenn wir ihnen dann Langusten, Brot und Wein zum Essen anbieten, wird das für alle ein Festmahl. Wollt ihr mit, weitere Langusten fangen?“

Die Frau des Wikingers nickte begeistert. Auch Gunnhild war sofort eifrig bei der Sache.

„Und wer paßt inzwischen auf die Kinderchen auf?“ fragte sie.

„Martin ist ja an Bord“, sagte Mary, „der kann mal hin und wieder nach den Kleinen sehen. Außerdem sind wir ganz in der Nähe. Da kann nichts passieren.“

Sie nahmen große geflochtene Körbe für die Langusten mit und gingen von Bord.

Martin sah ihnen grinsend nach, wie sie im flachen Strandwasser auf Langustenfang zogen.

Es wimmelte hier wirklich von den Tieren. Alle drei Frauen sammelten mit Feuereifer Langusten ein, die in Strandnähe herumkrebsten.

Mary war so eifrig bei der Sache, daß sie darüber ihren alten Brummbär ganz vergaß.

Innerhalb einer knappen Stunde hatten sie drei Körbe voll.

„Ob das reicht?“ fragte Gotlinde. „Ich kenne doch den Bärenhunger der Kerle.“ Sie sah zweifelnd auf die Masse krabbelnder Leiber, die ihre Fühler nach allen Seiten streckten.

„Wir sammeln noch mehr“, entschied Mary, „es gibt ja genügend. Außerdem haben wir noch reichlich Zeit bis zum Abend. Dann entzünden wir am Südufer der Bucht ein Feuer und bereiten sie zu.“

Erneut herrschte Betriebsamkeit in der Bucht. Während die Männer hart arbeiteten, fingen die drei Frauen weiterhin Langusten, bis kein Zweifel mehr daran bestand, daß sie reichen würden, selbst wenn der Hunger noch so groß war.

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