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9.

Gegen Mittag dieses ereignisreichen Tages begann einer der vier Offiziere aus dem Stab des Don Angelo Baquillo zu zittern und darüber zu klagen, daß er friere.

Die einmastige Jolle mit Don Angelo Baquillo am Steuer segelte immer noch an der Küste entlang nordwärts. Bisher war zwischen diesen fünf Männern kaum etwas gesprochen worden. Man hatte sich auch nichts zu sagen, es sei denn, man hörte nicht auf, sich über die unerhörte Frechheit der Wilden zu empören, die gewagt hatten, zu rebellieren. Aber auch dieses Thema erschöpfte sich einmal. So hatten sie verdrossen auf den Duchten gehockt, über das Wasser gestiert und im stillen sich bemitleidet.

Jetzt schreckten sie auf, als ihr Compadre zu lamentieren begann und das Boot mit seinem Gezittere zum Wackeln brachte. Und sofort rückten sie von dem Mann ab, getroffen von der Erkenntnis, daß ihn das tückische Fieber gepackt hatte.

„Hören Sie auf zu zittern, Mann!“ blaffte Don Angelo Baquillo.

„Ich friere so!“ klagte der Mann und zitterte weiter.

„Interessiert mich nicht“, sagte Don Angelo Baquillo wütend. „Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Sie machen mich ganz nervös mit Ihren Zuckungen. Nehmen Sie sich eine Decke, und rücken Sie ganz nach vorn. Ich habe keine Lust, mich von Ihnen anstecken zu lassen.“

Die drei anderen nickten. Auch sie hatten keine Lust, dem Sumpffieber zu erliegen, dabei war „Lust“ noch verkehrt ausgedrückt, denn es gibt wohl kaum einen Menschen, der Lust darauf verspürt, krank zu werden. Eher gerät er in Panik angesichts einer Krankheit, die in den meisten Fällen mit dem Tode des Betroffenen endet.

So bildete sich sofort eine Front gegen den Kranken, und die Verbannung zum Bugraum der Jolle kam einer Ächtung gleich, die besagte, daß man nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle und Wert darauf lege, jegliche Berührung mit ihm zu vermeiden.

Der Kranke nahm sich eine Decke und quälte sich allein über die Duchten nach vorn. Er hüllte sich in die Decke ein und hockte sich nieder. Das Zittern vermochte er nicht zu unterdrücken. Es wurde stärker und schüttelte ihn regelrecht durch.

„Unmöglich, dieser Kerl!“ fauchte Don Angelo Baquillo.

Das fand der Adjutant auch und schlug vor, den Kranken über Bord zu werfen.

„Er gefährdet unser aller Leben!“ rief er, und die Hysterie in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Dagegen empfahl ein anderer, den Kranken an Land in den Sumpf zu stoßen, was seiner Meinung nach geeigneter sei, „die Keime der Krankheit“ zu ersticken, wie er sich ausdrückte.

Sie hatten alle vier so viel Gemüt wie ein Eisblock. Jeder dachte nur an sich selbst und das eigene wertvolle Leben, und es interessierte sie einen Dreck, ob der andere Qualen litt und dahinsiechte. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter war ihnen unbekannt. War sie ihnen jedoch bekannt, dann sahen sie keine Veranlassung, sich den biblischen Mann zum Vorbild zu nehmen. Einen Samariter stuften sie in die Kategorie der Narren und Idioten ein.

Don Angelo Baquillo bedachte die freundlichen Vorschläge und erwog ihre Nützlichkeit. Er neigte auch zu der Lösung, den Mann in den Sumpf zu stoßen. Auf dem Wasser konnte der Mann vielleicht noch eine Weile treiben, bevor er unterging. Und bis zum Untergang würde er die Luft mit seiner Krankheit verpesten. Da war der Sumpf schon besser. Allerdings wäre man in diesem Falle gezwungen, zu landen, und da lauerten wieder die Gefahren der Sumpfwildnis.

Don Angelo Baquillo war sich unschlüssig und kaute auf seinem Schnauzbart herum. Natürlich verfluchte er diesen dämlichen Kerl, der sich jetzt erdreistete, krank zu werden.

Eine dritte Lösung verhinderte den geplanten Mord. Es war der Zufall, der hier eine unerwartete Rolle spielte.

Die spanische Kriegsgaleone „Galicia“, ein schwer bestücktes Schiff unter dem Kommando des Don Bruno Spadaro, sichtete die Jolle, die da unter Land nordwärts segelte.

Die „Galicia“ befand sich auf einer Patrouillenfahrt, wie sie von den Spaniern unternommen wurden, seit an den Küsten von Florida Piraten und Schnapphähne aufgetaucht waren, die mit Vorliebe die spanischen Siedlungen überfielen und ausplünderten.

Die Galeone, die von Pensacola ausgelaufen war, hatte den Auftrag, ganz Florida zu runden und dann Fort St. Augustine anzusteuern.

Als der Ausguck im Mars der „Galicia“ die Jolle sichtete und meldete, befahl Don Bruno Spadaro, ein recht guter Seemann und Haudegen mit zahlreichen Gefechtserfahrungen, den Kurs zu ändern und das Boot anzusteuern.

Dort hatte man die Galeone inzwischen auch gesichtet und winkte wie verrückt. Don Angelo Baquillo vergaß seine Mordpläne und segelte seinerseits auf die Galeone zu. Mit der für ihn typischen Überheblichkeit erklärte er, er habe doch gewußt, daß sie der „Galicia“ begegnen würden. Er kannte dieses Schiff, das schon mehrere Male die Waccasassa-Bucht angelaufen hatte, um Materialien für den Werftbau und die dort entstehenden Schiffe zu bringen.

Eine halbe Stunde später befanden sich Don Angelo Baquillo und sein Stab an Bord der Galeone. Der Kranke wurde sofort in einer isolierten Kammer untergebracht und von einem Feldscher versorgt.

Don Angelo Baquillo erstattete dem Kommandanten der „Galicia“ Bericht und schilderte die unerhörten Vorgänge der letzten Nacht, wobei er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm und herausstrich, daß er und sein Stab bis zum letzten gekämpft hätten, aber angesichts der Übermacht wäre ihnen nichts anderes übriggeblieben, als sich fechtend in die Wildnis zurückzuziehen. Und heute morgen hätten sie noch einmal um die Jolle kämpfen müssen, denn die tückischen Hunde hätten noch Krieger zurückgelassen, die über sie hergefallen wären.

Don Bruno Spadaro war völlig perplex über die Tatsache, daß die Timucuas mit einer Galeone geflohen waren. Und er ging ebenfalls auf westlichen Kurs, um ihnen die „San Donato“ wieder abzujagen.

Im Morgengrauen des 14. September vollzog sich die dramatische Begegnung der drei Schiffe – der „San Donato“, der „Isabella“ und der „Galicia“. Das war über hundert Seemeilen westlich der Cedar Keys und an die achtzig Seemeilen südlich von Kap San Blas.

Aber die „Isabella“ hatte die „San Donato“ eher erreicht. Dank Tamao hatte man sich den Timucuas als Freund zu erkennen gegeben und von ihnen mit Schrecken erfahren, welche Zustände an Bord herrschten.

Etwa einhundertdreißig Menschen befanden sich auf der „San Donato“. Von ihnen litten bereits dreißig unter Fieberanfällen und Krämpfen, den typischen Anzeichen des furchtbaren Sumpffiebers. Von den übrigen hundert waren siebzig Frauen, Kinder und alte Leute. Da blieben nur an die dreißig Männer, von denen die „San Donato“ unter Anleitung der fünf Spanier gesegelt worden war.

Darum auch hatten die Seewölfe in der Nacht immer mehr aufholen können. Sie hätten festgestellt, daß die „San Donato“ nicht voll ausgesegelt wurde. Natürlich konnten die Timucuas nicht über Nacht zu vollwertigen Seeleuten werden, bei allem Fleiß und aller Lernbegierde war das ein Unding.

Hinzu kamen die Kranken an Bord, um die man sich kümmern mußte. Und alles war ungewohnt, einschließlich der einzigen Kochstelle für so viele Menschen.

Angst und Nervosität hatten sich auf dem Schiff ausgebreitet – Angst, den Spaniern zu begegnen, denen man gnadenlos ausgeliefert gewesen wäre, Nervosität, weil mit dem Segeln nicht alles so klappte, wie man sich das vorgestellt hatte. Einmal war die „San Donato“ aus dem Ruder gelaufen, als Marcos einen Timucua an den Kolderstock gestellt hatte, um ihn anzulernen. Da hatten die Segel wie verrückt geknattert, und die Rahen waren herumgeschlagen. Die Galeone hatte sich weit auf die Seite geneigt, und die Timucuas waren nach Lee gerutscht.

Fast wären die Krieger über die fünf Spanier hergefallen, weil sie dachten, die hätten diesen plötzlichen Zustand bewußt herbeigeführt, um den Timucuas zu schaden.

Shawano hatte die Ruhe bewahrt und seine Krieger sehr schnell wieder zur Räson gebracht.

Aber die Nervosität oder eine gewisse Unsicherheit war geblieben und dann wieder aufgeflammt, als man merkte, daß von achtern eine Galeone auflief, die viel, viel schneller als die „San Donato“ war.

Marcos hatte erklärt, das sei kein ihm bekanntes Schiff, vor allem habe er noch nie bei einer Galeone so hohe Masten gesehen. Er könne sich nicht vorstellen, daß dies ein spanisches Schiff sei. Insgeheim hatte er die „Isabella“ für einen Piratensegler gehalten, das aber nicht laut gesagt, um die Timucuas nicht noch mehr zu verstören.

Die „San Donato“ war mit sechzehn Culverinen bestückt, aber wer hätte sie bedienen sollen? Die Timucuas hatten den Spaniern zwar abgeschaut, wie man mit den Handfeuerwaffen hantierte, aber mit den Kanonen wußten sie nicht umzugehen.

Es war alles ziemlich hoffnungslos.

Wenn es so sein sollte, konnte man nur versuchen, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, wenn die Piraten enterten. Aber vielleicht konnte man sie abhalten, das zu tun – die Habseligkeiten der Timucuas waren keine Beute für die Schnapphähne zur See.

Die Ungewißheit war vorbei, als die „San Donato“ von dem fremden Schiff aus in der Sprache der Timucuas angerufen worden war.

Kein Feind, sondern ein Freund!

Sogar der beherrschte Shawano hatte aufgeschrien, als er vernahm, daß Tamao und Asiaga an Bord des fremden Schiffes, eines Engländers, seien. Also keine Spanier.

Schwerfällig drehte die „San Donato“ in den Wind, und die Segel wurden aufgegeit. Die Rahen mußten fast mittschiffs geschiftet werden, damit das englische Schiff längsseits gehen konnte.

Das genau war der Moment im Morgengrauen des 14. September, als der Ausguck im Großmars der „Isabella“ einen Alarmschrei ausstieß und Mastspitzen an der östlichen Kimm meldete. Sam Roskill war es, der dort oben Ausguck ging und aufgepaßt hatte, ohne sich von dem Längsseitsgehen bei der „San Donato“ ablenken zu lassen.

Hasard ließ sofort wieder abfallen und verschob das Manöver. Er blieb in der Nähe der „San Donato“ und wartete ab. Eine Viertelstunde später meldete Sam Roskill, unterstützt von Dan O’Flynn, der zu ihm aufgeentert war, daß es sich bei dem heransegelnden Schiff um eine spanische Kriegsgaleone handele.

„Klarschiff zum Gefecht!“ befahl Hasard ruhig. „Shane, Batuti, holt eure Langbögen und entert auf! Ferris, auch auf deine Pulverflaschen werden wir nicht verzichten können. Ich schätze, daß es ziemlich rundgehen wird!“

Nicht auf die „Isabella“ segelte die Kriegsgaleone zu, sondern stur auf die „San Donato“. Die „Isabella“ schien man seitens der Spanier überhaupt nicht zu beachten. Vielleicht dachte man, dieses Schiff habe sich nur bei der „San Donato“ aufgehalten, weil man entdeckt hatte, daß dort Indianer an Bord waren. Und Indianer hatten nicht an Bord von Galeonen zu sein.

Dann blitzte es bei der „Galicia“ auf, und man setzte der treibenden „San Donato“ einen Warnschuß vor den Bug.

Eine spanische Stimme, die bis zur „Isabella“ zu hören war, forderte „die roten Räuber“ auf, die Flagge zu streichen und sich zu ergeben.

„Los geht’s!“ sagte Hasard.

Mit dem Wind, der aus Südwesten wehte, schob er sich vor der „San Donato“ vorbei, als habe er die Absicht, allen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen. Dann ließ er halsen, segelte über Backbordbug raumschots weiter, so daß seine Steuerbordbreitseite der „Galicia“ zugewendet war, und als diese querab lag, fielen die Stückpforten.

„Feuer frei!“ brüllte Hasard.

Die Spanier hätten überraschter nicht sein können, zumal sie ihre Aufmerksamkeit auf die „San Donato“ konzentriert hatten. Tatsächlich hatten sie angenommen, der fremde Segler sei eine Zufallsbegegnung. Und daß der sich verzog, wenn man hier mit den unverschämten Indianern zur Sache kam, hielt man für völlig selbstverständlich.

Die Salve der „Isabella“ traf voll – die Entfernung hatte knapp hundert Yards betragen.

Der Fockmast der „Galicia“ wurde umgesenst, die Höllenflaschen Ferris Tuckers lagen im Ziel und verstreuten Tod und Verderben, und Big Old Shanes und Batutis Brand- und Pulverpfeile rasten in die spanische Kriegsgaleone.

Hasard ging auf Gegenkurs und hämmerte seine Backbordbreitseite in die „Galicia“. Von dort wurde dieses Mal zurückgeschossen, und die „Isabella“ erwischte ein paar Treffer, aber die waren nichts im Vergleich zu den Dons. Dort herrschte bereits Zustand, zumal sich die Brände verstärkten.

Als Hasard die „Isabella“ zum dritten Angriff ansetzte, ergriff die spanische Galeone die Flucht. Brennend segelte sie nordwärts und verschwand hinter der Kimm.

Jetzt konnten sich die Seewölfe wieder um die Timucuas kümmern, aber ihnen schwante bereits, daß es bei dieser Begegnung mit den Spaniern nicht bleiben würde. Da bahnte sich mehr an. Die Frage lautete nur, wie schnell man sich mit den Timucuas aus dieser Gegend verziehen konnte – und drüben auf der „San Donato“ waren Kranke an Bord …

ENDE


Burt Frederick

Die Todesfalle

1.

Noch verbarg sich die Küste hinter jenem Dunst, der für dieses Land mit seiner Feuchtigkeit und seiner Hitze so typisch war.

Aber Don Bruno Spadaro ließ sich nicht täuschen. Er hatte diesen Teil der Neuen Welt mit allen guten und schlechten Seiten kennengelernt und wußte, daß ihn nur noch wenige Seemeilen von Pensacola trennten.

Die Gedanken des stämmigen Mannes waren düster. Alle äußeren Eindrücke, denen er nun schon seit Stunden ausgesetzt war, trieben seine Stimmung immer mehr dem Tiefpunkt entgegen. Da war der beißende Brandgeruch, der buchstäblich auf den Decks der „Galicia“ haftete und sich selbst von dem handigen Südsüdwest nicht verscheuchen ließ. Und da war der Anblick dessen, was vom Fockmast übriggeblieben war – ein zersplitterter Stumpf, der eben noch über die Balustraden der Back hinausragte.

Es schmerzte Don Bruno Spadaro, dies ertragen zu müssen. Noch schlimmer war, daß er seine Niedergeschlagenheit nicht zeigen durfte. Nach außen hin mußte er der harte, unbeugsame Kapitän seiner Allerkatholischsten Majestät bleiben, den der Anblick seines waidwunden Schiffes nicht im mindesten zu rühren schien. Denn die Mannschaft brauchte eine starke Hand, und das galt besonders in Situationen von dieser Art. Brach er selbst in Gejammer und Wehklagen aus, dann war es bald auch mit der Moral der Crew endgültig vorbei.

Spadaro erblickte die Statur von Don Angelo Baquillo beim Niedergang an Steuerbord. Baquillo enterte auf, und sein Gesicht erhellte sich, als er Don Bruno sah. Mit schnellen, zielstrebigen Schritten ging er auf den Kapitän der Kriegsgaleone zu. Spadaro nahm ihn beiseite und trat mit ihm an die Heckbalustrade. Was für die Mannschaft galt, galt in diesem Fall auch für die Offiziere, die sich auf dem Achterdeck aufhielten: Deprimierende Worte waren nicht für ihre Ohren bestimmt.

Spadaro musterte den Kommandanten des Lagers an der Waccasassa-Bucht und rang sich ein Lächeln ab. Baquillo trug saubere Kleidung, sein dunkles Haar war geordnet, desgleichen der Schnauzbart.

„Sie sehen wieder menschlich aus, Don Angelo. Ein Segen, daß unsereins die Spurea des Geschehenen so rasch abschütteln kann. Was an der Waccasassa-Bucht geschehen ist, muß furchtbar gewesen sein.“

Baquillo schüttelte den Kopf.

„Das empfinden Sie jetzt, Don Bruno, weil Sie sich in einer ähnlichen Lage befinden. Halten Sie sich lieber an das, was Sie vorher sagten. Was geschehen ist, verblaßt. Gottlob haben wir Menschen die Fähigkeit, sehr schnell zu vergessen. Sonst würden wir aus unserem Jammertal wohl nie herauskommen.“

„Wir sind keine alten Weiber“, sagte Spadaro rauh. „Unser Volk hat die Neue Welt erobert. Das ist das Holz, aus dem wir geschnitzt sind.“

„So gefallen Sie mir schon besser“, entgegnete Baquillo mit einem zufriedenen Nicken. „Und warten Sie nur ab: Auch die ‚Galicia‘ wird bald wieder ein stolzer Anblick sein.“

„Davon bin ich noch nicht überzeugt. Unsere zuständigen Beamten urteilen nicht nach persönlichen Empfindungen. Wenn Art und Umfang der Schäden zu groß sind, dann bedeutet es eben das Ende für dieses Schiff. Sie kennen die Maßstäbe, wann ein Neubau rentabler wird.“

Don Angelo Baquillo schwieg betreten.

„Am schlimmsten ist aber“, fuhr Spadaro fort, „daß wir diesen verfluchten Bastard aus England nicht verfolgen können. Daß man gezwungen ist, wie ein geprügelter Hund davonzu…“

Ein gellender Ruf aus dem Großmars unterbrach ihn.

„Deck! Galeone Backbord voraus!“

Auf der Kuhl verstummten Kommandos und Gespräche der Mannschaft. Auf dem Achterdeck eilten die Offiziere mit ihren Spektiven nach Backbord. Spadaro und Baquillo folgten ihrem Beispiel. Die hochwertigen Gläser, mit denen Kapitän und Offiziere ausgerüstet waren, lieferten ein passables Bild.

Was sich aus dem milchiggrauen Dunst schälte, sah zu Anfang aus wie ein schemenhaftes Geisterschiff. Dann aber wurden die Konturen rasch klarer und entwickelten sich zu einer Kriegsgaleone von stattlichen Ausmaßen.

„Das ist doch …“ Don Bruno Spadaro hielt verblüfft inne und drehte an der Justierung seines Spektivs. „Por dios, das ist in der Tat die ‚Santa Teresa‘! Mich soll der Schlag treffen, wenn ich nicht weiß, warum Don José ausgelaufen ist.“

„Sie sprechen von dem Kapitän dieses Dreimasters?“ fragte Baquillo.

„So ist es“, sagte Spadaro strahlend, „Don José Isidoro, ein guter alter Freund von mir. Er ist in Pensacola stationiert, das weiß ich.“

„Und jetzt vermuten Sie, daß man den Gefechtslärm gehört hat? Daß man nach dem Rechten sehen will?“

Spadaro ließ das Spektiv sinken und nickte. Seine Kopfbewegung hatte etwas fast Andächtiges. Wie gebannt beobachtete er die „Santa Teresa“, die bereits auf weniger als sechs Kabellängen herangesegelt war.

Von der imposanten Galeone war Befehlsgebrüll zu hören. Die Segel wurden aufgefiert. Isidoro hatte also die Absicht, mit der „Galicia“ Sprechkontakt aufzunehmen. Spadaro kam sich fast lächerlich vor, als er Order gab, die schäbigen Reste von Tuch wegzunehmen, die seinem Schiff noch Vortrieb gaben.

Wenig später hatten sich die beiden Galeonen auf Rufweite genähert. Für Don Bruno Spadaro war es ein Bild von niederschmetternder Unterschiedlichkeit. Er fühlte sich klein und häßlich wie sein Schiff, zerschunden und krank, ein Lahmer, der nach Hause kroch. Isidoro und die „Santa Teresa“ erschienen dagegen als großer, starker Bruder, der loszog, um die Schlappe des kleinen Erfolglosen auszubügeln.

„Hola, Don Bruno, alter Freund!“ brüllte Isidoro vom Achterdeck der „Santa Teresa“ herüber. „Was, in aller Welt, ist mit Ihnen passiert?“

„Sieht man das nicht?“ entgegnete Spadaro in der gleichen Lautstärke und deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf die ramponierten Decks der „Galicia“.

Dann berichtete er in knappen Worten, was sich in der Waccasassa-Bucht zugetragen hatte und wie die Anwesenheit Don Angelo Baquillos und seiner Männer zu erklären war. Während er die Begegnung mit den englischen Bastarden und der von den Timucua-Indianern gekaperten „San Donato“ schilderte, spürte Spadaro erneut die Wut über die erlittene Niederlage in sich aufsteigen.

„Das ist ungeheuerlich!“ rief Don José Isidoro. „Wir werden diese indianischen Teufel und die Britenhunde zur Rechenschaft ziehen, Don Bruno, das schwöre ich Ihnen! Ja, wir werden blutige Rache üben, da können Sie ganz sicher sein.“

„Ich will Sie nicht beleidigen, Don José“, entgegnete Spadaro, „aber meinen Sie, daß Sie das allein schaffen? Bei aller Hochachtung für Ihre und Ihrer Mannschaft Kampfkraft – diese verfluchten Engländer sollte man nicht unterschätzen.“

Kapitän Isidoros Lachen hallte dröhnend über das Wasser zwischen den beiden Schiffen.

„Keine Sorge, Don Bruno. Der Hundesohn, der die ‚Santa Teresa‘ bezwingen will, muß erst noch geboren werden. Im übrigen gibt es zur Zeit keine andere brauchbare Galeone im Hafen von Pensacola. Bitte richten Sie in der Kommandantur aus, daß ich die Fahrt unverzüglich fortgesetzt habe, um die Britenhunde auf den Meeresgrund zu schicken. Außerdem werden wir den Timucuas den entscheidenden Denkzettel verpassen.“

Spadaro versprach, die Befehlshaber in Pensacola entsprechend zu informieren. Dann blickte er gedankenverloren der „Santa Teresa“ nach, wie sie über Steuerbordbug segelnd auf Kurs Westsüdwest ging.

Weithallende Hammerschläge und das Kreischen von Sägen begleiteten den Seewolf, als er an diesem Vormittag des 14. September 1593 in die bereits abgefierte kleine Jolle abenterte. Es war ein schwerer Weg, um den ihn niemand an Bord der „Isabella“ beneidete. Dennoch hatte er mit Engelszungen reden müssen, um all jene zurückzuweisen, die darauf bestanden hatten, ihn zu begleiten.

Die Instandsetzungsarbeiten an Bord der schlanken Galeone hatten bereits in vollem Umfang begonnen. Unter Leitung von Ferris Tucker waren die Männer dabei, einige Gefechtsschäden auszubessern.

Hasard blickte nicht zurück, während er sich auf die mittlere Ducht setzte und die Riemen in die Dollen legte. Nein, er mußte diese Aufgabe allein bewältigen. Gewiß, die Gefahr war groß, das Risiko unkalkulierbar. Aber es ergab keinen Sinn, auch nur einen einzigen weiteren Mann dieser Unwägbarkeit auszusetzen.

Er mußte damit rechnen, daß er sich ansteckte. Wenn er auch nur einen Fuß auf die Planken der „San Donato“ setzte, konnte das bedeuten, daß er kurze Zeit später an dem tückischen Fieber erkrankte. Aber er hatte keine andere Wahl. Es mußte ihm gelingen, sich mit dem Häuptling der Timucua zu verständigen.

Hasard stieß die Jolle von der Bordwand der „Isabella“ ab und begann zu pullen. Jetzt sah er Ben Brighton auf dem Achterdeck, wie er ihm mit sorgenvoller Miene nachschaute. Auch etliche andere waren zu sehen – Big Old Shane, der alte O’Flynn und die Zwillinge, neben ihnen die Bordhündin Plymmie mit den Vorderpfoten auf dem Schanzkleid. Hasard mußte grinsen, trotz allem. Samt und sonders zogen sie Gesichter wie drei Tage Regenwetter, und nicht einmal Plymmie bildete da eine Ausnahme. Es war überhaupt erstaunlich, welchen fast menschlichen Verstand die Wolfshündin manchmal entwickelte.

„So schnell werdet ihr mich nicht los!“ rief der Seewolf. „Reißt euch gefälligst zusammen.“

Sie reagierten mit einem müden Winken. Sehr überzeugt schienen sie von seiner Zuversicht nicht zu sein. Dabei lebten sie mehr oder weniger alle mit der Ansteckungsgefahr. War es anfangs Asiaga gewesen, die sie an Bord der „Isabella“ gesundgepflegt hatten, so befanden sich jetzt die fieberkranken Timucua-Indianer aus der Waccasassa-Bucht in der Krankenkammer unter der Back. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen war ein gewisses Risiko also auch auf der „Isabella“ selbst nicht ausgeschlossen.

Das änderte aber nichts daran, daß die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, auf der „San Donato“ ungleich größer war.

Hasard pullte mit kraftvollen Schlägen und trieb die Jolle zügig auf die Galeone der Indianer zu. Auf beiden Schiffen waren die Segel aufgegeit und Treibanker ausgebracht worden. In keiner Himmelsrichtung zeigten sich Mastspitzen am Horizont, es herrschte also keinerlei Gefahr. Die „Galicia“ hatte schwer gerupft die Flucht ergriffen, und ihr Kapitän hätte schon ein hirnloser Narr sein müssen, wäre er noch einmal umgekehrt. Dessen ungeachtet waren aber die Ausguckposten auf der Hut.

Hasard wandte den Kopf und sah, daß ihn nur noch wenige Yards von der „San Donato“ trennten. Er manövrierte die Jolle an die Jakobsleiter heran, holte die Riemen ein und vertäute das Boot.

Das Schiff, soviel ließ sich aus der Nähe erkennen, war sorgfältig und solide gebaut. Die Timucua-Indianer, die auf der Werft in der Waccasassa-Bucht zur Zwangsarbeit verurteilt gewesen waren, hatten hervorragende Arbeit geleistet. Sie kannten dieses Schiff, das sie nach der blutigen Revolte in der Bucht an sich gebracht hatten, und waren mit jeder einzelnen Planke und mit jedem Nagel vertraut. Aber ihnen fehlte das seemännische Können, und so waren sie auf die Hilfe jener fünf Spanier angewiesen, die sie als Gefangene mit an Bord genommen hatten.

Der Seewolf gab sich einen Ruck. Ohne zu zögern, enterte er auf und trat durch die Pforte im Schanzkleid. Er verharrte. Die Eindrücke trafen ihn mit jäher Intensität.

Aus den Unterdecksräumen drang das Stöhnen der Kranken, dazu die Schreie jener, deren gepeinigte Körper von Fieberkrämpfen gepackt und geschüttelt wurden. Das ganze Schiff war erfüllt von diesen Lauten menschlichen Leidens, und sie trafen den Seewolf bis ins Mark.

Überall auf den Decks hockten Menschen in apathischer Regungslosigkeit – Frauen, Kinder und alte Leute. Nur ihre Augen waren auf den großen schwarzhaarigen Engländer gerichtet. Hoffnung vermochte Hasard in diesen Augen nicht zu lesen, nur so viel, daß sich diese bedauernswerten Menschen mit ihrem Schicksal abgefunden hatten und keine Erwartungen mehr hegten.

Vier Spanier waren damit beschäftigt, den knapp dreißig gesunden Timucua-Männern Anweisungen zu geben, ihnen in der Kürze der Zeit das Notwendigste an seemännischem Wissen zu vermitteln.

Der fünfte Spanier erwartete den Seewolf an der Seite des Häuptlings. Shawano war ein großer, wuchtig gebauter Mann um die sechzig Jahre. Sein Haar war schlohweiß, das bronzehäutige Gesicht von vielen scharfen Furchen durchzogen.

Shawano hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ein kaum erkennbares Lächeln kerbte sich in seine Mundwinkel, als der hochgewachsene Mann aus dem fernen England auf ihn zutrat. Die Bekleidung des Häuptlings bestand aus dünnem, weichem Leder, und das hemdartige Oberteil wurde von feinen Rohhautschnüren anstelle von Knöpfen zusammengehalten. Die Beinkleider reichten bis auf die Knöchel, die weichen Ledersandalen waren gleichfalls mit Rohhautschnüren zusammengefügt.

„Ich begrüße Sie mit großer Freude, Señor Capitán“, sagte Shawano in einem kehligen Spanisch, „ich, Shawano, Häuptling der Timucua.“ Aus seiner Stimme klang ungebrochene Selbstsicherheit. Er repräsentierte den Stolz seines Volkes, das sich auch durch schlimmste Schicksalsschläge nicht zu winselnden Kreaturen erniedrigen ließ.

„Mein Name ist Philip Hasard Killigrew“, entgegnete der Seewolf mit einer angedeuteten Verneigung. „Ich bin hier, um mit Ihnen über die Zukunft zu reden, Shawano.“

Der weißhaarige Mann nickte, schwieg einen Moment und dachte offenbar nach. Dann wandte er sich dem Spanier an seiner Seite zu und redete in der Sprache der Timucua auf ihn ein. Der Spanier, ein muskulös gebauter mittelgroßer Mann, glich in seinem Äußeren schon mehr den Indianern als seinen weißen Landsleuten. Ein Stirnband hielt seine halblangen schwarzen Haare zusammen, um den linken Oberarm trug er einen Metallreif, eine leichte offene Weste war alles, womit er seinen kräftigen Oberkörper bedeckte. Das schwere Entermesser steckte ohne Scheide unter seinem Hosengurt, die Füße des Spaniers waren nackt.

Shawanos Redefluß endete nach einem bekräftigenden Knurrlaut.

Der Spanier blickte den Seewolf an.

„Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle, Señor Killigrew. Mein Name ist Marcos. Ich habe zwei Jahre in der Siedlung an der Waccasassa-Bucht gelebt und kenne mich in der Sprache der Timucua sehr gut aus. Häuptling Shawano sagt, daß seine Spanischkenntnisse nicht ausreichen, um sich so zu bedanken, wie er es gern möchte. Ich soll Ihnen sagen, daß er und sein Volk sich zutiefst in Ihrer Schuld fühlen. Ohne Sie und Ihre Männer läge diese Galeone jetzt auf dem Grund der See, und keiner von uns wäre noch am Leben. Im Namen meiner vier Freunde schließe ich mich diesem Dank an, Señor Killigrew.“ In Marcos’ Augen stand ein fast ehrfürchtiges Leuchten.

„Wir haben das getan, was für uns selbstverständlich ist“, sagte Hasard.

Marcos übersetzte, und Shawano antwortete mit wenigen abgehackt klingenden Worten.

„Der Häuptling meint, daß Sie zu bescheiden sind“, sagte der Spanier, „er fragt, wo Sie das Palaver führen möchten, in der Kapitänskammer oder auf dem Achterdeck. Er ist mit den Gepflogenheiten der Europäer nicht vertraut und möchte Sie nicht beleidigen.“

„Auf dem Achterdeck ist es luftiger“, entgegnete Hasard lächelnd, „eine Frage vorweg, Marcos: Sie und Ihre Freunde sehen nicht aus wie Gefangene, die von den Timucua geknechtet werden. Täusche ich mich?“

„Nein, ganz und gar nicht, Señor Killigrew. Es ist so: Wir hatten schon lange die Nase voll von unserem Kommandanten. Don Angelo Baquillo ist ein Menschenschinder, anders kann man es nicht nennen. Daß die Indianer rebelliert haben, war zu erwarten. Es geschah Baquillo und seinen Gefolgsleuten recht. Man muß sich schämen, wenn man daran denkt, wie niederträchtig sie die Timucua behandelt haben. Meine Freunde und ich sind da einer Meinung.“

„Aber Sie wurden doch von den Timucua gefangengenommen“, sagte der Seewolf zweifelnd, „Sie sind doch nicht freiwillig an Bord dieses Schiffes gegangen.“

„Das ist richtig, Señor Killigrew. Nur wurde uns nach und nach klar, auf welcher Seite wir wirklich stehen. Was glauben Sie, wie wir uns bei dem Gefecht mit der ‚Galicia‘ gefühlt haben! Weder Don Angelo Baquillo noch Don Bruno Spadaro, der Kapitän, haben Rücksicht darauf genommen, daß sich Landsleute an Bord der ‚San Donato‘ befinden.“ Marcos preßte für einen Moment grimmig die Lippen aufeinander, ehe er fortfuhr. „Das sagt alles, denke ich. Wir sind jetzt richtige Überläufer, wenn Sie so wollen. Wir haben keine Lust mehr, unseren Kopf für die spanische Krone und das sogenannte Vaterland hinzuhalten. Treue Soldaten sind wir die längste Zeit gewesen. Lieber bieten wir Ihnen unsere Dienste an. Sie haben uns schließlich auch vor dem bitteren Ende bewahrt.“

Hasard konnte in den Gesichtszügen des Mannes lesen, daß er die Wahrheit sagte. Man konnte ihm glauben. Ob es sich mit den anderen vier Spaniern genauso verhielt, mußte sich noch herausstellen.

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2012 стр. 21 иллюстрация
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9783954397761
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