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Читать книгу: «Seewölfe Paket 15», страница 9

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3.

Vor lauter Gram über das miese Geschäft hatte der dicke Burton mit dem Alten und seinen beiden Ferkelsöhnen einen Humpen nach dem anderen geleert und war lange nach Mitternacht volltrunken und mit Hilfe von zwei Dienern in eine Turmkammer gewankt, wo man ihm ein Bett bereitet hatte. Dorthin war auch schon der schnarchende Bromley befördert worden, ohne daß er aufgewacht wäre.

Der Alte hatte noch eine Weile herumrandaliert, war dann aber in seinem Sessel vor dem Kamin eingeschlafen.

Das Ferkel Thomas Lionel, das zwischenzeitlich aus dem Keller Wein hatte heraufholen sollen, war im Suff nicht dort gelandet, wo die Weinfässer standen, sondern hatte sich in den Rübenkeller verirrt. Die Kerze war ihm bei seiner Torkelei ausgegangen, so daß er sich nicht mehr zurechtgefunden hatte. Er ruhte also auf schmutzigen Rüben, und Edwin Carberry hätte mit Recht von einem Rübenschwein sprechen können.

Dann hatte der Alte Simon Llewellyn losgejagt, um für Nachschub zu sorgen, aber der war auch nicht zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Alte bereits vergessen, daß er seine Söhne in den Keller geschickt hatte. Er war nämlich selbst damit beschäftigt gewesen, daß Hirschgeweih über dem Kamin anzuspringen, um es herunterzureißen.

Das Hirschgeweih!

Scheißgehörn, hatte er in seinem umnebelten Gehirn gedacht, da hängst du mich nicht mehr rein, du Krücke von einem Bastard! Nach dem Ansprung war er am Rand des glosenden Kaminfeuers gelandet und hatte sich die Finger versengt. Von da ab hatte er randaliert und mit allem, was er zu fassen kriegte, nach dem Hirschgeweih geworfen. Immer daneben.

Darum hatte er sich in den Sessel zurückfallen lassen, um das Gehörn vor der nächsten Attacke noch einmal genau anzupeilen. Als er mehrere Geweihe sah, war er eingeschlafen.

Eingeschlafen war indessen auch das Ferkel Simon Llewellyn, das in eine Kiste gestiegen war – mit einer Kruke Wein in der Hand. Die hatte er noch abgezapft, während in seinem Kopf das Weinfaß und das Gewölbe auf und ab geschwankt waren wie der Atlantik bei Sturm. Umnebelt war er dann in die Kiste gestiegen, die er für die Treppe gehalten hatte. Es war eine leere Kiste, die irgend jemand in der Nähe der Steintreppe irgendwann abgestellt hatte, und seitdem stand sie dort.

Aus dieser Kiste hatte er nicht mehr herausgefunden – das war ein grausames Schicksal. Die Kruke lag längst auf dem Kistenboden, und der Wein war ausgelaufen. Bis zur Brust ging ihm die Kiste, aber darüber tasteten seine suchenden Finger in der Luft herum, links war auch Luft, rechts ebenfalls. Wo feste Wände hätten sein müssen, war Luft.

In seinem schwer beduselten Kopf wähnte Simon Llewellyn, er werde von den Geistern der Finsternis in die Hölle entführt und schwebe durch die Nacht der Verdammnis. Und da hatte er sehr geweint, der Ferkelsohn, war in der Kiste in sich zusammengesackt und vom Schlaf aus seinem Höllenflug erlöst worden. Mit dem dicken Hintern hatte er sich in den ausgeflossenen Rotwein gesetzt, der noch nicht ganz durch die Fugen der Kistenbretter gesickert war.

Da hätte Edwin Carberry, der Profos der Seewölfe-Crew, von einem Rübenschwein mit rotem Affenarsch sprechen können. Es war wirklich schade, daß er das nicht sah – das eine Rübenschwein im Rübenkeller, das andere in der Kiste.

Im Morgengrauen ruckte Sir John aus seinem Holzsessel hoch und hatte ein schiefes Genick, eingeschlafene Füße, ein krummes Kreuz und einen Geschmack im Mund, der eine reine Ferkelei war.

Seine Laune war dementsprechend.

Als er sich aus dem Sessel hochquälte – man war ja nicht mehr der Jüngste –, trat er mit den Stiefeln in die Scherben seiner nachmitternächtlichen Wurfübungen. Es knirschte mächtig, und er zuckte zusammen, weil er dachte, dieses Knirschen deute darauf hin, daß seine Knöchel aus dem Leim gingen. Manchmal, vor allem in den letzten Jahren, war das schon so gewesen, daß er meinte, das Knarren seiner Knochen gehört zu haben.

Und jetzt? Er ächzte und schaute nach unten. Auch das war schon schwierig, weil er das Gefühl hatte, sein Kopf säße verkehrt auf dem Hals. Er spähte also schief geneigt zu den Stiefeln hinunter – wie ein Hahn, der einäugig auf einen fetten Wurm stiert –, aber er entdeckte eben nur seine Stiefel, deren Leder seine Waden, Knöchel und Füße verbargen, natürlich, durch Leder hat man keinen Durchblick.

Er brauchte eine Weile, um das zu begreifen. In dieser Weile begann es in seinen eingeschlafenen Füßen zu kribbeln und zu krabbeln, und darum brüllte er um Hilfe, wobei er wie ein müder Brummbär auf den Scherben herumtappte.

Es erschien niemand. Das waren so die Zustände auf Arwenack. Lady Anne lebte seit Jahren in einem anderen Flügel der Feste, zurückgezogen von ihrem unflätigen Mann und ihren ebenso unflätigen Söhnen. Sie hatte es aufgegeben, diese versoffene und vulgäre Männer-Sippschaft noch zu ertragen. Und von der Dienerschaft zeigte sich niemand, weil man es gewohnt war, daß der Burgherr nach durchzechten Nächten erst gegen Mittag aus den Federn kroch. Und auch da hielt man sich zurück, weil man seine stinkige Laune kannte und keine Lust hatte, sich von diesem Wüterich anbrüllen oder verprügeln zu lassen. Außerdem hatte die Erfahrung ergeben, daß der Burgherr seine Brüllerei meist einstellte, wenn keiner da war, der ihm zuhörte.

So auch jetzt. Im übrigen brummte dem Alten der Schädel, und mit der Brüllerei tat er sich überhaupt keinen Gefallen, weil das Schädelbrummen davon nur schlimmer wurde.

Er fand einen Rest Whisky, kippte ihn hinunter, sackte wieder in den Holzsessel mit der hohen Lehne und schnarchte bereits nach ein paar Minuten.

Aufgeweckt mit seiner Brüllerei hatte er nur die drei Bestien, die in der Nähe des Kamins geschlafen hatten. Die hatten auch so ihre Erfahrungen. Sie lauerten noch ein Weilchen, und als sie die Schnarchtöne vernahmen, wußten sie, daß der Weg frei war. Sie tigerten zu dem Bohlentisch, an dem das Freß- und Zechgelage stattgefunden hatte, und räumten ab. Sie hielten also gewissermaßen Nachlese und sorgten dafür, daß nichts verdarb. Im gewissen Sinne ging es den Hunden auf Arwenack eigentlich besser als dem Gesinde und der Dienerschaft.

Daß beim Abräumen ein paar Tonkrüge und Tonschüsseln zu Bruch gingen, besagte nichts weiter. Auch das gehörte dazu. Es bleibt nur noch hinzuzufügen, daß die Wohnhalle mal wieder chaotisch aussah, ganz abgesehen von den Gerüchen, mit denen die Halle geschwängert war. Von einem Saustall zu sprechen, wäre noch untertrieben.

Erst gegen Mittag erwachte die Feste über Falmouth allmählich zum Leben – jedenfalls jener Teil, den Lady Anne wie gesagt seit Jahren nicht mehr betreten hatte. Sie selbst war natürlich längst aus den Federn und das für sie zuständige Gesinde auch. Dort, im Flügel der Lady Anne ging man mit den Hühnern schlafen und stand beim ersten Hahnenschrei wieder auf, dafür sorgte schon die Burgherrin. In ihrem Haushalt klappte auch alles, im Gegensatz zu der Lotterwirtschaft des Burgherrn.

An diesem Mittag nun begab sich Lady Anne ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten in den Trakt der Feste, den Sir John bewohnte.

Es war nämlich folgendes passiert: Die Hühnermamsell von Lady Anne hatte am Vormittag festgestellt, daß aus dem Volk ihres Federviehs ganze zehn Hühner fehlten, darunter zwei der besten Leghennen. Da sie einen bestimmten Verdacht hegte, war sie zu den Küchenräumen Sir Johns hinübergegangen und hatte sie durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt war dort noch niemand bei der Arbeit, so daß sie ungestört war.

Sie hatte mit ihrer Suche Erfolg gehabt: Erstens hatte sie in einem Abfallkübel braune Federn gefunden, was eindeutig bewies, daß dies Federn aus ihrem Hühnervolk sein mußten, denn Sir Johns Hühnervolk bestand aus weißen Hühnern, die nach Lady Annes Ansicht schlechter legten als die braunen. Zweitens fand die Mamsell in demselben Abfallkübel unter anderem das Gebeinpaar der beiden Leghennen, und dieser Beweis war noch eindeutiger, weil der rechte Lauf der beiden Leghennen mit einem bestimmten Markierungsring aus Eisenzinn umgeben war.

Die braunen Federn und die beiden Markierungsringe bewiesen also, daß jemand aus dem Gesinde des Sir John ein Langfinger gewesen war, der zehn Hühner aus dem Federvolk Lady Annes gemaust hatte, die dann als Bratvögel auf der gestrigen Abendtafel des Burgherrn gelandet waren.

Die Mamsell meldete ihrer Herrin den Vorfall, und da war das Maß voll. Lady Anne hatte sich vieles von ihren Mannskerlen bieten lassen, aber wenn man jetzt auch noch hinging und ihr die eigenen Hühner klaute – nur um der eigenen Freßsucht zu frönen –, dann war das Mundraub und im übrigen eine Unverschämtheit, die sie sich nicht gefallen ließ.

Lady Anne war noch so resolut und voller Energien wie eh und je. Bewaffnet mit ihrem Krückstock aus harter Eiche, der unten in einer Zwinge mündete, marschierte sie hinüber in den Wirtschaftstrakt Sir Johns. Dort befand sich auch die Küche, in der die Fressereien für Sir Johns Gelage zubereitet wurden.

Anwesend dort zu diesem Zeitpunkt waren der Küchenchef, ein schmutziger Kerl namens Baxter, ein Gehilfe von ihm namens Haig sowie zwei Küchenmädchen, die alle vier zusammenzuckten, als Lady Anne in der Küche erschien – stämmig, mit drohender Miene und funkelnden blauen Augen, die sich jetzt auf Baxter richteten.

Der grinste frech, aber das Grinsen verging ihm, als Lady Anne auf ihn zurückte, den Krückstock wie einen schweren Säbel in der Faust.

„Baxter!“ fauchte Lady Anne. „Wer hat veranlaßt, daß zehn meiner Hühner geklaut wurden? Heraus mit der Sprache!“

„Ich – ich weiß nicht, von was Sie sprechen …“

Weiter gelangte Baxter nicht, denn der Krückstock trat in Aktion, und Lady Anne wußte ihn bestens zu handhaben. Die beiden Küchenmädchen flohen kreischend aus der Küche, und als sich Haig, der Gehilfe Baxters, ebenfalls verziehen wollte, nahm Lady Anne einen Zielwechsel vor und ließ den Krückstock auf dem Buckel Haigs herumtanzen.

Lady Anne wußte sehr genau, wer geräubert hatte, nämlich Haig, der von einem Knöchelbruch her einen nach innen gedrehten linken Fuß hatte, und genau dieses Merkmal hatte sie bei den Fußspuren in ihrem Hühnerhof entdeckt. Nur hatte Haig nicht aufgrund eigener Initiative die Hühner entwendet, sondern das war ihm befohlen worden.

Baxter und Haig schrien um die Wette, während sie grün und blau geschlagen wurden, Haig schwor tausend Eide, daß er das nie wieder tun würde, und Baxter rückte endlich damit heraus, daß Sir John angeordnet habe, die Hühner zu stehlen.

Da tobte Lady Anne erst richtig los. Binnen kurzer Zeit verwandelte sie die Küche Sir Johns in ein Schlachtfeld und stülpte zum Abschluß Baxter den Abfallkübel mit den gerupften Federn, den abgehackten Köpfen und Beinen über den Schädel. Und Haig empfing zur Abrundung der Prügel einen schmetternden Schlag mit der Bratpfanne auf den Kopf. Er ging zu Boden, als sei er mit einer Axt gefällt worden.

Aber Lady Annes Feldzug war noch nicht beendet, denn auch der Urheber dieses Bubenstücks hatte sein Fett zu kriegen. Aus Erfahrung wußte Lady Anne, wo ihre schlechtere Ehehälfte zu finden war – natürlich in der Wohnhalle wie immer nach Zechgelagen.

Lady Annes Wut loderte auf wie eine Flamme, in die der Wind stößt, als sie die Halle betrat, die zwar Halle genannt wurde, aber nichts anderes war als ein Schweinestall.

Das war ja wohl nicht mehr zu fassen!

Lady Anne fluchte wie der letzte Fuhrknecht, und als einer der Köter sie anknurrte, empfing er mit dem Krückstock was aufs Maul, daß er aufjaulend und mit eingezogenem Schwanz flüchtete. Die beiden anderen Bestien zogen es vor, sofort zu verschwinden. Vor Sir Johns Hunden hatte Lady Anne noch nie Angst gehabt.

Als der Köter aufjaulte, war Sir John aus seinem Suffschlaf aufgewacht, aber er hatte keine Gelegenheit mehr, irgendwie zu reagieren.

Lady Anne war bereits hinter den Lehnstuhl geglitten. Sie bückte sich, packte links und rechts die beiden hinteren Stuhlbeine, ruckte sie hoch und kippte den Lehnstuhl vornüber.

Sir John merkte nur, daß er plötzlich abgelüftet wurde, und schon saß er nicht mehr, sondern segelte durch die Luft und klatschte vor dem Kamin auf den Steinboden. Er prellte sich Nase und Kinn und brüllte los.

Sekunden später tanzte der Krückstock über seinen Rücken, über Genick und Schultern, daß ihm Hören und Sehen vergingen. Lady Anne klopfte den Erzeuger ihrer Ferkelsöhne windelweich. Auch und gerade den dicken Hintern ihres Gemahls sparte sie nicht aus, und sie klopfte so lange, bis keine Staubwolken mehr aus dem Hosenboden aufstiegen.

Aufatmend hielt sie inne und wartete, bis sich Sir John stöhnend und ächzend umgedreht hatte. Als er sein zorniges Weib entdeckte, wollte er hoch, empfing aber mit dem Krückstock einen rabiaten Stoß vor die Brust, der ihm die Luft nahm und ihn wieder zurücksacken ließ.

„John Killigrew!“ donnerte Lady Anne. „Es ist das letzte Mal gewesen, daß du mich bestohlen hast! Das letzte Mal! Wird noch ein Stück aus meinem Besitz entwendet – und sei es ein Buchenscheit –, dann lade ich eine Muskete mit gehacktem Blei und schieß dich über den Haufen. Das gilt auch für deine verdammten Söhne! Ich habe es satt, mir das noch länger gefallen zu lassen. Hast du mich verstanden, du Mistkerl?“

Sir John schielte mit tückischen Augen zu der Feuerzange, die leider nicht ganz in seiner Reichweite lag.

Lady Anne sah das sehr genau.

„Nur zu!“ höhnte sie. „Hol dir die Feuerzange, Killigrew. Oder bist du zu feige?“

„Ich – ich dreh dir den Hals um, du alte Ziege …“

Lady Anne explodierte, und wieder hagelte es Hiebe mit dem Krückstock. Ja, sie war ein verdammt harter Brocken, diese Lady Anne, und jetzt zahlte sie dem Alten alles zurück, was er ihr in den letzten Jahren angetan hatte. Das war alles in Lady Anne angestaut gewesen, und jetzt brach es sich Bahn wie eine Naturkatastrophe.

Gleich der erste Hieb prallte Sir John an den Hals, nahm ihm die Luft zu weiteren Beschimpfungen und legte ihn im Sitzen um. Lady Anne kannte kein Erbarmen, zu häufig war sie von diesem Ungetüm entwürdigt, beleidigt, betrogen und sogar bestohlen worden. Nur ihr Stolz hatte es ihr verboten, die Feste Arwenack zu verlassen.

Ja, heute war Zahltag, und stellvertretend für die Schlampen, die Saufkumpane und die eigenen Söhne empfing Sir John die Prügel, und Lady Anne ließ ihm keine Chance, um den Spieß umzudrehen.

Als sie das Feld räumte, hatte Sir John die Dresche seines Lebens bezogen, und da war wohl keine Stelle an seinem Körper, die Lady Anne verschont hatte.

Nun waren Thomas Lionel und Simon Llewellyn vor einem Viertelstündchen etwa ebenfalls in die Gegenwart zurückgekehrt, der eine im Rübenkeller, der andere in der Kiste. Sie hatten sich ins Wachsein zurückgequält und litten an allerlei Störungen, wie sie nicht ausbleiben, wenn der Geist des Alkohols zuschlägt. Beide hatten etwa das Gefühl, mit den Köpfen zwischen zwei Mühlsteinen eingeklemmt worden zu sein.

Sie trafen sich am Kellerniedergang, und da keiner den anderen zunächst erkannte – da unten herrschte ein schummriges Halbdunkel –, fuhr ihnen der Schreck in die Glieder und ließ sie noch mehr wanken. Vermutlich meinte jeder vom anderen, einem Geist begegnet zu sein oder vielleicht sogar dem Gehörnten. Als sie voreinander Reißaus nehmen wollten, ertönte oben in der Halle die donnernde Stimme, die unschwer als die ihrer resoluten Mutter zu identifizieren war. Da zuckten sie wieder zusammen.

Und sie lauschten. Als in der Standpauke auch von ihnen die Rede war, setzten sie sich in Bewegung, um die Steintreppe hochzuschleichen. Erst da erkannten sie einander. Sie grinsten sich gequält an, zwei derangierte Kerle mit vom Suff verquollenen Visagen. Man hätte sie nie als gut aussehend bezeichnen können, aber jetzt ähnelten sie Ferkeln mehr denn je.

Wie Spitzbuben schoben sie sich längs der Seitenmauern die Stufen hoch und spähten oben aus dem Halbdunkel des Niedergangs in die Halle, wo ihr Alter verdroschen wurde.

Natürlich waren sie weit davon entfernt, sich einzumischen oder etwa ihrem Alten beizustehen. Erstens hätten sie selbst Senge bezogen, zweitens kannten sie den Zorn ihrer Mutter, und drittens labten sie sich an der Schadenfreude. Es war zu schön, zusehen zu dürfen, wie dem Alten das Fell gegerbt wurde. Zu gern hätten sie ihren Beifall kundgetan, aber das verbot sich aus naheliegenden Gründen.

So blieben sie stumme, aber doch sehr erfreute Zeugen eines nicht alltäglichen Geschehens. Wirklich schade, daß sie so etwas so selten erlebten.

Als die Tür hinter der Burgherrin ins Schloß krachte, zuckten die beiden Ferkelkerle noch einmal zusammen. Der Alte konnte nicht mehr zucken, weil er total zerschlagen war. Aber das Zukrachen der Tür verriet ihm, daß seine bessere Hälfte die Halle nunmehr verlassen hatte. Dann knirschten irgendwo hinter ihm Schritte über Scherben, und er wälzte sich stöhnend herum.

Sein Blick fiel auf seine beiden Stammhalter, und an deren dreckigem Grinsen erkannte er, daß sie Zeugen seiner schmachvollen Züchtigung geworden waren. Das stimmte ihn keineswegs fröhlich.

Die beiden hatten sich schleunigst verdrücken wollen, ohne vom Alten bemerkt zu werden, aber das war nun leider danebengegangen. Das Knirschen der Bruchscherben hatte sie verraten. Ihr Grinsen vereiste sehr schnell.

Vater und Söhne starrten sich also an und ihren Blicken war zu entnehmen, daß sie einander keineswegs in Liebe zugetan waren, jedenfalls nicht so, wie es zwischen Vätern und Söhnen wünschenswert wäre.

So zerschlagen der Alte auch war, er konnte schon wieder brüllen, und seine Söhne erhielten den Befehl, ihm aufzuhelfen. Sie hätten jetzt noch auskneifen können, aber dazu fehlte ihnen der Mumm. Und früher oder später wäre der Alte doch über sie hergefallen. Vielleicht war es jetzt sogar besser, alles über sich ergehen zu lassen, zumal der Alte Federn hatte lassen müssen – wie die zehn gestohlenen Hühner.

Ohne viel Begeisterung latschten sie über die Scherben, griffen dem Alten unter die Achseln, hievten ihn hoch und zerrten ihn zu einem Stuhl, der noch nicht umgekippt war.

Der verdammte Wüterich ließ sich hängen wie ein ausgewrungener Putzlappen. Aber kaum saß er mit dem dicken Hintern auf dem Stuhl, kriegte der dümmliche Thomas Lionel, der nicht schnell genug reagierte, ein Ding an die Ohren gescheuert, das ihn ins Taumeln brachte. Simon Llewellyn schaffte es rechtzeitig, sich dem Zugriff des Alten zu entziehen. Er tat es mit dem Hinweis, in der Küche für das Frühstück sorgen zu wollen. Das war immerhin eine gute Ausrede, und sie wurde auch akzeptiert, weil der Alte Hunger hatte. Thomas Lionel durfte ihm dafür einen Eimer mit kaltem Wasser bringen und dem Alten kalte Kompressen auf den Kopf legen.

Zu diesem Zeitpunkt tauchten auch der dicke Burton und sein Kumpan Bromley in der Halle auf. Sie hatten die Mienen von Sargträgern, vor allem Bromley, der inzwischen von Burton erfahren hatte, wie von dem Alten „der geschäftliche Teil“ geregelt worden war. Immerhin waren diese beiden Gauner bereits übereingekommen, sich nicht mit einem Viertel der Beute zu begnügen. Irgendwie würden sie schon einen Dreh finden, sich vor der Teilung die Taschen vollzustopfen.

Als sie den Burgherrn erblickten, lockerten sich ihre verkniffenen Mienen um einige Nuancen.

Und zuckersüß sagte der dicke Burton: „Ah, Sir John, ich hoffe doch sehr, daß Sie eine gute Nacht hatten!“

Als Antwort erhielt er einen bitterbösen Blick und ein unverständliches Grunzen.

Mittags gab’s also das Frühstück, und die Trauergemeinde hatte sich nicht viel zu sagen. Die Killigrews schmatzten wie üblich und waren maulfaul, Burton hüstelte dann und wann, und Bromley brütete finster über seinem Teller. Er dachte schon wieder an Philip Hasard Killigrew. Die herrlichen Spiegeleier auf dem gebratenen Speck konnten ihn davon auch nicht abhalten.

4.

Erst gegen zwei Uhr am Nachmittag wurden unten im Hafen von Falmouth die Leinen gelöst. Zwölf wüste Kerls gehörten zur Stammbesatzung der Karavelle, die Sir John sein eigen nennen konnte. Sie war gut bestückt, denn sie diente dem alten Schnapphahn ja dazu, bei den Scillys oder in der Irischen See herumzuwildern. Er konnte ja nie den Hals voll genug kriegen, und das ausschweifende Leben, das er zwischendurch führte, verschlang ganz hübsche Sümmchen.

Armiert war die Karavelle mit je sechs Culverinen an Backbord und an Steuerbord, ferner mit demontierbaren Relingsbüchsen – zehn an der Zahl –, die überall jederzeit in die dafür vorgesehenen Halterungen auf dem Schanzkleid eingesetzt werden konnten, sowie mit je vier Dreh@assen auf dem Achterdeck und der Back.

Zur Bedienung dieser Waffen hätte Sir John gern ein paar Kerle mehr gehabt, aber da wäre dann auch mehr Sold fällig gewesen, und er war nun mal ein notorischer Geizkragen, was die Bezahlung seines Gesindes oder seiner Mannschaft betraf. So war er auch stets unterbemannt, was er aber dahin ausglich, daß er von seinen Kerlen eben mehr als üblich an persönlichem Einsatz verlangte. Sie hatten statt zwei Händen eben vier Hände zu haben – basta. Daß er seine beiden Ferkelsöhne als zusätzliche Decksleute betrachtete, versteht sich am Rande.

Dieser verwilderten Crew stand ein Bootsmann vor, O’Leary mit Namen, ein rüder Klotz von einem Kerl mit Holzhackervisage, mächtigen Fäusten und einem breiten Kreuz. Wenn Sir John nicht an Bord war, dann hatte er die Funktion eines Kapitäns. Er war ein guter Seemann und verstand auch was von der Navigation.

Hier muß noch hinzugefügt werden, daß O’Leary den beiden Ferkelsöhnen übergeordnet war, was bedeutete, daß er mit ihnen nach Belieben verfahren konnte, ohne vom Alten deswegen gerüffelt zu werden, ja, er verlangte sogar, daß O’Leary den beiden „Lümmeln“ was an die Ohren gab oder sie in den Hintern trat, wenn sie Mist bauten oder meinten, faulenzen zu dürfen.

Das hatte überhaupt nichts mit Erziehung zu tun, die mit spätestens zwanzig Jahren hätte abgeschlossen sein müssen. Nein, von solchen Überlegungen war Sir John meilenweit entfernt. Er hatte nur eine perverse Freude daran, seine Söhne zu kujonieren und zu piesacken – und was ihm bei Philip Hasard Killigrew nicht gelungen war, das ließ er an seinen beiden Ferkelsöhnen aus, ungeachtet dessen, daß diese Söhne bei einer solchen „Erziehung“ weiß Gott nichts anderes als nichtsnutzig werden konnten.

Wahrscheinlich auch wußte der Alte nichts von der Redensart in seinem Land, die da lautet: like a cornered rat – wie eine in die Enge getriebene Ratte. Denn das konnte eines Tages passieren, daß sich seine Söhne wie cornered rats fühlten und so handelten, nämlich mit dem letzten wahnsinnigen Mut der Verzweiflung den Folterknecht anzuspringen und sich in ihn zu verbeißen.

Seltsamerweise war es der dümmliche Thomas Lionel, der an diesem Tage zur Ratte wurde.

Es ließ sich alles gut an, wenn man von der schlechten Laune und der Brüllerei des Alten einmal absah.

Ein paar von den zwölf Kerlen, die allesamt so rechte Galgenstricke waren, drückten mit langen Bootshaken die Karavelle von der Pier weg, bis sie im Wind lag, der von Westen wehte. Die Fock wurde backgesetzt, bis der Bug nach Lee zu drehen begann, dann herumgeholt, während gleichzeitig auch Großsegel und Besan vorgeheißt wurden. Der Alte stand selbst am Ruder, während O’Leary, der Bootsmann, das Segelsetzen und Durchholen der Schoten überwachte.

Burton und Bromley befanden sich natürlich an Bord. Sie standen reichlich überflüssig auf dem Achterdeck herum und damit jedem im Wege. Von der Seefahrt verstanden sie soviel wie die Kuh vom Bauerntanz. Da ihnen die See dazu noch fremd war, hatten sie Beklemmungen, Schweißausbrüche und das dumpfe Gefühl, demnächst von dem nassen Element verschlungen zu werden.

Dieses Gefühl verstärkte sich, als sich die Karavelle nach Lee neigte und mit halbem Wind die Bucht von Carrick Roads durchlief und an Pendennis Point vorbei Zone Point ansteuerte, die Spitze jener Halbinsel, die gerundet werden mußte, wenn man entlang der kornischen Küste Plymouth anlaufen wollte.

Noch war bei dem Wind aus Westen die Bucht von Carrick Roads gut geschützt und der Seegang beileibe nicht aufregend. Aber der dicke Burton und sein Kumpan Bromley standen seltsam verdreht auf den Planken des Achterdecks und klammerten sich am Schanzkleid an Steuerbord fest, als befürchteten sie, im nächsten Moment auf dem mäßig schiefgeneigten Deck abwärts nach Lee zu rutschen.

Ihre Haltung sah schon reichlich komisch aus. Sie wirkte, als hätten sie die Hosen voll. Und Ihre Mienen wiesen aus, daß sie von erbärmlicher Angst erfüllt waren. Die durchzechte Nacht war auch nicht dazu angetan, ihr Wohlbefinden zu stärken.

Als Zone Point gerundet und damit die Atlantikdünung wirksam wurde, passierte das, was für Landratten vom Schlage dieser beiden Spitzbuben obligatorisch ist.

Ihre Mägen stiegen ihnen durch die Kehlen, und sie opferten. Ungetrübt von den Gesetzen des Windes entleerten sie sich, über dem Schanzkleid hängend, nach Luv. Das Zeug – noch nicht verdaute Spiegeleier mit Speck und Roggenbrot – flog ihnen wieder entgegen und um die Ohren, verkleisterte ihnen die Augen, das Gesicht und die Halskrausen, und so stimmten sie unisono ein Jammergebrüll an, als befänden sie sich auf dem Wege zur Schlachtbank.

Das war so richtig was für den Alten, der die Ruderpinne einem der Kerle übergeben hatte. Er lachte sich halbtot über die beiden Gestalten am Steuerbordschanzkleid. Dann wurde ihm der Geruch zuwider, der ihn von dort anwehte, und er brüllte den Bootsmann an, dafür zu sorgen, daß die Schweinerei, mit der auch das Deck bekleckert war, beseitigt würde.

O’Leary stand auf der Kuhl, röhrte sein „Aye, aye, Sir!“ und scheuchte Thomas Lionel aufs Achterdeck, nachdem er ihn angebrüllt hatte, was er mitzunehmen hätte, nämlich eine Pütz samt Fangleine, eine Handbürste und einen Lappen.

Thomas Lionel gehorchte.

Inzwischen war gehalst worden, und die Karavelle lag nunmehr über Steuerbordbug auf Nordost-Kurs, um Dodman Point anzusteuern, die nächste Halbinselspitze auf dem Wege nach Plymouth. Der Wind aus Westen fiel raumschots ein, die Karavelle wiegte sich in der von achtern anlaufenden Atlantikdünung – für magenschwache Landratten eine sehr üble Bewegung, die beharrlich und stetig ein Schiff hochklettern und hinuntergleiten läßt. Beim Hochklettern schwenkte der Bug hoch, beim Hinuntergleiten das Heck. Mit dem Magen verhält sich das nahezu synchron. Feste Mägen vertragen das, schwache Mägen rebellieren.

Bei Burton und Bromley rebellierten sie also weiterhin.

Sie hatten inzwischen begriffen, daß es unzweckmäßig war, gegen den Wind zu opfern. So lehnten sie jetzt achtern am Schanzkleid, den Rücken fast zum Wind, und versauten die Planken. Sie hatten noch allerlei in ihren Mägen.

Der Alte, achtern drüben am Backbordschanzkleid, sah genüßlich und grinsend zu, als sein Sohn Thomas Lionel, bewaffnet mit Pütz, Handbürste und Lappen, den Niedergang hochenterte, auf dem Achterdeck jedoch stehenblieb und zögerte.

O’Leary tauchte hinter ihm auf, verpaßte ihm spornstreichs einen Tritt in den Hintern und beförderte ihn auf diese Weise in Richtung des verunreinigten Decks, also dorthin, wo es nicht sehr appetitlich aussah.

Thomas Lionel sauste bäuchling über die Ferkelei auf den Planken und nahm insofern bereits mit seinen Klamotten eine Art Vorreinigung vor. Seine Rutschfahrt endete kurz vor den beiden Gentlemen, denen so speiübel war. So passierte es, daß er deren Magenkram auch noch ins Genick kriegte, sozusagen frisch, denn die beiden Gentlemen scherte es nicht, wer da zu ihren Füßen lag. Er hätte ja woanders hinrutschen können.

Als Thomas Lionel noch ein Bübchen gewesen war, da hatte sich sein älterer Bruder Malcolm oft daran verlustiert, ihm kaltes Wasser hinten in den Kragen zu gießen oder bei Frost auch mal Eisstückchen dort hineinzustopfen. Wenn dann der kleine Thomas Lionel wie am Spieß gebrüllt hatte, war Malcolm ganz weg gewesen vor lauter Lust an diesem Spaß.

Seit jenen Jahren reagierte Thomas Lionel nahezu hysterisch, wenn ihm irgend etwas hinten ins Genick geriet, es brauchte gar nicht einmal kalt zu sein.

Einmal war ihm unter Deck, als er mit seinem Alten und Simon Llewellyn an der Back gesessen hatte, eine Kakerlake hinten in den Kragen gefallen. Die war ihm noch dazu den nackten Rücken hinuntergekrabbelt. Da hatte er sich gebärdet wie ein Tobsüchtiger, einen Veitstanz hatte er aufgeführt, Geschirr zerschlagen und die Kammer demoliert. Erst ein Kinnhaken des Alten hatte ihn außer Gefecht setzen können.

Da war nun dieses Mal etwas anderes im Genick des Thomas Lionel gelandet, etwas nicht sehr Schönes, denn es roch mächtig übel. Für etliche Sekunden lag der Ferkelsohn starr und stumm platt auf den Planken, stierte das Holz an und das, was sich dort schon angesammelt hatte. Gleichzeitig spürte er jenes andere bereits im Genick, und er wagte kaum, sich zu rühren, damit es nicht tiefer rutschte.

Schritte waren hinter ihm, gleich darauf klatschte ein Tauende auf seinen Hintern, und die Stimme O’Learys dröhnte in seine Ohren.

„Willst du da pennen, du Sack?“ brüllte der Bootsmann. „Hoch mit dir, verdammt noch mal! Hier wird nicht gefaulenzt!“ Und wieder kriegte er das Tau zu kosten, schon härter als zuvor.

Das genau war der Moment, der jene Situation heraufbeschwor, in der Thomas Lionel, der plumpe, dumme Kerl, zu einer in die Enge getriebenen Ratte wurde.

Er schoß mit einem schrillen, quiekenden Schrei von den Planken hoch, als sei er von dort abkatapultiert worden. Dann passierte etwas, was für O’Leary viel zu schnell ging, um noch reagieren zu können. Er hatte auch mit gar keiner Gegenwehr gerechnet.

Thomas Lionel kreiselte herum, schwang dabei die Pütz mit der Fangleine aus, die Leine prallte seitlich an das Kinn des Bootsmanns und hatte genug Drall drauf, um sich samt Pütz um dessen Hals zu wikkeln.

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9783954397730
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