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2.

Die beiden Ferkelbrüder wären liebend gern mit ihren Schlampen im Heu der Stallungen verschwunden, zumal diese hartgesottenen Weiber von ihnen bereits vorab kassiert hatten, aber da waren sie bei ihrem Alten schlecht gelandet. Er hatte sie zurückgepfiffen und angedonnert, daß sie gefälligst zu bleiben hätten, zumal es sich offenbar um eine Sache handele, die ihren verdammten Stiefbruder betreffe.

Da Simon Llewellyn enttäuscht, dafür aber um so ordinärer geflucht hatte, war ihm ein Zinnhumpen, gefüllt mit Rotwein, an den Schädel geflogen, abgefeuert von seinem Alten, der stets was zur Hand hatte, um jemanden zu züchtigen – einen Knüppel, eine Peitsche, ein Stuhlbein oder eben etwas zum Werfen. Ansonsten setzte es Stiefeltritte oder hagelte Maulschellen.

Ob das, was jetzt über das Ferkelgesicht floß, Rotwein oder Blut war, ließ den Alten völlig kalt. Der Idiot hätte ja seinen dämlichen Kopf einziehen können, nicht wahr? Aber nicht mal dazu langte es.

„Und wer sind Sie?“ blaffte er den hageren Mark Bromley an.

Der feiste Burton beeilte sich, seinen Kumpan vorzustellen und dabei auch zu betonen, daß es der tapfere Hauptmann Bromley einem gewissen Philip Hasard Killigrew zu verdanken habe, nicht mehr die Tower-Garde zu befehligen und degradiert worden zu sein, ganz abgesehen von den zehn Jahren Kerker, die dieser hochverdiente Offizier habe erdulden müssen.

Und das nur wegen der unhaltbaren Behauptung dieses Philip Hasard Killigrew, der ehrenwerte Hauptmann habe sich an dessen Beuteschatz bereichern wollen.

Prompt kriegte der hagere Bromley das Zittern, und wutentbrannt stieß er hervor: „Ich werde diese Laus zerquetschen! In ein Rattenloch werde ich ihn sperren. In der Schlangengrube soll er verenden! Gepfählt soll er werden und auf dem Scheiterhaufen Qualen erleiden …“ Und er erstickte fast an seinem Haß.

Der Alte blickte irritiert und rieb sich die Knollennase. Das war ja eine ganz seltene Nummer, dieser Bromley, und jeder einzelne Vorschlag war erwägenswert, besonders der mit der Schlangengrube. Es wäre zu schön, dabei zusehen zu können.

„Hm“, sagte er. Und noch einmal: „Hm.“

Sie saßen jetzt alle vor dem riesigen Kamin. Simon Llewellyn betastete seine Stirn, die nicht sehr hoch war, dafür aber nunmehr von einer Schwellung verziert wurde, die sich zum Horn auswuchs. Er verzog leidend das Ferkelgesicht und wurde von dem Alten angefahren, ob er es nicht für nötig hielte, den beiden ehrenwerten Besuchern einen Wein zu kredenzen.

Aber er maulte herum und war der Ansicht, sein jüngerer Bruder könne den Mundschenk spielen. Er empfing von Sir John einen Tritt vors Schienbein, und als sein Erzeuger auch noch nach der Feuerzange griff, bequemte er sich, dessen Anordnungen Folge zu leisten.

Thomas Lionel indessen grinste dümmlich in der Annahme, an diesem Abend von seinem Alten verschont zu werden. Aber er irrte sich. Sir John drosch ihm den Blasebalg ins Kreuz mit der Aufforderung, ihm den irischen. Whisky zu bringen und außerdem mit dem dämlichen Grinsen aufzuhören.

So war wieder einmal mehr klargestellt, wer auf Arwenack das Zepter schwang. Und Sir John würde es auch bis an sein Lebensende nicht aus der Hand geben, und wenn er neunzig wurde. So waren die Aussichten, dermaleinst Burgherr zu werden, für Simon Llewellyn äußerst gering und für Thomas Lionel eine Utopie, es sei denn, der Alte schied vorzeitig aus dem Leben, oder man half selbst etwas nach, zum Beispiel mit Gift. Nur hatte der Alte dieser Möglichkeit einen Riegel vorgeschoben, indem er nie als erster einen Bissen zu sich nahm oder den ersten Schluck trank.

Wozu hat man denn Söhne, nicht wahr?

Pflichtgemäß trank auch jetzt Thomas Lionel den ersten Schluck des irischen Whiskys, und da er zufrieden schmatzte und nicht umfiel, blieb der weitere Inhalt der Flasche dem Alten vorbehalten.

Nach der Trinkprozedur konnte man zur Sache kommen, und Sir John verlangte nun nähere Auskünfte über seinen Bastardsohn.

Samuel Taylor Burton berichtete: „Er und seine Bande von Halsabschneidern sind plötzlich wieder in Plymouth aufgetaucht, merkwürdigerweise trafen sie nacheinander in drei Gruppen ein, alle tiefbraun gebrannt und so gewalttätig wie eh und je. Die erste Gruppe, offenbar unter der Führung des ungehobelten Schiffszimmermanns und des narbengesichtigen Klotzes von Profos, brach denn auch gleich im Hafen einen Streit vom Zaun und demolierte die Schenke eines gewissen Mister Plymson.“

„Ah, die ‚Bloody Mary‘, nicht wahr?“ fragte der Alte.

„So ist es, Sir“, bestätigte der dicke Burton. „Es war ein Akt von roher Gewalt, und niemand scheint in Plymouth in der Lage zu sein, diese Strolche dem Richter zuzuführen und hinter Schloß und Riegel zu bringen.“

„An den Galgen gehören sie!“ ereiferte sich Mark Bromley mit zuckendem Gesicht. „Gevierteilt …“

„Ja, ja, schon gut, mein lieber Mark“, sagte der dicke Burton hastig, denn er wußte, was der liebe Mark nun wieder alles aufzählen würde an Möglichkeiten, um die Seewölfe zu Tode zu befördern. „Ich möchte bitte alles der Reihe nach vortragen, um Sir John genau ins Bild zu setzen. Also weiter. Die zweite Gruppe unter Führung des Bootsmanns Brighton lief mit einem höchst merkwürdigen Schiff in Plymouth ein. Meine Gewährsleute sagten mir, solche Fahrzeuge solle es im südlichen Osten des Mittelmeers geben, zum Beispiel in der Umgebung des großen Stroms, den man Nil nennt.“ Der Dicke räusperte sich, weil sein Blick auf Thomas Lionel gefallen war, der ihn dümmlich anstierte, was ihn irritierte. Wahrscheinlich hatte dieser Killigrew-Sohn noch nie etwas über den Nil gehört.

So war es auch, denn dieser Sproß des Alten sagte: „Nil, hä? Was is’n das?“

„Halt’s Maul, du Idiot“, erklärte der Alte unwillig. „Fahren Sie fort, Burton.“

Der Dicke räusperte sich ein zweites Mal. „Nun, ich möchte zunächst auf zweierlei hinweisen. Die erste Gruppe lief mit einer kleinen Karavelle in Plymouth ein, die so morsch war, daß sie an der Pier versank. Die zweite Gruppe hingegen erschien mit einem fremdartigen Fahrzeug. Aber sofort begaben sich die Führer der beiden Gruppen, der Schiffszimmermann und der Bootsmann, zu der Werft eines gewissen Ramsgate, um ein neues Schiff bauen zu lassen – eine Galeone vermutlich. Die Frage, die sich Mister Bromley und ich stellten, lautete: Woher haben diese Kerle das Geld, um ein solches Schiff in Auftrag geben zu können?“

In den hellblauen Augen des Burgherrn begann es zu glitzern, und er fragte: „Na, und woher?“

Burton log einfach drauflos. „Sie haben wieder irgendwo geplündert, Sir. Und natürlich denken sie gar nicht daran, den Anteil, den die Krone erhalten müßte, herauszurücken. Es war ein Fehler unserer erlauchten Majestät, einem Gauner und Betrüger wie diesem Killigrew einen Kaperbrief auszustellen. Daß Ihre Majestät einen solchen Mann auch noch zum Ritter schlug, war ein weiterer Fehler. Das muß einmal sehr deutlich gesagt werden.“ Und der dicke Burton blickte mit salbungsvoller Miene zur Decke hoch, als gelte es, den Herrn im Himmel zum Zeugen seiner Worte aufzurufen.

Sir John gurgelte den Whisky gleich aus der Flasche. Dann sagte er: „Weiter, Burton. Sie haben den Bastard noch nicht erwähnt.“

Burton nickte. „Aus gutem Grund, Sir. Er traf nämlich als letzter mit der dritten Gruppe in Plymouth ein, und das paßt nun überhaupt nicht mehr ins Bild. Vor Jahren kaufte er bei dem bereits genannten Ramsgate eine sehr neuzeitlich konzipierte, äußerst ranke Galeone, die er auf den Namen ‚Isabella VIII.‘ taufte. Nur kehrte er nicht mit diesem Schiff nach Plymouth zurück, sondern mit einer Galeone namens ‚Pride of Galway‘, die von meinen Gewährsleuten zweifelsfrei und eindeutig als Besitz des George Darren Burke aus Galway identifiziert wurde.“

Sir John hatte schon bei der Nennung der „Pride of Galway.“ aufgehorcht. Jetzt fuhr er hoch, als Burton den Namen des Besitzers nannte.

„Burke?“ stieß er hervor. „Dieser verdammte irische Hurensohn?“ Sein Blick wurde lauernd. „Was hat der denn mit dem Bastard zu tun, he? Hat Burke ihm etwa die ‚Pride of Galway‘ geschenkt?“

Der dicke Burton hüstelte. „Leider konnten das meine Gewährsleute noch nicht in Erfahrung bringen, Sir. Aber es dürften schwere Verdachtsmomente bestehen, daß Killigrew mit den Iren paktiert. Bekannt wiederum ist, daß Burke als Galway mit den Spaniern Handel treibt.“

Sir John grinste dreckig. Jawohl, darüber wußte er selbst bestens Bescheid – fing er doch die spanischen Handelsfahrer ab, die zum Beispiel auch Galway anlaufen sollten. Und mit der „Pride of Galway“ war er bei einem seiner Raubzüge schon einmal aneinandergeraten, wobei er allerdings Fersengeld hatte geben müssen, weil ihm diese irischen Lümmel von der „Pride of Galway“ mächtig zugesetzt hatten.

„Sir“, fuhr Burton fort. „es ist schon sehr merkwürdig, daß Killigrew plötzlich im Besitz eines irischen Schiffes ist. Höchst verdächtig ist das, denn man gelangt zu dem logischen Schluß, daß dieser Mann auch mit den Spaniern paktiert …“

„Ein Verräter!“ zischte Mark Bromley. „Er bereitet eine spanische Invasion vor. Das ist es! Seine ‚Isabella‘ hat er den Spaniern überlassen, damit sie dieses Schiff nachbauen können. Darum sind sie auch in drei Gruppen nach Plymouth zurückgekehrt, damit es nämlich nicht so auffällt.“

Er war ganz schön am Spinnen, dieser ehemalige Hauptmann, denn er unterstellte in seinem verrückten Kopf seinem Feind Philip Hasard Killigrew etwas, was er selbst tun würde, wenn es ihm Vorteile einbrächte. Allerdings muß hier hinzugefügt werden, daß Burton und er vorher untereinander abgesprochen hatten, wie sie Sir John einseifen wollten, um ihn als Bundesgenossen für eine Sache zu benutzen, an der sie selbst bereits gescheitert waren.

Mit dem Hinweis, der Bastard paktiere mit den Iren und demzufolge auch mit den Spaniern, wollten sie sich gewissermaßen einen legalen, patriotischen Anstrich geben. Sich dieses Mäntelchen umzuhängen, war immer gut. Wenn etwas schiefging, konnten sie sofort behaupten, im Interesse Englands und zu dessen Wohl gehandelt zu haben.

Das alte Schlitzohr Sir John – selbst so wenig ein Patriot wie Burton oder Bromley – begriff sofort, wie der Hase lief und hieb in dieselbe Kerbe.

„Natürlich!“ röhrte er. „Dieser Bastard hat sich auf die Seite der Dons geschlagen! Konnte ich mir doch denken, ha! Wie ich hörte, soll seine Mutter eine Spanierin gewesen sein. Ein Fluch liegt über diesem Haus, seit ich ihn an Sohnes Statt annahm. Eine Natter nährte ich an meiner Brust!“ Er schielte zu dem mächtigen Hirschgeweih hoch, an dem er einst gezappelt hatte, mühelos von der „Natter“ da oben hineingehängt! Und die Wut begann in ihm zu brodeln und zu kochen.

Hastig soff er aus der Whiskyflasche, verschluckte sich prompt, erlitt einen Erstickungsanfall, riß die Arme hoch und war am Röcheln, wobei ihm die Augen aus dem Kopf quollen.

Seine Söhne rührten keinen Finger. Ein Diener sprang hinzu und klopfte ihm kräftig den Rücken ab. Das dauerte gute zehn Minuten. Anschließend empfingen Simon Llewellyn und Thomas Lionel die obligaten Maulschellen, weil es sie, wie der Alte brüllend verkündete, einen Dreck gekümmert hätte, wenn er verreckt wäre.

Da hatte er allerdings recht.

Jeder halbwegs normale Besucher hätte derartige Szenen, in denen erwachsene Söhne von ihrem Erzeuger mit Ohrfeigen gezüchtigt werden, als sehr peinlich empfunden. Vielleicht wäre er auch aufgestanden und hätte sich mit einer Entschuldigung verabschiedet. Aber ein solches Verhalten lag weder Burton noch Bromley. Sie sahen gleichgültig darüber hinweg, nur fixiert auf ihren Plan, den Alten als Bundesgenossen zu gewinnen, als Komplizen gegen die Seewölfe, insbesondere gegen Philip Hasard Killigrew.

Jedem halbwegs normalen Menschen wäre außerdem auch klar geworden, wie fragwürdig es war, sich mit einem so unberechenbaren und jähzornigen Mann wie Sir John zu verbünden. Aber auch das focht die beiden Komplicen Burton und Bromley nicht an, im Gegenteil, sie hielten das alte Schlitzohr für bestens geeignet, den Seewölfen und ihrem Kapitän die Hölle anzuheizen. Natürlich war ihnen auch bekannt, wie intensiv der Alte den sogenannten Bastard haßte – die „Natter“, die er angeblich an seiner Brust genährt hatte. Das war ein ziemlich dämlicher Vergleich zu jenem Verhalten, das der Alte tatsächlich gezeigt hatte. Denn er hatte Hasard kujoniert, gepiesackt und terrorisiert, wo er nur konnte.

Seine eigenen Mistkerle von Söhnen hatte er vorgezogen und gehätschelt bis zu jenem Zeitpunkt, an dem Hasard die Feste Arwenack ein für allemal verlassen hatte. Von da ab waren die drei eigenen Söhne das Ventil gewesen, das Sir John brauchte, um seinen überschüssigen Dampf abzulassen. Und weil sie kuschten, war der Alte noch unausstehlicher geworden.

Der dicke Burton blieb zäh beim Thema.

„Sir“, sagte er, „halten wir also noch einmal die Tatsachen fest. Diese Killigrew-Bande kehrte in drei Gruppen nach Plymouth zurück, jede Gruppe mit einem anderen Schiff. Nach dem Aussehen dieser Kerle müssen sie sich lange in Gebieten herumgetrieben haben, die weit südlich von uns liegen – wo es heiß ist und die Sonne scheint. Ich sprach bereits vom Nil. Ich habe Erkundigungen einziehen lassen und gehört, daß dieser Nil ein Strom ist, der in das östliche Mittelmeer mündet, aber man weiß nicht, wo sich seine Quelle befindet. Nach den spärlichen Berichten jedoch konnte ich in Erfahrung bringen, daß an den Ufern des Nils vor vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden sehr reiche Könige gelebt haben sollen. Sie wurden auch wiederum an den Ufern des Nils in merkwürdigen Bauten bestattet, und zwar mitsamt ihrer Schätze.“ Hier legte der gerissene Burton eine bedeutungsvolle Pause ein.

„Weiter!“ stieß der Alte hervor und hatte wieder dieses Glitzern in den Augen.

„Es ist vorstellbar“, sagte Burton langsam und mit Betonung, „daß die Killigrew-Bande dort geräubert und geplündert hat. Dieses Ungeheuer von Profos – Carberry heißt der Kerl – hat zum Beispiel die Schäden, die er und seine Bande in der ‚Bloody Mary‘ angerichtet haben, unter anderem mit einer sehr seltenen Perle bezahlt. Einer meiner Gewährsleute erfuhr das von Mister Plymson.“ Burton hüstelte dezent. „Es ist dies übrigens ein sehr merkwürdiges Verhalten der Killigrew-Bande. Erst wird alles demoliert, und dann bezahlt man mehr als großzügig …“

„Idioten!“ unterbrach ihn der Alte.

Burton schüttelte den Kopf. „Nein, Sir, ich möchte das anders interpretieren. Erstens haben sie genug an Beute, und zweitens können sie bei einer möglichen Anklage wegen mutwilliger Zerstörung einer Schenke immer erklären, sie hätten den Schaden ja wieder ersetzt, also Sühne geleistet. Für Mister Plymson ist das sogar ein Geschäft, da er, wie gesagt, mehr Entschädigung erhält, als zu Bruch gegangen ist.“

„Ah, verstehe“, murmelte der Alte und quetschte an seiner Knollennase herum. Sie hatte eine rot-bläuliche Färbung, Zeugnis vom vielen Suff. „Dennoch würde ich Plymson keinen Nickel zahlen, sondern mich rausreden.“

„Sehr wohl, Sir, das ist völlig richtig. Da werden im wahrsten Sinne des Wortes Perlen vor die Säue geworfen.“ Und der dicke Burton gestattete sich ein Lachen, das wie das Quaken eines Frosches klang. Dann hüstelte er erneut und fuhr fort: „Aber zurück zu den Tatsachen, von denen ich sprach. Diese Killigrew-Bande muß also über erhebliche Geldmittel verfügen, besitzt zur Zeit zwei Schiffe – dieses merkwürdige Fahrzeug aus dem Mittelmeer sowie die ‚Pride of Galway‘ – und läßt sich außerdem auf der Werft von Ramsgate ein neues Schiff bauen, eine Galeone, die man keineswegs als klein bezeichnen kann. Die Vermutung, die Mister Bromley vorhin aussprach, könnte durchaus stimmen. Man hat – natürlich gegen Bezahlung – die ‚Isabella VIII.‘ den Spaniern zum Nachbauen überlassen, also ein solides, gutes englisches Schiff, an dem die Spanier unseren hervorragenden Schiffbau studieren können. Und man hat sich den Spaniern – natürlich auch gegen Entgelt – angedient, um eine Invasion vorbereiten zu helfen. Zu diesem Zweck hat Killigrew Kontakte mit den Iren aufgenommen – Beweis: die ‚Pride of Galway‘. Wahrscheinlich plant man einen Zangenangriff auf unser Land, die Spanier landen an unseren südlichen Küsten, die Iren an der Nordwestküste.“ Burton hob drohend den rechten Zeigefinger. „Und dem muß Einhalt geboten werden!“

„Ausrotten, vernichten, zusammenschießen, köpfen …“ gurgelte Mark Bromley mit zuckendem Gesicht. Er sprang auf, reckte die Rechte wie zum Schwur, stierte den Alten an und stieß hervor: „Sir, Sie müssen uns beistehen im Kampf gegen das ekle Gewürm! Gemeinsam werden wir es zertreten wie – wie …“

„Gewürm“, sagte der dicke Burton.

„Jawohl, wie Gewürm!“ Der Ex-Hauptmann keuchte, als sei er zehntausend Yards in einem Stück gerannt. „Und uns gebührt der Lorbeer des Sieges …“

„Samt aller Schätze der Killigrew-Bande“, ergänzte der dicke Burton sachlich. „Und die Königin wird uns adeln, Landgüter schenken und eine Jahrespension aussetzen. Aber wir brauchen Ihre Hilfe, Sir John, Ihre Energie, Ihren brillanten strategischen und taktischen Überblick, Ihre Tapferkeit, Ihr Durchsetzungsvermögen!“

Das war eine Menge Honig um den Bart des alten Schlitzohrs. Er glukkerte einen aus der Flasche und verschluckte sich dieses Mal nicht.

„Hm-hm“, sagte er geschmeichelt, „hm-hm, mal sehen, hm-hm, mal sehen, wie wir diesem Hurensohn einen überbraten können. Wird überhaupt Zeit, daß er mal was vor die Schnauze kriegt, dieser Lümmel.“

Seine Söhne glotzten.

Dann ermannte sich Simon Llewellyn, reckte die Ferkelbrust, die nur fett, aber nicht breit war, und erklärte: „Ich mach ihn hin, den Bastard!“

„Ich auch!“ verkündete Thomas Lionel. „Ich zeig ihm, was ein echter Killigrew …“

„Maul halten!“ donnerte der Alte, soff wieder und erklärte: „Ich muß nachdenken.“

Der dicke Burton blickte den hageren Bromley mit seinen tückischen Augen an, was bedeutete, er möge sich wieder hinsetzen. Der gehorchte. Er hatte jetzt rote Flecken auf den hageren Wangen und wieder seinen flackernden Blick. Dann trank er hastig seinen Humpen leer, und Thomas Lionel schenkte ihm unaufgefordert nach. Sich selbst vergaß er dabei auch nicht, seinen Bruder ebenfalls nicht.

Man trank, und der Alte grübelte. Er stierte ins Feuer, nahm gedankenlos einen Schluck aus der Flasche und stierte weiter. Allmählich schwollen auf seiner Stirn zwei Adern, ebenfalls rotbläulich gefärbt wie die Knollennase.

Die beiden Ferkelsöhne kannten das und rutschten aus der Reichweite des Alten. Vorsicht ist immer der bessere Teil der Tapferkeit. Wenn die beiden Adern auf der Stirn des Alten erschienen, dann stand er unter Druck. Und wenn er explodierte, dann schepperte es, daß die Wände wackelten. Eben noch hatten sie den Bastard „hinmachen“ wollen, aber wenn bei dem Alten die beiden Adern anschwollen, dann kniffen sie den Schwanz ein und gingen in Dekkung, wobei ihnen offenbar entfallen war, daß der Bastard im knappen Mannesalter den Alten mal so eben ins Hirschgeweih gehängt und sie derart verdroschen hatte, daß sie noch Tage später nur so herumgekrochen waren.

Der Alte zuckte jäh hoch. Sekundenbruchteile später zerbarst die Whiskyflasche im Kamin, und er brüllte nach einer neuen Flasche.

Thomas Lionel empfing von seinem Bruder Simon Llewellyn einen Tritt, der besagte, daß er den Alten zu bedienen habe. Thomas Lionel sprang hastig auf, eilte zu dem Tisch, an dem sie getafelt hatten, grabschte dort nach einer angebrochenen Whiskyflasche, trank daraus, wischte den Flaschenhals ab und brachte dem Alten die Flasche.

Das Probieren hätte er sich dieses Mal sparen können. Der Alte beachtete es überhaupt nicht. Er hing sofort an der Flasche und trank den Whisky wie Wasser.

Ja, es wurde sehr viel getrunken – als sei der Alkohol geeignet, eine siegreiche Schlacht zu schlagen oder im Gehirn des Sir John präzise Gedanken über Strategie und Taktik zu entwickeln.

Der dicke Burton begann zu schwitzen. Was der Burgherr da in sich hineinsoff, war nicht mehr normal. Oder brauchte er das, um brillante Ideen auszubrüten? So was sollte es ja geben. Dennoch schwitzte der Dicke. Sein Kumpan war ihm zur Zeit auch keine Hilfe. Dessen Blick war jetzt etwas glasig geworden.

„Ich lösch ihn aus!“ brüllte plötzlich Sir John und stierte wild zu dem Hirschgeweih über dem Kamin hoch. „Mit einer Breitseite fege ich ihn weg!“

Burton zuckte zusammen und starrte den Alten entsetzt an.

„Das – das haben wir auch schon versucht, Sir“, sagte er verzweifelt.

Sir John kniff die Augen zusammen und fixierte den ehemaligen Friedensrichter. Sein jäh aufgeflammter Jähzorn schien wie weggewischt.

„Was habt ihr versucht?“ fragte er. Seine Stimme war wieder völlig normal.

„Wir – wir ließen von einer – äh – gecharterten Galeone aus die im Bau befindliche neue ‚Isabella‘ beschießen.“

„Und?“ Das klang knapp und scharf.

„Es – es wurde eine andere Galeone getroffen, die auf der Werft lag.“

„Schwachsinn“, erklärte der Alte rigoros. „Komplett verrückt! Dilettantisch! Da muß man ganz anders vorgehen, mein lieber Burton.“

„Darum haben wir uns ja an Sie gewandt, Sir“, sagte der Dicke eifrig und verbeugte sich im Sitzen. „Was schlagen Sie vor? Sie haben in solchen Dingen die größere Erfahrung.“

„Wo liegen die beiden Schiffe der Kerle?“

„An der Pier in Plymouth“, erwiderte Burton – ohne zu ahnen, daß die Sambuke, mit der die Ben-Brighton-Gruppe bis nach England gesegelt war, und die „Pride of Galway“ von den Seewölfen nach Rame Head verholt worden waren, um den Zugang zur Werft des alten Ramsgate abzusichern und einen zweiten Überfall zu verhindern.

„Dieses Schiff aus dem Mittelmeer – ist es größer als die ‚Pride of Galway‘?“

„Nein, viel kleiner.“

„Hm.“ Der Alte zwiebelte wieder seine Knollennase. „Wie ist es bewaffnet?“

„Überhaupt nicht, Sir.“

Der Alte riß die Augen auf. „Überhaupt nicht? Die Kerle sind mit einem nicht armierten Schiff gesegelt?“

„So scheint es“, erwiderte der dicke Burton. Die Fragen des Alten verwirrten ihn etwas.

Der klatschte plötzlich die rechte Hand auf den Schenkel und lachte dröhnend.

„Das ist es!“ röhrte er. „Diese Roßtäuscher! Sie segeln mit einem unbewaffneten Schiff, weil sie sich einbilden, niemand würde sich für einen solchen Kahn interessieren! Ein ganz harmloses Schiff nach außen! Aber was haben sie im Laderaum? Die Schatzbeute, jawohl, dort, und nicht auf der armierten irischen Galeone!“

Der dicke Burton starrte den Alten verblüfft an. Dann grinste er verstehend. Die Logik Sir Johns leuchtete ihm ein. Richtig, niemand würde einem solchen Schiff besondere Beachtung schenken – oder nur insofern, daß es etwas fremdartig wirkte. Aber das war kein Grund, eine wertvolle Ladung in dem Schiff zu vermuten. Über einen Torfkahn sah man ja auch hinweg, nicht wahr? Da war eine Galeone vom Typ der „Pride of Galway“ schon viel interessanter. Wenn man auf Beute aus war, würde man die Galeone angreifen, aber nie dieses Fahrzeug, das nur hinten gedeckt war. O ja, dieser Sir John war schon ein gerissener Kerl, alle Achtung!

„Sir“, sagte der Dicke schmalzig, „ich bewundere Ihren Scharfsinn. Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Dieses Schiff aus dem Mittelmeer ist ein Trick, das haben Sie völlig richtig erkannt.“

Der Ex-Hauptmann konnte dem Gespräch nicht mehr so richtig folgen. Lallend sagte er: „Wir – wir werden dieses Schiff zerschmettern …“

„Werden wir nicht!“ fuhr ihn der Alte an. „Man schlachtet keine Kuh, von der man Milch haben will, verstanden?“

Bromley wackelte mit dem Kopf, stierte den Burgherrn an und sah ihn doppelt.

„W-welche Kuh, Sir?“ fragte er. Dabei schielte er erschreckend.

„Mark, Sie haben zuviel getrunken“, sagte der Dicke verärgert. „Sir John hat Ihnen nur mit einem Vergleich geantwortet, den Sie offenbar nicht begriffen haben, weil Sie bereits betrunken sind. Mäßigen Sie sich mit dem Wein.“ Fast entschuldigend sagte er zu dem Alten: „Er hat zu lange im Kerker gesessen, Sir. Da darf man ihm nicht verübeln, daß er das Maß verliert. Aber auch daran hat dieser verdammte Killigrew schuld. Mister Bromley hatte eine glänzende Karriere als Offizier vor sich …“

„Schon gut, schon gut“, unterbrach ihn der Alte, den die Karriere des Mark Bromley nicht im geringsten interessierte. Und daß der Kerl sich die Hucke vollsoff, kratzte ihn auch nicht weiter. Einer, der soff, imponierte ihm sogar mehr als einer, der auf eine Karriere aus war. „Also“, fuhr er fort, „dieses Schiff aus dem Mittelmeer werden wir unangetastet lassen. Dafür aber werden wir die ‚Pride of Galway‘ in Grund und Boden schießen.“ Er grinste wie ein Faun. „Wenn wir diese Galeone unter Wasser getreten haben, fällt uns der Mittelmeerkahn wie eine reife Pflaume in den Schoß!“

„Genial!“ rief der dicke Burton begeistert, und dieses Mal heuchelte er keineswegs, obwohl er sich im nächsten Moment darüber ärgerte, daß Bromley und er nicht selbst auf diese Möglichkeit verfallen waren. Sie hätten sich gleich auf dieses Schiff aus dem Mittelmeer konzentrieren sollen, statt diesen unsinnigen Angriff auf den Neubau in Szene zu setzen, mit dem sie überhaupt nichts erreicht hatten – im Gegenteil, diese Seewölfe-Bande war gewarnt worden und wußte bereits, wer hinter der mißglückten Gefangennahme des Hesekiel Ramsgate und dem Anschlag auf seine Werft steckte.

Der Dicke schalt sich selbst einen Narren. Da waren sie nun zu dem alten, schlitzohrigen Sir John geritten, und der hatte im Handumdrehen einen Plan entwickelt, den sie auch selbst hätten fassen können. Und jetzt mußten sie noch mit dem alten Halunken die Beute teilen!

Dieser Gedankengang war richtig, wie der Dicke im nächsten Moment zu hören kriegte.

Der Alte hatte die Augen zusammengekniffen und sagte lauernd: „Das wäre ja dann soweit alles klar, mein lieber Burton – bis auf eins. Sie nehmen doch wohl nicht an, daß ich mit leeren Händen ausgehen möchte, nicht wahr? Schließlich habe ich den richtigen Plan entwickelt, setze für das Unternehmen meine Karavelle und meine Leute ein und riskiere Kopf und Kragen.“ Er zwinkerte dem Dicken zu und rieb Daumen und Zeigefinger der rechten Hand wie ein ausgebuffter Pferdehändler aneinander. „Na, wie steht’s denn damit, mein Guter? Haben Sie mir da was vorzuschlagen?“

„Ä-hem“, sagte der Dicke und räusperte sich die Kehle frei, denn da hatte sich so etwas wie ein Kloß festgesetzt, „darüber hatte ich gerade mit Ihnen sprechen wollen, Sir.“ Das klang ziemlich gequält.

„Immer frei von der Leber weg!“ röhrte der Alte und soff aus der Flasche.

„Ja, Sir“, sagte der Dicke, „ich dachte, daß wir die Beute teilen, nicht wahr?“

Sir John setzte die Flasche ab und schob den Kopf vor, als habe er sich verhört. „Teilen? Sie meinen, fünfzig zu fünfzig?“

Samuel Taylor nickte stumm.

Des Alten Stimme war jetzt sehr leise und bösartig: „Wollen Sie mich betrügen, mein Guter?“

„Aber Sir, ich muß doch sehr bitten …“

„Papperlapapp!“ unterbrach ihn der Alte ruppig. „Dreiviertel der Beute für mich, ein Viertel für Sie und Bromley. Sonst läuft nichts, gar nichts. Das Viertel ist schon happig genug. Denn, daß der Bastard wieder im Lande ist, hätte ich sowieso erfahren. Wenn ich Ihnen und Bromley ein Viertel zugestehe, dann ist das schon mehr als großzügig, ein Geschenk ist das, ein Geschenk für nichts und wieder nichts!“

So wurde Samuel Taylor Burton einfach überrollt und kriegte kein Bein auf die Erde, ja, ihm wurde auch noch gesagt, daß es eine Gnade sei, wenn er und Bromley an der Beute beteiligt würden. Eine Gnade!

Der Dicke hätte den schlitzohrigen Sir John am liebsten erwürgt, aber dazu war er nicht Manns genug, und sein Kumpan Bromley konnte ihm auch nicht beistehen, denn der schnarchte bereits in dem hölzernen Lehnstuhl. Den Rest Rotwein aus seinem Humpen hatte er sich dabei in den rechten Stiefel gegossen. Aber davon war er auch nicht aufgewacht.

So mußte der ehemalige Friedensrichter allein ganz kleine Brötchen backen und durfte allenfalls unbemerkt mit den Zähnen knirschen.

Das war’s also.

Und Sir John hatte mal wieder eine Beute zu seinen Gunsten verteilt, über die er noch gar nicht verfügte.

Ein feines Geschäftchen, dachte er, und lachte dröhnend, der alte Halunke.

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