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7.

Der Kerl, der Ramsgate piesacken wollte und mit viel Glück den harten Fäusten Carberrys und dem Feuer entronnen war, erreichte Burtons Haus und betrat es nach einigem Klopfen.

Weder Burton noch Bromley hatten etwas von dem Brand gehört oder gesehen. Sie saßen am Tisch und palaverten. Zwei kleine Ölfunzeln erhellten den Raum so, daß man gerade noch die Gesichter der Männer erkennen konnte.

„Setz dich, Tom“, sagte Burton finster.

„Ich bleib lieber stehen, Mister Burton, ich habe mir den Ar …, äh, den Hintern angesengt.“

„Tu, was du willst, aber quassel kein unnötiges Zeug. Also, wie ist es ausgegangen?“

Der mit Tom Angeredete erklärte die Angelegenheit auf seine Weise und wich damit etwas von der Wahrheit ab. So brauchte er wenigstens keine Niederlage zuzugeben.

„Als ich hinkam“, sagte er, „da brannte es in der Mühle. Ich ging aber trotzdem noch hinein und mußte feststellen, daß irgendwer den Kerl befreit hatte. Die Ketten lagen auf dem Boden, der Mann war nicht mehr da. Dann mußte ich verschwinden, weil die Balken runterfielen. Ein glühendes Holzstück erwischte mich noch und …“

Burtons Gesicht veränderte sich. Sein Mund zog sich zusammen, als hätte er in eine Zitrone gebissen, aber er blieb beherrscht genug, um den Stiernakkigen nicht anzubrüllen.

„Verdammt noch mal, wer kann das getan haben?“ stieß er hervor. „Das wußte doch keiner!“

„Jetzt haben wir den Salat!“ schrie Bromley und fuhr von seinem Schemel hoch. „Jetzt werden wir nie erfahren, wo das Gold ist und wie das Schiff aussieht, und den verdammten Halunken können wir auch nicht mehr ans Leder!“

„Das ist eine dumme Geschichte“, sagte Burton, ohne auf Bromleys Einwände einzugehen, „eine wirklich dumme Sache. Und die Mühle ist abgebrannt?“

„Ja, total.“

„Wo hast du denn die Lampe und den Eisenhaken, Tom?“ fragte Burton argwöhnisch.

„Die – die mußte ich in der Mühle lassen, weil es so heiß wurde“, stotterte der Kerl. „Ich konnte doch nichts dafür.“

„Schon gut, Tom. Du bleibst noch hier. Wir werden diesem Killigrew auch anders beikommen, ich habe da schon eine Idee.“

„Aber Killigrew weiß jetzt doch alles“, sagte Bromley mit fast weinerlicher Stimme. „Wenn der Alte befreit worden ist oder wenn er sich selbst befreit hat, dann rennt er doch sofort zu diesem Seewolf und berichtet ihm alles haarklein.“

„Sicher wird er das tun“, sagte Burton gelassen, „deshalb müssen wir die Sache eben anders anpacken. Die Pläne kriegen wir nicht mehr, aber dafür werden wir ihm eins überbraten, und zwar so, daß er damit überhaupt nicht rechnet. Dieser Kerl hat mir nur Niederlagen beigebracht, und jetzt werden wir ihm schaden, wo wir nur können, auch wenn wir das Gold nicht mehr kriegen. Aber er soll keine Freude daran haben.“

„Jawohl!“ schrie Bromley. „Dafür gebe ich meinen letzten Tropfen Herzblut her, damit dieser Hund verreckt. Wir könnten ihm ja auch einen Brander auf den Hals schicken.“

Bromley redete sich wieder einmal in Eifer. Seine Hände lagen so hart auf dem Tisch, daß die Knöchel weiß hervortraten. In seinen Augen stand wieder dieser verrückte Ausdruck, und wahrscheinlich sah er sich im Geist wieder im Tower hocken, hungernd, frierend und von häßlichen Ratten umgeben, die nur darauf warteten, ihn anfressen zu können.

„Ein Brander ist zu auffällig, außerdem muß er gesteuert werden. Ich bin sicher, daß der Kerl nicht weiß, mit wem er es zu tun hat, denn das liegt schon lange zurück. Wenn er aber das große Schiff baut, dann wird er größenwahnsinnig und fast unbesiegbar. Und das werde ich verhindern, indem wir den Bau immer wieder stören.“

„Auf der Werft sind Wachen aufgezogen“, sagte Bromley. „Feuer können wir nicht mehr legen.“

„Ich weiß.“ Burton ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Aber es gibt noch andere Möglichkeiten. Ich kenne genug Fischer, Knechte und Halsabschneider, die etwas verdienen wollen. Außerdem bringe ich selbst mindestens ein Dutzend Leute auf die Beine.“

Bromley war schon Feuer und Flamme, obwohl er gar nicht wußte, was Burton überhaupt vorhatte. Bisher hatten sie eine Pleite nach der anderen erlebt, doch das focht die beiden Dilettanten nicht an. Sie legten eine unglaubliche Zähigkeit an den Tag, um ihr Vorhaben zu realisieren. Sie gingen dabei nach dem David-Goliath-Prinzip vor, daß auch ein Kleiner einem Großen schaden konnte, wenn er nur ernsthaft wollte, und daß ein Riese keineswegs unverwundbar war, man mußte ihn nur richtig packen.

„Und wie soll das gehen?“ fragte der Exhauptmann Bromley.

„Wir klauen morgen nacht die Galeone vom alten Patrick. Das Ding ist gut armiert, und mehr als zwei Wachen sind nie an Bord. Der Alte selbst hockt nur in den Kneipen und wartet auf seine Ausrüstung, die aus London kommen soll. Aber da kann er lange warten“, sagte Burton gehässig kichernd, „die Ausrüstung habe ich längst verschoben. Und die alten Kanonen, die er an Bord hat, tun es noch immer.“

„Und dann?“ fragte Bromley wieder gespannt.

„Damit segeln wir los, kreuzen ganz dicht bei Rame Head auf und donnern eine Breitseite hinein. Bis die sich richtig von ihrem Staunen erholt haben, wenden wir und feuern die zweite Breitseite ab. Dann segeln wir davon, setzen die Galeone irgendwo auf den Strand und verschwinden wieder. Kein Mensch wird erfahren, wer dahintersteckt. Und du, Tom, sorgst dafür, daß ständig einer unserer Männer in der Nähe des Schiffes herumlungert, aber unauffällig. Ihr werdet ständig die Lage peilen und mich über die Schritte dieser Kerle unterrichten.“

„Eine gute Idee“, sagte Bromley. „Eine Kanone kann ich auch bedienen, und ich werde auch treffen. Ja, das ist gut.“

In der Vorfreude auf den Feuerzauber rieb er sich schon die Hände und grinste genüßlich.

„Aber die Werft ist doch bewacht“, wandte er ein.

„Die Werft schon, aber nicht das Wasser, da liegt kein einziges Schiff, das uns hindern wird. Außerdem wird alles ganz schnell gehen. Wir brauchen keine geschniegelten Segelmanöver auszuführen, was wir brauchen, ist nur so viel Licht, daß wir die Werft gerade noch erkennen können.“

„Dann laßt uns zu Taten schreiten und die Männer zusammentrommeln“, verkündete Bromley eifrig. Das war eine Sache so ganz nach seinem Geschmack. Nach gelungener Tat, so nahm er sich vor, würde er sich erst einmal krank lachen über die dummen Gesichter, die die Seewölfe dann zur Schau tragen würden.

An Personal würde es ebenfalls nicht mangeln, Burton kannte genug Kerle, die für Geld zu jeder Schandtat bereit waren. Und die würden hinterher wohlweislich das Maul halten, um nicht unangenehm aufzufallen.

„Na, ist das ein Vorschlag?“ fragte Burton seinen Spießgesellen, der eifrig nickte und dessen Augen hell leuchteten.

„Ja, Samuel“, sagte er begeistert. „Ich war zwar mal Hauptmann und habe ganze Armeen befehligt, aber du verstehst dein Handwerk fast noch besser.“

Ja, dachte Burton, innerlich grinsend, deine Armeen kenne ich. Du hast in der Nähe des Towers Wache geschoben und geklaut, wo du nur konntest, aber mir ging es ja nicht viel anders. Unser gemeinsamer Haß auf den Seewolf hat jedenfalls die Jahre überdauert, und jetzt ist die Zeit da, es ihm kräftig zurückzuzahlen.

Bromley hatte in seinem fanatischen Übereifer wieder mal ein paar Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, aber die bewegten sich auf derart nebulösen Ebenen, daß Burton es nicht einmal für nötig erachtete, sie überhaupt zu diskutieren. Das waren krankhafte Exzesse, die in Bromleys Hirn entstanden waren, als er hinter den Kerkermauern brütete und nichts anderes zu tun hatte, als sich zehn Jahre lang allerlei Unsinn auszudenken. Possen waren das, auf einem Mist gewachsen, in dem die Maden wimmelten.

Trotzdem verstanden die beiden sich gut, und Burton hielt Bromley keinesfalls für einen totalen Trottel, dazu war der Mann viel zu sehr vom Haß beseelt, und er hatte des öfteren bewiesen, wozu er fähig war.

Nur in bezug auf die Seewölfe, ganz besonders auf Philip Hasard Killigrew, da hakte in seinem Oberstübchen regelmäßig eine Spindel aus, und er träumte eine Art Dornröschenschlaf.

Sein „Verbesserungsvorschlag“ sah nämlich so aus: Er wollte die Galeone bis unter die Luken mit Schießpulver vollstopfen und nach Abfeuern der Breitseiten unter vollem Preß auf die Werft jagen, und er selbst wollte das Schiff steuern und sich heroisch in die Luft sprengen. Burton fragte sich allerdings insgeheim, woher er mehr als zweihundert Tonnen Schießpulver nehmen und was er damit überhaupt bezwekken wollte, denn die Seewölfe hockten ganz woanders und nicht auf der Werft in Rame Head.

In dieser Nacht wurde jedenfalls noch viel besprochen, und Burton ließ die Leute benachrichtigen, die er brauchte.

8.

Am anderen Morgen lungerte, wie schon einmal, ein Kerl in der Nähe der „Pride of Galway“ herum. Diesmal war es ein anderer, aber er benahm sich so unauffällig, daß es direkt zum Himmel stank.

„Wenn der Blödmann wenigstens noch eine Angel dabeihätte“, sagte Hasard junior zu seinem Zwillingsbruder, „aber so wirkt er wie ein verlauster Affe in Kapitänsuniform.“

„Klar“, sagte Philip, „der glotzt hier wieder rum, ob es etwas auszuspionieren gibt. Das kann einer von Burtons Kerlen sein oder ganz einfach einer, der nur klauen will. Wir können ihn ja mal ein bißchen ärgern, dann haut er bestimmt ab, dieser Nullinger.“

„Was ist denn ein Nullinger?“ fragte Smoky grinsend.

„Ein Kerl, der nichts bringt, eine Null“, antwortete Hasard junior.

„Nullinger, muß ich mir merken“, sagte Smoky. Er warf einen flüchtigen Blick auf den „Nullinger“, der dämlich herumstand und seinen Quadratschädel wahrscheinlich nur auf den Schultern trug, damit es ihm nicht in den Hals regnete.

Ganz wohl schien er sich in seiner Rolle nicht zu fühlen, aber die Seewölfe beachteten ihn nicht weiter, obwohl sie ihn alle längst registriert hatten.

„Der Nullinger hat ’ne Nase wie ’n Scheißhaus für Spatzen“, stellte Philip fachmännisch fest, darauf anspielend, daß der „Nullinger“ seine Nase ziemlich hochgereckt im Gesicht trug und die Nasenlöcher etwas reichlich himmelwärts wiesen.

Die Zwillinge marschierten zum Kutscher, stopften sich ein paar knochentrockene, harte Erbsen in die Tasche und holten ihre aus Holunderstöcken gefertigten Blasrohre. Mit diesen handgefertigten Dingern hatten sie schon so manchen zur Raserei getrieben.

Hasard junior ging hinter dem Schanzkleid in Deckung und placierte sich dicht am Speigatt auf den Planken. Dann füllte er sein Blasrohr mit Erbsen, blähte kräftig die Wangen auf und blies dem Nullinger eine Ladung knallhart ans rechte Ohr.

Der Rest war ein zuckender Reflex, wie die Zwillinge zufrieden feststellten. Der Nullinger zuckte wild zusammen. Seine Hand fuhr hoch und klatschte aufs Ohr, als wollte er sich selbst kasteien. Dann feuchtete er Daumen und Zeigefinger mit Speichel an und hielt krampfhaft sein Ohrläppchen fest in der Annahme, von einer Wespe gestochen worden zu sein.

„Jetzt eins auf seinen Gewürzprüfer“, sagte Jung Hasard.

Philip nahm Maß, es geschah nur selten, daß er vorbeischoß, und setzte dem Nullinger die nächste Ladung prompt auf die Nase.

Die Hand zuckte vom Ohr zurück und landete platschend auf der Nase.

„Wenn das so weitergeht, schlägt er sich selbst tot“, sagte Hasard junior grinsend. „Jetzt ballern wir ihm noch eins auf die Klüsen, aber beide zusammen.“

„Klar, wie ’ne Breitseite“, versicherte Philip freudig.

Der Nullinger vollführte indessen recht seltsame Verrenkungen und hatte das enervierende Gefühl, in die Nahe eines Wespennestes geraten zu sein.

Da stand dieser Tolpatsch an der Pier, schlug sich aufs Ohr, klopfte sich eins auf die Nase und fuchtelte mit der anderen Hand sinnlos in der Luft herum, um die vermeintliche Hornisseninvasion abzuwehren.

Dann ging die lautlose Breitseite ab. „Auf die Klüsen“, wie Hasard gesagt hatte.

Wäre dies ein Gefecht gewesen, so hätten die Zwillinge zweifellos mit ihrer Breitseite fachmännisch ein Schiff versenkt.

Der Nullinger jaulte auf, als hätte ihn was gebissen. Voller Schmerz schlug er sich auf die Backbordklüse, dann erfolgte der Schlag auf die Steuerbordklüse, und dann hüpfte er jaulend von einem Bein auf das andere.

Noch immer kam er nicht auf den Gedanken, daß hinter diesen Angriffen ganz ordinäre Erbsen steckten, er hatte nicht den geringsten Verdacht, zumal die Zwillinge unauffällig auftauchten und ebenfalls durch die Luft hieben, damit der Nullinger seinerseits nicht auf die Idee verfiel, es stecke jemand dahinter.

Aber in seiner Panik sah er die Zwillinge gar nicht zusammen, sondern jeweils nur einen von ihnen.

Die hatten jetzt ihre erfolgreichen Breitseiten abgefeuert und lachten Tränen. Auch die Arwenacks amüsierten sich köstlich, denn das englische Hafentänzchen, das der Kerl dort aufführte, wirkte mehr als komisch.

„Jetzt müssen wir ihm eine Verschnaufpause lassen“, sagte Philip zu seinem Bruder.

„Klar, er soll sich ja erholen.“

Der Kerl auf der Pier rieb sich immer noch die Augen, bis das Brennen endlich nachließ. Mittlerweile hatte er seine Augen allerdings kräftig rot gerieben. Zwei Hände in Lauerstellung, stand er da, bereit, weitere Wespenangriffe sofort abzuwehren.

Philip schickte eine weitere Wespe auf die Reise, während Hasard scheinbar desinteressiert am Schanzkleid lümmelte.

Peng! Der Kerl schrie leise auf. Seine Hand klatschte vehement aufs rechte Ohr, und er verzog schmerzhaft das Gesicht. Gekrümmt ging er ein paar Schritte weiter und warf einen schnellen Blick auf die Galeone. Da sah er einen halbwüchsigen Knaben am Schanzkleid lümmeln und im Hintergrund mehrere Männer.

Als er wieder hochblickte, staunte er nicht schlecht. Da stand dieser Lümmel doch ganz vorn auf dem Schiff und grinste ein bißchen. Der mußte ja mit Sturmgeschwindigkeit von vorn nach achtern gerannt sein, und zwar so schnell, daß man es gar nicht sah.

Dieses merkwürdige Phänomen interessierte ihn trotz aller Schmerzen doch, und so glotzte er sich die Augen aus.

Tatsächlich! Der Lümmel verschwand und war in der nächsten Sekunde schon wieder achtern, wo er ausgiebig gähnte.

Teufel, hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu, daher wuchs seine Verblüffung von Sekunde zu Sekunde. Er riß das Maul auf und stierte das Schiff an. Dann fixierte er den Halbwüchsigen. Im selben Augenblick schloß sich sein Mund, und er schluckte im ersten Schmerz, denn in sein Eßzimmer war doch tatsächlich eine Wespe geflogen, und die hatte er auch noch verschluckt! Gleichzeitig stand der Bengel aber schon wieder vorn!

Der Nullinger bekreuzigte sich angstvoll und blickte dem Bengel in die eisblauen Augen, die ihn besorgt musterten.

„Passen Sie auf, Mister, hier gibt’s Wespen“, sagte er. „Hier muß ganz in der Nähe ein Nest sein.“

„He! Wie machst du das?“ fragte der Kerl entsetzt. „Einmal bist du vorn und dann gleich wieder achtern.“

„Ich kann zaubern“, versicherte der Bengel ernsthaft. „Meinen Vater haben sie deswegen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, aber mich haben sie nicht gekriegt, hihi! Ich bin zu schnell, Mister. Paß mal auf!“

Philip duckte sich hinters Schanzkleid und gab seinem Bruder Hasard mit der Hand ein Zeichen. Hasard richtete sich augenblicklich auf, während Philip sich faul auf die Planken legte, was der Kerl natürlich nicht sehen konnte.

Der war jetzt so perplex und genervt, daß er zu zittern anfing.

„Geht schnell, was?“ hörte er die Stimme des Bengels von weit achtern. „Paß auf die Wespen auf, Mister!“

Philip feuerte grinsend durchs Speigatt die nächste Breitseite ab, die den Kerl wiederum am Ohr traf.

Auf dem Achterdeck schüttelte der Bengel vorwurfsvoll den Kopf. Trotz der neuerlichen Schmerzen fixierte der Nullinger den Bengel und sah, daß der wieder hinter dem Schanzkleid verschwand. Sein schwarzhaariger Schädel war gerade verschwunden, da tauchte er schon im selben Augenblick wieder grinsend direkt vor ihm auf.

„Zauberer!“ kreischte der Kerl angstvoll.

Philip grinste hinterhältig.

„Pscht“, sagte er und legte den Finger auf die Lippen. „Ich werde dir mal ein Zauberkunststückchen zeigen, Mister, da wackeln dir aber glatt die Ohren. Ich kann mich sogar verdoppeln, aber das geht nur für ganz kurze Zeit. Ich werde vorn und achtern gleichzeitig sein, und damit du nicht denkst, das sei ein fauler Trick, stecke ich mir einen Finger ins linke Ohr und reiße das Maul auf. Willst du das mal sehen, Mister?“

„Das gibt es nicht“, ächzte der Mann fassungslos, den Burton zum Spionieren hergeschickt hatte.

„Doch, das gibt es“, versicherte Philip. „Paß genau auf!“

Der Kerl ging bibbernd ein paar Schritte zurück und glotzte. Dann sah er, wie der schwarzhaarige Kopf verschwand. Hastig bekreuzigte er sich schnell noch einmal. Dann geschah das Wunder. Nein, kein Wunder, das war Schwarze Magie, Zauberei, der Satan persönlich hatte hier seine Hand im Spiel.

Vorn und achtern tauchten gleichzeitig Köpfe auf. Zwei völlig identische Köpfe, die gleichen Haare, die gleichen Augen, die gleiche schmale Nase. Jede der Gestalten hatte den Finger im linken Ohr und den Mund weit aufgerissen. Ihre eisblauen Augen starrten den entnervten Kerl ausdruckslos an.

Dann nahmen sie den Finger aus dem Ohr, und als der Kerl vor Schreck laut aufstöhnte und eine Sekunde lang die Augen schloß, war der eine verschwunden, und der vor ihm sagte: „Das ist gar nicht so einfach, Mister, aber du darfst das keinem sagen, sonst muß ich auch auf den Scheiterhaufen. Und jetzt kenne ich noch einen viel besseren Trick. Ich laß dich mal ganz hoch in den Himmel steigen, paß auf! Aber der Trick klappt nicht immer. Der letzte Mann ist aus tausend Yards Höhe abgestürzt, weil ich niesen mußte. Hoffentlich sticht mich jetzt keine Wespe. Achtung, es geht los.“

Philip hatte die Worte noch nicht richtig heraus, da nahm der Nullinger seine Beine in die Hand und rannte los, als hätten sich die finstersten Höllenschlünde geöffnet.

Kreischend und brüllend stürmte er über die Pier und verschwand, ohne sich noch einmal umzublicken, zwischen den Lagerschuppen.

Hasard und Philip krümmten sich vor Lachen, Arwenack keckerte, als hätte er den Spaß verstanden, und Sir John schlug mit den Flügeln und kreischte obszöne Flüche in die Gegend.

Jeder an Bord amüsierte sich köstlich, ganz besonders der Profos, der wohlwollend auf die Rübenschweinchen blickte, wie er die beiden liebevoll nannte.

„Den habt ihr aber vergrault“, sagte er anerkennend. „Wir hätten den Kerl ja auch windelweich klopfen können, aber so ist es besser. Ich frage mich nur, ob wir das nicht doch noch nachholen sollen. Vielleicht erfahren wir dann Näheres über Burton und den anderen Halunken.“

Der Seewolf war auf der Kuhl erschienen und hatte die letzten Worte des Profos’ noch gehört.

„Das lohnt sich nicht“, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung, „das ist nur ein Kundschafter, der ganz sicher nicht von den beiden Kerlen persönlich hergeschickt wurde. Der muß wieder einem anderen Meldung erstatten und so weiter. Dieser Informationsdienst spielt sich meist in den Kneipen ab. Burton gibt sich mit solchem Gesindel niemals persönlich ab.“

„War ja nur ein Vorschlag“, sagte Ed, „jetzt ist der Kerl sowieso total entnervt abgehauen.“

Ferris Tucker und Roger Brighton, Bens Bruder, gingen über Deck. Vor dem Seewolf, Carberry und den Zwillingen blieben sie stehen.

„Wir gehen jetzt zur Werft“, sagte Ferris, „wie wir es besprochen haben, und helfen ein wenig.“

„Shane will auch mitgehen“, sagte Hasard. „Gebt gut acht auf irgendwelches Gesindel, das sich da herumtreibt. Und beobachtet auch ein wenig die neuen Arbeiter, die bei Ramsgate angefangen haben. Möglich, daß Burton da jemanden unauffällig eingeschleust hat.“

Ferris nickte. „Wir sehen jedem auf die Finger, Sir, darauf kannst du dich verlassen.“

Auch Roger Brighton, der den Beruf des Takelmeisters erlernt hatte und sich bei Ramsgate nützlich machen wollte, nickte bekräftigend.

„Gegen Mittag folge ich euch mit ein paar Männern“, sagte der Seewolf. „Zu tun gibt es hier für uns nichts, und damit die Kerle kein Fett ansetzen, können sie auf der Werft mithelfen.“

Shane gesellte sich dazu, und dann zogen sie los.

„Da ist der Spion wieder, Mister Tucker!“ rief Philip dem rothaarigen Riesen hinterher, der seine mächtige Axt geschultert hatte und über die Pier ging.

Tatsächlich war der Quadratschädel wiederaufgetaucht. Er hütete sich jedoch, in die unmittelbare Nähe des Schiffes zu geraten, denn der Bengel war ein Zauberer, und wer weiß, was der ihm alles antat, falls er ihn noch einmal sah. Vor dem „Indie-Luft-Steigen“ hatte er mächtigen Bammel, denn das traute er dem Lümmel ohne weiteres zu. Zauberer konnten sich ja schließlich auch in die Lüfte schwingen, genau wie die Hexen, die nachts auf dem Besen durch die Lüfte geisterten.

Ferris und Roger sahen den Kerl ebenfalls, der sich wieder so betont unauffällig gab.

„Vielleicht meldet er jetzt seinem Auftraggeber, daß wir zur Werft gehen“, sagte Roger Brighton.

„Ganz sicher wird er das tun, aber damit er uns nicht folgt, werden wir uns ein bißchen streiten.“

„Wir uns streiten?“ fragte Roger.

„Klar, wir tun nur so, als ob. Aus Versehen kriegt der Bursche dann eben eins aufs Auge.“

„Einverstanden“, sagte Roger grinsend. „Wollen wir nicht noch auf Shane warten?“

„Der folgt uns schon, keine Bange.“

An der nächsten Pier lag nur eine uralte, halbvergammelte Galeone ohne Masten. Die schien es dem Kerl ganz besonders angetan zu haben, denn er hockte auf einem Poller und starrte das Ding an, als gäbe es sonst nichts auf der Welt. Aus den Augenwinkeln musterte er jedoch die beiden Seewölfe auf recht einfältige Art.

„Dem gehört wirklich was aufs Maul“, sagte Ferris. „Nicht, weil er hier den Kundschafter spielt, sondern weil er sich so saudämlich dabei anstellt.“

Jetzt waren sie auf Hörweite heran und kreuzten genau den Kurs des Pollerhockers.

„Verdammt!“ brüllte Ferris. „Laß mich jetzt mit diesem Blödsinn zufrieden, oder ich klebe dir eine!“

„Du mir eine kleben?“ schrie Roger zurück. „Da mußt du aber erst noch ein Stück wachsen.“

„Halt dein Maul, du Lümmel!“

Der Pollermann kriegte Stielaugen und schluckte. Vorsichtshalber stand er hastig auf. Das ist ja prächtig, daß die Kerle untereinander zerstritten sind, dachte er zufrieden. Vielleicht hat der junge Zauberer da ein bißchen gehext. Gleich gehen die Kerle aufeinander los.

Dummerweise stand er selbst jetzt genau zwischen ihnen, und dummerweise näherte sich auch noch ein Ungetüm von einem Mann mit grauen Haaren, einem wilden grauen Bart und Fäusten, die so groß waren, daß er damit mühelos Wasser aus einem Amboß quetschen konnte.

Der Rothaarige verstand anscheinend überhaupt keinen Spaß. Er warf seine Axt zu Boden und ging auf den anderen los. Sofort holte er zu einem gewaltigen Schlag aus. Dabei schoß sein Ellenbogen zurück und landete hart im Magen des Pollermannes. Der knickte in den Knien ein, kriegte keine Luft mehr und japste wie ein kranker Hund.

„He, halt mich nicht fest, du Transack!“ brüllte der Riese.

„Ha-hab i-ich doch nicht“, ächzte der Kerl und erhob sich mühsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Da war der Graubart heran, und wieder standen die drei Kerle so ungünstig, daß er die Mitte innehatte.

Der graubärtige Riese fackelte auch nicht lange. Der wollte offenbar dem Rothaarigen eine feuern, aber alles hatte sich heute gegen ihn verschworen. Er sah noch die riesige Handfläche, die voll ausholte, dann kriegte er ein Ding auf die Nase, daß es ihn der Länge nach auf die Pier warf.

„Was hockt der denn da am Boden?“ fragte der Graubart. „Suchst du Regenwürmer zum Angeln, Kerl?“

Der Getroffene gab keine Antwort. Der Hieb hatte ihm die Luft genommen und das Wasser sturzbachartig in die Augen schießen lassen.

„Mich hat er festgehalten“, schnaubte der rothaarige Riese. „Gerade als ich dem eine scheuern wollte, hielt er mich fest.“

Der am Boden Liegende wollte verzweifelt signalisieren, daß alles wohl nur ein Irrtum sei, aber jetzt gerieten die drei über ihn selbst in Wut.

„Was hat der sich denn da einzumischen?“ fragte der Graubart.

Der Spitzel rappelte sich gerade mühsam auf, die Hände hatte er noch am Boden aufgestützt, da trat dieser eine Unhold zurück – und ihm auf beide Hände.

Ein Urschrei brach aus seinem Mund. Vor Schreck und vor Schmerz brüllte er so laut, daß Ferris Tucker herumfuhr und nach unten blickte.

„He, ist was?“ fragte er und trat zurück.

Der Kerl ächzte und starrte die Seewölfe an. Er begriff in diesem Moment überhaupt nichts mehr. Die Kerle grinsten alle so hundsgemein, aber, zum Teufel, warum? Er besaß gerade noch so viel Durchblick, um zu kapieren, daß es für ihn jetzt allerhöchste Zeit war zu verschwinden. Und zwar blitzartig.

Schreiend und voller Entsetzen sprang er auf die Beine. Doch seine Pechsträhne riß an diesem Tag nicht ab. Er stand kaum, als einer der Kerle mit dem Stiefel nach dem Rothaarigen trat. Aber der sprang blitzschnell zur Seite, und so traf dieser Stiefel mit einem gewaltigen Schwung seinen Achtersteven. Er fühlte sich wie eine Kanonenkugel abgefeuert, sauste ein Stück durch die Luft, sah das Hafenwasser auf sich zurasen, schrie auf und landete in der Brühe zwischen Dreck und einer Menge Abfall.

Die Kerle schienen das nicht einmal bemerkt zu haben. Er war fast halb tot, doch sie hatten das nicht einmal zur Kenntnis genommen. Er fühlte sich wie ein kleiner Wurm, den man im Eifer des Gefechtes nicht sah und der einem nur versehentlich unter die Stiefel geriet, weil man auf kleine Würmer ja nicht achtet.

Er schwamm um sein Leben, soff fast ab und zog sich dann mit allerletzter Kraft an der eisernen Leiter hoch. Dort kotzte er sich erst einmal die Seele aus dem Leib. Was er dann hörte, ließ ihn an seinem eigenen Verstand zweifeln.

Die drei standen da und reichten sich die Hände. Ja, sie lachten sogar, und der Rothaarige sagte lachend: „Vertragen wir uns wieder. Was sollen wir uns wegen so einer Kleinigkeit streiten.“

„Ja, vertragen wir uns wieder!“ riefen die beiden anderen. Ohne sich noch einmal umzublicken und als sei absolut nichts gewesen, gingen sie fröhlich davon.

Ein an Leib und Seele gebrochener Mann blickte ihnen nicht begreifend nach. Dann legte er den Kopf auf die Hände, blieb auf den Knien liegen und schluchzte laut. Bei Gott, er verstand die Welt nicht mehr, nein, er verstand gar nichts mehr. Wahrscheinlich hängt das alles mit diesem verdammten Zauberlümmel zusammen, dachte er entnervt. Bei diesen Kerlen würde er jedenfalls nicht mehr spionieren, das stand ebenfalls fest. Das mochten andere tun. Scheiß auf das bißchen Geld, das dabei heraussprang, das brachte nichts als Ärger, Angst und blaue Flecke.

Humpelnd schlich er etwas später, davon. Ihm war völlig egal, wo die Kerle hingingen. Sollten sie ans Ende der Welt marschieren, dorthin, wo der Pfeffer wuchs, oder noch weiter.

Eine Kabellänge weiter aber amüsierten sich Roger, Ferris und Shane über den Tolpatsch und seine Dämlichkeit.

„Kann denn einer allein so blöde sein?“ fragte Ferris lachend. „Der Kerl hat überhaupt keinen Verstand in seinem Schädel.“

„Die Lust zum Auskundschaften ist ihm vermutlich vergangen“, meinte Big Old Shane. „Erst haben ihn die Zwillinge genervt, und dann passierte ihm das hier.“

„Und jetzt blickt er sicher immer noch nicht durch“, sagte Roger. „Aber er hat sich verzogen, der läßt sich ganz sicher nicht mehr blicken.“

Sie gingen weiter in Richtung Werft.

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