Читать книгу: «Seewölfe Paket 14», страница 25

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Uluch Ali lauschte aufmerksam den Worten seines Dolmetschers, dann entgegnete er unwillkürlich: „Ja, das ist wahrscheinlicher. Ich glaube es auch. Vor der Küste wimmelt es von Haien.“ Plötzlich verzog sich sein Gesicht wieder zu einer Fratze des Zorns, denn jemand aus der vor dem Palast versammelten Menge hatte gelacht.

„Natürlich bin ich an Land geschwommen, was denn sonst?“ sagte Old O’Flynn noch einmal, und wieder verdrehte er die Augen. Im Spinnen war er ja schon immer gut gewesen – und jetzt spann er, daß dem Dolmetscher bald die Haare zu Berge standen.

Sam und Al, die jedes seiner Worte deutlich verstehen konnten, standen auch mit offenen Mündern da. Was Donegal da auspackte, war ja kaum zu fassen!

„Das geht auf keine Walhaut“, murmelte Sam Roskill.

„Das haut dem Faß den Boden aus“, flüsterte Al Conroy.

Uluch Ali gewann mehr und mehr den Eindruck, es mit einem Verrückten zu tun zu haben.

9.

Old O’Flynn setzte jetzt ein dünnes Grinsen auf.

„Ja, ja, die gute alte ‚Empreß‘, diese Satanslady“, sagte er. „Das war vielleicht ein Scheißkahn. Na, was soll ich noch erzählen? Ich schwamm da im Teich herum, und plötzlich, ganz urplötzlich, hörte ich so eine Stimme, die mich rief. ‚Donegal‘, sagte sie, ‚he, alter Junge, paddel mal schnell hierher.“

„Wer – wer war denn das?“ stammelte der Dolmetscher entsetzt.

„Das hab ich mich auch gefragt“, entgegnete Donegal, und sein Grinsen verstärkte sich. „Hölle, mit einemmal bumste mein Kopf gegen so ein Ding, das da rumtrieb, und was glaubst du wohl, Makker, was das für ein Ding war?“

„Ja, was denn?“ fragte der Dolmetscher und stand wie gebannt da.

„Eine längliche Kiste war’s.“

„Und die Stimme?“

„Die kam aus der Kiste.“

„Nein …“

„Doch“, sagte Old O’Flynn mit Grabesstimme, daß es einigen Zuschauern eiskalt über den Rücken lief. „Da lag nämlich wer drin und schipperte quer durchs Mittelmeer.“

„Wer?“ fragte der Dolmetscher mit leicht würgender Stimme.

„Das wollte ich auch wissen, aber der Kerl war eingewickelt. Ich fragte mich auch, woher er wohl meinen Namen kannte, aber das wollte er mir nicht verraten.“

„Ein – ein Gespenst?“

„Wohl so was Ähnliches. Ich strampelte da noch im Wasser rum und mühte mich mit ihm ab, um ihn auszupacken, aber ich hatte das Zeug noch nicht richtig von seinem Kopf runter, da brach ihm der verdammte Schädel ab.“

„Nein!“ stieß der Dolmetscher hervor und hob die rechte Hand an den Mund.

„Doch, so war’s“, bekräftigte Donegal. „Ich fluchte ein paarmal kräftig, dann schmiß ich den Kopf ins Meer. Dann ging das mit dem Sturm los, und ich zog nun auch den Rest von dem verdammten Kistenramses heraus und enterte selbst in die verdammte Kiste.“

„Das ist ja grauenvoll.“

„Nein, es war sogar ganz gemütlich. Ich spuckte dreimal kräftig gegen den Wind, dann rollte ich mich zusammen und überstand das Scheißwetter, ohne zu frieren. Später bin ich dann auf meiner Kiste gen Benghasi geritten und wohlbehalten gelandet. Ach ja, die Kiste – die war vergoldet, wenn ich mich recht entsinne …“

Uluch Ali war aufgesprungen, vernahm die letzten Worte seines Dolmetschers und brüllte außer sich vor Wut: „Wo ist diese Kiste, du Hundesohn?“

„Ja, wo ist die Kiste?“ fragte auch der Dolmetscher auf englisch.

Old O’Flynn grinste und rollte mit den Augen.

„Großes Geheimnis“, wisperte er. „Das darf ich euch nicht verraten.“

„Schlage ihn!“ schrie Uluch Ali dem Schwarzen zu.

Der hieb auch gleich wieder mit dem Ende des Strickes zu, aber Ali hatte sich getäuscht, wenn er glaubte, daß sein Gefangener jetzt weich werden würde. Grinsend ertrug Old O’Flynn die Hiebe. Als der Leibwächter es endlich aufgab, ihn zu traktieren, begann der Alte wieder von dem „Kistenramses“ zu erzählen und sich zu fragen, was aus der kopflosen Leiche wohl geworden wäre. Na, die Haie hätten an ihr bestimmt keinen Spaß gehabt.

„Das ist zuviel“, stöhnte Al Conroy. „Das halte ich nicht mehr aus.“

Ähnlich dachte auch Uluch Ali, der seinem Dolmetscher jetzt durch eine herrische Gebärde zu verstehen gab, er sollte mit dem Übersetzen aufhören. Besonders die Sache mit der Mumie konnte auch er, der Beylerbey, allmählich nicht mehr verkraften. Zum einen, weil sie ausgesprochen unappetitlich war, zum anderen, weil sich unter dieser gräßlichen Lügengeschichte nun schon bald die Mauern der Residenz bogen.

„Schafft ihn weg“, sagte Ali nur noch, dann erhob er sich und ging, gefolgt von seinen Leibwächtern, fort.

Der Schwarze und ein anderer Kerl schleppten Old O’Flynn ins Haus. In der Menschenmenge wurde Gemurmel laut. Die Menschen von Benghasi waren schwer beeindruckt von dem alten Mann mit dem verwitterten, braungebrannten Gesicht und dem Holzbein. So wie der hatte noch keiner zu Uluch Ali zu sprechen gewagt.

Sam Roskill sagte: „Hast du verstanden, was die Leute sagen, Al?“

„Ja. Viele Sympathien scheint Uluch Ali hier nicht zu genießen.“

„Ob wir das für uns ausnutzen können?“

„Ich weiß nicht“, brummte Al Conroy. „Ben wäre bestimmt nicht sehr glücklich darüber, zu erfahren, daß wir eine Revolte angeheizt und zum Ausbruch gebracht haben. Es wäre ja auch nicht richtig, die Bewohner der Stadt in so etwas zu verwickeln.“

„Und es wäre ja auch noch die große Frage, ob sie überhaupt mitspielen würden.“

„Allerdings“, sagte Al. „Mein Vorschlag wäre: Laß uns erst mal abwarten. Wir beide kriegen die Sache schon in den Griff. Bis zum Dunkelwerden ist es nicht mehr lange. Vielleicht können wir dann was unternehmen und in Uluch Alis Bau eindringen, um Donegal zu befreien.“

„Einverstanden“, sagte Sam.

Sie zogen sich in eine Hausnische zurück. Von hier aus konnten sie die Residenz des Uluch Ali gut beobachten, ohne selbst entdeckt zu werden.

Aufgebracht wanderte Uluch Ali in seinen Gemächern auf und ab. Verdammter Christenhund, dachte er, dich koche ich schon noch weich. Verrückt magst du sein, aber auch Wahnsinnige sagen früher oder später aus. Dem Folterknecht gegenüber wird jeder Mann zu einem kleinen Kind, das schluchzend und greinend sein Geständnis ablegt.

Er blieb stehen und blickte nachdenklich seinen Diener an, der wieder erschienen war, um ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

Die „Empreß of Sea“, dachte Ali, vielleicht gibt es sie wirklich. Vielleicht war das gar nicht gelogen. Doch wer will die Wahrheit von der Lüge unterscheiden?

Die „Empreß of Sea“ – der Name ging ihm nicht mehr aus dem Kopf – mußte also ein englisches Schiff sein, das im Mittelmeer unterwegs war. Natürlich war sie nicht gesunken, das schob der Alte nur als Schutzbehauptung vor, um seine Kameraden nicht zu gefährden.

Wer waren diese Kameraden?

Plötzlich sagte Uluch Ali zu seinem Diener: „Einige Männer sollen sich sofort in den Hafen begeben und nach einem englischen Schiff Ausschau halten.“ Fast hätte er noch hinzugefügt: Auch nach einem goldenen Sarkophag, doch das konnte er sich gerade noch rechtzeitig genug verkneifen.

Der Diener verneigte sich und war im nächsten Augenblick verschwunden. Uluch Ali blieb mit seinen Gedanken allein.

Meine Späher und Spione werden dieses Schiff schon finden, sagte er sich, nichts kann ihrer Aufmerksamkeit entgehen.

Er wäre jetzt froh darüber gewesen, Muley Salah in seiner Nähe zu wissen, der ja mit seiner Behauptung, den alten O’Flynn in der Sambuke gesehen zu haben, recht gehabt hatte. Muley Salahs Schilderungen von dem Kampf in der Bucht bei Kanais und der Auseinandersetzung in der Bucht bei Tobruk gewannen an Glaubwürdigkeit, und gewiß hätte er selbst sich auch gern mit dem Alten befaßt.

Uluch Ali grübelte und grübelte. Aber die „Empreß of Sea“ und die Sambuke, dachte er, wie paßt das zusammen? Wie konnte der Alte erst an Bord der „Empreß“ und dann auf der Sambuke sein – oder umgekehrt? Auch dafür mochte es eine Erklärung geben. Beispielsweise konnte die Sambuke das Beiboot des englischen Schiffes sein – warum denn nicht? Oder aber die Engländer hatten sie irgendwo als Prise genommen und führten sie seither im Schlepp mit.

Vielleicht, so überlegte Uluch Ali in diesem Augenblick, vielleicht ist sogar Killigrew der Kapitän des englischen Schiffes. Das werde ich aus dem Alten noch herauspressen, an Mitteln mangelt es nicht.

Uluch Alis Schergen verließen den Palast und liefen zum Hafen hinunter. Sie schwärmten aus und betraten die Piers, um jedes dort liegende Schiff genau in Augenschein zu nehmen. Der vom Sturm ziemlich hart angeschlagenen Karavelle, die Benghasi aufgesucht hatte, als Muley Salah gerade mit den drei Feluken ausgelaufen war, galt ihr besonderes Augenmerk, doch dann stellte sich heraus, daß es sich bei diesem Schiff um einen Spanier handelte.

Nirgends war ein englisches Schiff zu entdecken, und da Alis Männer überall immer wieder nur nach einem „verfluchten Engländer“ fragten, erhielten sie auch keine Auskunft über die zweimastige Sambuke, die bis vor kurzem noch hier gelegen hatte.

Es sollte noch einige Zeit vergehen, bis sich die Späher und Spione in die Sättel ihrer Kamele schwangen, um auch die Umgebung von Benghasi abzuforschen, denn jetzt brach die Nacht über die Stadt herein, und auch mit Fackeln und Öllampen war draußen, in der Wüste und am Ufer des Mittelmeeres, bei Dunkelheit nicht mehr genug zu erkennen.

Beispielsweise war es unmöglich, die Sambuke zu entdecken, die in der Bucht zwei Meilen nördlich von Benghasi ankerte. Ihre Umrisse wurden von der Nacht verschluckt, und selbstverständlich vermied es Ben Brighton, auch nur das kleinste Talglicht zu entfachen.

Bangen Herzens warteten die Seewölfe auf die Rückkehr ihrer Kameraden. Würden Sam Roskill und Al Conroy es schaffen, Old O’Flynn aus der Gefangenschaft zu befreien?

Old Donegal Daniel O’Flynn lag gefesselt in einem Kellerraum des Palastes und wartete darauf, daß man ihn abholte, um ihn dem Folterknecht vorzuführen. Doch vorläufig blieb ihm dies – aus welchem Grund auch immer – erspart. Er hatte seine Ruhe und konnte überlegen, wie er es am besten anstellte, sich aus dieser unbequemen Lage in eine andere, etwas günstigere, zu bringen.

Der Folterknecht muß wohl erst das Feuer anheizen und die Zangen wärmen, dachte er grimmig. Mal sehen, ob sich das ausnutzen läßt.

So konzentrierte er sich auf sein Holzbein. Denn da steckte der Trumpf, den er jetzt zum Vorschein holen mußte, nicht etwa in seinem Ärmel: Er hatte noch eine Waffe, die keiner der Leibwächter Uluch Alis bei ihm entdeckt hatte, obgleich sie ihn sehr genau durchsucht hatten. Jawohl, er wir im Besitz eines Stiletts, eines haarscharf geschliffenen Dinges, und damit gedachte er sich jetzt selbst zu helfen, da er mit Unterstützung von außen wohl kaum rechnen durfte. Vielleicht wußten Ben und die anderen noch nicht einmal, wo sie ihn suchen sollten.

In mühseliger, geheimer Kleinarbeit hatte er seinerzeit, als sie noch mit der „Isabella VIII.“ über die Weltmeere gesegelt waren, sein Holzbein von oben ausgehöhlt und so eine Art Röhre geschaffen, in der er das Stilett verborgen hatte.

Findig muß der Seemann sein, hatte er damals gedacht, vielleicht rettet dir dieses Stilett eines Tages das Leben, denn das müssen schon wirklich ganz üble Hunde sein, die dein Holzbein abschnallen und auf Waffen untersuchen.

Gewiß, Uluch Ali war ein solch übler Hund, aber er hatte Old O’Flynn das Holzbein gelassen. Daß das Ding zu einem Teil hohl sein könnte – wer verfiel schon auf eine derart absonderliche Idee! Nicht einmal Uluch Alis Phantasie ging so weit, obwohl er sich für einen außerordentlich gescheiten Menschen hielt.

Nach einigem Herumwälzen und Rucken an den Fesseln gelang es Donegal, seine Hände wenigstens soweit freizukriegen, daß er mit den Fingern an das Holzbein heranreichte und es abschnallen konnte. Rasch hatte er auch die Aushöhlung ertastet und zog das Stilett daraus hervor.

Dann begann er damit, seine Fesseln säuberlich durchzutrennen. Zuerst legte er seine Arme frei, dann machte er bei den Beinen weiter und schnitt zuletzt die Stricke durch, die seine Füße zusammenschnürten. Er massierte seine Gelenke, bis der Blutkreislauf wieder einwandfrei funktionierte. Danach wartete er ab, was weiter geschehen würde. Aus dem Raum konnte er so nicht heraus, die Tür war von außen fest verriegelt, ein Fenster gab es nicht.

Am Abend endlich – seine Geduld wurde auf eine recht harte Probe gestellt – näherten sich Schritte der Tür. Lautlos erhob er sich und nahm neben der Tür Aufstellung. Draußen wurde mit Schlüsseln hantiert, die leise klirrten, dann schob sich ein Schlüssel in das Schloß, und quietschend öffnete sich die Verriegelung.

Die Tür bestand aus massivem Holz und hatte nicht einmal ein Guckloch. Folglich konnte der Besucher – wer immer es war – von außen nicht sehen, was sich in dem engen Raum abspielte. Ohne etwas zu ahnen, öffnete er die Tür.

Gut so, dachte Old O’Flynn, das vereinfacht die Sache.

Der Besucher sollte sich wenig später als der Schwarze entpuppen, der ihn auf dem Platz vor dem Palast an dem Strick festgehalten und munter auf ihn eingedroschen hatte. Er war erschienen, um nach dem Gefangenen zu sehen und ihm schon mal auf die Beine zu helfen, damit er für den Gang in die Folterkammer bereit war – nicht etwa, um ihm etwas zu essen und zu trinken zu bringen.

Old O’Flynn wartete ab, bis die Tür ihn völlig verdeckte und er die scharrenden Schritte des Kerls dicht neben sich vernahm, dann handelte er. Er versetzte der Tür einen heftigen Stoß, und diese schlug dem Schwarzen genau vor die Stirn, so daß dieser einen ächzenden Laut des Schmerzes und des Entsetzens von sich gab und auf der Stelle zusammenbrach.

Der Alte schob sich hinter der Tür hervor, warf einen Blick auf den Kerl und erkannte erst jetzt, mit wem er es zu tun hatte. Er grinste, schlug noch einmal hart mit der rechten Faust zu, um ganz sicher zu gehen, und packte den Bewußtlosen dann unter den Armen. Er schleifte ihn in sein Gefängnis und fesselte ihn mit den längsten Stücken, die von seinen Stricken noch übriggeblieben waren. Anschließend knebelte er ihn.

Den Kaftan und die Waffen hatte er ihm vorher abgenommen. Jetzt schlüpfte er in das Kleidungsstück und steckte sich den erbeuteten Dolch und den Cutlass des Kerls ein, trat auf den Flur vor dem Raum hinaus und blickte sich aufmerksam um.

Niemand schien in der Nähe zu sein, niemand konnte ihn behelligen. Er zog die Tür hinter sich zu, riegelte ab, steckte den Schlüssel weg und begab sich auf den Weg dorthin, wo er den Treppenaufgang vermutete.

Er hatte den Flur zur Hälfte hinter sich gebracht, als er plötzlich Stimmen vernahm, die sich ihm im Dunkeln näherten. Es war zu spät zum Umkehren, niemals hätte er es geschafft, wieder in seine Zelle zurückzulaufen und sich dort vor den Kerlen zu verbergen, die ohne Zweifel genau auf ihn zusteuerten. Eine andere Versteckmöglichkeit schien es nicht zu geben. So war Old O’Flynn gezwungen, sich mit dem Rücken gegen die Wand zu lehnen und verhaltenen Atems die weitere Entwicklung abzuwarten.

10.

Sam Roskill und Al Conroy hatten ihren Unterschlupf verlassen und umrundeten die Residenz von Uluch Ali. Sie waren auf der Suche nach einer Einstiegsmöglichkeit. Gab es denn kein Fenster, durch das man klettern, keinen Balkon, den man ohne großen Aufwand erklimmen konnte?

Leider waren die Balkone und die Fenster alle vergittert, wie sie erst jetzt feststellten. Uluch Alis Palast war eine gut abgesicherte und offenbar uneinnehmbare Festung, der Kerl schien an alles gedacht zu haben, um sich ungebetene und unliebsame Gäste vom Hals zu halten.

Sam fluchte bereits leise vor sich hin. Al knirschte hörbar mit den Zähnen. Damit hatten sie nun wirklich nicht gerechnet. Was jetzt? Sie waren ausgeschlossen, fanden keine Stelle, an der sie in das Anwesen eindringen konnten, und so schien es, als müßten sie Old O’Flynn seinem gewiß nicht rosigen Schicksal überlassen.

„Mann“, flüsterte Sam wütend. „Wir müssen was unternehmen, Al. Hätten wir bloß eine Höllenflasche dabei, dann könnten wir ein Loch in die Mauer sprengen.“

„Um den ganzen Palast aufzuwekken und die halbe Stadt noch dazu?“ „Das wäre mir egal.“

„Aber Uluch Ali wäre gewarnt, ehe wir Donegal herauspauken könnten.“ „Stimmt auch“, sagte Sam. „Außerdem haben wir ja keine Flaschenbombe. Also, was schlägst du vor? Was sollen wir tun?“

„Wir müssen Verstärkung holen.“

„Von der Sambuke? Das dauert viel zu lange, bis wir dort sind, und wir haben sowieso schon zuviel Zeit vergeudet.“

„Verfluchter Mist“, wetterte Al und sah sich nach allen Seiten um. Wonach er suchte, wußte er selbst nicht genau. Doch plötzlich sah er eine kleine Gestalt aus der Öffnung einer winzigen Seitengasse hervortreten.

Al griff nach Sams Unterarm und stieß einen zischenden Warnlaut aus. Sofort fuhr Sam herum und erblickte die Gestalt ebenfalls, doch er schien nicht zusammenzufahren, sondern tat sogar zwei Schritte auf den Unbekannten zu. Plötzlich grinste er.

„Das ist mein Freund Hassan“, raunte er. „Mal sehen, vielleicht kann der uns weiterhelfen.“

Hassan näherte sich auf leisen Sohlen, blieb dicht vor ihnen stehen und wisperte in seinem grauenvollen Spanisch: „Ssämm, verzeih mir. Soll ich nicht wiederkommen, is’ zu gefährlich, hast du mich gesagt – aber Hassan dir doch guten Rat geben können, nicht?“

„Ja“, flüsterte Sam. „Schon gut, Junge, ich bin dir ja dankbar. Sag mal, hast du dieses Verhör auch verfolgt?“

„Ja. Uluch Ali schlimmster Hund aller Hunde.“

„Hast du uns auch die ganze Zeit über beobachtet?“ wollte Al Conroy wissen.

„Ja. Wollt ihr rein in Palast?“

„Natürlich, und zwar sofort“, zischte Sam. „Eine bessere Gelegenheit kriegen wir nicht. Aber hier ist alles vergittert, zum Teufel.“

Hassan entblößte die Zähne. „Weiß schon, wo richtig – kommt nur mit.“ Er wandte sich ab und lief los.

Sie mußten sich beeilen, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Rasch folgten sie ihm.

Etwas später befanden sie sich an der hinteren Seite des Anwesens, die nach Süden wies, und Hassan deutete an der Mauer hoch, die vor ihnen aufragte.

„Hier hoch“, flüsterte er. „Gute Stelle. Habt ihr Seil?“

„Ja“, gab Sam zurück.

„Gut. Anderes Seite von Mauer Wehrgang, aber nur eine Wache. Dann Treppe runter zum Innenhof, von dort Türen zu allen Gebäuden.“

Al Conroy hatte die mitgebrachte Taurolle bereits vom Gurt gelöst und raunte: „Na, dann nichts wie los. Auf was warten wir noch?“

Sam drückte Hassan noch eine Perle in die Hand, dann schüttelte er sie ihm.

„Mach’s gut, Amigo“, raunte er ihm zu. „Wenn uns unser Weg mal wieder nach Benghasi führt, suchen wir dich als ersten auf. In ganz Nordafrika sind wir keinem so netten Kerl wie dir begegnet.“

„Danke, Sidi“, wisperte Hassan. „Viel Glück.“

Al hatte bereits das Tau geschwungen, an dessen einem Ende ein Eisenhaken befestigt war. Der Haken flog an der Mauer hoch und krallte sich gleich beim ersten Versuch oben hinter der Umrandung fest. Al brauchte nur noch zu prüfen, ob er sich dort auch hielt. Dies tat er durch ein mehrfaches heftiges Rukken an dem Tau – es gab nicht nach, sie konnten hochklettern.

Sam sah Hassan noch einmal an, dann gab er ihm das Zeichen, sich zu verdrücken. Er blickte ihm kurz nach, als er in der Nacht verschwand. Irgendwie erinnerte er ihn an Kabil, den Shilh-Jungen, den sie in Ägypten noch einmal wiedergesehen hatten.

„Wo bleibst du?“ zischte Al. Er hing bereits an dem Tau und schickte sich an, mit dem Klettern zu beginnen.

Sam wandte den Kopf und nickte ihm zu. „Los, Al! Ich passe hier unten auf, bis du oben bist, dann folge ich dir.“

Al stieg katzengewandt an der Umfassungsmauer des Palastes hoch, eifrig darum bemüht, nicht das geringste Geräusch zu verursachen. Sam sicherte nach allen Seiten und hielt Wache.

Old O’Flynn zählte drei Männer, die eine Treppe hinunterstiegen und dann den Gang entlang auf ihn zuschritten. Etwas von dem, was sie sprachen, konnte er verstehen. Vom „Giaur“ war die Rede, vom Abholen und von den Daumenschrauben, die als erstes angelegt werden sollten.

Zornig schob er sein Kinn vor. Na wartet, dachte er, ihr werdet euch wundern.

Er konnte sie nicht sehen, doch er vernahm ihre Stimmen immer lauter und spürte, wie sie sich unaufhaltsam auf ihn zubewegten. Dann waren sie da. Er hatte vorsichtig Luft geholt, verhielt seinen Atem jetzt aber wieder. Nichts durfte ihn verraten, denn drei gegen einen war ein schlechtes Kräfteverhältnis, und es bestand auch die Gefahr, daß einer von ihnen fortlief, falls es zum Kampf kam, und Uluch Ali alarmierte.

Old O’Flynn wäre am liebsten gleich zu Uluch Ali gelaufen, um sich dafür zu bedanken, daß er ihn gedemütigt hatte. In seiner derzeitigen Verfassung hätte er ihm ohne weiteres die Kehle durchschneiden können. Wo aber sollte er den Kerl suchen? Er kannte sich in dem Palast nicht aus, und jedes Umherirren und Nachforschen konnte ihm zum Verhängnis werden. Nein, klüger war auf jeden Fall, gleich nach einem Ausgang zu suchen und sich wegzustehlen.

Die drei Männer, von denen der eine zweifellos der Folterknecht war und die beiden anderen Leibwächter ihres Herren, schritten so dicht an ihm vorbei, daß er sie mit den Fingern hätte berühren können. Er stand da wie zur Salzsäule erstarrt.

Dann waren sie vorbei und gingen zur Zelle, wo sie aber ein Rätsel zu lösen hatten: Wo steckte der Schwarze, wieso hatte er den Raum nicht aufgeschlossen, warum wartete er nicht auf sie, wie sie ihm aufgetragen hatten?

Ehe die drei die Lösung dieses Problems gefunden hatten – sie bestand darin, die Tür aufzubrechen und den Mohr aus seiner unglücklichen Lage zu befreien, damit er ihnen alles erzählen konnte – war Old O’Flynn bereits aus dem Keller fort und nahm die Stufen der Treppe, auf der er das Trio vorher hatte nahen hören.

Die Treppe beschrieb einen Bogen, und mit einemmal glomm ihm von oben rötliches Licht entgegen. Er nahm den Cutlass in die Rechte und den erbeuteten Dolch in die Linke, verlangsamte seine Schritte und schob sich an der rechten Mauer entlang.

So geriet er bis ganz nach oben und hatte den Blick frei auf einen quadratischen, überdachten Innenhof, in dem ein Springbrunnen plätscherte und bunte Blumen wuchsen. Fakkeln, die in eisernen Haltern an Säulen befestigt waren, verbreiteten das Licht.

Vorsichtig spähte er nach links und rechts, konnte aber keinen Menschen entdecken. Ohne zu zögern, begann er damit, den Hof zu überqueren, doch er war keine zehn Yards weit gelangt, da geschah es.

Hinter einer Säule trat die Gestalt eines bulligen Mannes hervor. Donegal bemerkte ihn zu spät, und es hatte keinen Zweck mehr, umzukehren. In Dekkung werfen konnte er sich auch nicht, es war sinnlos, ihm blieb nur noch die eine Möglichkeit, nämlich, sich dem Kampf zu stellen.

Der bullige Kerl trug einen Helm und ein weites Gewand, seine Füße jedoch waren nackt. Die Sohlen patschten leise, als er sich dem entflohenen Gefangenen näherte. Einen Alarmruf stieß er aber nicht aus, vielleicht war er zu fasziniert von der Aussicht, diesem Giaur ganz allein den Garaus zu bereiten. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze des Hohns und der Grausamkeit. Seinen Säbel hatte er mit einer blitzschnellen Bewegung gezückt, und jetzt ließ er die Klinge probeweise durch die Luft pfeifen.

Old O’Flynn sprang plötzlich auf ihn zu. Er wollte die Initiative nicht diesem Kerl überlassen. Für einen kurzen Augenblick war der Araber überrascht. Donegal nutzte seine Chance und schlug ihm mit der Klinge des Cutlass’ auf den Säbel. Es klirrte, der Wächter stieß einen Laut der Verblüffung aus, wollte seine Waffe hochreißen, vermochte aber auch das nicht mehr zu tun, denn jetzt stach der Alte mit seinem Dolch zu.

Der Dolch blieb in der Schulter des Arabers stecken. Old O’Flynn kämpfte hart und ohne jede Rücksichtnahme. Was man ihm zugefügt hatte, hatte ihm gereicht, er wollte nicht noch einmal erniedrigt werden, und seine Tage hier in Benghasi, ausgerechnet bei Uluch Ali, zu beenden, war auch nicht seine Absicht.

Der Cutlass knallte noch einmal auf den Säbel, dann zuckte er unversehens wieder hoch und strich dem Wächter des Palasthofes quer über die Brust. Das Gewand zerplatzte, der Mann stöhnte auf. Old O’Flynn hieb ihm die Faust unters Kinn und sah ihn zusammensinken, dann lief er fort, ehe weitere Wächter eintreffen und ihm endgültig den Fluchtweg abschneiden konnten.

Blutüberströmt blieb der Muselmane auf dem Innenhof liegen, doch er sollte es überleben. Wenig später stürmten mehrere Männer aus dem Hauptgebäude des Palastes auf den Hof, weil sie durch die wummernden Schläge alarmiert worden waren, die aus dem Keller drangen, und so fanden sie ihren Kumpanen und schleppten ihn schleunigst fort.

Zu diesem Zeitpunkt aber befand sich Old O’Flynn bereits in dem hintersten Gebäude des Anwesens, einem übelriechenden Stall, in dem dicht an dicht die Kamele und Pferde des Uluch Ali standen. Er überlegte, ob er nicht ein Pferd nehmen sollte, ließ es dann aber doch sein. Das ist viel zu auffällig, sagte er sich.

Seine Suche nach einem rückwärtigen Ausgang lohnte sich: Er fand ihn, konnte den eisernen Riegel beiseiteschieben und brauchte nur noch vorsichtig die Tür zu öffnen. Danach schob er sich durch den schmalen Spalt, der ihn auf die Straße führte, und verließ mit einem letzten Fluch auf den Lippen die Residenz des Feindes.

Al Conroy kauerte bereits oben auf dem Wehrgang und spähte, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß kein Wächter in der Nähe war, zu Sam hinunter, der in diesem Moment mit dem Aufstieg begann.

Der einzige Wachtposten des Wehrganges schien sich gerade auf der anderen Seite zu befinden. Ehe er zurückkehrte, um seine Runde zu beschließen, mußte auch Sam es geschafft haben. Dann mußten sie zusehen, daß sie so schnell wie möglich dorthin gelangten, wo man Old O’Flynn festhielt. Doch wo, zum Teufel, war das? Wer würde es ihnen verraten?

Al stockte plötzlich der Atem, denn er sah, wie sich unten in der Mauer eine Tür nach außen hin öffnete. Er konnte Sam noch durch einen gezischten Laut warnen, und Sam verhielt – dann entließ die dunkle Türöffnung eine Gestalt auf die Straße.

Ein Kaftanträger! Zweifellos ein Wächter des Palastes, der etwas gehört hatte und nun nach dem Rechten sah. Er brauchte nur den Kopf zu heben, dann entdeckte er Sam, und mit einem einzigen Schuß konnte er ihn von der Mauer holen.

Al und Sam waren vor Schreck wie erstarrt.

Dann aber tat Sam das einzig Richtige. Er ließ das Tau los, breitete die Arme aus – und fiel von oben genau auf den Kaftanmann, ehe dieser weitergehen konnte. Er riß ihn mit sich um. Sie wälzten sich auf dem Pflaster, dann holte Sam mit der Faust aus und schmetterte sie dem Gegner gegen den Kopf.

Al schwang sich wieder über die Brüstung und hangelte am Tau nach unten. Etwa anderthalb Yards über dem Boden ließ auch er sich fallen und wollte Sam Beistand leisten, doch das war schon nicht mehr nötig. Der Kaftanmann lag reglos am Boden und war bewußtlos.

„Die Tür“, zischte Sam. „Warum haben wir die nicht entdeckt?“

„Nicht mal Hassan hat etwas davon gewußt“, gab Al genauso leise zurück. „Also ist es eine Geheimtür. Sieh mal, sie geht völlig nahtlos in die Mauer über, wenn sie zu ist.“

„Ja, stimmt. Gut, wir können also von hier aus rein.“

„Und was tun wir mit dem Kerl hier?“

„Den schaffen wir weg“, flüsterte Sam Roskill. „Los, faß mal mit an.“

Sie beugten sich über ihn, um ihn hochzuheben und wegzuräumen, da fiel ihr Blick auf sein Gesicht, das inzwischen durch die verrutschte Kapuze freigegeben wurde.

„Da laust mich doch das Kielschwein“, sagte Sam erschüttert.

„Donegal“, stammelte Al. „Ist denn das die Möglichkeit?“

„Vielleicht ist es sein Geist …“

„Ach, red doch keinen Quatsch.“ Al Conroy erhob sich. Er fackelte nicht lange, zog den Alten zu sich hoch, bückte sich wieder und warf ihn sich über die Schulter. „Nichts wie weg“, sagte er.

Sam rollte noch schnell das Tau zusammen, dann rannten sie los – zum Hafen. Im Nu hatte sie das Dunkel der Nacht verschluckt.

In einer Hausnische stand Hassan, der zwölfjährige Junge, und lachte leise. Er war froh, daß das Unternehmen gelungen war. Er stellte sich vor, wie Uluch Ali toben würde – und darüber freute er sich ungemein.

Schnell hatten Al und Sam mit ihrem immer noch besinnungslosen Kameraden den Hafen erreicht, und kein Araber tauchte auf und verstellte ihnen den Weg. In aller Eile suchten sie die Pier auf, an der sie das kleine Beiboot der Sambuke vertäut hatten, verfrachteten Old O’Flynn hinein, sprangen auf die Duchten und pullten los, aus der Hafenbucht hinaus und nordwärts zu der Sambuke, wo Ben und die anderen voll Sorge auf ihre Rückkehr warteten.

Unterwegs, etwa auf halbem Weg, gab Old O’Flynn ein Ächzen von sich und schlug dann die Augen auf.

„Was ist denn hier los?“ sagte er knurrend. „Wo bin ich eigentlich?“

„So sicher wie in Abrahams Schoß an Bord unseres Bootes“, erwiderte Sam Roskill und ruckste vergnügt weiter.

„Und wieso habe ich eine Beule am Kopf, Mister Roskill, wenn ich fragen darf?“

„Die müssen dir Uluch Alis Leute verpaßt haben.“

„Hör mal – willst du mich vielleicht auf den Arm nehmen?“

„Unsinn“, sagte jetzt Al Conroy. „Das will er nicht. Du solltest dich überhaupt erst mal bei uns bedanken, Donegal, wir haben dich nämlich gerettet.“

Der Alte stieß einen verächtlichen Laut aus. „Also, wenn ich mich recht entsinne, dann habe ich mich selbst befreit. Aber ein paar Minuten fehlen mir. Da waren die stinkenden Kamele und die Gäule, und dann eine Tür, ich öffnete sie und ging raus – und dann gab’s einen Knall, und ich war weg.“

„Das muß die Tür gewesen sein“, sagte Sam treuherzig. „Als wir dich fanden, lagst du schon da wie ein Bündel Lumpen.“

Al hatte Mühe, sein Lachen zu verkneifen.

Sie erreichten die Ankerbucht, steuerten hinein und gaben sich Ben, Pete, Smoky, Bob und Will durch ein Zeichen zu erkennen. Die Begrüßung fiel ziemlich stürmisch aus, man klopfte sich gegenseitig auf die Schultern, dann wurde das Beiboot an Bord der Sambuke geholt, und Benn bereitete sich aufatmend auf das Auslaufen vor.

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9783954397723
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