Читать книгу: «Seewölfe Paket 14», страница 22

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„Ja.“

„Zieht euch in die Klippen zurück, dort können euch die Giaurs nicht finden, falls sie zurückkehren.“

„Diese räudigen Schakale!“ stieß Fausi hervor. „Ein Sturm soll sie überraschen und wie die Ratten in der See ertränken! Aber rechnest du wirklich damit, daß sie zurückkehren, Muley?“

„Kaum, aber ihr müßt euch dennoch verstecken.“

„Das versprechen wir dir“, sagte Amra.

„Dann ist es gut.“ Muley Salah drehte sich zu den beiden anderen um. Bei Ahmed, Fausi, Amra und Saied ging es ihm weniger darum, sie in Sicherheit zu wissen, damit ihnen nichts mehr passierte, als vielmehr darum, daß sie von den Giaurs nicht gefaßt und verhört werden konnten. Diese waren mit dem Scheitan im Bund und zu jeder Teufelei fähig, vielleicht sogar dazu, bis zu Uluch Ali vorzudringen und diesen zu bedrohen.

„Wir reiten“, sagte er zu Jussuf und zu Hamed. „Sofort.“

So stiegen sie in die Sättel der drei schnellsten Meharis und eilten davon, stets dem Verlauf der Küste folgend in westlicher Richtung.

4.

Hatte Muley Salah damit gerechnet, die Sambuke wiederzufinden, so wurde er jetzt schwer enttäuscht. Sie war verschwunden und nicht wieder aufzustöbern – und dieses Mal war er, Muley, wahrhaftig in Druck. Mit anderen Worten: Er steckte bis zum Hals im Schlamassel und vermochte aus eigener Kraft nichts dagegen zu tun.

Nichts, aber auch gar nichts hatte bislang geklappt. Die Sambuke war ihm entwischt, und ob er sie je wiedersehen würde, war jetzt mehr als fraglich, denn die Christenhunde waren ja gewarnt. Zornig kaute er auf der Unterlippe herum, bis sie blutig wurde, und immer wieder hieb er auf sein Mehari ein, um es zu einer schnelleren Gangart anzutreiben, was im Endeffekt aber auch nichts einbrachte.

Wieder zwang er sich zur Ruhe und Beherrschung und strengte sich an, so gelassen wie möglich noch einmal alles zu überdenken.

Er wußte nur eins mit annähernder Sicherheit: Da die Giaurs bisher an der Küste entlang westwärts gesegelt waren, würden sie wohl auch auf diesem Kurs bleiben. Das bedeutete, daß sie vermutlich die Absicht hatten, das Mittelmeer zu verlassen.

Man konnte also noch versuchen, sie auf See abzufangen. Dazu aber brauchte er, Muley, einen schnellen Segler und eine entsprechend große Mannschaft. Beides stand ihm im Hafen von Benghasi zur Verfügung, wo sich derzeit auch gerade Uluch Ali aufhielt.

Um Uluch Ali führte wirklich kein Weg mehr herum, ein Schiff und dessen Besatzung konnte er nur durch ihn erhalten. So nahm in Muley Salahs lädiertem Kopf ein Gedanke Gestalt an. Er mußte es wagen, Uluch Ali aufzusuchen und ihm alles zu gestehen. Sehr viel Mut brauchte man dazu, aber in seiner derzeitigen Verfassung hatte Muley diesen Schneid, der von seiner Wut und Verzweiflung genährt wurde.

Entweder gab ihm Uluch Ali die Chance, die Scharte wieder auszuwetzen, oder aber sein Kopf rollte. Das hing von der Laune des allmächtigen, allwissenden Beylerbey ab, der mal so sanft wie ein Lamm und mal so wild wie ein Berglöwe war.

Muley Salah führte sich all dies vor Augen und sagte sich, daß er bei aller Tapferkeit auch nicht lebensmüde sein durfte. Daher klapperte er mit Jussuf und Hamed vorerst sämtliche winzigen Orte der Küste ab, die ganze Nacht über und auch den darauffolgenden Tag lang von Barka ab nach Bomba, über Derna, Cyrene, Tomeita und noch viele andere Nester systematisch auf Benghasi zu. An allen Kaps, die sie erreichten, hielt er Ausschau, aber alles Spähen hinaus auf die See nutzte ihm wieder nichts. Die Sambuke wollte nicht wieder auftauchen und schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

So vergingen der sechste und dann auch der siebente Juni, und am Nachmittag des siebenten Juni fegte ein Sturm von Osten her über die See und die angrenzenden Küstengebiete, der den drei Männern erbarmungslos den Sand um die Ohren blies. Sie mußten absitzen und sich und ihre Meharis schützen, so gut es ging. Das Wetter zehrte an ihren Energiereserven und an ihren Nerven, und schließlich waren die Kamele derart erschöpft, daß sie wieder gewechselt werden mußten.

Jussuf und Hamed hatten zwischendurch Gelegenheit gehabt, sich untereinander heimlich zu verständigen. Sie hatten die Nase gestrichen voll von dem ganzen Unternehmen, und wenn ihr Weg zu Uluch Ali führte, gab es ihrer Ansicht nach keine Hoffnung mehr. Dann würden ihre ohnehin schon ramponierten Köpfe rollen, und sie würden Einzug in Allahs Himmelreich oder aber in die Feuer des Scheitans halten – doch wofür das Ganze? Aus Treue zu Muley Salah wollten sie ganz gewiß nicht sterben, und Uluch Ali konnte ihnen gestohlen bleiben.

So nutzten sie in der Nacht zum achten Juni die Gelegenheit und stahlen sich davon, als kurz gerastet wurde und Muley seine Augen nicht mehr offenhalten konnte. Hamed und der dicke Jussuf verschwanden mit ihren Meharis auf Nimmerwiedersehen, und als Muley Salah wieder aufwachte und sich umsah, befand er sich allein auf weiter Flur in der Wüste.

Er verfluchte die beiden Abtrünnigen bis in die tiefsten Schlünde der Hölle, als er sich jedoch ausgetobt hatte, beschloß er, nunmehr nach Benghasi zu reiten und den schweren Gang zu Uluch Ali anzutreten, wie er ohnehin schon vorgehabt hatte.

Am liebsten wäre natürlich auch er geflohen, doch das konnte er nicht, denn er war an der nordafrikanischen Küste viel zu bekannt. Die Häscher Uluch Alis würden ihn irgendwann erwischen – und wie der Erhabene, Allwissende mit Renegaten umsprang, wußte Muley Salah nur zu gut. Hundert und mehr Tode würden ihm gewiß sein, so aber blieb ihm zumindest noch die Aussicht, daß Uluch Ali Gnade vor Recht ergehen ließ und ihm die Chance bot, die erlittene Schlappe auszuwetzen.

Er stieg in den Sattel seines Dromedars und ritt leicht gesenkten Hauptes nach Benghasi, das jetzt nicht mehr weit entfernt war.

Ben Brighton hatte hin und her überlegt, ob er sich vielleicht doch getäuscht hatte und der Überfall in der Bucht bei Tobruk nur ein Zufall gewesen war. Sahen die Araber nicht alle ziemlich gleich aus? Man konnte sich sehr leicht vertun und einbilden, so einem Kaftan- oder Burnusträger schon einmal begegnet zu sein, obwohl man ihn das erste Mal sah. Und: Waren diese Strandräuber, mit denen sie es immer wieder zu tun hatten, nicht alle Ali Abdel Rasuls und ähnelten jenem fast aufs Haar?

Zufall wäre es gewesen, wenn irgendwelche Küstenbewohner in der Nähe von Tobruk darauf aus gewesen wären, die Seewölfe zu überfallen und niederzustechen, weil sie sich ausmalten, daß sie an Bord der Sambuke zumindest wertvolle Waffen finden würden, die sie wiederum auf den Märkten ihrer Städte verkaufen konnten.

Unsinn, dachte Ben, nur nicht ins Schlingern geraten, Mann, es war doch Absicht, und natürlich handelte es sich bei den Kerlen um jene, die uns auch in der Bucht von Kanais angegriffen hatten.

Dies teilte er auch Old O’Flynn mit, und der gab ihm sofort recht.

„Klar doch, da hab’ ich keinen Zweifel“, sagte er. „Es waren dieselben Kerle. Der eine da, dem ich was auf die Rübe gegeben habe, schien mir sogar einer der Kapitäne von den Küstenseglern zu sein, die wir versenkt haben.“

„Hör mal, Donegal, da besteht doch ein Zusammenhang.“

„Sicher. Sie sind uns von Kanais aus gefolgt, wie du schon ganz richtig sagtest.“

„Das meine ich nicht. Irgendwie habe ich den Verdacht, daß sich alles um die Galeone ‚San Marco‘ dreht.“

Der Alte nickte. „Um was denn wohl sonst? Sie wollen uns unsere vier Schatzkisten abjagen, die verdammten Muselmänner.“

„Aber woher wissen sie überhaupt, daß wir sie haben?“

„Das ist nicht so leicht zu beantworten. Hellsehen können sie wohl nicht. Aber vielleicht haben sie uns beobachtet, als wir nach dem Schatz tauchten.“

„Und wer hat ihnen verraten, daß auf dem Grund der Bucht von Kanais ein Wrack mit einem Schatz liegt?“ bohrte Ben hartnäckig weiter.

„Mann, du stellst aber Fragen“, sagte der Alte. „Laß mich mal raten. Na, sie haben eben die Truhen gesehen, als wir sie in die Sambuke hievten, und da haben sie sich den Rest einfach zusammengereimt.“

„Ja, so wird es wohl gewesen sein“, brummte Ben Brighton, aber ganz überzeugt war er doch nicht. Vielmehr nahm er an, daß die Strand- und Küstenräuber, die ihnen bis nach Tobruk gefolgt waren, schon vor ihrem Auftauchen bei Ras el Kanais von dem Wrack der „San Marco“ gewußt hatten. Ja, vielleicht hatten sie, die Araber, jenes Schiff sogar versenkt und wollten sich von den „Giaurs“ die sichere Beute nicht abjagen lassen.

Gleichviel, jetzt war es vorerst besser, außerhalb der Sichtweite der Küste zu segeln. Ein mäßiger Nordostwind wehte und brachte die Sambuke gut voran.

Am 7. Juni gegen die Mittagsstunde jedoch – die Seewölfe waren auch die Nacht durch gesegelt – standen sie mit ihrem Zweimaster gerade nördlich von Benghasi, als von Osten her eine pechschwarze Wand heraufzog, die Sturm verkündete. Die Männer versammelten sich am Heck ihres Fahrzeugs und beobachteten mit gefurchter Stirn, wie die Wand immer näherrückte.

„So“, sagte Pete Ballie. „Jetzt haben wir den Salat. Wir kriegen was auf die Jacke, und zwar nicht zu knapp. Seht euch das an, das ist kein Stürmchen, sondern ein halber Orkan.“

„Vielleicht auch ein ganzer“, sagte Smoky. „Aber wir werden schon damit fertig, was, Ben? Wäre ja nicht das erstemal, daß wir uns mit so einem Sturm herumschlagen.“

„Das schon“, entgegnete Ben. „Aber du darfst auch nicht vergessen, daß wir nicht mehr die ‚Isabella‘ unter uns haben. Bei der Old Lady wußten wir, woran wir waren, aber die Sambuke haben wir in der Hinsicht noch nicht erprobt.“

„Du meinst, wir saufen mit ihr ab?“ fragte Old O’Flynn. „Ja, das könnte natürlich sein. Oder aber sie bricht einfach auseinander. Ist ja ein schnelles Schiffchen, aber das Tempo geht auf Kosten der Stabilität.“

„Keine guten Hartwetter-Eigenschaften also“, sagte Sam Roskill. „Ein schöner Mist ist das. Soll das heißen, daß wir eine Bucht anlaufen müssen? Das wollten wir doch nicht mehr.“

„Es bleibt uns nichts anderes übrig“, erklärte Ben. „Lieber lasse ich mich noch mal auf eine Auseinandersetzung mit den Arabern ein, als daß ich leichtsinnig unser aller Leben aufs Spiel setze. Wir laufen nach Süden ab und suchen die von Norden nach Süden verlaufende Westküste von Barka auf.“

Dagegen wurden keine Einwände erhoben, denn die Männer sahen natürlich ein, daß Ben recht hatte. Das Risiko, dem Sturm zu trotzen, war größer als die Gefahr, sich erneut in die Nähe der nordafrikanischen Küste zu begeben, denn tatsächlich war die leichte Sambuke im Verhältnis zu einer Galeone ausgesprochen „sturmempfindlich“. Aber dafür war sie ja auch schneller, wie sich seit ihrem Aufbruch aus Alexandria erwiesen hatte.

Ein Platz, der ihnen die erforderliche Sicherheit bot, wurde jetzt dringend notwendig, denn der Wind nahm zu, und die schwarze Wand aus Osten rückte drohend näher. So zerschnitt der Bug der Sambuke mit rauschender Welle die See, und die Männer holten aus ihr heraus, was sie zu leisten imstande war. Wie zum Bersten prall spannten sich die Lateinersegel, der Wind fauchte hinein und stieß das kleine Schiff vor sich her, als wolle er sich seiner so schnell wie möglich entledigen.

Mit geradezu unglaublichem Tempo lief die Sambuke südwärts in die riesige Bucht der Großen Syrte. Pete Ballie, als Rudergänger bewährt wie immer, hatte die Pinne übernommen und steuerte den Zweimaster immer dichter auf die Küste zu.

Die ersten Böen fielen ein und legten die Sambuke nach Lee, in diesem Fall zur Steuerbordseite. Eine Gigantenfaust schien plötzlich auf das Fahrzeug einzuschlagen, es erbebte bis in seine letzten Verbände.

„Verdammt!“ schrie Ben Brighton im Heulen des Windes. „Geh so dicht unter Land wie möglich, Pete!“

„Aye, Sir! Ich tue, was ich kann!“

Pete drückte die lange Pinne noch weiter herum, und seine Kameraden braßten die Segel noch ein Stück mehr an. Mit einem jähen Schub segelte die Sambuke auf das nun sichtbare Land zu, das jetzt bei den heranfauchenden Drückern aus Osten zur Leeküste wurde.

Ben ließ weiter anluven und kreuzte auf die Küste zu, während der Sturm wie im Galopp auf sie zuraste und sie zu überrollen trachtete. Bob Grey, der sich ganz vorn am Bug befand, riß jedoch plötzlich einen Arm hoch und schrie: „Segler Backbord voraus! Er kreuzt ganz dicht unter Land!“

Ben arbeitete sich in dem Gischt, der von den Kronen der heranrollenden Wogen über Deck sprühte, bis zu Bob vor, dann hielt er Ausschau nach dem fremden Schiff.

„Das ist eine Dhau!“ rief er dann.

„Hölle, will die uns etwa angreifen?“ schrie Bob erbost.

„Nicht bei diesem Wetter! Siehst du nicht, daß sie in den nächsten Hafen verholen will?“

„Ich sehe keinen Hafen, zum Teufel!“

„Dann warte mal ab!“ schrie Ben ihm zu. „Wir müssen nämlich gleich Benghasi sichten!“

Tatsächlich brauchten sie jetzt nur noch zwei Kreuzschläge zu fahren, dann breitete sich die Ansicht der Hafenstadt Benghasi vor ihnen aus, undeutlich zwar in der zunehmenden Dunkelheit und dem Dunst der Wogen, aber doch gut genug erkennbar als das ersehnte Ziel, das ihnen die Rettung vor dem herantobenden Wetter verhieß.

Schutzsuchend segelte vor ihnen nicht nur die Dhau auf den Hafen zu, es gab noch drei, vier andere kleine Schiffe, die den Wettlauf mit dem Verhängnis aufgenommen hatten.

Ben Brighton und seine Männer schlossen sich diesen Fahrzeugen an. Wenig später – buchstäblich im letzten Moment – erreichten sie den geschützten Hafen, bevor der Sturm mit voller Stärke losbrach.

Es war Spätnachmittag, doch es schien bereits Nacht zu sein. Tintenschwarz spannte sich der Himmel über Benghasi, das Jaulen und Heulen des Windes schwoll immer mehr an.

An einer kaum belegten Pier vertäuten die Seewölfe ihre Sambuke. Hier leisteten ihnen lediglich ein paar Frachtsegler Gesellschaft, zwei davon gehörten zu den Schiffen, die kurz vor ihnen Schutz vor dem Sturm gesucht hatten.

An anderen Piers sahen Ben, Old O’Flynn, Pete, Al, Smoky, Sam, Bob und Will nun auch Feluken, ein paar kleinere Karavellen, Galeassen und sogar eine Galeone mit drei Masten. Nirgends aber waren menschliche Gestalten zu erblicken, alles hatte sich bereits vor dem Sturm verkrochen.

„Gut so“, sagte Old O’Flynn, als Ben ihn darauf hinwies. „Dann kümmert sich wenigstens keiner um uns. Unsere Ankunft scheint überhaupt nicht bemerkt worden zu sein.“

„Sollen wir an Land gehen?“ fragte Will Thorne.

Ben schüttelte den Kopf. „Nein. Wir verziehen uns unter das Achterdeck, da kann uns keiner behelligen, nicht der Sturm und auch nicht die Muselmanen, die sich unseren Kahn vielleicht mal ein wenig genauer anschauen wollen.“

Sie grinsten sich verwegen an. Dann, als die ersten Regenböen über den Hafen und die Stadt peitschten, suchten sie eilends ihren Unterschlupf auf und richteten es sich hier so gemütlich wie möglich ein. Ben entkorkte eine kleine Flasche Rum, die noch aus den alten Beständen der „Isabella VIII.“ stammte, ließ sie kreisen und lächelte seinen Männern aufmunternd zu.

„Ich glaube, so läßt es sich aushalten“, sagte er.

Seine Worte gingen aber schon in dem Getöse unter, mit dem sich der Sturm über Benghasi entlud. Die Sambuke begann so heftig auf dem Wasser zu tanzen, daß die Männer sich festhalten mußten. Aber was bedeutete das schon im Gegensatz zu dem, was sie bei diesem Wetter draußen auf See erwartet hätte!

5.

Muley Salah traf am Morgen des achten Juni in Benghasi ein. Allah mochte gnädig sein, aber mit ihm meinte er es nicht mehr sehr gut, denn keine Strapaze war Muley erspart geblieben, und so fühlte er sich selbst mehr tot als lebendig. Halb zusammengesunken hing er im Sattel seines Meharis, und seine Augen und Nasenlöcher, Ohren und auch der Mund waren fast zugeklebt vom Salz und vom Sand, die der Wind ihm ins Gesicht geblasen hatte.

Noch immer tobten wilde Sturmböen über die Große Syrte hinweg, und Muley Salah verfluchte alle Mächte der Natur in den gemurmelten Worten, die nur brüchig über seine Lippen drangen.

Er ritt am Hafen vorbei, ohne ihm seine Aufmerksamkeit zu schenken. Hätte er sich umgesehen – wer weiß, vielleicht hätte er die Sambuke gar entdeckt? Ausgeschlossen wäre das nicht gewesen, obgleich sie ziemlich gut versteckt weit außerhalb an einer der letzten Piers lag. Aber Allahs Güte strahlte nicht mehr über Muley Salah, vorläufig jedenfalls nicht, er war vom Pech verfolgt. Kein Wink des Schicksals half ihm aus seiner ganz persönlichen Misere hinaus.

So suchte er den erhabenen Uluch Ali auf, der einen Prunkbau in der unmittelbaren Nähe des Hafens bewohnte, eine seiner Residenzen an der nordafrikanischen Küste. Dieser Bau mutete wie ein Wirklichkeit gewordenes Märchen aus Tausendundeiner Nacht an und zeichnete sich durch seine Vielfalt von Zwiebeltürmchen, Balkonen, vergitterten Fenstern und Arabesken aus. In seinem Inneren wurde man vom ganzen Zauber des Orients gefangengenommen, der sich in Teppichen, Gobelins, Gemälden, schweren Kronlüstern, reich verzierten Möbeln, prächtig kostümierten, bewaffneten Wächtern und süßlichen Düften offenbarte, denen man gleich beim Eintreten begegnete.

Die Wachen wollten Muley Salah zunächst nicht vorlassen, doch als sie seinen Namen vernahmen, zögerten sie nicht, ihn direkt bis in Uluch Alis prächtigstes Gemach zu führen.

Da hockte er nun auf einem Berg farbenfroher Kissen, der „alte Piratenknochen“, wie Muley ihn bei sich einmal respektlos genannt hatte. Zu seinem Entsetzen mußte er jedoch feststellen, daß Ali nicht nur ungehalten war, schlimmer noch – er hatte das, was man gewöhnlich eine „Stinklaune“ zu nennen pflegte.

Die Posten zogen sich zurück und ließen Muley Salah mit Uluch Ali allein. Muley wagte nicht zu sprechen, er betrachtete nur seinen Herrn und spürte, wie ihm die Knie weich wurden, ein bißchen nur, aber doch deutlich zu fühlen.

Uluch Ali war ein großer Mann, der sich durch eine kräftige, fleischige Nase auszeichnete. Seine Augen waren dunkel, hart und grausam, sein Gesicht knochig und vernarbt, worüber auch der Kinn- und Oberlippenbart nicht hinwegtäuschen konnten, die an seinen Mundwinkeln ineinander übergingen.

Nach eisigem Schweigen sagte Ali zornig: „Was gaffst du mich so an, Sohn eines blatternarbigen Dromedars? Bin ich eine solche Sehenswürdigkeit?“

„Ich verehre euch und bete euch an, o Erhabener.“

„Die Floskeln kannst du dir ersparen.“

„Verzeihung, mein Pascha, vergib mir, daß ich in deinen Palast eingedrungen bin, ohne mich anzumelden“, fuhr Muley Salah dennoch fort. „Aber ich habe dir eine wichtige Nachricht zu überbringen.“

Plötzlich richtete sich Uluch Ali kerzengerade auf und schrie: „Ich weiß schon, was für Nachrichten du bringst, du stinkender Schakal!“

Muley wich unwillkürlich zwei Schritte zurück. „Wie das, Erhabener?“ „Ich habe eben meine Informanten!“ Ali dachte nicht daran, seine Stimme zu senken. „Unbekannte Christenhunde haben die ‚San Marco‘ ausgeplündert, nicht wahr? Und euer Zangengriff von See und von Land her wurde von diesen Hunden mit Bravour abgeschlagen! Stimmt das?“

Muley Salah hütete sich, auch nur etwas davon zu leugnen oder den Versuch zu unternehmen, gewisse Kleinigkeiten beschönigend darzustellen. Durch Rechtfertigungen wäre alles nur noch schlimmer geworden. Er zog es vor, den Kopf zu senken und zu antworten: „Ja, es stimmt alles, o Herr.“

„Wer sind diese ungläubigen Halunken?“

„Ich weiß es nicht, Uluch Ali, mein Gebieter.“

Uluch Ali ließ sich in seine Kissen zurücksinken, seine Stimme nahm jetzt einen fast sanften Klang an.

„So, du weißt es also nicht“, sagte er. „Das wird ja immer schöner. Du läßt dir von den Bastarden nicht nur den Schatz wegnehmen und mehr als die Hälfte deiner Männer töten, du hast nicht einmal die geringste Ahnung, mit wem du es zu tun gehabt hast.“

„Vielleicht waren es Überlebende der ‚San Marco‘.“

„So? Das mag sein. Es spielt aber keine Rolle mehr. Du bist eine erbärmliche Ratte, Muley Salah, eine unglückselige Kreatur, die nicht das Recht hat, Allahs Land mit ihrer häßlichen und übelriechenden Anwesenheit zu beleidigen. Du gehörst verbannt, Mann, und du wirst für deine Dummheiten und Fehler bezahlen.“

Muley Salah fragte hoffnungsvoll: „Du schickst mich fort, o Erhabener?“

Uluch Ali lachte leise. „Das könnte dir so passen. Nein, so leicht mache ich es dir nicht. Für dein Versagen wirst du zunächst ausgepeitscht und dann gefoltert.“

„Das habe ich verdient, wirklich, ich bin mir meiner Schuld bewußt“, sagte Muley, der schon froh darüber war, daß sein Kopf nicht rollen sollte.

Doch Uluch Ali war noch nicht am Ende angelangt. „Anschließend wirst du geköpft. Dein Schädel wird auf einen Holzpflock vor dem Stadttor gerammt, damit ihn jeder anspucken kann, der daran vorbeigeht. Deinen Leichnam lasse ich vierteilen, und zwar in aller Öffentlichkeit, und man wird Beifall klatschen, weil du nicht in Allahs Reich kommst, sondern zum Scheitan in die Hölle.“

Muley Salah stand wie gelähmt da und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. War es nicht doch ein Fehler gewesen, Uluch Ali aufzusuchen? Hätte er nicht auf dem Seeweg fliehen können?

Aber nein, er wollte in diesem Land leben, nicht woanders, und irgendwie mußte er sich rehabilitieren. Darum suchte er geradezu verzweifelt nach einem Ausweg.

Sollte er sein Messer zücken und den Kerl dort, den er in diesem Augenblick haßte und verachtete, einfach niederstechen? Konnte er nicht die Macht an sich reißen und neuer Herrscher in diesem Palast werden? Nein, unmöglich. Das war nur ein Wunschtraum, völlig illusorisch und bar jeden vernunftsmäßigen Denkens.

Eine andere Möglichkeit war, jetzt auf die Knie zu fallen und um Gnade zu flehen. Doch wie Muley Salah Uluch Ali kannte, würde der sich nicht erweichen lassen. Mehr noch: jedes unterwürfige Gebaren würde seine Wut nur steigern.

So blieb ihm, Muley, nur eine Chance: Er mußte es mit der Flucht nach vorn versuchen.

Er verschränkte die Arme vor der Brust, hob den Kopf etwas an und erklärte todesmutig: „Ich habe dein Urteil vernommen, Uluch Ali, aber ich erhebe Einspruch. Ich ...“

„Du hast gar nichts zu erheben!“ fiel Uluch Ali ihm ins Wort.

„Es ist mein gutes Recht“, fuhr Muley Salah unbeirrt fort. „Mir selbst steht es zu, Rache an den Christenhunden zu üben, und das möchte ich tun. Ich ersuche dich, mir das nicht zu verwehren.“

Ali schwieg und fuhr sich mit der einen Hand übers Kinn. Es imponierte ihm, daß Muley nicht zu jammern und zu betteln anfing, sondern Würde zeigte. Sollte er ihm doch noch eine Chance geben?

Muley sah, daß Ali wankelmütig geworden war, und sofort nutzte er dies aus.

„Noch etwas ist mir inzwischen eingefallen“, sagte er. „Ich habe eben behauptet, die verfluchten Giaurs, die das Wrack ausplünderten, seien wohl Christenhunde gewesen, aber das möchte ich berichtigen.“

Uluch Ali legte den Kopf etwas schief und hob die Augenbrauen. „Was soll daran so wichtig sein? Christenhunde bleiben nun mal Christenhunde.“

Muley Salah räusperte sich. „Nicht ganz. Ich habe nicht verstanden, was sie sich zuriefen, doch ich nehme an, daß sie sich der englischen Sprache bedienten.“

Ali wurde plötzlich hellhörig. „Engländer also?“

„So wird es wohl sein. Auf jeden Fall sind sie ganz verteufelte Kerle, die hart und kompromißlos kämpfen. Ich will mich nicht verteidigen, es liegt mir wirklich fern, großer Uluch Ali, doch diese Burschen verstehen vom Kampf mehr als die lausigen, räudigen Gondelfahrer der ‚San Marco‘.“ Er begann nun, von dem zweiten Überfall auf die Giaurs zu berichten, bei dem er und seine Kumpane heftige Hiebe bezogen hatten.

Uluch Ali rutschte jetzt unruhig auf seinen Kissen herum. Schließlich sprang er auf und hob die Faust. Muley Salah verstummte sogleich, denn er nahm an, der Zorn des großen Beylerbey richte sich wieder gegen ihn. Doch in diesem Fall hatte er sich getäuscht.

„Engländer!“ wiederholte Ali. „Die schlimmsten Bastarde aller Hurensöhne!“

Der alte Haß hatte ihn wieder gepackt, und mit einem Schlag war die Erinnerung an den Engländer Killigrew wach, der ihn mit seinen Kerlen deklassiert hatte, wie es bis dahin noch nie und wie es auch später keinem Gegner gelungen war.

„Sie kämpften wie die Löwen“, sagte Muley Salah, der jetzt erst richtig begriff, daß seine Schilderung der Vorfälle Ali ganz erheblich abzulenken vermochte. „Und am wildesten gebärdete sich dieser alte Kerl mit dem zerfurchten Gesicht, ein Derwisch, ein Dämon in Menschengestalt. Wenn mich nicht alles täuscht, hatte er ein Holzbein.“

„Holzbein?“ Uluch Ali schritt langsam auf Muley Salah zu und senkte den Kopf. „Habe ich richtig gehört?“

Muley sann verzweifelt nach. Hatte er jetzt etwas Falsches gesagt? Warum erregte ausgerechnet dieses Holzbein Uluch Alis Aufmerksamkeit?

Er holte tief Luft, dann erwiderte er mit aller Entschlossenheit: „Ja, ein Holzbein. Und eine Krücke hatte er auch, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht auch zwei. So einen Scheitan von Giaur habe ich in meinem Leben noch nie gesehen.“

„Ich schon“, sagte Uluch Ali, und seine Stimme senkte sich jetzt zu einem kaum noch verständlichen Zischen. „Ich weiß, wer das ist. Einer der Korsaren des Killigrew. Ja, so muß es sein. War Killigrew dabei?“

„O mein Fürst und Gebieter“, sagte Muley eindringlich. „Wie soll ich dir diese Frage beantworten können, wenn du mir nicht verrätst, wie dieser Kielie-gru aussieht?“

„Er ist schwarzhaarig und hat blaue Augen!“ stieß Uluch Ali voll glühendem Haß hervor. Was Muley ihm berichtet hatte, rüttelte und zerrte derart an ihm, daß er fast jede Selbstbeherrschung verlor. „Ein Riese an Gestalt, ein Höllenungeheuer, ein Galgenstrick und Mörder ist er!“ Ihm fielen immer mehr Einzelheiten zur Beschreibung des Seewolfs ein, und er gab sie mit verzerrtem Gesicht an Muley weiter.

Muley Salah schüttelte jedoch den Kopf. „Einen solchen Hundesohn habe ich an Bord der Sambuke nicht gesehen, o Effendim. Ich will mich jedoch bemühen, ihn zu finden, wenn du mir ...“

„Schweig jetzt“, unterbrach ihn Uluch Ali. Er wanderte eine Zeitlang im Raum auf und ab, dann fuhr er abrupt wieder zu Muley herum und sagte: „Nein, sprich weiter. Schildere mir die Gesichter der anderen Kerle. Jede Einzelheit. Nur zu. Rede. Auf was wartest du?“

Muley kramte auch die letzten Details, die ihm zu den Männern der Sambuke einfielen, aus seiner Erinnerung hervor, und er war heilfroh, daß sein Gedächtnis unter den Schlägen, die er hatte einstecken müssen, nicht gelitten hatte. Mit jedem Wort, das er sprach, rückte die Aussicht auf ein schnelles, grausames Ende durch die Hand des Henkers in größere Ferne, und so redete und redete Muley, bis ihm der Gaumen austrocknete und ihm einfiel, daß er seit seiner Ankunft in Benghasi noch nichts getrunken hatte.

„Das sind sie“, sagte Uluch Ali erschüttert und überrascht zugleich. „Ich bin sicher, daß mindestens drei oder vier von ihnen zu der Bande von damals gehören.“

„Zu welcher Bande?“

„Das geht dich nichts an. Killigrew ist selbst nicht bei ihnen, aber über sie führt der Weg zu ihm. Ich werde sie foltern, bis sie bereit sind, selbst ihre eigene Mutter zu verleugnen. Alles werden sie mir verraten – alles!“

„Ja, o Sidi.“

Uluch Ali sah Muley Salah an. „Bring sie her! Hierher, zu mir!“

„Ich werde alles tun, um sie zu fassen.“

„Ich will sie lebend!“

„Dein Wille ist mir Befehl, o Herr“, sagte Muley Salah heiser.

„Ich werde dich reich belohnen und zu meinem engsten Vertrauten ernennen – du kannst die Scharte jetzt auswetzen, du hast die Gelegenheit dazu, nimm sie wahr!“

„Aber ich brauche Schiffe, mein Pascha“, sagte Muley mit der Stimme eines Greises. Er verspürte ein Brennen in der Kehle, seine Lippen schienen ihm in winzigen Krümeln abzufallen.

„Wie viele?“

„Zwei.“ Eigentlich hätte er nur eins zu verlangen gewagt, aber er wüßte, daß er Alis Stimmungswandel ausnutzen und aus der Situation sehr viel mehr herausholen konnte, als er sich ausgemalt hatte.

„Du erhältst drei Feluken“, sagte Uluch Ali. „Dazu die notwendigen Mannschaften. Ich veranlasse sofort, daß man dich entsprechend bedient. Reite zum Hafen.“

„Ich werde noch heute mittag auslaufen, mein Herrscher“, versprach Muley Salah. „Kein Wetter kann mich erschrecken. Ich suche die Giaurs, ich finde sie, wo immer sie auch sein mögen, und ich bringe sie dir lebend. Das schwöre ich bei Allah und dem Propheten.“

„Sehr gut“, sagte Uluch Ali knurrend. „Aber wenn du deinen Schwur nicht erfüllst, tue ich, was ich dir prophezeit habe. Dann ist dein Kopf kein Bakschisch mehr wert.“

„Das weiß ich.“ Muley Salah kämpfte gegen das Unwohlsein an, das ihm zusetzte, aber ihm wurde jetzt doch leicht schwindlig.

„Was verdrehst du die Augen?“ fragte Uluch Ali. Plötzlich keimte wieder Mißtrauen in ihm auf. Verhielt sich Muley Salah wirklich noch loyal, oder versuchte er nur, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Hatte er ihm dies alles nur vorgeschwindelt?

„Es ist nichts, großer Beylerbey. Nur – nun, ich habe gräßlichen Durst.“

„Dem läßt sich abhelfen.“ Ali klatschte in die Hände, und sofort erschien auf leisen Sohlen einer seiner Diener, der die große Kunst beherrschte, seinem Herrn nahezu jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Uluch Ali nickte ihm nur zu, und schon verschwand er wieder. Wenig später kehrte er mit zwei großen Kelchen voll Tamarindensaft zurück, die er auf einem silbernen Tablett trug.

Muley Salah trank, dann blickte er seinen Gebieter dankbar an, und sofort fühlte er sich wieder besser.

Uluch Ali durchdachte noch einmal seinen Plan und gelangte zu der Einsicht, daß Muley sich vor allem die Beschreibung des alten Kerls, dieses Donegal Daniel O’Flynn, nicht aus den Fingern gesogen haben konnte. Auch der Rest seiner Erzählung mutete recht glaubwürdig an, so daß Uluch Ali es nicht für erforderlich hielt, die Sache in irgendeiner Weise zu korrigieren oder gar zu widerrufen.

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9783954397723
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