Читать книгу: «Seewölfe Paket 14», страница 21

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2.

Hamed fuhr abrupt im Sattel seines Kamels herum, er hatte ein Geräusch hinter sich vernommen. Sofort griff er nach Pfeil und Bogen und traf Anstalten, auf das zu schießen, was sich ihm mit knirschenden Lauten durch den Sand der Dünen näherte. Was war das – Mensch oder Tier? Er kniff die Augen zusammen, vermochte aber nichts Genaues zu erkennen. Undeutliche Konturen bewegten sich vor dem samtenen Vorhang der Nacht.

„Bist du das, Hamed?“ fragte plötzlich eine ihm wohlbekannte Stimme.

Verblüfft ließ er Pfeil und Bogen wieder sinken.

„Muley Salah!“ stieß er hervor. „Ist denn das die Möglichkeit? Woher kommst du?“

„Eine dümmere Frage hättest du nicht stellen können, Narr“, sagte Muley Salah barsch. „Wo haben wir uns denn wohl zum letztenmal gesehen, wie?“

„An der Bucht von Kanais natürlich. Aber ich dachte ...“

„Das Denken solltest du deinem Kamel überlassen“, unterbrach ihn der andere. „Das wäre gewiß klüger. Also, ich bin nicht abgekratzt, wie du jetzt siehst, Allah sei’s gedankt. Und ich bin auch nicht allein.“

„Wer ist bei dir?“

„Fünf Mann – Jussuf, Ahmed, Fausi, Amra und Saied.“

Hamed steckte den Pfeil weg und hängte sich den Bogen über die Schulter. Er war immer noch überrascht. „Ihr alle habt überlebt? Allah sei gelobt, Allah ist groß. Nun wird alles wieder gut. Tod den Christenhunden, Pest und Aussatz sollen sie vernichten.“ Er drängte sein Kamel näher an die Tiere der anderen heran, und wirklich, jetzt konnte er trotz der Dunkelheit ihre Gesichter erkennen, die ihn unter Turban und Staubschutz angrinsten. „Wie ist dies möglich?“ fragte er immer wieder. „Wie ist es euch ergangen?“

„Nun hör endlich auf, dich zu wundern“, sagte Muley Salah in dem unwirschen Tonfall, den er schon vorher angeschlagen hatte. Er war ein hagerer Kerl mit einem Geiergesicht, zäh und grausam zugleich, einer der schlimmsten Galgenvögel der gesamten Piratenbande. „Wir sind keine Fata Morgana, schon gar nicht bei Nacht.“

„Allah und der Prophet haben euch gerettet.“

„Ja, von mir aus.“

„Wie?“ fragte Hamed noch einmal. „Ist ein Wunder geschehen?“

„Beim Gefecht flogen wir gleich ins Wasser“, erklärte Muley Salah. „Das war eigentlich unser Glück, denn die anderen, die noch länger an Bord unserer Schiffe blieben, hat es allesamt erwischt, als die Hunde von Giaurs ihre Bomben warfen. Wir sechs hier schwammen an Land und stießen dort auf unsere toten Kameraden. Du warst schon weg.“

„Um den Ungläubigen zu folgen“, sagte Hamed, denn es schien ihm, daß ein gewisser Vorwurf in den Worten des anderen mitschwang.

„Ja. Wir liefen zum nächsten Ort, Ghuka, und holten uns sechs Kamele.“

„Man gab sie euch freiwillig?“ fragte Hamed.

„Sohn eines Fettschwanzschafes“, sagte nun Jussuf, ein dicker Kerl mit Schnauzbart und buschigen Augenbrauen. Er lachte, daß sein Bauch zu wakkeln begann. „Bist du denn töricht? Natürlich mußten wir die Leute, die wir in Ghuka trafen, erst einmal davon überzeugen, daß sie ein gutes Werk taten, wenn sie uns ihre Tiere überließen.“

„Eben“, brummte Muley Salah. „Als das erledigt war, wandten wir uns sofort nach Westen, in der Hoffnung, die Sambuke wieder zu sichten und auch dich zu finden, da wir dich unter den Toten nicht entdeckt hatten.“

„Bist du von den Toten auferstanden, Hamed?“ fragte Ahmed. Diesmal lachten sie alle.

„Still“, zischte Muley Salah jedoch sofort. „Wollt ihr die Giaurs auf uns aufmerksam machen? Seid ihr nicht recht bei Trost? Sie könnten uns hören.“

„Ja, das stimmt“, murmelte der dikke Jussuf. „Schweigen wir also.“ Seine Kumpane verstummten mit ihm, und für eine Weile war nur noch das Schnauben der Kamele und das Flüstern des Windes zu vernehmen.

„Wo sind die Hunde?“ fragte Muley Salah dann.

„Komm“, flüsterte Hamed und trieb sein Kamel durch leichte Beinbewegungen an. Er lenkte es auf die nächste Düne, hier verharrte er, wartete, bis Muley Salah neben ihm eintraf, und wies mit dem Finger voraus, nach Nordwesten. „Dort unten sind sie“, raunte er.

„Bist du ganz sicher? Ich sehe sie nicht.“

„Ich weiß, daß sie dort sind. Ich warte darauf, daß sie mit der Sambuke vor Anker gehen, wie sie dies bei Dunkelheit zu tun pflegen.“

Muley Salah atmete tief durch. „Sehr gut. Wir haben uns sehr beeilen müssen; um dich überhaupt einzuholen. Eine Ruhepause würde auch uns guttun.“

Er verengte die Augen und versuchte, in der Dunkelheit etwas von dem Zweimaster zu erkennen. Bald war ihm, als schälten sich die Umrisse des Schiffes schwach aus der Dunkelheit der Nacht hervor, und er drängte sein Kamel etwas weiter nach links, um der Fahrt der Sambuke zu folgen.

Hamed, Jussuf und die anderen schlossen sich ihm an. Muley Salah war ihr Anführer, er hatte das Zepter fest in der Hand und bestimmte, was zu tun war. Er war der Kapitän eines der Piratenschiffe gewesen, und außer Hamed hatten die anderen Kerle alle zu seiner Mannschaft gezählt.

Bald zügelte Muley Salah wieder sein Kamel und begann, leise vor sich hin zu fluchen.

„Der Scheitan soll diese dreckigen Hunde holen“, sagte er. „Sie halten nicht an. Hamed, bist du immer noch der Ansicht, daß sie vor Anker gehen wollen?“

Hamed verhielt neben ihm und kaute auf der Unterlippe herum. Er suchte nach Worten und war bemüht, keine falsche Antwort zu geben. Muley Salah war ein unberechenbarer Mann, der auch seinen Kumpanen gegenüber sehr ungemütlich werden konnte.

„Nun“, erwiderte er darum vorsichtig. „Bislang haben sie es immer getan. Warum sollten sie ausgerechnet heute nacht ihre Gewohnheiten ändern?“

Muley Salah hatte einen Finger angefeuchtet und hielt ihn jetzt in die Luft. Er nahm ihn wieder herunter und zischte: „Ganz einfach. Der Wind ist viel zu günstig, als daß sie ihn einfach verschenken dürfen. Leuchtet dir das ein?“

„Du bist ein erfahrener Seefuchs, Muley Salah, ich nicht.“

„Schmier mir keinen Honig ums Maul“, sagte Muley Salah. „Tatsache ist, daß die Bastarde von Giaurs stur weitersegeln. Und wir müssen ihnen folgen, eine andere Wahl haben wir nicht.“

Er teilte dies auch den anderen mit, und sie begannen alle verhalten zu fluchen. Weiter zog die kleine Karawane, und nicht sehr viel später konnten alle sieben Kerle sehr deutlich die Position der Sambuke erkennen, denn dort war inzwischen eine kleine Feuerstelle entfacht worden, auf der abgekocht wurde. So wies ihnen ein winziges Fanal den Weg durch die Dunkelheit, der immer weiter nach Westen führte.

Das Schimpfen der Araber riß nicht ab. Sie verwünschten die Giaurs immer wieder in die tiefsten Schlünde der Hölle, wo Scheitan hohnlachend die Glut unter den Kesseln anheizte.

Es war ja schließlich auch ein Unterschied, ob man Stunde um Stunde im Kamelsattel sitzen mußte oder wachwechselweise an Bord eines Schiffes segelte, wobei man sogar noch warme Mahlzeiten zu sich nehmen konnte.

Die Kamele waren zwar zähe Tiere – allen voran Hameds Mehari –, doch auch an ihren Kraftreserven zehrte der nächtliche Ritt allmählich. So manches Mal waren die Männer in den Sätteln versucht, eine Ruhepause einzulegen, doch Muley Salah trieb sie unerbittlich voran und duldete keine Widerworte.

Denn er wußte, was ihm blühte, wenn Uluch Ali erfuhr, daß sich die Christenhunde einen Teil der Schätze aus dem Wrack geholt und vereinnahmt hatten. Dann würde sehr wahrscheinlich sein Kopf rollen, und er hatte keine Chance mehr, sich aus der Affäre zu ziehen.

Uluch Ali sah alles, hörte alles und wußte alles – Muley Salah mußte sich sehr beeilen und versuchen, so schnell wie möglich die Schatzkisten an Bord der Sambuke wieder an sich zu bringen. Gelang ihm das nicht, konnte er auch mit der Gnade Allahs nicht mehr rechnen.

Old O’Flynn hatte den Befehl über die erste Morgenwache am 5. Juni. Er registrierte mit Genugtuung, daß es wieder ein schöner Tag mit wolkenlosem Himmel wurde. Auf dem Wasser war die Hitze erträglich. Solange der Wind weiterhin günstig blies und die Luft erfrischte, konnte man sicher sein, daß das Leben an Bord der Sambuke weiterhin angenehm blieb.

„Wir laufen immer noch gute Fahrt“, sagte er nach einem prüfenden Blick auf die Segel zu seinen Kameraden. „Wenn das so bleibt, sind wir bald an Tunis vorbei und kriegen in den nächsten Tagen schon die Balearen zu sehen.“

Dies gab den Männern erneut Auftrieb. Sie dachten daran, was sie seinerzeit auf Mallorca mit Sigrid, der Deutschen, und den anderen Frauen erlebt hatten, die sie in Marokko aus einem Harem befreit hatten. Trotz des Ärgers, den sie damals mit ihren Verfolgern gehabt hatten, war es doch ein höchst amüsantes Abenteuer geworden, als sie erst einmal die Balearen erreicht hatten.

Sam Roskill seufzte, dann grinste er. „Was wohl aus den Ladys geworden ist. Was meinst du, Bob, ob wir sie irgendwo im Mittelmeer wiedertreffen?“

„Das glaube ich kaum“, erwiderte Bob Grey. „Kabil, dem wir in Ägypten begegnet sind, hatte sich in Südfrankreich von ihnen getrennt. Sie werden wohl irgendwo in Europa sein.“

„Genau wußte Kabil das aber auch nicht“, wandte Al Conroy ein.

Sam grinste immer noch. „Eben. Wer weiß, ob uns die lieben Mädchen nicht südlich von Sardinien über den Weg laufen und unseren Kurs kreuzen! Das wäre ein Fest, was Al?“

„Na klar. Wann haben wir eigentlich zuletzt einen europäischen Frauenrock gesehen?“ fragte Al.

„Das mag ich gar nicht nachrechnen“, brummte Bob. „Jedenfalls ist es eine halbe Ewigkeit her.“

„Ihr Stinte“, sagte Old O’Flynn. „Könnt ihr über nichts anderes als über Weiber reden?“

„Im Moment nicht“, antwortete Sam. „Das ist bei uns nun mal das besondere Thema, Donegal. Bei dir nicht, das können wir durchaus verstehen, aber ...“

„Bei mir nicht?“ fiel der Alte ihm ins Wort. Plötzlich fühlte er sich in seiner Ehre als Mann berührt. „Wie soll ich das auffassen? Hör mal, Mister Roskill, ich mag zwar ein Holzbein und auch schon ein paar Jährchen mehr als ihr auf dem Buckel haben, aber deswegen bin ich noch lange kein Methusalem, oder wie der Kerl heißt. Bei mir ist noch alles in Ordnung, kapiert?“

Jetzt wurde Sam doch endlich ernst. „Natürlich, Donegal. Ich wollte dich auch nicht beleidigen.“

„Dann ist ja alles in Ordnung“, knurrte der Alte. „He, ist noch was von dem gebratenen Fisch da?“

Bob Grey nickte und reichte ihm eine Portion von dem, was sie in der Nacht zubereitet hatten. Fisch zum Mittagessen, zum Abendbrot und auch zum Frühstück – eigentlich waren sie dieser Art der Verpflegung allmählich überdrüssig und fragten sich, ob sie in der Bucht von Kanais nicht doch etwas zu eifrig geangelt hatten. Doch andererseits hielten sie sich auch immer wieder vor Augen, daß sie froh sein mußten, überhaupt genug Proviant an Bord zu haben.

Old O’Flynn schob sich seine Ration also unverdrossen zwischen die Zähne und fragte zwischen zwei Bissen: „Ist das nun Zahnfisch oder Mittelmeerbarsch?“

„Es ist Umber, glaube ich“, entgegnete Al Conroy.

„Ist ja auch egal“, brummte der Alte. „Schmeckt nicht schlecht. Wer gibt mir eine Muck Wasser?“

„Ich“, sagte Bob Grey. „Mit einem Schuß Rum darin?“

„Nein, ohne“, erwiderte Old O’Flynn. „Wenn nachher wieder die Sonne auf die See runterbrennt, will ich einen klaren Kopf haben. Bei Tag schadet einem der Rum nur.“ Ziemlich angriffslustig sah er plötzlich Sam Roskill an. „Stimmt’s, oder ist das auch eine Alterserscheinung von mir?“

„Nein, Sir“, sagte Sam grinsend. „Mir geht es da genauso wie dir.“

„Na fein. Dann verstehen wir uns ja mal wieder“, sagte der Alte trokken. Mittags passierten sie nach einer Fahrt von gut hundertsechzig Meilen in vierundzwanzig Stunden die Bucht von Sollum und Ras el Milh, wie Ben anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Karten feststellte.

In einem winzigen Küstenort bei Ras el Milh waren unterdessen auch die unbekannten und unsichtbaren Verfolger der Seewölfe eingetroffen. Sie legten eine kurze Zwangspause ein, weil sie unbedingt ihre Kamele wechseln mußten – doch davon ahnten Ben und seine sieben Kameraden nach wie vor nichts.

Ben richtete nur seinen Blick nach Nordosten, hob leicht den Kopf an und sagte: „Ich fürchte, der Wind läßt bald nach. Richten wir uns darauf ein, daß der nächste Törn nicht ganz so schnell verläuft.“

Seine Voraussage sollte sich wenig später bestätigen.

Muley Salah und seine sechs Begleiter hatten ein recht günstiges Tauschgeschäft abgeschlossen und sieben relativ junge, kräftige Dromedare erstanden, von denen allein fünf ausgesprochen widerstandsfähige Meharis waren. Natürlich hatte sich der Händler, dem sie ihre erschöpften Tiere überlassen hatten, mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, diesen Wechsel ohne entsprechenden Aufpreis zu akzeptieren, doch Muley hatte ihm ein wenig gedroht, und somit hatte sich die Sache wie von selbst erledigt.

Jetzt standen die Kerle in dem kleinen Hafen des Nestes und blickten unter vorgehaltenen Händen zu der Sambuke, die gerade vorbeisegelte.

„Sie behält ihren Kurs bei“, sagte der dicke Jussuf. „Wir wissen also, wo wir sie zu suchen haben. Jetzt, mit den frischen Kamelen, dürfte es uns nicht schwerfallen, sie rasch wieder einzuholen.“

„Warum sollen wir sie einholen?“ fragte Muley Salah, „wir sitzen ihnen doch an den Hacken und brauchen nur Schritt mit ihnen zu halten.“

„Dort drüben ist eine Kaschemme“, erklärte der Dicke mit einem fast wehmütigen Blick zu den weißen, schachtelförmigen Häusern. „Dort könnten wir uns kühlen Tamarindensaft ausschenken lassen. Den hätten wir uns redlich verdient, findest du nicht auch?“

„Nein“, erwiderte Muley hart. „Wir dürfen uns keinen Aufenthalt erlauben und bleiben dran. Wir haben hier schon genug Zeit verloren. Los jetzt, aufsitzen.“

Die Männer murrten. Da trat Muley mitten zwischen sie und hob drohend die eine Faust.

„Wem das nicht paßt, der soll es offen sagen“, zischte er. „Na los, Jussuf, komm her.“

Der Dicke schnitt eine Grimasse, dann entschied er sich dafür, vernünftig zu sein.

„Ich sehe es schon ein“, sagte er. „Wir müssen zäh sein und dürfen nicht nachgeben. Vielleicht können wir die Giaurs schon in der nächsten Nacht überwältigen.“

„Das hört sich schon besser an, Jussuf.“ Muley Salah wandte sich zu den fünf anderen Kerlen um. „Und ihr? Hamed, hast du auch was zu stänkern?“

„Ich? Nein, ich nicht.“ Hamed wollte um keinen Preis von Muley was auf die Nase kriegen. Er wußte gut genug, wie stark und gefährlich der Mann war.

Das überlegten sich auch Ahmed, Fausi, Amra und Saied noch einmal, und so zogen auch sie es vor, mit dem Murren aufzuhören und in die Sättel ihrer Dromedare zu klettern. Muley saß ebenfalls auf, setzte sich an die Spitze seines Trupps und führte ihn aus dem Ort. Hinter den Fenstern und Türen der Häuser atmeten die Bewohner auf. Sie hatten die Drohung deutlich gespürt, die von dieser Bande ausging, und so waren sie jetzt heilfroh, daß Allah sie schnell wieder von ihrer Anwesenheit befreite.

In zügigem Tempo folgte die Meute der Sambuke, aber schon bald ließ der Wind nach, und da wurde auch der Ritt ein wenig gemütlicher. Muley Salah gestattete nun sogar, daß der eine oder andere Mann im Sattel ein Nickerchen hielt. Er selbst gönnte sich aber keinen Schlaf, ständig war er darauf bedacht, den Zweimaster ja nicht aus den Augen zu verlieren.

Bald naht die Stunde der Abrechnung, ihr elenden Hunde, dachte er.

3.

Old O’Flynn kratzte sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand am Hinterkopf.

„Nun ja, Ben“, sagte er. „Wir waren doch wohl ein bißchen zu optimistisch, was? Das hat man davon.“ Er sah zu den anderen, die an der Reling der Backbordseite standen und darüber nachgrübelten, ob der Wind wohl ganz einschlafen oder bald wieder auffrischen würde. „He, ihr“, sagte er. „Aus einem Besuch in Tunis wird so schnell doch nichts. Schlagt euch das aus dem Kopf. Ich hab’ mich da vertan.“

„Schon gut, Donegal“, sagte Smoky. „Wir haben das auch wirklich nicht wörtlich genommen.“

„Aber Tobruk müßten wir bald erreichen“, meinte Will Thorne. „Oder täusche ich mich?“

„Nein, du liegst sogar goldrichtig“, entgegnete Ben Brighton und sah von den Karten auf. „Heute abend müßten wir dort eintreffen – vorausgesetzt, wir kriegen keine totale Flaute.“

Das war denn doch nicht der Fall, und so gelangten die Seewölfe an diesem Abend gegen acht Uhr nach Tobruk und gingen ein bis zwei Meilen westlich von der Stadt in einer Bucht vor Anker, weil der Wind nun, da er sie gnädig noch bis hierher geschoben hatte, doch einzuschlafen drohte.

Bald herrschte völlige Stille, aus dem Weitersegeln wurde vorläufig also nichts. Ben ordnete eine zweistündige Ankerwache an, die erste übernahm er selbst. Der zweite Turnus fiel Pete Ballie zu, und von Mitternacht bis zwei Uhr morgens – vier Glasen also – war es Smoky, der über die Sicherheit von Schiff und Mannschaft wachte.

Er trat an die Steuerbordreling und legte die Hände darauf. Sein Blick wanderte zum Ufer, dessen Sand er in der Dunkelheit ganz schwach zu erkennen vermochte, dann wieder über die Bucht und zur offenen See. Wenn sich irgendwer anschleicht, dachte er, irgendein Küstenhai oder Wüstenteufel, dann ist es deine verdammte Pflicht, diesen Hurensohn früh genug zu sehen. Halte also die Augen offen, Freundchen, noch ist es still, aber die Nacht ist lang genug. Wenn was passiert, mußt du verhindern, daß wir alle abgemurkst werden.

Und er war auf der Hut. Gegen ein Uhr glaubte er eine schwache Bewegung an Land wahrzunehmen, und sofort duckte er sich hinter das Schanzkleid und regte sich dann nicht mehr.

Einige Zeit tat sich aber gar nichts mehr, und so begann sich Smoky allmählich zu fragen, ob seine Sinne ihm nicht vielleicht etwas vorgegaukelt hätten. Er hockte weiterhin auf seinem Posten hinter dem Schanzkleid, ohne sich zu rühren, doch seine Gedanken schweiften ein wenig ab, und er sinnierte darüber nach, wo jetzt wohl Hasards und Ferris Tukkers Gruppe sein mochten und wie es den Kameraden ergangen war.

Plötzlich aber schreckte er auf.

Da war nicht nur eine Regung, da waren jetzt auch Geräusche am Ufer, und zwar in den Klippen, die den Strand im Westen begrenzten. Mit einemmal flatterte ein ganzer Schwarm Strandvögel auf und strich zeternd ab.

Verdammt, dachte er, das geht nicht mit rechten Dingen zu. Er tastete mit der einen Hand nach seinen Waffen, dann lauerte er wieder zu der Stelle hinüber, an der er schon vorher eine verdächtige Regung registriert hatte.

Das Kreischen der Vögel entfernte sich in der Nacht, es trat wieder Stille ein. Smoky kauerte da und glich einer Skulptur, ein grimmiger Zug hatte sich in seine Mundwinkel gekerbt. Wer immer da am Ufer herumkroch und die Tiere aufgescheucht hatte – er würde schon noch herausfinden, was da los war.

Wieder verstrichen einige Minuten, und es geschah nichts, aber Smoky ließ sich nicht beirren. Seine Ausdauer zahlte sich schließlich aus, denn unversehens huschten ein paar Schemen über den Strand und bewegten sich auf das Wasser zu. Sie schienen Djelabas zu tragen, die langen Übergewänder der Araber, die den Seewölfen inzwischen ja schon zur Genüge bekannt waren.

Sie begannen, durchs Wasser zu waten, und jetzt gab es keinen Zweifel mehr an ihren Absichten, denn sie hielten genau auf die Sambuke zu.

Na wartet, dachte Smoky. Er legte sich bäuchlings auf die Planken und robbte zu seinen schlafenden Kameraden.

Ben Brighton drehte plötzlich ein wenig den Kopf, öffnete halb die Augen und erkannte den Decksältesten, der auf dem Deck herumkrebste, als habe er dort etwas verloren.

„He, Smoky“, flüsterte er. „Was ist denn mit dir los? Fühlst du dich nicht wohl?“

„Still“, raunte Smoky ihm zu. „Ganz ruhig bleiben.“ Er kroch in Bens Nähe, dann fuhr er noch etwas leiser fort: „Mir geht’s prächtig, aber das kann sich gleich ändern. Wir kriegen nämlich Besuch von den Muselmanen. Ich glaube nicht, daß die uns Geschenke bringen wollen.“

„Wie viele sind es?“

„Ich habe sieben gezählt.“

„Sind sie bewaffnet?“

„Bestimmt mit Messern und Säbeln.“

„Na, dann wollen wir mal die anderen wecken“, murmelte Ben in seiner gewohnt ruhigen Art, wandte sich zu Old O’Flynn um, der neben ihm lag, und berührte ihn mit der Hand an der Schulter. Der Alte war sofort wach und lauschte schweigend dem, was Ben ihm mitzuteilen hatte.

Dann alarmierte Old O’Flynn Pete Ballie, der sich seinerseits lautlos, nur durch Zeichen, mit Al Conroy verständigte. Smoky und Ben gaben unterdessen Sam Roskill, Bob Grey und Will Thorne Bescheid. Im Nu war die gesamte Gruppe einsatzbereit und kroch hinter das niedrige Schanzkleid, um die „Besucher“ gebührend zu empfangen.

Hamed, Jussuf, Achmed, Fausi, Amra und Saied schwammen unter der Führung von Muley Salah durch das Wasser der Bucht auf die Sambuke zu. Ihre Messer hatten sie zwischen die Zähne geschoben, Ersatzdolche trugen sie in ihren Gurten. Nachdem sie unweit der schwachen Brandung ihre Kleidung bis auf kurze Hosen abgelegt hatten, konnten sie sich jetzt bewegen, ohne in irgendeiner Weise behindert zu werden. Bis auf Hamed waren sie alle gute Schwimmer.

Hamed blieb ein wenig hinter seinen Kumpanen zurück, gab sich aber redlich Mühe, sich mit heftigen Arm- und Beinbewegungen über Wasser zu halten. Er arbeitete mit verbissener Miene, dachte daran, wie es war, wenn er etwas von dem Wasser schluckte und abzusinken begann, und fragte sich auch, ob die Haie bei Nacht wohl schliefen oder möglicherweise doch auf sie lauerten. Dann aber blieb keine Zeit mehr für weitere Überlegungen dieser Art, denn Muley Salah und die anderen hatten die Sambuke mittlerweile erreicht.

Von der Stille an Bord des Zweimasters getäuscht, glaubte Muley, leichtes Spiel mit den verhaßten Giaurs zu haben. Daher beging er den Fehler, nur die eine Bordseite entern zu wollen, statt einen Teil seiner Männer auch auf die andere Seite zu schicken. Er war so überzeugt von dem Gelingen seines Vorhabens und davon, daß die Wache des Gegners fest schlief, daß er alle Vorsicht vergaß.

Schon zog er sich als erster an der Bordwand der Sambuke hoch und schickte sich an, über das Schanzkleid an Deck zu klettern. Sehr schnell sollte er jedoch begreifen, wie sehr er sich geirrt und die Giaurs unterschätzt hatte. Als ihm aufging, was für ein Reinfall sein Unternehmen zu werden drohte, war es zum Umkehren jedoch bereits zu spät.

Urplötzlich wurde es an Bord der Sambuke sehr lebendig. Da wuchsen die Gestalten wie Ungeheuer hinter dem Schanzkleid hoch, Gegenstände wurden angehoben, die sich dem entsetzten Muley als Musketen und Pistolen entpuppten – und dann schlugen die acht Christenhunde auch schon mit voller Wucht zu. Flüche wurden in einer Sprache ausgestoßen, die die Araber beim besten Willen nicht zu verstehen vermochten, und Muley Salah und seine Gefolgschaft ließen ihrerseits üble Verwünschungen vernehmen, die den Seewölfen bei aller Kenntnis, die sie mittlerweile von der arabischen Sprache hatten, nicht geläufig waren. Man begriff sich also gegenseitig nicht, aber die Kolben der Musketen und Pistolen vermittelten eine allzu deutliche Sprache, die keiner weiteren Erläuterungen bedurfte.

Jussuf, Ahmed und Fausi purzelten gleich als erste ins Wasser, Amra und Saied folgten ihnen. Muley Salah versuchte mit aller Macht, sich zu halten und wenigstens einen seiner Feinde ins Jenseits zu befördern, doch auch daraus wurde nichts.

Old O’Flynn stand jählings mit wüstem Grinsen vor ihm, knallte ihm den Kolben eines Tromblons auf den Kopf und schrie: „Hau ab, du Rübenschwein, oder ich dresche dir das ganze Kabelgarn raus, das in deinem Kopf steckt!“

Muley wurde regelrecht von der Bordwand wegkatapultiert, und in seinem Schädel dröhnte es, als habe man damit gegen einen riesigen bronzenen Gong gehauen. Betäubt, schwer angeschlagen und keiner Gegenwehr mehr fähig, landete die ganze Bande im Wasser und ging unter.

Hamed schwamm noch unter einigen Schwierigkeiten bis zum Schiff, konnte sich aber erst gar nicht festhalten. Schon donnerte Pete Ballie ihm die hölzerne Armstütze seiner Muskete auf den Kopf, und es war Hameds Glück, daß er daraufhin gleich untertauchte. So kriegte er von allen am wenigsten ab, was wiederum Muley Salah zum Vorteil gereichte, der in diesem Augenblick zu ertrinken drohte. Hamed stieß mit ihm zusammen, packte ihn und zerrte ihn mit sich.

Bei dem Versuch, Muley vor einem höchst unrühmlichen Ende zu bewahren, schluckte Hamed zwar selbst viel Wasser, doch Muley kam jetzt bereits wieder zu sich, spuckte einen Schwall Flüssigkeit aus und packte dann seinerseits den Helfer, der sich so aufopfernd um ihn bemüht hatte.

Gemeinsam paddelten sie von den Giaurs fort, von denen sie fest annahmen, daß sie sogleich das Feuer auf sie eröffnen würden. Irgendwie gelangten sie schließlich zurück ans Ufer, obwohl sie sich mit ihren Armen und Beinen ständig selbst behinderten. Immerhin, die „verfluchten Christenhunde“ schossen doch nicht auf sie, und so blieb der erwartete zweite, blutige Akt des Dramas aus.

Muley Salah war weit davon entfernt, diese Geste des Feindes als Gnade zu werten. Als Fairneß schon gar nicht, diesen Begriff kannte er nicht, und es existierte in seiner Sprache und geistigen Haltung kein gleichbedeutendes Wort.

Sein Schädel schmerzte nach wie vor heftig und ihm wurde fast übel. Wer der Kerl war, der ihn auf derart ruppige Weise traktiert hatte, wußte er nicht, doch eins war gewiß: Er würde dessen verwittertes, verkniffenes Gesicht und das Grinsen, das er gerade noch gesehen hatte, nicht wieder vergessen.

Muley sah sich nach seinen Kumpanen um. Prustend und japsend stiegen auch Jussuf und Ahmed aus dem Wasser und wateten an Land, Saied aber mußte von Fausi und Amra abgeschleppt werden, sonst wäre er zweifellos ertrunken. Er hing in den Armen seiner Kumpane, als diese mit ihm auf den Strand traten, und gab würgende Laute von sich.

Von Bord der Sambuke tönte höhnisches Gelächter herüber.

Muley Salah hob die rechte Hand, ballte sie zur Faust und schüttelte sie.

„Ihr Hunde!“ brüllte er. „Das werdet ihr noch bereuen!“

Ben Brighton wandte sich zu seinen Männern um. „Die haben erst mal die Nase voll“, sagte er. „Hat jemand verstanden, was der Kerl eben gerufen hat?“

„Nicht ein Wort“, entgegnete Old O’Flynn. „Aber er wird uns wohl die schlimmsten Sachen an den Hals wünschen.“

„Mann, Smoky“, sagte Will Thorne. „Ein Glück, daß du aufgepaßt hast. Stell dir vor, du hättest die Hurensöhne nicht rechtzeitig genug bemerkt, die Sache wäre verdammt übel für uns ausgegangen.“

Smoky sah vorsichtshalber nach, ob die vier Schatztruhen noch unversehrt waren, dann brummte er: „Das war ja schließlich meine Pflicht. Eins habe ich inzwischen begriffen: Hier sind wir auf die Dauer doch nicht sicher, und es ist wohl besser, wenn wir aus dieser Bucht so rasch wie möglich wieder verschwinden.“

„Unbedingt“, pflichtete Ben bei. „Überhaupt, ich habe den Eindruck, daß es dieselben Kerle waren, die uns auch in der Bucht von Kanais überfallen haben. Sie müssen uns die ganze Zeit über verfolgt haben. Verflucht, daß ich sie auch nicht bemerkt habe!“

„Den Vorwurf müssen wir uns auch machen“, sagte Old O’Flynn. „Aber ich dachte, die Kerle wären alle tot.“

„Eben nicht“, sagte Smoky. „Sie sind wohl zäher, als wir angenommen haben, und jetzt sind sie natürlich auf Rache aus. Was tun wir, Ben?“

„Wir verschwinden erst mal“, antwortete Ben. „Los, lichten wir den Anker.“

So zogen sie den alten Stockanker, der noch zur Ausrüstung der einen Jolle der „Isabella VIII.“ gehört hatte, vom Grund der Bucht hoch, bargen ihn und zurrten ihn am Bug der Sambuke fest. Dann brachten sie die überlangen Riemen aus und begannen zu pullen.

Die Sambuke verließ die Bucht und glitt weiter hinaus, auf die offene See. Je zwei Mann arbeiteten an einem Riemen. Draußen erwischten die Männer zu ihrer Überraschung einen Hauch Wind, und so setzten sie unverzüglich die Segel und gingen auf westlichen Kurs. Bald hatte die Nacht die Umrisse des Zweimasters verschluckt, und die am Ufer zurückbleibenden Araber konnten jetzt nur noch ahnen, wo sie sich befand.

Muley Salah kochte vor Wut, aber alles Fluchen und Toben nutzte ihm nichts. Er zwang sich zur Ruhe und überlegte, was er noch tun konnte. Viele Möglichkeiten blieben ihm nicht, und er würde Uluch Ali gegenüber wohl Farbe bekennen müssen.

Er untersuchte seine Kumpane und stellte fest, daß es Ahmed, Fausi, Amra und Saied am schwersten erwischt hatte. Ihnen war speiübel. Saied hatte sich schon zweimal übergeben müssen, und gerade in diesem Augenblick sank er bewußtlos zu Boden. Die drei anderen hielten sich die Köpfe und die Bäuche und stöhnten unentwegt.

Muley wußte, daß es für einen Mann, dessen Kopfknochen angebrochen waren, lebensgefährlich war, sich in den Sattel eines Dromedars zu schwingen. Auch hatte er mal einen Arzt darüber sprechen hören, daß das Gehirn dem Menschen üble Streiche zu spielen pflegte, wenn es eine größere Erschütterung erlitten hatte.

Auch sein eigener Zustand und die Verletzungen von Jussuf und Hamed mochten zu denken geben, aber sie hatten nicht über solche Beschwerden zu klagen wie die vier anderen.

„Wir drei haben wohl bloß einen Brummschädel“, sagte Muley darum zu dem dicken Jussuf und zu Hamed. „Wir können reiten, die anderen können es vorläufig nicht.“

„Du willst der Sambuke folgen?“ fragte Jussuf entgeistert.

„Was denn wohl sonst?“ fuhr Muley ihn an.

„Nichts, ich habe keinen anderen Vorschlag.“

„Dann halt deinen Mund“, sagte Muley scharf. Er ging zu den vier anderen Männern hinüber, blieb vor ihnen stehen und blickte nachdenklich auf sie hinunter. Schließlich sagte er: „Ihr bleibt hier und wartet darauf, daß ihr abgeholt werdet.“

„Du willst Uluch Ali verständigen?“ fragte Amra.

„Das muß ich wohl. Er wird sich um euch kümmern und jemanden schicken. Ihr könnt so, wie es um euch bestellt ist, nicht einfach weiterziehen.“

„Wir möchten aber gern mit dir reiten“, sagte Ahmed.

Muley Salah ließ sich zu einem Lächeln herab. „Ich weiß das zu schätzen, Ahmed, aber ich schwöre dir, es wäre Wahnsinn von mir, deinem Angebot nachzugeben. Allah ist mein Zeuge, ich will nur euer Bestes, glaube es mir.“

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