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KAPITEL ZWEI

Als Riley April die Treppe hinaufführte, fragte sie sich, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie konnte aber fühlen, dass April aufgeregt und gespannt auf die „Überraschung“ war.

Sie meinte, dass April auch ein bisschen nervös schien.

Bestimmt nicht nervöser als ich es bin, dachte Riley. Aber jetzt war es zu spät sich es noch einmal anders zu überlegen.

Sie betraten Rileys Schlafzimmer.

Riley warf nur einen Blick auf den Gesichtsausdruck ihrer Tochter und entschied sich dafür keine Erklärungen im Vorab zu geben. Sie ging zu ihrem Schrank hinüber, in dem sich ein kleiner neuer schwarzer Safe auf einem der Regalbretter befand. Sie tippte den Code in des Tastenfeld ein, entnahm etwas aus dem kleinen Kasten und legte es auf das Bett.

April riss die Augen weit auf beim Anblick des Gegenstandes.

„Eine Pistole!“ sie schaute auf. „Ist sie für…?“

„Dich?” erwiderte Riley. “Naja, gesetzlich ist es immer noch meine Waffe. Die Gesetze Virginias lassen keinen Waffenbesitz vor dem achtzehnten Lebensjahr zu. Aber Du kannst bis dahin mit dieser hier üben. Wir werden uns damit langsam vorarbeiten, aber wenn Du sie gut beherrschst, wird sie Deine sein.“

Aprils Mund stand offen.

„Willst Du sie haben?“ fragte Riley.

April schien nicht so recht zu wissen, was sie antworten sollte.

War es ein Fehler? fragte Riley sich. Vielleicht war April doch noch nicht bereit hierfür.

Riley fuhr fort: „Du sagtest, Du wolltest eine FBI Agentin werden.“

April nickte eifrig.

„Naja“, sagte Riley, „deshalb dachte ich es wäre vielleicht eine gute Idee mit Waffentraining anzufangen. Was meinst Du?“

„Ja –– oh, ja“, erwiderte April. „Das ist fantastisch. Wirklich total großartig. Danke, Mom. Ich bin nur etwas überwältigt. Ich hätte das wirklich nicht erwartet.”

“Ich auch nicht”, sagte Riley. “Ich meine, ich habe nicht erwartet gerade jetzt irgendetwas in diese Richtung zu machen. Eine Waffe zu besitzen ist eine riesige Verantwortung –– eine die viele Erwachsene nicht meistern können.“

Riley nahm die Pistole aus dem Koffer und zeigte sie April.

Sie sagte: „Das ist eine Ruger SR 22 –– eine .22 Kaliber semiautomatische Handfeuerwaffe.“

„Eine .22?“, fragte April.

„Glaub mit, das hier ist kein Spielzeug. Ich möchte vorerst nicht, dass Du mit einem größeren Kaliber trainierst. Eine .22 kann genauso gefährlich sein wie jede andere Waffe–– vielleicht sogar gefährlicher. Mehr Menschen werden durch dieses Kaliber getötet, als durch irgendein anderes. Behandle die Pistole mit Vorsicht und Respekt. Du wirst sie nur fürs Training handhaben und in der übrigen Zeit bleibt sie in meinem Schrank. Sie wird in einem Waffensafe aufbewahrt werden, für den man einen Code braucht. Fürs Erste werde ich die einzige bleiben, die diesen kennt.“

„Natürlich“, antwortete April. „Ich will das Ding hier auch nicht einfach rumliegen haben“.

Riley fügte hinzu: „Und ich würde es bevorzugen, wenn Du es Jilly gegenüber nicht erwähnen würdest.“

„Was ist mit Gabriela?“

Das war eine gute Frage, wusste Riley. Was Jilly anging so war es einfach eine Frage der Reife. Sie wäre womöglich neidisch geworden und würde eine eigene Pistole haben wollen, was ausgeschlossen war. Gabriela aber, so vermutete Riley, würde beunruhigt sein von dem Gedanken, dass April mit einer Waffe trainierte.

„Vielleicht erzähle ich es ihr“, sagte Riley. „Aber jetzt erstmal nicht.“

Riley entnahm das leere Magazin und sagte: „Du musst immer wissen, ob Deine Waffe geladen oder ungeladen ist.“

Sie reichte April, deren Hände etwas zitterten, die ungeladene Pistole.

Sie wollte beinahe einen Witz machen…

„Sorry, ich habe keine mehr in Pink bekommen.“

Doch im letzten Moment überlegte sie es sich andres. Das hier war kein Gegenstand für Scherze.

April fragte: „Aber was mach ich damit? Wo? Wann?“

“Jetzt gleich”, antwortete Riley. “Komm. Gehen wir.”

Riley legte die Pistole zurück in den Koffer und trug ihn die Treppe hinunter. Glücklicherweise war Gabriela gerade in der Küche zugange und Jilly saß im Wohnzimmer, sodass sie nicht erörtern mussten, was sich im Koffer befand.

April ging in die Küche und teilte Gabriela mit, dass Riley und sie für eine Weile weg sein würden. Sie ging ins Wohnzimmer und gab dasselbe an Jilly weiter. Das jüngere Mädchen saß gerade gebannt vor dem Fernseher und nickte nur.

Riley und April verließen beide das Haus und stiegen ins Auto. Riley fuhr sie zu einem Waffenladen der „Smith Firearms“ hieß, wo sie die Pistole vor einigen Tagen gekauft hatte. Drinnen umgaben sie Feuerwaffen jeder Art und Größe, ausgestellt in Glasvitrinen oder einfach an der Wand hängend.

Sie wurden von Brick Smith, dem Ladenbesitzer, begrüßt. Er war ein großer, bärtiger Mann, gekleidet in ein Plaid-kariertes Hemd und herzlich lächelnd.

„Hallo, Ms. Paige“, sagte er. „Es ist gut sie wiederzusehen. Was bringt sie heute zu mir?“

Riley antwortete: „Das hier ist meine Tochter, April. Wir sind hergekommen um die Ruger auszuprobieren, die ich neulich hier gekauft hab.“

Brick Smith wirkte leicht amüsiert. Riley dachte zurück an den Tag, an dem sie ihren Freund, Blaine, hierher gebracht hatte um ihm eine Waffe zur Selbstverteidigung zu kaufen. Damals schien Brick etwas verblüfft eine Frau zu treffen, die einem Mann eine Waffe kaufte. Sein Erstaunen schwand erst dann, als er herausfand, dass Riley eine FBI Agentin war.

Nun war er kein bisschen überrascht.

Er gewöhnt sich so langsam an mich, dachte Riley. Gut. Das tut nicht jeder.

„Nun gut“, sagte er, während er April ansah. „Sie haben mir nicht gesagt, dass sie die Waffe für ihre Kleine kaufen.“

Der Ausdruck irritierte Riley ein wenig…

„…ihre Kleine…“

Sie fragte sich, ob das April beleidigte.

Riley blickte April flüchtig an und stellte fest, dass diese immer noch etwas überfordert aussah.

Ich vermute, dass sie sich gerade vielleicht auch wie ein kleines Mädchen fühlt, dachte Riley.

Brick Smith führte Riley und April durch eine Tür hinter den Laden, auf einen überraschend großen Schießplatz, wo er sie dann allein ließ.

„Als allererstes“, fing Riley an und zeigte auf eine lange Liste, die an der Wand angebracht war, „ließ diese Regeln. Frag mich, wenn Du etwas nicht verstehen solltest.“

Riley schaute zu wie April die Regeln las, die natürlich alle Sicherheitsvorkehrungen beinhalteten, einschließlich der Anweisung eine Feuerwaffe nie in irgendeine andere Richtung als in Richtung der Geschoßfänge zu richten. Während April mit ernster Miene las spürte Riley eine merkwürdige Art déjà vu. Sie dachte daran, wie sie Blaine hierher gebracht hatte um eine Pistole zu kaufen und seine neue Waffe auszuprobieren.

Es war eine etwas bittere Erinnerung.

Beim Frühstück nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht gestand Blaine zögerlich…

„Ich glaube, ich brauche eine Waffe. Zur persönlichen Sicherheit.“

Natürlich hatte Riley sofort verstanden, was er meinte. Sein Leben war in Gefahr seit er sie kennengelernt hatte. Und wie sich später herausstellte, hatte er die Pistole tatsächlich nur wenige Tage später gebraucht um nicht nur sich, sondern Rileys gesamte Familie vor einem gefährlichen entflohenen Sträfling, Shane Hatcher, zu beschützen. Blaine hatte den Mann damals beinahe umgebracht.

Riley hatte immer noch qualvolle Schuldgefühle wegen diesem schrecklichen Vorfall.

Ist niemand in meinem Leben sicher? fragte sie sich. Wird jeder den ich kenne irgendwann eine Waffe brauchen, alles wegen mir?

April hatte die Regeln durchgelesen und beide gingen zu einem der leeren Stände hinüber. Dort legte April Sicht- und Gehörschutz an und Riley nahm die Pistole aus ihrer Box und legte sie vor April hin.

April schaute die Waffe entmutigt an.

Gut, dachte Riley. Sie soll ruhig davon eingeschüchtert sein.

April sagte: „Die ist anders, als die Waffe, die Du für Blaine gekauft hattest.“

„Das ist richtig“, antwortete Riley. „Ich habe ihm eine Smith and Wesson 686, einen .38 Kaliber Revolver gekauft. Das ist eine viel mächtigere Waffe. Aber er hat sie auch für einen ganz anderen Zweck gebraucht, als Du –– er wollte sich nur verteidigen können. Er hatte nicht vor den Strafverfolgungsbehörden beizutreten, wie Du es vorhast.“

Riley nahm die Pistole in die Hand und zeigte sie April.

„Es gibt einige wichtige Unterschiede zwischen einer Pistole und einer Halbautomatik. Halbautomatik hat viele Vorteile, aber auch einige Nachteile –– gelegentliche Fehlzündungen, Doppelzuführungen, Auswurf- und Ladehemmungen. Ich wollte nicht, dass Blaine sich mit so etwas im Ernstfall herumschlagen muss. Was Dich betrifft –– nun ja, Du kannst gleich von Anfang an alles über diese Dinge lernen, in einem sicheren Rahmen ohne Gefahr für Dein Leben.“

Riley begann damit, April zu zeigen, was sie zu allererst wissen musste –– wie man die Patronen ins Magazin einführte und das Magazin in die Pistole, und dann, wie man die Waffe wieder entlud.

Während dieser Demonstration erklärte Riley: „Diese Waffe kann entweder mit Spannabzug oder mit Nichtspannabzug verwendet werden. Der Nichtspannabzug erlaubt es Dir viele schnelle Schüsse hintereinander zu tätigen bis Dein Magazin leer ist. Das ist der große Vorteil einer semiautomatischen Pistole.“

Sie legte den Finger auf den Abzug und fuhr fort: „Der Spannabzug lässt Dich hingegen selbst die Abzugsarbeit machen. Wenn Du anfängst den abzuziehen spannst Du den Hammer auf und wenn Du den Abzug durchgedrückt hast feuert die Waffe. Wenn Du dann einen weiteren Schuss tätigen willst, musst Du das Ganze von vorne beginnen. Das ist viel mehr Arbeit –– Dein Finger arbeitet gegen drei bis fünf Kilo Gegendruck –– daher schießt man langsamer. Das ist auch womit ich mit Dir beginnen möchte.“

Sie drückte einen Knopf und brachte dadurch die Papierzielscheibe auf eine Entfernung von etwa sechs Metern zum Stand. Danach zeigte sie April die korrekte Standhaltung und Händepositionierung und erklärte wie man zielt.

Riley sagte: „Ok, Deine Waffe ist jetzt nicht geladen. Lass uns ein paar Leerschüsse probieren.“

Wie damals auch mit Blaine, erklärte Riley April wie man richtig atmete –– langsam einatmen während des Zielens, dann langsam ausatmen während sie den Abzug drückte damit der Körper so still wie möglich war zum Zeitpunkt, an dem der Schuss sich löste.

April zielte vorsichtig auf den vage menschlich anmutenden Umriss auf der Zielscheibe und drückte den Abzug mehrere Male. Daraufhin setzte sie nach Rileys Anweisungen das geladene Magazin in die Pistole ein, nahm wieder die korrekte Haltung ein und feuerte einen einzigen Schuss.

April gab einen erschrockenen Aufschrei von sich.

„Habe ich was getroffen?“, fragte sie.

Riley zeigte auf die Zielscheibe.

„Naja, du hast auf jeden Fall die Zielscheibe getroffen. Und fürs erste Mal ist das gar nicht mal so schlecht. Wie hat es sich angefühlt?“

April kicherte nervös.

„Irgendwie überraschend leicht, ich habe erwartet, dass es einen größeren…“

„Rückstoß gibt?“

„Ja. Und es war nicht so laut, wie ich erwartet hatte.“

Riley nickte und sagte: „Das ist eines der schönen Dinge an einer .22. Du wirst kein Zurückzucken oder andere schlechte Gewohnheiten entwickeln. Wenn du dich dann zu seriöseren Waffen vorarbeitest, wirst Du in der Lage sein mit ihrer Kraft umzugehen. Los, mach das Magazin ruhig leer.“

Als April langsam die restlichen neun Patronen abfeuerte bemerkte Riley eine Veränderung in ihrem Gesicht. Es war ein entschlossener, kämpferischer Gesichtsausdruck, den Riley bei April schon früher einmal gesehen hatte. Riley versuchte sich zu erinnern…

Wann war das? Es war nur einmal, dachte sie.

Dann schlug die Erinnerung wie ein Blitz ein…

Riley hatte das Monster namens Peterson hinunter zum Fluss verfolgt. Er hielt April gefangen, an Händen und Füßen gefesselt mit einer Pistole an ihrer Schläfe. Als Petersons Waffe nicht feuerte, fiel Riley ihn an und stach auf ihn ein. Sie kämpften im Fluss bis er es schaffte ihren Kopf zu ergreifen und ihn Unterwasser zu halten um sie zu ertränken.

Sie schaffte es für einen Moment hochzukommen, da bot sich ihr ein Anblick, den sie nie vergessen würde…

Obwohl sie immer noch an den Handgelenken und Knöcheln zusammengebunden war, stand April auf den Beinen mit der Pistole, die Peterson fallengelassen hatte, in den Händen.

April schmetterte den Handgriff gegen Petersons Kopf…

Der Kampf endete einige Augenblicke später, als Riley Petersons Gesicht mit einem Stein einschlug.

Jedoch hatte sie sich nie dafür verzeihen können, dass sie es zugelassen hatte, dass April in solche Gefahr gekommen war.

Und nun stand sie hier, ihre April, und feuerte auf die Zielscheibe mit demselben entschlossenen Gesichtsausdruck von damals.

Sie ist mir so ähnlich, dachte Riley.

Und wenn April mit Leib und Seele dabei sein würde, würde sie eine genauso gute FBI Agentin wie Riley werden, womöglich sogar besser, da war Riley sich sicher.

Aber war das gut oder schlecht?

Riley wusste nicht, ob sie sich schuldig oder stolz fühlen sollte.

Jedoch schoss April während ihrer halbstündigen Übungseinheit mit immer mehr Selbstbewusstsein und mit immer höherer Zielsicherheit auf die Zielscheibe. Als sie das Waffengeschäft verließen und nach Hause aufbrachen war es definitiv Stolz, den Riley fühlte.

April war aufgeregt und gesprächig und stellte jede Menge Fragen zum Training, das ihr bevorstand. Riley antwortete so gut es ging und versuchte ihre Zwiegespaltenheit, was Aprils Zukunftspläne anging, nicht durchscheinen zu lassen.

Als sie schon in der Nähe des Hauses waren rief April: „Schau, wer da ist!“

Rileys Herz wurde schwer, als sie den teuren BMW vor dem Haus stehen sah. Sie wusste, dass er der Person gehörte, die sie gerade am wenigsten sehen wollte.

KAPITEL DREI

Als Riley ihr eigenes eher bescheidenes Auto hinter dem BMW parkte, wusste sie schon, dass die Atmosphäre in ihrem Haus gleich eine sehr unangenehme sein würde. Sobald der Motor aus war, schnappte April die den Waffenkoffer und wollte aussteigen.

„Lass die lieber erstmal hier“, sagte Riley.

Sie wollte die Waffe auf gar keinen Fall dem unerwünschten Besuch erklären müssen.

„Wahrscheinlich hast Du Recht“, antwortete April und schob die Box unter den Sitz.

„Und denk dran –– kein Wort zu Jilly“, ermahnte Riley.

„Ich weiß“, erwiderte April. „Sie hat aber bestimmt schon bemerkt, dass Du was für mich besorgt hast und wird neugierig sein. Naja, am Sonntag bekommt sie ja ein eigenes Geschenk von Dir, spätestens da wird sie’s vergessen haben.“

Was für ein eigenes Geschenk? überlegte Riley.

Dann kam es ihr –– am Sonntag hatte Jilly Geburtstag.

Riley fühlte, wie ihr Gesicht rot wurde.

Sie hatte fast vergessen, dass Gabriela eine Familienfeier für Sonntagabend geplant hatte.

Außerdem hatte sie Jilly noch kein Geschenk besorgt.

Vergiss das bloß nicht! ermahnte sie sich streng.

Riley verriegelte das Auto und April und sie gingen ins Haus. Wie erwartet saß der Besitzer des Luxusautos –– Riley’s Ex-Mann –– im Wohnzimmer.

Jilly saß ihm in einem Sessel gegenüber und ihre steinerne Miene verriet, dass sie nicht im Geringsten erfreut über seinen Besuch war.

„Was tust Du hier, Ryan?“, fragte Riley.

Ryan wandte sich zu ihr mit dem charmanten Lächeln, dass schon so oft ihre Entschlossenheit ihn endgültig aus ihrem Leben zu verbannen gedämpft hatte.

Verdammt, er sieht genauso gut aus wie immer, dachte sie.

Sie wusste allerdings, dass er viel Zeit dafür aufwandte um so auszusehen, und dass er viele Stunden im Fitnessstudio verbrachte.

Ryan entgegnete: „Hey, ist das etwa wie man Familie begrüßt? Ich bin doch immer noch Teil der Familie, oder?“

Für einen Augenblick sprach niemand.

Die Stimmung was spürbar angespannt und Ryans Gesicht verzog sich zu einer Miene von Enttäuschung.

Riley fragte sich, welche Art von Begrüßung er erwartet hatte.

Er hatte sie alle seit drei Monaten nicht einmal besucht. Bevor er verschwand, hatten sie versucht wieder zueinander zu finden und er hatte einige Monate mehr oder weniger mit ihnen zusammengelebt. Er zog jedoch nie wirklich richtig ein. Er hatte das schöne, große Haus behalten, wo Riley, April und er einst zu dritt wohnten. Das war vor ihrer Trennung und der Scheidung.

Die Mädchen waren froh gewesen ihn da zu haben –– bis er Interesse verlor und wieder einmal verschwand.

Das hatte die Mädchen sehr verletzt.

Und nun war er wieder da, aus dem nichts und ohne Vorwarnung.

Die Stille stand weiterhin im Raum. Dann verschränkte Jilly die Arme und blickte ihn düster an.

Sie drehte sich zu Riley und April und fragte: „Wo wart ihr beiden denn überhaupt?“

Riley musste schlucken.

Sie hasste es Jilly anzulügen, aber das war sicherlich der denkbar schlechteste Moment ihr über Aprils Pistole zu erzählen.

Glücklicherweise sagte April schnell: „Wir mussten bloß was erledigen.“

Ryan schaute zu April.

„Hey Süße“, sprach er sie an, „bekomme ich nicht mal eine Umarmung?“

April machte keinen Augenkontakt. Sie stand einfach nur da und trat von einem Fuß auf den anderen.

Endlich sagte sie mürrisch: „Hi, Daddy.“

Sie sah aus, als würde sie gleich losweinen und drehte sich um, um die Treppen zu ihrem Zimmer hoch zu trotten.

Ryan’s Mund stand offen.

“Was war denn das?”, fragte er.

Riley setzte sich auf die Couch und überlegte, wie sie sich in der Situation nun am besten verhalten sollte.

Sie fragte erneut: „Was tust Du hier, Ryan?“

Ryan zuckte mit den Schultern.

„Jilly und ich unterhalten uns gerade über ihre Schulaufgaben –– jedenfalls versuche ich sie dazu zu bringen, mir etwas über ihre Schulaufgaben zu erzählen. Haben sich ihre Noten verschlechtert? Ist es das, was sie mir nicht erzählen möchte?“

„Meine Noten sind in Ordnung“, sagte Jilly.

„Dann erzähl mir doch von der Schule, wieso sagst Du nichts?“, machte Ryan weiter.

„In der Schule ist alles in Ordnung –– Mr. Paige“, antwortete Jilly.

Riley zuckte und Ryan sah aus, als hätte ihn die Äußerung verletzt.

Jilly hatte damit begonnen Ryan „Dad“ zu nennen, nicht lange bevor er verschwand.

Davor hatte sie ihn „Ryan“ genannt. Riley war sich sicher, dass sie Jilly nie „Mr. Paige“ hatte zu ihm sagen hören. Jetzt drückte das Mädchen ihre Haltung ihm gegenüber sehr klar aus.

Jilly erhob sich aus ihrem Sessel und sagte: „Wenn es allen Recht ist, ich habe noch Hausaufgaben.“

„Brauchst Du Hilfe dabei?“, versuchte es Ryan.

Jilly ignorierte die Frage und stieg schwermütig die Treppen hinauf.

Ryan schaute Riley mit einem verwundeten Gesichtsausdruck an.

„Was ist hier los?“, wollte er wissen, „wieso sind die Mädchen so sauer auf mich?“

Riley seufzte bitter. Manchmal war ihr Ex noch genauso unreif wie sie es beide gewesen waren, als sie so jung heirateten.

„Ryan, was in aller Welt hattest Du erwartet?“, fragte sie mit aller Geduld die sie in diesem Moment nur aufbringen konnte.

„Als Du eingezogen bist waren die Mädels außer sich vor Freude dich einfach nur da zu haben. Besonders Jilly. Ryan, der Vater des armen Mädchens war ein gewalttätiger Säufer. Sie hat sich fast prostituiert nur um von ihm wegzukommen –– und sie ist erst dreizehn! Es hat ihr so viel bedeutet eine väterliche Figur wie dich in ihrem Leben zu haben. Verstehst Du nicht, wie zerstört sie gewesen sein muss, als Du einfach abgehauen bist?“

Ryan starrte sie bloß verwirrt an, als hätte er keinen blassen Schimmer wovon sie sprach.

Aber Riley erinnerte sich nur zu gut daran, was er ihr damals am Telefon gesagt hatte.

„Ich brauche Zeit für mich. Dieses ganze Familiending –– ich dachte, ich wäre bereit dafür, aber ich war es einfach nicht.“

Zu der Zeit schien er nicht besonders besorgt um Jilly.

„Riley, Jilly war Deine Entscheidung. Ich bewundere Dich dafür. Aber ich habe mich nie freiwillig dafür gemeldet. Ein fremder Problemteenager ist zu viel für mich. Das ist einfach nicht fair.”

Aber hier saß er nun und tat beleidigt, weil Jilly ihn nicht mehr “Dad” nennen wollte.

Es machte Riley richtig wütend.

Sie verstand zu gut, wieso die beiden Mädchen aus dem Zimmer gestürzt waren. Sie hätte es selbst ja liebend gern getan. Leider musste aber jemand den Erwachsenen in der Situation spielen, und da Ryan dazu offensichtlich nicht in der Lage war, musste sie den Job übernehmen.

Bevor sie sich überlegen konnte, was sie als nächstes sagen sollte erhob sich Ryan aus seinem Sessel und setzte sich neben sie auf die Couch. Er streckte seine Hand aus, um die zu umarmen.

Riley schubste ihn weg.

„Ryan, was tust Du?“

„Was meinst Du denn was ich tue?“

Ryans Stimme klang nun amourös und verführerisch.

Rileys Wut wuchs von Sekunde zu Sekunde.

„Denk nicht mal dran“, sagte sie. „Wie viele Freundinnen bist Du denn schon durchgegangen, seitdem Du hier weg bist?“

„Freundinnen?“, fragte Ryan und versuchte offenbar überrascht zu klingen.

„Du hast mich klar und deutlich gehört. Oder hast Du es etwa vergessen? Eine von ihnen rief hier ausversehen an, als Du noch hier rumhingst. Sie klang betrunken. Du sagtest, dass sie Lina hieß. Aber ich glaube kaum, dass Lina die letzte war. Wie viele kamen noch nach ihr? Weißt Du das überhaupt? Kannst Du Dich überhaupt an all ihre Namen erinnern?”

Ryan antwortete nichts. Nun sah er beschämt aus.

Alles macht auf einmal Sinn für Riley. Die gesamte Sache hatte sich schon mal ereignet und sie fühlte sich dumm, dass sie es nicht hatte kommen sehen.

Ryan war gerade einfach ohne Freundin und dachte sich, dass Riley unter den Umständen schon den Zweck erfüllen würde.

Die Mädchen interessierten ihn in Wirklichkeit gar nicht. Nicht einmal seine eigene Tochter. Sie waren nur ein Vorwand um mit Riley zusammenzukommen.

Riley biss die Zähne zusammen. Sie stieß aus: „Ich denke Du gehst jetzt besser.“

„Wieso? Was ist denn? Hast Du gerade etwa jemanden?”

„In der Tat, das habe ich.“

Nun sah Ryan ernsthaft überrascht aus, als könnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, wieso Riley an irgendeinem anderen Mann interessiert sein könnte.

Dann sagte er: „Oh Gott, es ist nicht wieder dieser Koch, oder?“

Riley stieß ein wütendes Grollen aus.

Sie sagte: „Du weißt ganz genau, dass Blaine ein Meisterchef ist. Du weißt, dass er ein sehr schönes Restaurant besitzt und dass seine Tochter Aprils beste Freundin ist. Er ist auch toll mit den Mädchen –– alles was Du nicht bist. Und ja, wir sind zusammen, und es wird langsam ziemlich ernst. Deshalb möchte ich jetzt wirklich, dass Du gehst.

Ryan starrte sie einen Moment lang an.

Endlich sagte er mit einer kalten Stimme: „Wir waren gut zusammen.“

Sie antwortete nichts.

Ryan stand von der Couch auf und machte sich auf den Weg zur Tür.

„Lass mich wissen, wenn Du Dich anders entscheiden solltest“, sagte er, als er das Haus verließ.

Riley war versucht ihm hinterherzurufen…

„Ich würde an Deiner Stelle nicht darauf zählen.“

…aber sie schaffte es, sich zurückzuhalten. Sie bleib einfach reglos sitzen, bis sie Ryans Auto davonfahren hörte. Dann atmete sie aus.

Riley saß in der Stille und dachte über das, was vorgefallen war, nach.

Jilly hat ihn „Mr. Paige“ genannt.

Das war gemein, dennoch fand sie, dass Ryan es verdient hatte.

Doch auch wenn es so war –– wie sollte sie auf diese Art von Härte in Jilly reagieren, was sollte sie zu ihr sagen?

Dieses Muttersein-Ding ist schwer, dachte sie sich.

Sie wollte gerade Jilly herunterrufen, um mit ihr über ihr Verhalten zu sprechen, als ihr Handy vibrierte. Der Anruf kam von Jenn Roston, einer jungen Agentin mit der sie an ihren letzten Fällen zusammengearbeitet hatte.

Als Riley abnahm konnte sie die Angespanntheit in Jenns Stimme hören.

„Hey Riley. Ich dachte mir, dass ich Dich anrufen sollte um…“

Es blieb still. Riley fragte sich, was Jenn bedrückte.

Dann fing Jenn wieder an zu sprechen: „Hör mal, ich wollte nur Dir und Bill danken, dafür dass… Du weißt schon… als ich…“

Riley hätte beinahe unterbrochen…

„Sprich nicht weiter. Nicht am Telefon.“

Glücklicherweise schwand Jenns Stimme und sie führte ihren Gedanken nicht zu Ende.

Riley wusste auch so, wofür Jenn sich bei ihr bedankte.

Während ihrem letzten Fall war Jenn für fast einen gesamten Tag eigenmächtig abwesend gewesen. Riley überredete Bill sie zu decken. Schließlich hatte Jenn Riley auch einmal in einer ähnlichen Situation gedeckt.

Jedoch war Jenns Abwesenheit durch die Forderungen ihrer ehemaligen Pflegemutter bedingt, die dazu noch eine abgebrühte Kriminelle war. Jenn hatte ihre rechtmäßigen Pflichten vernachlässigt um ein Problem für „Tante Cora“ zu lösen.

Riley wusste nicht genau, worum es sich gehandelt hatte. Sie hatte nicht gefragt.

Sie hörte Jenns Stimme heiser werden.

„Riley, ich habe nachgedacht. Vielleicht sollte ich einfach meine Dienstmarke zurückgeben. Was passiert ist, könnte wieder passieren. Und nächstes Mal ist es womöglich noch schlimmer. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es vorbei ist.“

Riley spürte, dass Jenn ihr nicht den wahren Grund nannte.

Tante Cora übt wieder Druck auf sie aus, dachte Riley.

Es war kaum eine Überraschung. Wenn Tante Coras Griff fest genug war, konnte Jenn eine echte Insider-Ressource der FBI für sie darstellen.

Riley dachte kurz nach…

Sollte Jenn vielleicht wirklich aus dem Dienst scheiden?

Aber sie kam schnell zum Schluss…

Nein.

Schließlich hatte Riley eine ähnliche Beiziehung zu einem Meisterverbrecher gehabt –– dem genialen entflohenen Häftling Shane Hather. Sie endete, nachdem Blaine Hatcher beinahe tödlich anschoss und Riley diesen festnehmen konnte. Hatcher war jetzt wieder in Sing Sing und hatte seitdem mit niemandem ein Wort gesprochen.

Jenn wusste mehr als jemand anderes über Rileys Beziehung zu Hatcher, außer natürlich Hatcher selbst. Mit dieser Information wäre es Jenn ein Leichtes gewesen Rileys Karriere zu zerstören. Jetzt war es an der Zeit für Riley dieselbe Loyalität Jenn entgegenzubringen.

Riley sagte: „Jenn, weißt Du noch, was ich Dir sagte, als Du das erste Mal mit mir darüber sprachst?“

Jenn blieb stumm.

Riley fuhr fort: „Ich habe Dir gesagt wir werden das bewältigen. Du und ich, zusammen. Du kannst jetzt nicht aufgeben. Du hast zu viel Talent. Hörst Du?“

Jenn sagte weiterhin nichts.

Stattdessen hörte Riley ein Biepen ihres Telefons, der sie über einen Zweitanruf informieren sollte.

Ignorier es einfach, sagte sie sich.

Das Biepen wiederholte sich. Rileys Bauchgefühl sagte ihr, dass der andere Anruf wichtig war. Sie seufzte.

Sie wandte sich wieder an Jenn: „Hör mal, ich hab‘ einen anderen Anruf. Bleib dran, ok? Ich versuch schnell zu machen.”

“Ok”, sagte Jenn.

Riley wechselte zum anderen Anruf und hörte die grimmige Stimme ihres Teamchefs der BAU –– der Verhaltensanalyseeinheit –– Brent Meredith.

„Agentin Paige, wir haben einen Fall. Es handelt sich um einen Serienmörder im Mittleren Westen. Ich will Sie in meinem Büro sehen.“

„Wann?“, fragte Riley.

„Vor einer Stunde“, brummte Meredith. “Noch eher, wenn‘s geht.“

Riley konnte aus seinem Ton schließen, dass es sich wirklich um eine dringende Angelegenheit handelte.

„Ich fahre sofort los“, antwortete sie. „Wer ist noch im Team?“

„Das können Sie entscheiden“, sagte Meredith. „Sie haben zusammen mit Agenten Jeffreys und Roston gute Arbeit im Fall Sandmann geleistet. Nehmen Sie die beiden, wenn Sie wollen. Und beeilen Sie sich gefälligst alle!“

Ohne ein weiteres Wort beendete Meredith den Anruf.

Riley schaltete zurück zu Jenn.

Sie sagte: „Jenn, Deine Dienstmarke wirst Du noch brauchen. Jedenfalls vorerst einmal. Ich brauche Dich für einen Fall. Wir treffen uns in Brent Merediths Büro. Und beeil Dich!“

Ohne auf eine Antwort zu warten, legte Riley aus. Während sie die Nummer ihres Partners, Bill Jeffreys, wählte dachte sie…

Vielleicht ist ein neuer Fall genau was Jenn gerade braucht.

Riley hoffte inständig, dass es so war.

Gleichzeitig fühlte sie, wie ihre eigene Alarmbereitschaft stieg als sie ins Büro eilte. Sie fragte sich, worum es im neuen Fall ging.

399
599 ₽
Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
292 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9781640294806
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
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