Читать книгу: «Bevor Er Braucht», страница 3

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KAPITEL SECHS

Obwohl sie gehofft hatte, es vermeiden zu können mit den Familien der kürzlich Verstorbenen zu sprechen, fand Mackenzie sich dabei wieder, wie sie ihre to do Liste schneller als erwartet abarbeitete. Nachdem sie das Sterling Haus hinter sich gelassen hatten, war der nächste Ort, um Antworten zu erhalten, die am nächsten stehenden Angehörigen der Familien. In dem Fall der Sterlings war die nächste Familien-angehörige eine Schwester, die weniger als sechzehn Kilometer vom Kurtzes Stadthaus entfernt wohnte.

Der Rest der Familie wohnte in Alabama.

Die Kurtzes jedoch hatten viel Familie in der Nähe. Josh Kurtz war nicht weit weg von seinem Elternhaus gezogen, er lebte nicht nur in einem Umkreis von 32 Kilometer von seinen Eltern entfernt, sondern auch von seiner Schwester. Und da die Miami-Polizei bereits ausgiebig mit den Kurtzes Eltern gesprochen hatte, neigte Mackenzie dazu, sich mit der Schwester von Julie Kurtz zu unterhalten.

Sara Lewis schien mehr als froh, sich mit ihnen treffen zu können und obwohl die Nachricht vom Tod ihrer Schwester erst zwei Tage her war, schien sie es, so gut wie eine Zwanzigjährige konnte, akzeptiert zu haben.

Sara lud sie in ihr Haus in Overtown ein, ein idyllisches einstöckiges Haus, das ein größer als ein kleines Apartment war. Es war spärlich dekoriert und enthielt die Art von nervöser Ruhe, die Mackenzie in so vielen anderen Häusern gespürt hatte, wo jemand mit einem kürzlichen Verlust umging. Sara saß auf der Ecke der Couch und hielt eine Tasse Tee in ihren Händen. Es war klar, dass sie erst vor Kurzem viel geweint hatte, sie sah auch aus, als wenn sie nicht viel geschlafen hätte.

“Ich nehme an, dass das FBI involviert ist”, sagte sie, “bedeutet, dass es mehr als eine Tat gab?”

“Ja, gab es”, sagte Harrison neben Mackenzie. Sie zögerte kurz, wünschte sich, dass er nicht so bereitwillig die Information herausposaunt hätte.

“Aber”, warf Mackenzie ein, ehe Harrison fortfahren konnte, “wir können natürlich keine festen Schlüsse über Vermutungen ziehen, ohne eine sorgfältige Überprüfung durchzuführen. Und deswegen wurden wir hinzugezogen.”

“Ich werde helfen, so gut es geht”, sagte Sara Lewis. “Aber ich habe bereits die Fragen der Polizei beantwortet.”

“Ja, ich verstehe das und weiß das zu schätzen”, sagte Mackenzie. “Ich wollte nur ein paar Dinge abdecken, die vielleicht übergangen worden sind. Zum Beispiel, haben Sie eine Ahnung wie ihre Schwester und ihr Schwager finanziell da standen?”

Es war klar, dass Sara dachte, dass dies eine merkwürdige Frage war, aber sie gab ihr bestes um trotzdem zu antworten. “Okay, ich glaube schon. Josh hatte einen guten Job und sie haben wirklich nicht viel Geld ausgegeben. Julie hat mich manchmal sogar ausgeschimpft, weil ich so leichtfertig Geld ausgebe. Ich meine, sie sind bestimmt nicht im Geld geschwommen… nicht so weit ich weiß. Aber sie lebten gut.”

“Okay, ihre Nachbarin hat uns gesagt, dass Julie gerne gezeichnet hat. War das nur ein Hobby oder hat sie damit Geld verdient?”

“Mehr ein Hobby”, sagte Julie. Sie war gut, aber sie wusste, dass es nichts Besonderes war, wissen Sie?”

“Was ist mit Ex-Freunden? Oder vielleicht Ex-Freundinnen, die Josh gehabt hatte?”

“Julie hatte ein paar Ex-Freunde, aber keiner von denen hat das schlecht aufgenommen. Außerdem leben sie alle quer im Land verstreut. Ich weiß, dass zwei von ihnen verheiratet sind. Was Josh angeht, ich glaube nicht, dass es irgendwelche Ex-Freundinnen auf der Bildfläche gab. Ich meine… Ich weiß es nicht. Sie waren einfach ein tolles Paar. Lieb zueinander – ekelhaft süß in der Öffentlichkeit. Diese Art von Paar.”

Der Besuch fühlte sich zu kurz für ein Ende an, aber Mackenzie hatte nur noch eine weitere Spur zu verfolgen und sie war sich nicht sicher, wie sie es anstellen sollte, ohne sich selbst zu wiederholen. Sie dachte an die merkwürdigen Einträge im Scheckbuch der Sterlings, immer noch hatte sie keine Ahnung, was diese bedeuten sollten.

Wahrscheinlich nichts, dachte sie. Menschen führen ihre Scheckbücher unterschiedlich, das ist alles.

Trotzdem lohnt es sich, sich das anzuschauen.

Während sie an die Abkürzungen dachte, die sie im Sterlings Scheckbuch gesehen hatte, fuhr Mackenzie fort. Als sie ihren Mund öffnete, um zu sprechen, hörte sie Harrisons Handy in seiner Tasche vibrieren. Er überprüfte es schnell und ignorierte dann den Anruf. “Tut mir leid”, sagte er.

Sie ignorierte die Störung und fragte: “Wissen Sie, ob Julie oder Josh in irgendeiner Art von Organisation oder vielleicht Klubs oder Sportzentren involviert sind? Die Art von Ort, wo man regelmäßig Gebühren zahlt?”

Julie dachte einen Moment darüber nach und schüttelte ihren Kopf. “Nicht dass ich wüsste. Wie ich sagte … sie haben nicht wirklich viel Geld ausgegeben. Die einzige monatliche Ausgabe von der ich weiß, war ihr Spotify Konto und das kostet nur zehn Dollar.”

“Und wurden Sie schon von Jemanden kontaktiert, von einem Anwalt oder so darüber was mit ihren Finanzen passiert?”, fragte Mackenzie. “Es tut mir leid zu fragen, aber das könnte dringend sein.”

“Nein, noch nicht”, sagte sie. “Sie waren so jung. Ich weiß nicht einmal, ob sie ein Testament gemacht haben. Mist … Ich denke, das kommt alles auf mich zu, oder?”

Mackenzie stand auf, unfähig die Frage zu beantworten. “Danke, dass Sie mit uns gesprochen haben, Sara. Bitte, wenn Ihnen noch etwas einfällt, hinsichtlich der Fragen, die ich Ihnen gestellt habe, würde ich einen Anruf zu schätzen wissen.”

Damit überreichte sie Sara eine Visitenkarte. Sara nahm sie und steckte sie weg während sie sie zur Tür brachte. Sie war nicht unhöflich, aber es war klar, dass sie sie so schnell wie möglich los werden wollte.

Als die Türen sich hinter ihnen geschlossen hatten, fand Mackenzie sich selbst auf Sara’s Veranda mit Harrison wieder. Sie überlegte ihn dafür zu rügen, dass er Sara so schnell wissen lassen hatte, dass es mehr als einen Mord gab, der mit dem Mord ihrer Schwester in Verbindung gebracht werden konnte. Aber es war ein ehrlicher Fehler, einer den sie ein oder zweimal gemacht hatte, als sie begonnen hatte. Also sagte sie nichts.

“Kann ich dich was fragen?”, fragte Harrison.

“Klar”, sagte Mackenzie.

“Warum bist du so fixiert auf ihre Finanzen? Hat es etwas damit zu tun, was du bei den Sterlings gesehen hast?”

“Ja. Es ist nur ein Hinweis bis jetzt, aber einige der Überweisungen waren –“

Harrisons Handy vibrierte wieder. Er nahm es mit einem peinlich berührten Blick auf seinem Gesicht aus seiner Tasche. Er schaute auf das Display, ignorierte es beinahe, aber hielt es dann in der Hand, während sie zum Auto gingen.

“Tut mir leid, ich muss da rangehen”, sagte er. “Es ist meine Schwester. Sie hat schon angerufen während wir drinnen waren, was merkwürdig ist.”

Mackenzie achtete nicht auf ihn, während sie ins Auto stiegen. Sie hörte kaum zu, was Harrison in dem Gespräch sagte. Als sie das Auto auf die Straße lenkte, konnte sie jedoch schon an seinem Ton erkennen, dass etwas nicht in Ordnung war.

Als er den Anruf beendete, lag ein schockierter Ausdruck auf seinem Gesicht. Seine Unterlippe war nach unten gezogen, es sah wie etwas zwischen einer Grimasse und ein Stirnrunzeln aus.

“Harrison?”

“Meine Mutter ist heute Morgen gestorben”, sagte er.

“Oh mein Gott”, sagte Mackenzie.

“Herzinfarkt … einfach so. Sie ist –“

Mackenzie sah, dass er darum kämpfte, nicht in Tränen auszubrechen. Er drehte sich von ihr weg und schaute aus dem Fenster und heulte los.

“Es tut mir so leid, Harrison”, sagte sie. “Lass uns dich nach Hause bringen. Ich suche sofort einen Flug. Brauchst du sonst noch etwas?”

Er schüttelte nur kurz den Kopf, schaute immer noch aus dem Fenster, während er ein wenig offener weinte.

Mackenzie rief zuerst in Quantico an. Sie konnte McGrath nicht ans Telefon bekommen, also hinterließ sie eine Nachricht bei seiner Sekretärin, erzählte ihr was passiert war, und das Harrison den nächsten Flug nach DC nehmen würde. Dann rief sie die Fluggesellschaft an und buchte den ersten möglichen Flug, der in dreieinhalb Stunden ging.

Sobald der Flug gebucht war und sie den Anruf beendet hatte, klingelte ihr Handy. Sie warf Harrison einen aufmunternden Blick zu und beantwortete den Anruf. Es fühlte sich schrecklich an zurück zur Arbeit zu gehen, geistlich, nach Harrisons Nachrichten, aber sie hatte einen Job zu erledigen – und es gab immer noch keine zuverlässigen Spuren.

“Agentin White”, sagte sie.

“Agentin White hier ist Beamtin Dagney. Ich dachte, Sie wollten vielleicht wissen, dass wir eine potenzielle Spur haben.”

“Potenziell?”, fragte sie.

“Naja, er passt auf jeden Fall ins Profil. Es ist ein Mann, der mehrere Einbrüche begangen hat, zwei von denen enthielten Gewalt und sexuelle Übergriffe.”

“In derselben Gegend wie von den Kurtzes und den Sterlings?”

“Da wird es interessant,” sagte Dagney. “Einer der Fälle, die einen sexuellen Übergriff beinhalteten, geschah in der selben Stadthäusergruppe in der die Kurtzes wohnten.”

“Haben wir eine Adresse von dem Mann?”

“Ja. Er arbeitet in einer Werkstatt. Einer Kleinen. Und wir haben die Bestätigung, dass er dort auch jetzt ist. Sein Name ist Mike Nell.”

“Schicken Sie mir die Adresse und ich spreche mit ihm. Gibt es schon etwas wegen den Finanzberichten, die Harrison angefordert hat?”, fragte Mackenzie.

“Noch nicht. Es arbeiten aber einige Leute daran. Sollte nicht zu lange dauern.”

Mackenzie beendete das Gespräch und gab ihr bestes, Harrison seinen Moment der Trauer zu geben. Er weinte nicht länger, aber musste sich redlich Mühe geben, nicht zusammenzubrechen.

“Danke”, sagte Harrison und wischte eine Tränenspur von seinem Gesicht.

“Für was?”, fragte Mackenzie.

Er zuckte die Schultern. “Dafür, dass du McGrath und den Flughafen angerufen hast. Tut mir leid, dass das jetzt solche Umstände inmitten eines Falles macht.”

“Das ist es nicht”, sagte sie. “Harrison, es tut mir sehr leid für deinen Verlust.”

Anschließend wurde es still im Auto, und ob es ihr gefiel oder nicht, Mackenzies Gedanken gingen zurück in den Arbeitsmodus. Da war ein Mörder da draußen, der anscheinend eine merkwürdige Rache an glücklichen Paaren ausübte. Und er wartete vielleicht jede Sekunde auf sie.

Mackenzie konnte es kaum erwarten, ihn zu erwischen.

KAPITEL SIEBEN

Harrison am Motel abzusetzen war bittersüß. Sie wünschte sich, sie könnte mehr für ihn tun, zumindest ein paar mehr tröstende Worte liefern. Am Ende gab sie ihm ein halbherziges Winken, als er in sein Zimmer ging und seine Sachen packte und sich ein Taxi rief, dass ihm zum Flughafen bringen sollte.

Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, kopierte Mackenzie die Adresse die Dagney ihr geschickt hatte, in ihr GPS. Die Lipton Auto Garage war genau siebzehn Minuten vom Motel entfernt, eine Entfernung, die sie sofort begann abzufahren.

Alleine im Auto zu sein fühlte sich komisch an, aber sie lenkte sich selbst mit der Miami Landschaft ab. Es war anders, als die anderen Strand Städte, in denen sie je gewesen war. Wo kleinere Städte am Strand ein wenig sandig und schon fast verblasst schienen, schien in Miami alles zu glänzen und zu glitzern, trotz des nahen Strands und Salz, das vom Ozean spritzte. Hier und da konnte sie ein Gebäude sehen, das nicht hier herzugehören schien, vernachlässigt und verlassen - eine Erinnerung daran, dass alles seine Schandflecken hatte.

Sie kam eher als erwartet an der Werkstatt an, sie musste abgelenkt gewesen sein, von den Anblicken der Stadt. Sie parkte auf einem Parkplatz, der voll mit kaputten Autos und Lkws war, die offensichtlich da waren, um für Ersatzteile geplündert zu werden. Es sah aus wie die Art von Betrieb, der sich für immer in einem Status des Fast Bankrottes befand.

Ehe sie reinging, verschaffte sie sich einen kurzen Überblick über den Ort. Es gab ein heruntergekommenes Büro, das im Moment unbesetzt war. Die benachbarte Garage enthielt drei Buchten, nur eine davon enthielt ein Auto. Es stand auf der Hebebühne, aber es sah nicht so aus, als wenn daran gearbeitet wurde. In der Werkstatt wühlte ein Mann in einem regalförmigen Werkzeugkasten. Ein weiterer Mann befand sich im Hintergrund der Werkstatt auf einer kleinen Leiter und durchwühlte eine Reihe von alten Kartons.

Mackenzie ging zu dem Mann, der ihr am nächsten war, derjenige, der die Werkzeugkiste durchsuchte. Er war wohl fast vierzig, mit langem, fettigem Haar, das auf seine Schultern fiel. Die Stoppeln auf seinem Gesicht konnte man nicht wirklich einen Bart nennen. Als er hochblickte und sie bemerkte, lächelte er breit.

“Hey, Süße”, sagte er mit einem kleinen südlichen Akzent. “Wie kann ich dir weiterhelfen?”

Mackenzie zog ihr Abzeichen. “Zuerst, hören Sie mal auf mich Süße zu nennen. Dann können Sie mir sagen, ob Sie Mike Nell sind.”

“Ja, das bin ich”, sagte er. Er starrte mit ein wenig Angst auf ihr Abzeichen. Er schaute dann wieder auf ihr Gesicht, als wenn er versuchte herauszufinden, ob das eine Art Scherz war.

“Herr Nell, ich würde gerne –“

Er wirbelte schnell herum und schubste sie. Hart. Sie taumelte zurück und ihr Fuß streifte einen Reifen, der auf dem Boden lag. Als sie das Gleichgewicht verlor und nach hinten fiel, sah sie noch, wie Nell weglief. Er verließ die Werkstatt, rannte und schaute über seine Schulter.

Das ist schnell eskaliert, dachte sie. Er ist garantiert schuldig wegen irgendwas.

Ihr Instinkt wollte nach der Waffe greifen. Aber das würde Aufsehen erregen. Also wollte sie aufstehen und hinterher rennen. Aber während sie sich hochdrückte, fiel ihre Hand auf etwas, das auf dem Boden liegen geblieben war. Es war ein Radkreuz – wahrscheinlich das, das von dem Rad abgenommen worden war, über das sie gefallen war.

Sie nahm es hoch und kam schnell auf ihre Füße. Sie rannte nach draußen vor die Werkstatt und sah Nell auf dem Bürgersteig, wo er gerade die Straße überquerte. Mackenzie schaute schnell nach rechts und links, sah, dass es keine Autos in der Nähe gab, und warf ihren Arm zurück.

Sie warf das Drehkreuz durch die Luft, mit so viel Kraft sie konnte. Es segelte viereinhalb Meter oder so, die sie und Nell trennten, und traf ihn direkt am Rücken. Er ließ einen Schrei der Überraschung und des Schmerzes los, bevor er nach vorne taumelte und auf die Knie fiel, fast landete er mit dem Gesicht auf der Straße.

Sie lief zu ihm, drückte ihm ein Knie in den Rücken, noch ehe er überhaupt daran denken konnte, wieder auf die Beine zu kommen.

Sie drückte seine Arme auf seinen Rücken und drückte sie nach unten. Er versuchte sich zu befreien, aber merkte dann, dass das nur noch mehr Schmerzen verursachte, da seine Schultern zurückgezogen waren. Mit einer Schnelligkeit, die sie seit Monaten übte, zog sie die Handschellen aus ihrem Gürtel und schlang sie um Nells Handgelenke.

“Das war dumm”, sagte Mackenzie. “Ich wollte nur ein paar Fragen stellen … und Sie haben mir schon die Antwort gegeben, nach der ich suche.”

Nell sagte nichts, aber er akzeptierte endlich, dass er ihr nicht entkommen konnte. Als die Autos vorbeigefahren waren, kam der andere Mann aus der Werkstatt herübergeeilt.

“Was zum Teufel ist hier los?”, fragte er.

“Herr Nell hat gerade eine FBI–Agentin angegriffen”, antwortete Mackenzie. “Es tut mir leid, er wird den Tag für Sie nicht beenden können.”

***

Mackenzie beobachtete Mike Nell hinter dem Doppelglas des Verhörraums. Er sah verärgert und peinlich berührt aus – ein finsterer Blick war auf seinem Gesicht geblieben, seitdem Mackenzie ihn auf die Beine gestellt hatte, in Handschellen vor seinem Arbeitgeber. Er kaute nervös an seiner Lippe, ein Zeichen, das er sich wahrscheinlich nach einer Zigarette oder einem Drink sehnte.

Mackenzie wandte sich von ihm ab, um die Akte in ihrer Hand zu lesen. Sie erzählte die kurze, aber facettenreiche Geschichte von Mike Nell, der mit sechzehn von Zuhause weggelaufen und mit achtzehn das erste Mal wegen unbedeutenden Diebstählen und schwerem Überfall festgenommen worden wurde. Die letzten zwölf Jahre seines Lebens zeigten das Porträt eines Störenfrieds – Überfälle, Einbrüche, Diebstahl, Eindringen, ein paar Ausflüge ins Gefängnis.

Neben Mackenzie sahen Dagney und Sheriff Rodriguez Nell mit etwas wie Verachtung an.

“Ich nehme an, Sie haben ihn oft in der Vergangenheit gesehen?”, fragte Mackenzie.

“Haben wir”, sagte Rodriguez. “Und irgendwie haut das Gericht ihm immer nur auf die Finger und das war’s. Die längste Strafe, die er abgesessen hat, war die, von der er gerade freigelassen wurde und das war ein Jahr Haftstrafe. Wenn sich herausstellt, dass dieser Arsch für diese Morde verantwortlich ist, dann werden die Gerichte den Schwanz einziehen.”

Mackenzie übergab den Bericht Dagney und ging zur Tür. “Naja, dann schauen wir mal, was er zu sagen hat”, sagte sie.

Sie ging aus dem Zimmer und stand einen Moment im Flur, ehe sie weiter ging, um Mike Nell zu verhören. Sie nahm ihr Handy heraus, um zu sehen, ob sie einen Text von Harrison erhalten hatte. Sie nahm an, er war jetzt am Flughafen, vielleicht hatte er bereits mit anderen Familienmitgliedern gesprochen, um herauszufinden, was zu Hause vor sich ging. … Es tat ihr ehrlich Leid für ihn, und obwohl sie ihn gar nicht so gut kannte, wünschte sie sich, dass sie etwas für ihn tun könnte.

Sie schob ihre Gefühle für einen Moment zur Seite, packte ihr Handy weg und betrat den Verhörraum. Mike Nell schaute sie an und gab sich keine Mühe seinen verächtlichen Blick zu verstecken. Aber jetzt war da noch was anderes. Er machte auch keinen Versuch die Tatsache zu verstecken, dass er sie sich genau anschaute, seine Augen schauten länger als nötig auf ihre Hüften.

“Gefällt Ihnen, was Sie sehen, Herr Nell?”, fragte sie und nahm Platz.

Völlig perplex von der Frage kicherte Nell nervös und sagte: “Ich glaube schon.”

“Ich nehme an, Sie wissen, dass Sie in Schwierigkeiten sind, weil Sie eine FBI-Agentin angegriffen haben, auch wenn es nur ein Schubs war.”

“Was ist mit ihrem kleinen Drehkreuz Stunt?”, fragte er.

“Wäre Ihnen meine Waffe lieber gewesen? Ein Schuss direkt in die Wade oder Schulter, damit Sie langsamer laufen?”

Nell hatte nichts dazu zu sagen.

“Es ist schon klar, dass wir nicht so schnell beste Freunde werden”, sagte Mackenzie, “also lassen Sie uns den Small Talk überspringen. Ich würde gerne wissen, wo Sie überall in den letzten Wochen waren.”

“Das ist eine lange Liste”, sagte Nell verteidigend.

“Ja, ich bin mir sicher, ein Mann von Ihrem Schlag kommt überall hin. Also beginnen wir einmal mit vor zwei Nächten. Wo waren Sie zwischen sechs Uhr abends und sechs Uhr morgens?”

“Vor zwei Nächten? Da war ich mit einem Freund unterwegs. Habe Karten gespielt, ein bisschen was getrunken, nichts Großes.”

“Kann das jemand außer ihrem Freund bezeugen?”

Nell zuckte mit den Schultern. “Ich weiß nicht. Da waren noch ein paar andere Männer, die mit uns gespielt haben. Warum fragen Sie das überhaupt?”

Mackenzie sah keinen Grund es noch länger, als nötig herauszuschieben. Wenn sie nicht so abgelenkt wäre, mit dem was Harrison passiert war, dann hätte sie ihn wahrscheinlich noch weiter bedrängt, bevor sie direkt auf den Punkt gekommen wäre, in der Hoffnung er würde sich selbst verraten, wenn er in der Tat schuldig war.

“Ein Paar wurde tot in ihrem Stadthaus gefunden, vor zwei Tagen. Es ist nun so, dass das in einem Haus passiert ist, das im selben Komplex der Stadthäuser liegt, in dem Sie wegen Diebstahl und schweren Überfalls verhaftet wurden. Das beides zusammen, plus der Tatsache, dass Sie seit weniger als einem Monat frei sind, bringt Sie ganz oben auf die Liste der infrage kommenden Personen.”

“Das ist Mist”, sagte Nell.

“Nein, das ist logisch. Etwas, von dem ich annehme, mit dem Sie nicht vertraut sind, wenn man sich ihren Polizeibericht ansieht.”

Sie konnte sehen, dass er eine Bemerkung machen wollte, aber er hielt sich zurück und kaute stattdessen wieder auf seiner Unterlippe. “Ich war nicht wieder an dem Ort, seit ich draußen bin”, sagte er. “Was sollte das für einen Sinn machen?”

Sie schaute ihn einen Augenblick skeptisch an und fragte: “Was ist mit Ihren Freunden? Und den Typen, die Sie im Gefängnis getroffen haben?”

“Einer von ihnen, ja.”

“Irgendwelche Freunde, die auch Stehlen und Überfalle machen?”

“Nein, “spie er. “Einer der Männer hat eine Einbruchstrafe und eine Strafe wegen unerlaubtem Eindringens als Teenager bekommen, aber nein … sie würden niemanden umbringen. Ich auch nicht.”

“Aber einbrechen und eindringen und jemanden schlagen ist OK?”

“Ich habe nie jemanden umgebracht”, sagte er wieder. Er war klar frustriert und zeigte große Zurückhaltung es nicht an ihr auszulassen. Und genau das hatte sie gesucht. Wenn er sich der Morde schuldig gemacht hätte, dann wäre die Chance, dass er sofort abwehrend und wütend geworden wäre, viel größer. Tatsächlich versuchte er sein Bestes, um keine Schwierigkeiten zu bekommen, er sah sogar davon ab, eine FBI-Agentin verbal auszupeitschen, dass zeigte, das er wahrscheinlich keine Verbindung zu den Morden hatte.

“Okay, sagen wir einmal Sie haben nichts mit diesen Morden zu tun. Was haben Sie dann verbrochen? Ich nehme an, Sie haben etwas getan, was Sie nicht hätten tun sollen. Warum sonst würden Sie eine FBI-Agentin schubsen und wegrennen?”

“Ich spreche nicht”, sagte er. “Nicht bevor ich einen Anwalt gesehen habe.”

“Ah, das habe ich vergessen, dass Sie schon ein Profi in diesem Spiel sind. O.K., gut … wir holen Ihren Anwalt. Aber ich nehme an, Sie wissen, wie die Polizei arbeitet. Wir wissen, dass Sie sich etwas zuschulden kommen lassen haben. Und wir werden herausfinden, was das ist. Sagen Sie mir es also jetzt und Sie ersparen uns allen jede Menge Ärger.”

Seine fünf ehrlichen Sekunden der Stille zeigten an, dass er das nicht beabsichtigte.

“Ich brauche die Namen und die Anzahl der Männer, mit denen Sie angeblich vor zwei Nächten zusammen gewesen sind. Geben Sie mir die und wenn Ihr Alibi korrekt ist, dann können Sie gehen.”

“Okay”, grunzte Nell.

Seine Reaktion darauf war ein weiteres Zeichen, das er wahrscheinlich unschuldig bei den Morden war. Es gab keine sofortige Erleichterung auf seinem Gesicht, aber eine Art kurze Irritation, dass er irgendwie schon wieder im Verhörraum gelandet war.

Mackenzie nahm die Namen der Männer auf und notierte sie für Dagney oder wer immer für solche Dinge zuständig war, Nell’s Handy nach den Nummern zu durchsuchen. Sie verließ den Verhörraum und ging zurück in den Beobachtungsraum.

“Also?”, sagte Rodriguez.

“Er ist nicht unser Mann”, sagte Mackenzie. “Aber nur fürs Protokoll, hier ist eine Liste von Freunden, mit denen er angeblich in der Nacht in dem die Kurtzes getötet wurden, zusammen war.”

“Sind Sie sicher?”

Sie nickte.

“Es gab keine echte Erleichterung, als ich ihm gesagt habe, dass er gehen kann, wenn sein Alibi überprüft worden ist. Und ich habe versucht, eine Reaktion aus ihm herauszulocken und ihn zu Fall zu bringen. Sein Verhalten weißt einfach nicht auf einen Schuldigen hin. Aber wie gesagt, wir sollten die Komplizen überprüfen, nur um sicher zu sein. Nell hat sich garantiert irgendetwas zuschulden kommen lassen. Mein kaputter Rücken beweist das. Glauben Sie, Sie können herausfinden, was das ist?”

“Darauf können Sie sich verlassen.”

Sie verließ die Station, vertrauend darauf, dass Mike Nell nicht ihr Mann war. Irgendwo darüber hinaus begann sie an ihren Vater zu denken.

Sie nahm an, das sollte so sein. Es gab ein paar Ähnlichkeiten zwischen seinem Fall und dem aktuellen Fall. Jemand war in ein Haus eingebrochen, ohne Anzeichen gewaltsamen Eindringens, das deutete darauf hin, dass die Paare den Mörder kannten und ihn freiwillig hereingelassen hatten. Sie erinnerte sich kurz an ihren Vater, blutbespritzt auf dem Bett liegend, als sie sich die Bilder in Erinnerung rief, die sie bei den Kurtzes und Sterlings in den Akten gesehen hatte.

Der Gedanke an ihren verstorbenen Elternteil ließ sie stärker mit Harrissons Situation mitfühlen. Sie fuhr so schnell sie konnte zum Motel zurück, aber als sie an seine Tür klopfte, antwortete er nicht. Mackenzie ging zum Rezeptionstisch und fand einen gelangweilt aussehenden Rezeptionisten vor, der durch ein Star Magazin blätterte.

“Entschuldigung ist mein Partner schon weg?”

“Ja, vor ungefähr fünf Minuten. Ich habe ihm ein Taxi zum Flughafen gerufen.”

“Danke”, sagte Mackenzie ernüchtert.

Sie verließ die Rezeption seltsam entfremdet. Okay, sie war auch bei anderen Fällen schon alleine gewesen, besonders als sie noch als Detektivin in Nebraska gearbeitet hatte. Aber in einer fremden Stadt ohne einen Partner zu sein, ließ sie sich besonders alleine fühlen. Es ließ sie sich ein wenig unbehaglich fühlen und es gab keinen Grund das zu ignorieren.

Mit dem Gefühl des Deplatziertsein, das mit jeder Sekunde stärker wurde, machte Mackenzie das, was sie immer machte, um es aufhören zu lassen: Sie vergrub sich wieder in der Arbeit. Sie ging zurück zu ihrem Auto und fuhr direkt zurück zur Wache. Den Fall alleine zu bearbeiten war vielleicht ein wenig deprimierend, aber es könnte auch die Motivation sein, die sie brauchte, um den Mörder zu finden, bevor der Tag zu Ende war.

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399 ₽
Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
222 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9781640292048
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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