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Keywords: Sprachwandel, Textsorte, Genre, österreichisches Deutsch

Auch im folgenden Abstract des Artikels „Deep resequencing of GWAS loci identifies independent rare variants associated with inflammatory bowel disease“ aus dem Fachbereich Genetik gelingt es, die logisch motivierte Struktur effizient umzusetzen.3 Anders als im obigen Beispiel liegt hier aber ein deutlicher Fokus auf den eigenen Ergebnissen, was für Abstracts in diesem und anderen naturwissenschaftlichen Fachbereichen typisch ist, wenn der Artikel ein „Research Article“ ist.

Beispiel 5: Naturwissenschaftlicher Abstract (>>Beispielübersicht)

[Forschungsbereich etablieren] More than 1,000 susceptibility loci have been identified through genome-wide association studies (GWAS) of common variants; [Nische etablieren] however, the specific genes and full allelic spectrum of causal variants underlying these findings have not yet been defined. [Nische besetzen] Here we used pooled next-generation sequencing to study 56 genes from regions associated with Crohn’s

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disease in 350 cases and 350 controls. Through follow-up genotyping of 70 rare and low-frequency protein-altering variants in nine independent case-control series (16,054 Crohn’s disease cases, 12,153 ulcerative colitis cases and 17,575 healthy controls), we identified four additional independent risk factors in NOD2, two additional protective variants in IL23R, a highly significant association with a protective splice variant in CARD9 (P < 1 × 10 – 16, odds ratio ˜ 0.29) and additional associations with coding variants in IL18RAP, CUL2, C1orf106, PTPN22 and MUC19. We extend the results of successful GWAS by identifying new, rare and probably functional variants that could aid functional experiments and predictive models.

Anders gestaltet ist der folgende Abstract des Artikels „Genome-wide association study of flowering time and grain yield traits in a worldwide collection of rice germplasm“, der ebenfalls aus dem Fachbereich Genetik stammt.4 Hier wird die Nische nicht benannt bzw. explizit gemacht und damit eine Strukturvariante gewählt, die vor allem in hochspezialisierten Zeitschriften zu finden ist.

Beispiel 6: Naturwissenschaftlicher Abstract (>>Beispielübersicht)

[Forschungsbereich etablieren] A high-density haplotype map recently enabled a genome-wide association study (GWAS) in a population of indica subspecies of Chinese rice landraces. [Nische besetzen] Here we extend this methodology to a larger and more diverse sample of 950 worldwide rice varieties, including the Oryza sativa indica and Oryza sativa japonica subspecies, to perform an additional GWAS. We identified a total of 32 new loci associated with flowering time and with ten grain-related traits, indicating that the larger sample increased the power to detect trait-associated variants using GWAS. To characterize various alleles and complex genetic variation, we developed an analytical framework for haplotype-based de novo assembly of the low-coverage sequencing data in

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rice. We identified candidate genes for 18 associated loci through detailed annotation. This study shows that the integrated approach of sequence-based GWAS and functional genome annotation has the potential to match complex traits to their causal polymorphisms in rice.

Auf ähnliche Weise setzt auch der folgende Abstract des soziologischen Artikels „Locating ‚Family Practices‘“ die charakteristische Struktur eines Article Abstract nicht vollständig um. Konkret sehen wir hier, dass zwar der Forschungsbereich etabliert und eine Nische (in Form von klar formulierten Zielen) besetzt wird, die Nische jedoch nicht zuvor etabliert wird: Dass und warum es notwendig oder hilfreich ist, diese Ziele zu verfolgen, bleibt in diesem Abstract implizit.5

Beispiel 7: Soziologischer Abstract (>>Beispielübersicht)

[Forschungsbereich etablieren] The idea of ‘family practices’ is now quite widely used in British family sociology. [Nische besetzen] The aim of this article is to locate this reformulation by looking, firstly, at the term’s place within more general discussions of practices and, secondly, to explore the implications of a more specific focus on family practices. Through a comparison with some other possible and overlapping approaches, I consider the extent and ways in which the family practices approach successfully goes ‘beyond’ more established understandings of family.

Keywords: Family Practices, Family Theory, Intimacy, Personal Life, Configurations

Wie bei den meisten Konventionen, die keinem ausformulierten, verbindlichen Regelwerk folgen, gibt es auch beim Abstract Abweichungen von der Norm. So ist es z. B. denkbar, im Rahmen eines (wohl eher längeren) Abstracts sowohl Einwände vorwegzunehmen, an eine Tradition anzuschließen und eine Frage aufzuwerfen. Ebenso wie bei den meisten

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Konventionen gilt aber auch hier: Sie sollten die Spielregeln kennen, bevor Sie daran denken, sie zu variieren oder von Ihnen abzuweichen.

Besonders im Fall von kurzen Abstracts nahe der 100-Wort-Grenze entspricht jede wesentliche Funktion bzw. jeder Schritt oft nur einem Satz oder zwei Sätzen, wie auch in den obigen Beispielen zu sehen war. Manchmal werden allerdings auch zwei Schritte innerhalb eines einzigen Satzes umgesetzt. Der folgende, etwas längere Abstract „Prinzipien eines Europäischen Vertragsrechts: liberal, marktfunktional, solidarisch oder…?“ aus dem Fachbereich der Rechtswissenschaft6 zeigt, dass ein Schritt nicht notwendigerweise mit einem Satz korrespondiert: Eckige Klammern markieren die drei Hauptschritte und machen gleichzeitig deutlich, dass der Aspekt der Forschungsfrage, Lücke oder Nische nicht auf einen Satz beschränkt werden muss. Das Schlüsselwort „Fragen“ findet sich im ersten und zweiten Satz und wird außerdem als „Eine der wichtigsten Herausforderungen“ im dritten Satz thematisch weitergeführt.

Beispiel 8: Rechtswissenschaftlicher Abstract (>>Beispielübersicht)

[Forschungsbereich etablieren] Das Projekt einer Vereinheitlichung des Europäischen Vertragsrechts wirft einige grundlegende Fragen im Hinblick auf die zentrale Rolle und Funktion des Vertragsrechts in gegenwärtigen Europäischen Gesellschaften auf. [Nische etablieren] Diese Fragen sind bisher weder beantwortet noch im Rahmen der aktuellen Anstrengungen zur Vereinheitlichung des Vertragsrechts innerhalb Europas in ausreichender Form behandelt worden. Eine der wichtigsten Herausforderungen für unsere traditionellen Vorstellungen von Vertragsrecht besteht in der Notwendigkeit, die mittlerweile zahlreichen vertragsrechtlichen Normen von schützendem Charakter – welche sich in den unterschiedlichen nationalen Verbraucher­schutznormen sowie in EU-Richtlinien und Ausnahmeregelungen finden – in die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts zu integrieren. [Nische besetzen] Dieser Beitrag erarbeitet

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detaillierte Vorschläge für die Einbindung von Aufklärungspflichten, Rücktrittsrechten und die vertragsrechtliche Inhaltskontrolle in die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts. Dabei wird das Solidaritätsprinzip als Gegengewicht zur Vertragsfreiheit herangezogen und im jeweiligen Rahmen der ökonomischen Theorien des „Ordoliberalismus“ und des „Sozialen Markts“ diskutiert.

Worauf sollte ich bei einem Article Abstract achten?

Neben den oben ausgeführten Richtlinien gibt es auch einige Fehler, die häufig bei Abstracts begangen werden. Wir besprechen diese auf den folgenden Seiten anhand von Beispieltexten in deutscher und englischer Sprache. Gerade im deutschsprachigen Raum ist – nicht zuletzt aufgrund der Begriffsverwirrungen – die Verwechslung der unterschied­lichen Abstract-Typen ein häufiges Problem: Ein Article Abstract wird wie ein Conference Abstract geschrieben; die Kurzfassung einer Dissertation im Stil eines Article Abstract usw. Die Unterschiede liegen, wie in den entsprechenden Kapiteln nachzulesen, vor allem in Umfang, Struktur, Stil und Funktion der jeweiligen Textsorte.

Ein häufiger Mangel bei Article Abstracts ist die Auslassung eines der obligatorischen Schritte: Wird etwa ohne Etablierung des Forschungsfeldes begonnen, die Nische nicht etabliert oder die eigene Arbeit nicht erwähnt, fehlt den Leserinnen und Lesern ein wichtiges Element für ihre Einschätzung des folgenden Artikels. Im folgenden, von uns adaptierten Abstract „Multilingual biographies and academic environments: Student migrants’ accounts“ aus dem Fachbereich Sprachwissenschaft fehlt eine einleitende Benennung des Forschungsfeldes. Dadurch wird es für die Leserinnen und Leser schwierig, eingangs zum Thema hinzufinden. Wie bereits erwähnt, hängt der Grad, zu dem eine solche Hinführung notwendig ist, durchaus von der Spezialisierung der Zeitschrift und dem Thema des jeweiligen Artikels ab: In einem thematisch breit gefächerten Journal sollte der Abstract zu einem Artikel mit Spezialthema anders eingeleitet werden als in einer Zeitschrift mit einem entsprechend engen Themenfeld.

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Beispiel 9: Sprachwissenschaftlicher Abstract (>>Beispielübersicht)

[Nische besetzen] In this paper, five narrative interviews with multi­lingual first year students of the Università della Svizzera italiana (Lugano) have been analyzed, paying attention to the rhetorical organization of narrative and argumentative discourse. The university requires these students to learn Italian, a second Swiss national language and English. All students have acquired competences in several languages and have developed similar lay theoretical explanations of language acquisition. When it comes to the way the first period of studying at university has been experienced, however, the students’ narratives and assessments differ. One student feels isolated and under strong time pressure because confronted with three foreign languages in top of the regular study program. The others consider one or two of the required languages as a first language and have satisfying social contacts, partly within groups of students having the same origin. Besides good linguistic competence in several languages, shared cultural experience appears to be a key resource for accessing social networks and informal learning situations in the first weeks of study.

Das Original des Abstracts von Johanna Miecznikowski7 beginnt hingegen mit zwei einleitenden Sätzen, die effektiv das Forschungsfeld abstecken, in dem die Arbeit anzusiedeln ist, und ebenso die Nische etablieren.

Beispiel 10: Ergänzung zu Beispiel 9 (>>Beispielübersicht)

[Forschungsbereich etablieren] Student migration, universities’ institutionalized multilingual language policies and the use of English for academic purposes make academic environments increasingly multilingual. [Nische etablieren] Biographical narratives may provide useful insights about the students’ view on this development.

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Ein weiterer Fehler beim Verfassen von Abstracts ist eine „verkehrte“ Reihenfolge, also eine Abfolge von funktionalen Schritten, die nicht der logisch motivierten Struktur entspricht. Im folgenden, von uns abgewandelten Abstract „Befindlichkeit – eine Determinante im Antwortverhalten?“ aus dem Bereich Soziologie werden die Leserinnen und Leser unmittelbar mit den Zielen und Methoden der Arbeit konfrontiert [1 – 3], während Verortung und zugrunde liegende Motivation erst im Anschluss etabliert werden [4].

Beispiel 11: Soziologischer Abstract (>>Beispielübersicht)

[1] Die vorliegende Analyse prüft, ob und in welchem Ausmaß die aktuelle Befindlichkeit des Befragten auf die Antwort (Urteilsvergabe) einen Einfluss haben kann. [2] Dabei wird nicht von einem grundsätzlichen Effekt ausgegangen, vielmehr wird das mögliche Antwortverhalten in Abhängigkeit von Zentralität und den Fragetypen analysiert. [3] Die Prüfung erfolgt anhand einer Sekundäranalyse von drei Befragungen, in welcher die Befindlichkeit als Variable erfasst worden ist. [4] Eine solche Prüfung ist notwendig, weil sich die Artefaktforschung bei der Suche und Prüfung von Artefaktquellen bis dato vor allem auf Methoden- und Situationsaspekte konzentriert und nur selten dem Einfluss von Befindlichkeit auf das Antwortverhalten nachgegangen ist. [5] Die Ergebnisse zeigen deutliche Effekte auf das Antwortverhalten, und zwar in Abhängigkeit von der Zentralität (Ich-Zentralität) der Frageformulierung.

Im Vergleich dazu folgt das Original von Reinhard Bachleitner und Martin Weichbold8 dem typischen Aufbau und führt somit überzeugend zum Thema hin: Vom Forschungsfeld über das Forschungsdesiderat zu Ziel und Methode, bevor abschließend die Ergebnisse kurz umrissen werden.

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Beispiel 12: Ergänzung zu Beispiel 11 (>>Beispielübersicht)

Die Artefaktforschung zentriert sich bei der Suche und Prüfung von Artefaktquellen vor allem auf Methoden- und Situationsaspekte. Selten geht sie dem Einfluss von Befindlichkeit auf das Antwortverhalten nach. Die vorliegende Analyse prüft, ob und in welchem Ausmaß die aktuelle Befindlichkeit des Befragten auf die Antwort (Urteilsvergabe) einen Einfluss haben kann. Dabei wird nicht von einem grundsätzlichen Effekt ausgegangen, vielmehr wird das mögliche Antwortverhalten in Abhängigkeit von Zentralität und den Fragetypen analysiert. Die Prüfung erfolgt anhand einer Sekundäranalyse von drei Befragungen, in welcher die Befindlichkeit als Variable erfasst worden ist. Die Ergebnisse zeigen deutliche Effekte auf das Antwortverhalten, und zwar in Abhängigkeit von der Zentralität (Ich-Zentralität) der Frageformulierung.

Ein letztes häufiges Problem bei Abstracts besteht darin, dass zwar alle funktionalen Schritte umgesetzt sind, aber der eine oder andere „zerrissen“ ist, also verstreut bzw. durch einen anderen unterbrochen ist. Im folgenden, abgewandelten Beispiel des Abstracts „Zur Formierung sozialer Gedächtnisse“ kündigt Satz [1] den Beitrag des Artikels schon zum Teil an, noch bevor in [2], [3] und [4] Forschungsfeld und Problem angesprochen werden. In [5] und [6] wird dann schließlich der anfangs bereits begonnene Schritt zur Ankündigung der eigenen Leistung vervollständigt. So zerreißt die Struktur die intendierte logische Abfolge.

Beispiel 13: Soziologischer Abstract (>>Beispielübersicht)

[1] Dieser Artikel setzt bei einer Kritik und Diskussion der beiden Varianten des soziologischen Verständnisses sozialer Gedächtnisse an und führt diese zu einer Untersuchung variierender und selektiver Mechanismen der Formierung sozialer Gedächtnisse. [2] Gegenwärtige soziologische Theorien zu sozialen Gedächtnissen fallen typischerweise in zwei Kategorien: [3] Sie schließen entweder an die Überlegungen von Halbwachs an und gehen von der Fundierung des sozialen Gedächtnisses in kollektiver Interaktion aus. [4] Oder sie gehen vom Theorem funktionaler Differenzierung aus und binden die Formierung sozialer Gedächtnisse

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an Leitmedien und eine vorherrschende Differenzierungsform. [5] Neben den variierenden Faktoren funktionale, kulturelle und generationelle Differenzierung, Medialität, Authentizität und den kommunikativen Gattungen der Narration und des Diskurses wird als selektiver Mechanismus die Relevanz identifiziert. [6] Beide werden zu einer wissenssoziologisch fundierten Theorie der Formierung sozialer Gedächtnisse verbunden.

Das Original dieses Abstracts von Gerd Sebald und Jan Weyand9 folgt hingegen der etablierten Struktur eines Article Abstracts und setzt sie Schritt für Schritt um:

Beispiel 14: Ergänzung zu Beispiel 13 (>>Beispielübersicht)

Gegenwärtige soziologische Theorien zu sozialen Gedächtnissen schließen typischerweise entweder an die Überlegungen von Halbwachs an und gehen von der Fundierung des sozialen Gedächtnisses in kollektiver Interaktion aus. Oder sie gehen vom Theorem funktionaler Differenzierung aus und binden die Formierung sozialer Gedächtnisse an Leitmedien und eine vorherrschende Differenzierungsform. Diskussion und Kritik der beiden Varianten des soziolo­gischen Verständnisses sozialer Gedächtnisse münden in eine Untersuchung variierender und selektiver Mechanismen der Formierung sozialer Gedächtnisse. Neben den variierenden Faktoren funktionale, kulturelle und generationelle Differenzierung, Medialität, Authentizität und den kommunikativen Gattungen der Narration und des Diskurses wird als selektiver Mechanismus die Relevanz identifiziert. Beide werden zu einer wissenssoziologisch fundierten Theorie der Formierung sozialer Gedächtnisse verbunden.

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1.2 Conference Abstract

Grundsätzlich gelten auch für den Conference Abstract einige Gestaltungsprinzipien, die für den Article Abstract zuvor gezeigt wurden: Auch er folgt einer logisch motivierten Struktur; auch er dient dazu, den Leserinnen und Lesern auf knappem Raum einen Einstieg in das Thema zu ermöglichen, und soll sie neugierig machen. Im Gegensatz zum Article Abstract bezieht sich der Conference Abstract allerdings nicht auf einen bereits fertig geschriebenen, akzeptierten wissenschaftlichen Artikel, sondern auf einen zukünftigen Beitrag im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz. Die Organisatorinnen bzw. Organisatoren von Konferenzen verlangen u. a. für mündliche Präsentationen (im Rahmen von Panels), für Poster-Präsentationen und selbst bei eingeladenen Vorträgen das Einreichen von Abstract dieser Art.

Jedenfalls findet eine solche Einreichung geraume Zeit vor der eigentlichen Konferenz statt. Der Konferenzbeitrag, auf den sich diese Art Abstract bezieht, ist also nicht nur noch nicht geschrieben, entworfen oder ausformuliert, häufig ist auch die Forschung, auf die sich der Konferenzbeitrag beziehen wird, noch nicht abgeschlossen und schreitet zwischen Verfassen des Abstracts und der tatsächlichen Konferenz weiter voran. Diese spezielle Situation ist für einige Besonderheiten das Conference Abstract verantwortlich, insbesondere seine explizite zeit­liche Perspektive.

Zunächst sei aber der augenscheinlichste Unterschied zum Article Abstract angesprochen: In der Regel haben Sie für einen Conference Abstract deutlich mehr Platz, sprich Wörter, zur Verfügung. Anstatt 100 bis 150 Wörter erlauben die Veranstalterinnen bzw. Veranstalter von Konferenzen meist um die 500 Wörter. Auf dem drei- bis fünffachem Raum kann daher diese Art von Abstract auch detailreicher gestaltet werden. Das folgende Beispiel – ein Auszug aus dem typischen Call for Papers der Societas Linguistica Europaea – präzisiert die Anforderungen an die erwünschten Abstracts:

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Beispiel 15: Call for Papers (>>Beispielübersicht)

For all abstracts the deadline for submission is January 15th 2012. Authors are requested to register and upload their abstract individually via the conference website. So please note that all abstracts must be registered and uploaded. – Abstracts should be (1) anonymous and (2) contain between 400 and 500 words (exclusive of references). (3) They should also state research questions, approach, method, data and (expected) results.

Neben den technischen und organisatorischen Anforderungen (Regis­trierung, Upload etc.) stechen in obigem Beispiel vor allem die Wortbeschränkung und die inhaltlichen Anforderungen hervor. Für die Wortgrenze ist auch der Hinweis, dass Literaturhinweise nicht zur Wortsumme zählen, von Bedeutung – dies wird allerdings unterschiedlich gehandhabt.

Durch die Inhalte ist gleichzeitig auch eine Grobstruktur vorgegeben. Wie im obigen Beispiel folgt diese immer der inneren Logik der Motiviertheit, auch wenn die einzelnen Abschnitte eventuell anders benannt werden: research questions, approach, method, data and (expected) results – Forschung folgt einer Fragestellung, findet einen Zugang, konkrete Methoden, erhebt / analysiert Daten und kommt zu Ergebnissen. Was die Zeitperspektive des Conference Abstract angeht, so ist die gegenwärtige Position im Forschungsprozess zu markieren. Wurden die Daten schon erhoben? Wurden sie bereits ausgewertet? Im Gegensatz zu dieser Ebene, die je nach Fortschritt der Forschungsarbeit unterschiedlich gestaltet werden sollte, wird der eigene Konferenzbeitrag im Abstract in aller Regel als etwas Zukünftiges dargestellt. Anders als der Article Abstract also, der auf den begleiteten Artikel als etwas Gegenwärtiges referiert, bezieht sich diese Art Abstract auf die Präsentation selbst als etwas, das erst geschehen wird. Es gibt allerdings auch Konferenzen, die explizit Beiträge einfordern, die bereits beendete oder in Beendigung befindliche Forschungsarbeiten referieren und in denen reine Absichtsbekundungen im Hinblick auf die Forschung nicht akzeptiert werden.

Das folgende anonyme Beispiel ist ein Conference Abstract mit dem Titel „Tracing long-term discursive change through shifts in argumentative patterns“, der für die Österreichische Linguistik Tagung eingereicht

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wurde. Charakteristisch sind die Verweise auf Zukünftiges (die Präsentation) bei gleichzeitigem Rückbezug auf Abgeschlossenes (die Forschungsarbeit).

Beispiel 16: Sprachwissenschaftlicher Conference Abstract (>>Beispielübersicht)

The proposed paper will show how, within the context of a specific research project, argumentation theory and, specifically, analytic categories derived from it, became a key element in the analysis of long-term discursive change. The research in question is a discourse-historical study of the ideological and political dimension of film theory over a period of roughly 50 years, beginning in the 1910s and extending up to 1960. The operationalised procedure involved (1) the identification of recurring argumentative patterns, some of them defined on a formal and some on a thematic level, within the text corpus; (2) identifying the patterns’ interdependencies within the overall discourse; and (3) mapping the specific configuration of argumentative patterns at one of several historical moments. In case of the research project within which this three-step procedure was employed, this method revealed not only the nominal consistency of patterns across the decades, but also the massive re-configuration of their interconnections and interdependencies. After describing this application in some detail, I will go on to explore the possibilities of articulating and elaborating what was essentially a pragmatic solution to an analytic impasse at a theoretical and methodological level.

Worauf sollte ich bei meinem Conference Abstract achten?

Wie bereits angesprochen ähnelt der Conference Abstract in seinem inneren Aufbau den anderen Typen des Abstracts. Er enthält in der Regel:

• Einbettung in das Forschungsfeld

• Fragestellung, Ziele, Hypothesen

• Beschreibung des Zugangs (einschließlich konkreter Erhebungs- und Analysemethoden)

• Beschreibung der Daten

• zentrale Ergebnisse (bzw. Vorschau auf Ergebnisse)

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Anders als bei meist deutlich kürzeren Article Abstracts ist es im Rahmen dieser Struktur allerdings auch möglich, einen Punkt zu fokussieren. Dies sollte je nach Stand der Forschungsarbeit geschehen und kann bedeuten, dass Sie näher auf theoretische Grundlagen eingehen, das Forschungs­design detaillierter beschreiben oder wichtige Ergebnisse vorstellen. Auch ist es im Conference Abstract möglich, bestimmte Entscheidungen in der eigenen Forschungsarbeit zu argumentieren bzw. zu reflektieren. Warum wurde dieser theoretische Rahmen gewählt und jener Methodenmix? Auf welcher Grundlage erfolgte die Datenauswahl?

Anders als beim Article Abstract, der bis auf wenige Ausnahmefälle erst verlangt wird, nachdem ein Artikel angenommen wurde, und der diese Annahme daher nicht mehr beeinflusst, entscheidet der vor der Präsentation eingereichte Conference Abstract über die Annahme oder Ablehnung Ihres Beitrages. Er sollte daher nicht nur ein inhaltlich richtiges und schlüssiges Bild von Ihrer Forschungsarbeit vermitteln, in sich logisch und motiviert strukturiert sein, sondern auch dazu geeignet, das mit der Auswahl der Konferenzbeiträge beauftragte Komitee zu überzeugen. Es empfiehlt sich daher, im Rahmen des Abstracts einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der eigenen Arbeit und dem Leitthema bzw. den genauer ausgeführten Themenbereichen der jeweiligen Konferenz herauszuarbeiten.

Damit ist nicht gemeint, dass Sie Ihre Forschung unter falschem Namen „an den Mann oder die Frau bringen“ sollen. Vielmehr gibt es in vielen Fachbereichen z. B. in einem Themenfeld konkurrierende bzw. sich überlappende Begriffe und Konzepte, die unterschiedliche Aspekte eines Phänomens betonen. Die beiden folgenden Beispiele für solche Situationen beziehen sich auf den Fachbereich der Kommunikationswissenschaft bzw. Kulturanthropologie.

Beispiel 17: Situationsbeispiel 1 (>>Beispielübersicht)

In der Kommunikationswissenschaft werden in unterschiedlichen Rahmen verschiedene Begriffe verwendet, um Taxonomien von Arten von Texten zu erstellen bzw. Texte nach ihrer Funktion, Zielgruppe, Struktur etc. zu unterscheiden. Dazu zählen „Textsorte“, „Texttyp“, „Textart“ und das

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auch im englischen Sprachraum verwendete „Genre“. Verwenden Sie in Ihrer Arbeit bisher immer den englischen Fachbegriff „Genre“, d. h. auch in Ihren deutschsprachigen Texten, so kann es für eine deutschsprachige Konferenz, die sich mit dem Begriff „Textsorte“ positioniert, sinnvoll sein, sich auch mit dem entsprechenden Begriff auseinanderzusetzen und ihn in Ihrem Abstract zu verwenden.

Beispiel 18: Situationsbeispiel 2 (>>Beispielübersicht)

In der kulturanthropologischen Forschung gibt es neben der Perspektive „Tradierung und Weitergabe von Wissen“ auch einen Zugang, der den Prozess der Erinnerung, bei dem Wissen re-konstruiert wird, betont. Arbeiten Sie nun in Ihrer Forschung eigentlich mit dem Konzept der Tradierung über Wissensweitergabe im Migrationskontext und erhalten einen Call for Papers zu einer Konferenz, zu der Ihre Forschung thematisch gut passt, in deren Ausschreibung aber die Begriffe „Gedächtnis“ und „Erinnerung“ betont werden, so kann es sich lohnen, auch mal den Blickwinkel zu wechseln. In solchen Fällen sollten Sie natürlich abwägen, wie viel Aufwand eine solche Ergänzung oder Erweiterung Ihrer Arbeit mit sich bringt und ob sich der Aufwand lohnt. Solche von außen motivierten Perspektivenwechsel können erstens sehr inspirierend sein, zweitens sind Konferenzen aber oft auch ein Indikator für wissenschaftliche Trends und eine Gelegenheit, den Anschluss an diese nicht zu verlieren.

Zu guter Letzt sollte ein Conference Abstract, der zwischen sechs und zwölf Monaten vor der eigentlichen Konferenz geschrieben und eingereicht wird, auch noch entsprechend offen gestaltet sein, damit die eigene Arbeit zum späteren Zeitpunkt noch zu dem passt, was Sie angekündigt haben. Dies ist besonders dann empfehlenswert, wenn Sie beim Schreiben des Abstracts noch keine oder nur vorläufige Ergebnisse vorliegen haben. Solche Offenheit muss keinesfalls Vagheit oder Ungenauigkeit im Abstract bedeuten; vielmehr geht es darum, Zukünftiges auch als solches darzustellen, auch wenn diese Perspektive vielleicht ungewohnt ist. Ebenso bieten sich abgeschwächte Formulierungen bezüglich der Ziele und erwarteten Ergebnisse an: „soll zeigen“ statt „zeigt“, „­darauf hindeuten“ statt „beweisen“; im Englischen „aims to“, „shall“ und „indicates“

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anstatt „shows“. Somit fallen geringfügige Änderungen und Abweichungen im Laufe des Forschungsprozesses noch innerhalb des vorgegebenen bzw. angekündigten Rahmens.

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9783846337622
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