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•riskiert man Ressourcen-Vergeudung oder versäumt die rechtzeitige Bereitstellung von Ressourcen;

•vergibt man die Möglichkeit, Fortschritte zu dokumentieren und sich gemeinsam über Fortschritte und Erfolge zu freuen.


•Welche Projekte fallen Ihnen ein, die weniger gut gelaufen sind, weil einer dieser Bausteine vernachlässigt wurde?

7. Evaluieren

Es ist noch nicht sehr verbreitet, Projekte systematisch evaluierend zu begleiten und die Ergebnisse sowie deren Zustandekommen einer nachträglichen Prozess- und Wirkungsanalyse zu unterziehen. Was haben wir gelernt, lernen müssen? Was würden wir wieder so oder gerade anders machen, wenn wir nochmals vor der Entscheidung stünden? Was können wir bei neuen Projekten besser machen? Welche Erschwernisse können wir künftig vermeiden, wie können wir Ressourcen effektiver einsetzen? usw.

Prozess- und Wirkungsanalyse

Man muss immer damit rechnen, dass Aktionen gelingen oder misslingen. Es empfiehlt sich demnach, die Wege und Ergebnisse handlungsbegleitend zu protokollieren und abschließend auszuwerten. Auf diese Weise findet strategisches Problemlöse-Lernen über den aktuellen Fall hinaus statt. Evaluation besteht im Prinzip darin, während und nach dem Veränderungsprozess zu prüfen, ob das angestrebte (Zwischen-)Ziel auf dem vorgesehenen Weg erreicht wurde und das Ergebnis den Hoffnungen und Wünschen entspricht. Sofern die Möglichkeit besteht, kann man auch Außenstehende um die Prozesskontrolle und Wirkungsanalyse bitten (z. B. Schulpsychologische Dienste).

Unbedachte Folgewirkungen

«Nach dem Wandel ist vor dem Wandel.» Es kommt nicht selten vor, dass man am Ziel feststellen muss, dass es unbedachte, vor allem unerwünschte Folgewirkungen hat, die den Nutzen neutralisieren oder gar ins Gegenteil verkehren. So kann z. B. das Ziel, eine «Eliteschule» zu werden, dazu führen, dass Lehrpersonen und Schülerschaft überfordert werden oder sich selbst überfordern. Die einen werden möglicherweise physisch und psychisch krank, die anderen wechseln die Schule, wenn sie den Ansprüchen nicht genügen (aber vielleicht ist das ja dann auch gewollt).

Gefahr des Scheiterns

Angesichts der Situation in Schulen mag es trösten, dass auch in der Wirtschaft rund 70 Prozent der Projekte scheitern (Beer & Nohria, 2001)! Die Gründe dafür reichen vom Mangel an Kapazitäten über stilles Absterben der Maßnahmen, weil sich niemand ernsthaft kümmert, Überforderung durch den gleichzeitigen, unkoordinierten Beginn neuer Änderungsvorhaben bis hin zu offenem Streit über Sinn, Ziele und Wege. Vielfach werden ohnehin «Hochglanz»-Ziele ausgerufen, mit deren Erreichen von vornherein niemand ernsthaft rechnet. Egal, ob sie schon in der Planungsphase, beim Start, im Verlauf oder erst bei der Nachhaltigkeitssicherung «begraben» werden – das Ergebnis ist Unzufriedenheit und eigentlich vermeidbarer Energieverlust («Heizen bei offenem Fenster»[5]), was sich auf die nächsten Initiativen sowie auf die Erfüllung der übrigen Aufgaben bremsend auswirkt.


•Welcher der sieben Schritte kommt in Ihrer Schule regelmäßig zu kurz? •Welche negativen Lernerfahrungen aus zwei aktuellen oder kürzlich beendeten Projekten sind in der Schulgemeinde und bei der Schulleitung «hängengeblieben»? •Wie können Sie diese Fehler künftig vermeiden?

2.2 Widerstände und Hindernisse bei der Entwicklungsarbeit

Nicht jede Veränderung stößt auf Zustimmung und Änderungsbereitschaft bei den Betroffenen und Beteiligten. Sich auf Neues einzulassen, verlangt eine bewusste Entscheidung: Es fordert Loslassen von Vertrautem, von Gewohnheiten und Vorlieben; man muss sich auf unsicheres Terrain begeben. Dem steht eine Vielzahl von tatsächlichen oder vorgeschobenen Hindernissen gegenüber, die als «Widerstand» oder «Änderungsresistenz» auf Beibehaltung des Status quo drängen.

Daher wollen wir dieses Thema ausführlicher behandeln. Verständnis für Widerstand und Analyse seiner Beweggründe können helfen, ihn zu überwinden und seine negative Wirkung auf die psychosozialen Leistungsvoraussetzungen zu verringern, insbesondere auf Kooperation, Interaktion und Kommunikation.

Vielschichtige Beweggründe für Widerstand gegen Veränderungen

Widerstand kann sich sehr pauschal als emotionales «Dagegensein» oder als kognitive Abneigung gegen Veränderung überhaupt äußern. Oft ist man ja mit dem Spatz in der Hand zufrieden. Das gilt schon für individuelle Veränderungen und macht sich erst recht in Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichem Problembewusstsein bemerkbar.

Tabelle 1 listet einige Erscheinungsformen von unspezifischem Widerstand auf (→ Arbeitshilfe 2.2).


Verbal (Reden) Nonverbal (Verhalten)
Aktiv (Angriff) Widerspruch Gegenargumentation Vorwürfe Drohungen Polemik Sturer Formalismus Aufregung Unruhe Intrigen Cliquenbildung
Passiv (Flucht) Ausweichen Schweigen Bagatellisieren Blödeln Ins Lächerliche ziehen Unwichtiges debattieren Lustlosigkeit Unaufmerksamkeit Müdigkeit Fernbleiben Innere Emigration Krankheit

Tabelle 1: Äußerungsformen von Widerstand

Widerstand kann sich aber auch ganz gezielt gegen bestimmte Ziele, Maßnahmen und Personen wenden, sich auf absehbare Folgen oder befürchtete (Neben-)Wirkungen beziehen. Bequemlichkeit, Angst, mangelnde Detailkenntnis, erwartete Nachteile, unzutreffende Vorannahmen, Vorurteile etc. können zu Ablehnung von Innovationen führen, ebenso wie Vorbehalte gegen tatsächliche oder vermutete Menschen- und Leitbilder hinter den Maßnahmen. Gleichermaßen können die Personen Widerstand hervorrufen, die die Veränderungen befürworten oder verantworten.

Widerstand – ein emotional aufgeladener Begriff

In der Regel führt Widerstand auf beiden Seiten zu mehr oder weniger heftigen Emotionen. Schnell finden sich dann Gleichgesinnte zusammen, die solidarisch Auto- und Heterostereotype pflegen und Kluften bis hin zu offenen Verfeindungen im Kollegium aufreißen. Damit werden individuelle und kollektive Energien gebunden, und das zwischenmenschliche Klima wird belastet. Dann dürfte Schulentwicklung eher scheitern.

Manchmal wird Widerstand auch einfach unterstellt: Je nachdem wie eine Gegenmeinung formuliert und vorgetragen wird, kann man sie leichtfertig und abwertend als «Widerstand» deklarieren und sich vermeintlich eine rationale Auseinandersetzung mit Argumenten sparen. So lassen sich schnell Meinungsverschiedenheiten dramatisieren oder drastische Gegenmaßnahmen rechtfertigen («Widerstand brechen»). Man kann damit eine Person auch elegant desavouieren. Diese Zuschreibung erzeugt ihrerseits Abwehr, Unmut, Aggression und «Gegenwiderstand». Aus einer sachlichen Differenz wird schnell ein Beziehungskonflikt, in dem die eine Seite nur (noch) wenig Dialogbereitschaft aufbringt und genau diese den «Widerständlern» abspricht. Es fällt im Übrigen leichter, andere so zu etikettieren, als dass man sich selbst Widerständigkeit nachsagen lässt. Nicht selten wird angeblicher Widerstand auch als Erklärung verwendet, um eigenes Scheitern zu entschuldigen.


•Welche Erscheinungsformen von Widerstand erleben Sie in Ihrem Kollegium? •Mit welchen können Sie gut umgehen? Welche provozieren Sie? •Welche Interaktionsformen sollten unbedingt vermieden werden, um den Änderungswiderstand nicht noch zu steigern?

Widerstand als Reflexionsanlass

Andererseits kann Widerstand aber auch vertieftes Nachdenken bei den Protagonisten eines Projekts auslösen. Denn es sollte immer bedacht werden: In jedem Stadium eines Entwicklungsprozesses kann es ernst zu nehmende und fundiert begründete fachliche, ethische, gesundheitliche, juristische, politische … Bedenken oder Gegenmeinungen geben. Auch ein Hinweis auf potenzielle unerwünschte Neben- oder Spätwirkungen sollte nicht voreilig als (bösartige) Änderungsresistenz ausgelegt werden. Vielmehr gilt es, Argumente sorgsam zu prüfen und zu würdigen, sie ggf. sachlich zu entkräften oder sie zu akzeptieren und das Vorhaben neu zu überdenken.

Besondere Beachtung verdient Widerstand aus Gewissensgründen. Hochrangige Leitbilder oder z. B. ethische, moralische und religiöse Überzeugungen genießen besonderen Schutz und dürfen nicht ohne Weiteres übergangen oder beiseite gewischt werden.[6]

Der Umgang mit Gegenmeinungen verlangt von den Protagonisten hohes kommunikatives Geschick (→ Kapitel 4), um die Emotionen nicht anzuheizen.

Quellen von Änderungsresistenz

Grundsätzlich macht es Sinn, drei Quellen von Widerstand gegen Veränderungen zu unterscheiden: «objektive» Hindernisse, individuelle Interessen oder Umstände und sozialbedingte Ablehnung.

Auch wenn sich die drei Aspekte nicht scharf trennen lassen, ist es doch für die Argumentation hilfreich, sie im Auge zu behalten.

«Objektive» Hindernisse

Zunächst sollte bei Beginn eines Projekts geprüft werden, welche «objektiven» Hindernisse ihm entgegenstehen könnten: Geld- und Personalmangel, ohnehin bestehende Überlastung, juristische Einwände, künftig zu erwartende Ereignisse, z. B. anstehender Wechsel der Schulleitung, u. a. Es wäre verlorene Mühe, individuelle und kollektive Motivation zu wecken, wenn eine Realisierung ohnehin höchst unwahrscheinlich ist oder deren Folgen bedenklich sind. Ein von vornherein absehbares Scheitern wäre nicht nur eine Blamage für die Planer, sondern auch Wasser auf die Mühlen derer, die ohnehin am Status quo festhalten wollten.

Sozialbedingte Gründe für Ablehnung

Daneben spielen soziale Faktoren eine Rolle. Von Entscheidungen, die eine Person für sich selbst trifft, sind in der Regel auch andere Personen betroffen, z. B. die Familie, das Kollegium. Ebenso wirken sich kollegiale Entscheidungen auf die einzelnen Lehrpersonen aus. So können ein ganzes Kollegium oder Teile davon ein Vorhaben infrage stellen, um Nachteile für einzelne Lehrpersonen abzuwenden.

In jedem Stadium einer kollegialen Problembearbeitung (Abbildung 5) kann es zu unversöhnlichen Auseinandersetzungen kommen, bis hin zum Abbruch des Projekts. So lässt sich diskutieren, ob eine IST-Stand-Analyse überhaupt richtig beschrieben und ausgewertet wurde. Oder es gibt Streit darüber, wer oder was das «eigentliche» Problem darstellt und wer stattdessen was und warum verändern müsste. Es kann unterschiedliche Meinungen zu der Bewertung der Dringlichkeit geben oder ob Ziele oder Wege die richtigen sind. («Wenn das die Lösung sein soll, dann will ich mein Problem behalten.») Prognosen und Entscheidungen lassen sich immer anzweifeln.

Während der Planung können Differenzen über Wege und Zuständigkeiten die Änderungsenergie schwinden lassen. Und noch im Handlungsprozess kann ein Projekt in sich zusammenfallen, weil die Widerstände gegen den Transfer in den Alltag unüberwindbar sind.

Ein soziales Hindernis für die Mitwirkung an einem Projekt – trotz persönlicher Teilnahmebereitschaft – kann für den ein oder andern darin bestehen, sich nicht gegen eine Gruppenmeinung stellen zu wollen oder mit einem ungeliebten, verordneten Projekt identifiziert zu werden. Ebenso sind Angst vor übler Nachrede («Der macht nur mit, um Karriere/sich lieb Kind zu machen») oder Statusverlust bei Misserfolg starke Motivationen für Änderungsresistenz.

Es gehören subtiles Verhandlungsgeschick, differenzierte Kommunikation, respektvolle Interaktion dazu, im Kollegium mit solchen Hindernissen und Widerständen konstruktiv umgehen und ggf. auch Ideen zurücknehmen zu können. Gegen geballten Widerstand ein selbstinitiiertes Projekt «durchzuziehen», würde die Motivation, sich jetzt und künftig überhaupt noch an Schulentwicklung zu beteiligen, aufs Spiel setzen. Mit Anordnungen und Weisungen lässt sich Schule allenfalls als Unterrichtsanstalt organisieren; ein lebendiges, kreatives, menschenfreundliches Bildungs-und Erziehungsensemble wird eher nicht entstehen.

Individuelle Hindernisse

Für individuell motivierte Ablehnung steht eine noch breitere Auswahl an Begründungen zur Verfügung, angefangen mit dem legendären «inneren Schweinehund» über innere Kündigung (→ Kapitel 9.8) bis hin zu behandlungsbedürftiger Resignation/Depression. Hinter vordergründigen Motivationen, wie «keine Zeit», verbergen sich nicht selten ganz andere Resistenzen, die man aber nicht ohne Weiteres offenlegen möchte. Sie finden häufig im Kollegium einen verstärkenden Widerhall, z. B.:

•Zweifel an dem Sinn einer neuen Aufgabe: «Wozu brauchen wir das überhaupt?»

•Zweifel am Gelingen: «Das schaffen wir sowieso nicht!»

•Empfinden ungleich verteilter Belastung: «Immer ich! Warum nicht mal andere?»

•Mangelndes Selbstwertgefühl und Angst vor Scheitern: «Ich fühle mich überfordert.»

•Überlastung: «Das kann ich mir nicht auch noch zumuten.»

•Phantasiemangel, wie die Aufgabe zu lösen sei: «Ich habe keine Idee, was man da machen könnte.»

•Unsicherheit: «Was kommt auf mich zu? Worauf lasse ich mich ein?»

•Verteidigung gegen Überrumpelung: «Ich muss darüber erst mal schlafen.»

•Schlechte Erfahrungen mit früheren Veränderungsprojekten: «Erst bekomme ich tolle Versprechungen, dann lassen sie mich hängen.»

Hinzu kommen mitunter sehr existenzielle Befürchtungen, z. B.:

•Angst vor Gesichtsverlust: Änderungsbedürfnis und Änderungsbedarf haben den Beigeschmack, indirekt zuzugeben, dass man vorher etwas falsch gemacht hat.

•Angst vor Kontrollverlust: Einbußen von Macht und Einfluss.

•Bedrohung: Veränderungen führen zu Gewinnern und Verlierern.

•Gewissenskonflikt (s. o.): Veränderungen können zum Widerspruch zu bisherigen Normen und Werten führen, zum Bruch mit Grundsätzen und Leitbildern (→ Kapitel 3): «Wenn ich da mitmache, verstoße ich gegen meine Werte und Überzeugungen.»

Jede dieser Begründungen ist zunächst einmal ernst zu nehmen. Ein plattes «Sie schaffen das schon» verstärkt vermutlich die ablehnende Haltung gegenüber der Projektidee oder der Person, die sie vertritt (=Bumerang-Effekt).


•Was machen Sie mit Kolleginnen und Kollegen, die eigentlich «gegen alles» sind? •Denken Sie an Veränderungsprojekte, die Ihnen selbst angetragen wurden: Welche Interaktionsstrategien haben Sie dabei als akzeptabel und motivierend empfunden, welche haben Ihren Widerstand aufgerufen?

Berufsbild und Änderungsresistenz

Die Motivation für außerunterrichtliches Engagement ist auch durch ein verbreitetes Selbstverständnis der Lehrerrolle bedroht (→ Kapitel 1.2). Obwohl Schulgesetze und die KMK alle Lehrpersonen (nicht nur die Schulleitung) zur Mitwirkung an der Weiterentwicklung ihrer Schule verpflichten, nehmen (manche, viele?) Lehrerinnen und Lehrer die Haltung ein: «Mein Arbeitsplatz ist meine Klasse – meine Aufgabe ist der Unterricht». Alle weiteren Forderungen, manchmal sogar Konferenzen, betrachten sie als lästige Zusatzaufgaben, als Zeitdiebstahl, als ungerechtfertigten Eingriff in ihre Lebens- bzw. Freizeitgestaltung. Daher dürfte für Schulleitungen der wichtigste Aspekt von Schulentwicklung sein, die Bereitschaft des Kollegiums zur aktiven Mitarbeit zu wecken, aufrechtzuhalten und zu fördern.

Letztlich sind allerdings auch Lehrpersonen an die Weisung der Schulleitung und der Schulaufsicht gebunden und haben angeordnete Aufgaben zu übernehmen – trotz möglicher individueller Hinderungsgründe.

«Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.»

Antoine de Saint-Exupéry

Psychische Beanspruchung

Kollegien haben in der Regel keine einhellige Meinung zu Änderungsprojekten. Aufgrund der individuellen Wirklichkeiten der Lehrpersonen wird allein schon die jeweilige IST-Situation sehr unterschiedlich wahrgenommen. In kleinen Teams von «Überzeugten», den «Start-ups», herrschen sicherlich homogene Interessen und eine hohe Änderungsbereitschaft vor; schließlich haben sie sich deswegen zusammengefunden. Je größer aber ein Kollegium ist, desto heterogener wird auch die Haltung zur Schulentwicklungsarbeit ausfallen.

Das Konzept der «psychischen Beanspruchung» (DIN 10075) erklärt, dass Probleme, schwierige Situationen, Führungsstile, Konflikte und Unzulänglichkeiten etc. je nach den individuellen Voraussetzungen von Person zu Person sehr unterschiedlich erlebt werden. Abhängig u. a. von Befähigungen, Kenntnissen, Leitbildern, psychischer Konstitution und momentaner Verfassung ergibt sich unterschiedlicher Motivationsdruck, etwas zu verändern. Was dem einen bedrohlich für seinen Selbstwert oder seine Leistungsfähigkeit erscheint, nimmt ein anderer gelassen und selbstsicher als Herausforderung seiner Kompetenzen an.

Verarbeitung von kritischen Ereignissen

Ebenso wenig einheitlich ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit, auf den Wandel eine Antwort suchen zu müssen. Kübler-Ross (1980) kommt anhand ihrer Beobachtungen von Verlusterfahrungen zu dem Ergebnis, dass die Verarbeitung kritischer Ereignisse und die Bewältigung von Krisen etwa diesem Ablauf folgen: Leugnung, dass etwas passiert ist – Auflehnung, Gefühl der Ohnmacht – Unterwerfung, Resignation – Neuorientierung, Aufbruch (Abbildung 6).


Abbildung 6: Spirale der Krisenbewältigung (nach: Schley, 1988)

Schley (1988) hat in Weiterführung der Forschungsergebnisse von Kübler-Ross darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Zyklus in Gruppen nicht im Gleichschritt verläuft, sondern zeitversetzt oder nur unvollständig. Dies kann zu schwierigen Konstellationen führen: Während die einen gar nichts von Veränderung sehen und hören möchten («business as usual»), andere sich noch über das Ereignis aufregen und nach Schuldigen suchen oder sich resigniert zurückziehen, gehen schon welche daran, neue Perspektiven und Lösungen zu finden. Diese individuellen Verarbeitungsgeschwindigkeiten machen es schwer, einen Konsens für Veränderungen herzustellen. Das gilt schon für angebotserweiternde Projekte, noch mehr aber in Bezug auf die Förderung und Festigung der psychosozialen Leistungsvoraussetzungen im Kollegium.

«Kollegien sind – wie laut Cäsar einst Gallien – dreigeteilt: Die einen verweigern Veränderungen, die anderen sind begeistert für den Fortschritt – und die Dritten warten ab, wer gewinnt.»


•Denken Sie an ein aktuelles Veränderungsvorhaben: Welche Personen im Kollegium befinden sich wohl in welchen Stadien der Schley-Spirale?

2.3 Bereitschaft zur Mitarbeit an Schulentwicklungsprojekten fördern

Menschen und Systeme sind im Prinzip nur aus zwei Gründen freiwillig zu Änderungen bereit: Wenn (1) die aktuelle Lage äußerst nachteilig oder unerträglich ist und eine Änderung Besserung verspricht oder (2) ein neues Ziel, eine neue Aufgabe so attraktiv ist, dass man die Komfortzone bisheriger Gewissheit verlassen will.

Wer die Bereitschaft fördern will, dass sich Personen auf Veränderungen einlassen, muss einige Bedingungen bedenken:

•Die Notwendigkeit, Dringlichkeit und Wichtigkeit der Veränderung herausstellen, Problembewusstsein wecken. Dabei steht der Konsens über das Problem vor dem Konsens über die beste Lösung. Es gilt, sowohl den Leidensdruck zu stärken («Wir müssen etwas ändern!») als auch die Hoffnung, dass Besserung möglich ist!

•Die Bedenken und Widerstände der Skeptiker verstehen, berechtigte Einwände aufgreifen, aber den Gewinn und Vorteil der Veränderung auch für die Skeptiker herausstellen.

•Den Gewinn für die Schule und das Kollegium klären.

•Die Angst vor individueller und kollegialer Überforderung überzeugend abwehren.

•Den Veränderungsprozess transparent gestalten und die Skeptiker einbeziehen.

Dabei spielt letztlich eine harte Kosten-Nutzen-Analyse eine Rolle, z. B.:

•Welche Motivation dominiert: Vermeidung von Schaden oder Anstreben eines verlockenden Ziels?

•Wie wichtig ist mir die Taube auf dem Dach im Vergleich zum Spatz in meiner Hand?

•Welchen Vorteil/Nachteil hat eine Änderung für mich (und meine Familie), für das System, Kollegium usw.?

•Was passiert schlimmstenfalls, wenn nichts passiert? Wie dringend ist eine Veränderung?

•Welchen «Preis» muss ich/das System … für die Änderung bezahlen?

•In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Gewinn?

•Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, die Taube zu fangen?

Selbst wenn diese Checkliste zugunsten einer Veränderung ausgeht – ob dann tatsächlich etwas geschieht, hängt von weiteren Kriterien ab. Denn: Leiden ist oftmals leichter als Lernen.

Stufen von Änderungsbereitschaft

DiClimente & Prochaska (1998) haben ein Erklärungsmodell vorgeschlagen, das nicht von kritischen Ereignissen ausgeht, sondern verschiedene Stufen von Änderungsbereitschaft in einem Kollegium differenziert. Die Überschneidungen mit der «Schley-Spirale» sind nicht zu übersehen.


Abbildung 7: Stufen der Veränderungsbereitschaft in Anlehnung an DiClimente und Prochaska (1998)

Schulleitungen, die ein Entwicklungsprojekt in Angriff nehmen möchten, sollten zunächst einschätzen, auf welchen Stufen der Änderungsbereitschaft die einzelnen Lehrpersonen stehen. Es macht wenig Sinn, über Veränderungsziele mit Personen zu diskutieren, bei denen keinerlei Absicht zu einer Veränderung besteht. Ungeduld der «Missionare» fördert nur die Änderungsresistenz derer, die noch nicht in Phase 4 der Schley-Spirale angekommen sind (Abbildung 6) bzw. die noch unentschieden sind (Abbildung 7: Stufe 2 – Vorahnung). Sie sollten auch damit rechnen, dass man von jeder Stufe wieder zurückfallen kann auf eine Stufe geringerer Änderungsbereitschaft.

Stufe 1: Sorglosigkeit

Personen, die auf dieser Stufe stehen, sind so mit ihren täglichen Routinen beschäftigt, dass sie noch nicht bemerkt haben, dass die Zeiten sich ändern. Sie sehen keine Probleme im IST-Stand, verspüren keine Ambivalenz in ihrem gewohnten Verhalten. Vielfach reagieren sie mit Unverständnis, warum sie oder die Schule denn etwas anders machen sollen: «Es läuft doch alles gut». Kurz: Sie haben keinerlei Anlass, etwas zu verändern, «weiter so».

Manche haben auch resigniert und sich in ihr Schicksal eingefunden (nochmals: Leiden ist leichter als Lernen!), sodass sie sich von Änderungen keinerlei Besserung (mehr) erhoffen. Sie werden oftmals als «unmotiviert» erlebt, sind aber streng genommen «unerwünscht» motiviert. Sie sind nicht unbedingt sorglos, aber für sie gibt es Wichtigeres. Die einen haben sich auf ihren Unterricht zurückgezogen und wollen in Ruhe gelassen werden, andere gehen ihren eigenen Interessen nach oder kümmern sich gerade um dringliche private «Baustellen», wieder andere haben genug damit zu tun, zu überleben.

Wie könnte man bei diesen Personen Änderungsbereitschaft wecken? Einige Ansätze:

•Auf die Belange und Anliegen der Schule und die neuen Herausforderungen aufmerksam machen: Selbst wenn es diesen Lehrpersonen mit ihrem Unterricht oder in ihrer Nische (jetzt noch) gut geht, der Bildungs- und Erziehungsauftrag reicht über den Unterricht hinaus und muss dem Wandel angepasst werden. Das berührt auch das persönliche Lehrerbild; Lehrer sind keine Freiberufler, und nicht einmal diese können frei entscheiden, womit sie sich gerade beschäftigen wollen.

•Durch Hinweis auf Belastungen, Unzufriedenheit und Probleme in ihrem Handeln (sofern zumindest ansatzweise vorhanden). Wie könnten diese Personen von dem geplanten Vorhaben profitieren? Welche Veränderung wäre für sie ein Gewinn?

•Resignierten Mut machen, auf ihre Stärken verweisen, sie als Kritiker und Mahner wertschätzen, einladen und «einbauen», z. B. als Controller oder Advocati Diaboli.

Kontraproduktiv dürfte ein Katastrophenszenario sein, indem man ihnen «den Teufel an die Wand malt».

Stufe 2: Vorahnung

Personen, die auf dieser Stufe stehen, spüren, dass nicht alles «rund läuft». Sie bemerken Diskrepanzen zwischen dem IST-Stand und einem wünschenswerten SOLL-Zustand, auch vielleicht zwischen ihren Absichten und den Ergebnissen – und das macht ihnen zu schaffen. Aber der Leidensdruck ist noch nicht groß genug, oder sie wissen noch keinen Weg, die Unzufriedenheit in Lösungsaktivität zu verwandeln. Viele versuchen es mit Verdrängen, mehr Anstrengung, Nicht-Wahrhaben-Wollen. Beim gemeinsamen Klagen können viele ihre Opferrolle als Gemeinschaftsgefühl genießen! Aber da gibt es die Geschichte vom toten Pferd![7]

Eine den «Dakota-Indianern» zugeschriebene Weisheit lautet:

«Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.»

Im modernen Berufsleben versuchen wir effizientere Strategien:

1. Wir besorgen eine stärkere Peitsche.

2. Wir wechseln die Reiter.

3. Wir sagen: «So haben wir das Pferd doch immer geritten».

4. Wir gründen einen Arbeitskreis, um das Pferd zu analysieren.

5. Wir besuchen andere Orte, um zu sehen, wie man dort tote Pferde reitet.

6. Wir erhöhen die Qualitätsstandards für den Beritt toter Pferde.

7. Wir bilden eine Task Force, um das tote Pferd wiederzubeleben.

8. Wir schieben eine Trainingseinheit ein, um besser reiten zu lernen.

9. Wir stellen Vergleiche unterschiedlich toter Pferde an.

10. Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.

11. Wir kaufen Leute von außerhalb ein, um das tote Pferd zu reiten.

12. Wir schirren mehrere tote Pferde zusammen an, damit sie schneller werden.

13. Wir erklären: «Kein Pferd kann so tot sein, dass man es nicht noch schlagen könnte».

14. Wir machen zusätzliche Mittel locker, um die Leistung des Pferdes zu erhöhen.

15. Wir machen eine Studie, um zu sehen, ob es billigere Berater gibt.

16. Wir kaufen Mittel zu, die tote Pferde schneller laufen lassen.

17. Wir erklären, dass unser Pferd «besser, schneller und billiger» tot ist.

18. Wir bilden einen Qualitätszirkel, um eine Verwendung für tote Pferde zu finden.

19. Wir überarbeiten die Leistungsbedingungen für Pferde.

20. Wir richten eine unabhängige Kostenstelle für tote Pferde ein.

Wie kommen diese Personen von der Unzufriedenheit mit dem IST-Zustand zum Handeln? Was führt dazu oder was verhindert, dass ein erkannter Veränderungsbedarf auch angegangen wird, dass man (nicht) im Modus der Unzufriedenheit verbleibt?

Diese Personen sind u. U. für ein Umdenken empfänglich, wenn man sie in ihrer Vorahnung verstärkt und ermutigt, sich der IST-/SOLL-Diskrepanz zu stellen. Optimal wäre, wenn jemand ihr Unbehagen so intensivieren könnte, dass ihnen die Inkongruenz-Erfahrung keine Ruhe mehr lässt. Vielleicht helfen ihnen Ideen auf die Sprünge, was sie für sich und die Schule tun können. Vielfach fehlt es auch einfach an Know-how, was man wie in Angriff nehmen sollte. Auch Zielkonflikte oder konkurrierende Wertvorstellungen und Leitbilder können verhindern, Konsequenzen aus dem unguten Gefühl zu ziehen. Hier stellt sich die Frage: «Wie lange kennen wir/sie das Problem schon und was hindert sie/uns daran bzw. blockiert sie/uns weiterhin, es konsequent anzugehen?» Hier helfen externe Berater weiter, z. B. Schulpsychologinnen und Schulpsychologen.

Balanceakt der Motivation

Es ist ein Balanceakt, die Unzufriedenheit mit dem IST-Zustand so zu vergrößern, dass sie zum Nachdenken über Verbesserungen führt, aber nicht in Mutlosigkeit oder Aggression umschlägt. Es sollte signalisiert werden, dass unterschiedliche Standpunkte verstanden und nach Möglichkeit in der Planung von Maßnahmen berücksichtigt werden!

Und es ist ebenso ein Balanceakt, Maßnahmen, die die IST-SOLL-Diskrepanz verringern sollen, so attraktiv aufzuladen, dass sie Bereitschaft und Kräfte freisetzen, ohne zu überfordern.

Es gilt aber auch: Schulleitungen tragen Verantwortung für die Qualität des Bildungsangebots und das Funktionieren der Schule. Daher sollten sie sich ggf. nicht scheuen, Lehrpersonen deutlich auf ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis hinzuweisen.

Bedenken ernst nehmen – Abholen und Mitnehmen

Zu Beginn umfangreicherer Projekte ist ein großer Teil des Kollegiums auf einer dieser beiden Stufen. Die Promotoren denken schon weiter. Sie haben bereits Lösungsideen im Kopf und wollen zügig an den Start. Dabei müssen sie der Versuchung widerstehen, die einen ungeduldig als Bremser zu beschuldigen und die aufgeschlossenen anderen zu glorifizieren. Wer ein Kollegium nicht behutsam mitnimmt und Bedenken ernst nimmt, riskiert Widerstand und Boykott bis zur inneren Kündigung, gegen die eine Schulleitung machtlos sein kann. Dann leugnen die einen Probleme und drohende Risiken oder reden sie klein; die anderen bestehen missionarisch auf einer Lösung und verunglimpfen die Skeptiker. Die daraus entstehenden Beziehungskonflikte und Spaltungen lähmen mehr, als wenn das voreilig in Gang gesetzte Projekt gar nicht erst gestartet wäre.

1 914,74 ₽
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9783035512397
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