Читать книгу: «Der Sinn des Unsinns», страница 4

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“Das ist wie auf der Autobahn als Geisterfahrer,”stellte Köwenick fest und fuhr fort,” ohne jegliche Sicht. Im dichtesten Nebel den man sich vorstellen kann. Mit vollen Sachen um nicht stecken zubleiben”

Schließlich legte sich der Rummel und der Dunst und sie beschlossen es jetzt oder nie zu wagen. Bernd setzte sich ans Steuer. Langsam den Hang runter, dann Vollgas, in den zweiten Gang schalten, los. Sie kamen gut weg und tauchten in die Glocke ein. Der Staub war nur oben gesunken, hier unten schwappte er immer noch über das Dach des PKW. Sicht ungefähr fünf Meter, die Scheinwerfer, es war mittlerweile Nacht eingefallen, blendeten zusätzlich, im zweiten Gang mit Vollgas und etwa vierzig Sachen teils schlitternd, teils vorschießend wenn die Räder wieder Halt fanden.

“Rechts, rechts,” brüllte Köwenick gegen den Lärm, ”rechts.” Bernd

hatte ihn gerade gesehen, den in irrem Tempo links vorbeihuschenden schwarzen Riesen. “Knapp, knapp,” keuchte er, “das waren fünf Meter.” “Wie ein Panzer.” “Gas, gib Gas,” Der Wagen schlitterte und verlor Fahrt. Wenn sie hier aussteigen mußten, wohin sollten sie rennen? Nach etwa zwei Minuten Fahrt erreichten sie die persische Böschung, die flacher war.

“Das mach ich nicht noch mal,” keuchte Köwenick. “Das war eine lange Zeit.”

Sie verbrachten die Nacht mit Formalitäten in dem persischen Checkpoint und fuhren bei Morgengrauen weiter, Richtung Täbris. Auf dem Grenzposten gab es keine Telefongelegenheit. Täbris war rasch erreicht und auf geradem Wege durchfahren. “Telefonierst du halt in Teheran. Die werden Telefon haben.” Die Landschaft war flach, Acker mit irgendwas, und langweilig.

“Wenn der nun den Mantel in die Reinigung gibt?” Bernd wendete sich grinsend zu Köwenick, aber der schlief.

Sie übernachteten neben dem Auto bei einem Bauerngehöft, bekamen etwas zu essen und duschten am nächsten Morgen mit dem eiskalten Wasser des Brunnens.

Nachmittags waren sie mitten in Teheran. “Halt an,” meinte Köwenick, ”entweder suchen wir jetzt den Flugplatz, damit ich telefonieren kann, oder ich steig aus und flieg nach Berlin zurück.”

Bernd hielt am Straßenrand eines kleinen Platzes und Köwenick stieg aus, nahm einen Teil seiner Sachen und stellte sich auf, ein Taxi zu erwarten. Bernd fuhr davon und suchte das Schild und die Straße nach Mashad.

Auf der Strasse nach Mashad, solange sie noch gebirgig war, lagen unten an den Hängen überall ausgebrannte oder ausgeschlachtete, total verrostete PKW Corsos. Aber massenweise.

An Kapital war noch eine Barschaft von vierhundert Mark vorhanden, die man teils in Dollar und einheimische Währung tauschen mußte. Nicht genug um nach Indien und zurück zu kommen. Der Köwenick Teil fehlte.

An der nächsten Tankstelle tauschte Bernd somit die von Köwenick zurückgelassenen Klamotten gegen Benzin und füllte den Tank und alle fünf Kanister. Damit kam man locker tausend Kilometer weiter.

Die Straße Mashad, Grenze Afghanistan, acht Jahre zuvor die erbärmlichste Piste, die Bernd jemals befahren hatte, erwies sich als ein schnurgerades Band aus sauber gewalztem Asphalt. Für diese zweihundert Kilometer seinerzeitigem Waschbrett hatte Bernd damals, von Afghanistan kommend, einen ganzen Tag gebraucht und den verbeulten VW Bus, mit nepalesischem Nummernschild, den Bernd in Kabul erworben hatte, beinahe verschrotten müssen. Nahezu alles was abbrechen konnte, war auch abgebrochen. Nur Draht hielt die Kiste noch zusammen.

An der Grenze Afghanistan / Herat erinnerte man ihn daran, daß er ein Visa benötigte. Das hatte er völlig vergessen. Also fuhr er zurück und

suchte in Mashad das afghanische Konsulat auf, drehte jedoch auf der Treppe um und trat die Rückfahrt nach Berlin über die Küste des Kaspischen Meeres und Rhezaie an. In einem Wald an der aserbaidschanischen Grenze verweilte er sechsunddreißig Stunden und fuhr dann neben dem Salzsee Rhezaie in die Türkei, um einen Tee in dem ersten Dorf, das zwei Kilometer abseits der Strasse linkerhand zu erkennen war, zu sich zu nehmen.

Die Dorfstraße war leer, niemand zu sehen. Nichts was auf eine Wirtschaft irgendeiner Art hinwies. Er fuhr durch das Dorf, wendete und fuhr wieder zurück. Die Dorfstraße wimmelte jetzt jedoch mit circa fünfzig Männern, die ihm die Durchfahrt versperrten und aus dem Auto zerrten, ihn so richtig auf der Piste zu verprügeln. Oder was auch immer. Ein Mann hatte ein zerschlissenes Jackett mit Löchern an und schien den Häuptling abzugeben.

Er radebrechte etwas englisch, erfuhr daß Bernd Deutscher war, fragte, was er hier trieb und dann führten sie ihn alle in eine Stube, in die sie sich alle hineinzuquetschen begannen und spendierten ihm einen schmackhaften Chai mit Zucker. Als Bernd dreist einen zweiten Tee zu haben wünschte, zerrten sie ihn wieder auf die Straße, stopften ihn in sein Auto und traten dagegen, ihn zu ermuntern, die Flucht zu ergreifen, solange Fortuna noch gnädig gestimmt war.

Es ging entlang des Tigris, oder war es der Euphrat, immer bergauf, bis auf Paßhöhe 2300 Meter auf einer Schotterstrasse bar jeglichen Verkehrs. Weit vor ihm wirbelte ein Pickup seine Staubfahne hoch. Immer im gleichen Abstand. Fuhr er langsamer, fuhr der langsamer, fuhr er schneller, fuhr der schneller. stieg er aus, wartete der andere. So ging es bis in die Nacht hinein, in der er Hakkari, das Räubernest im Gebirge, erreichte und dort nächtigte.

Tags darauf blieb er bei einbrechender Dunkelheit irgendwo zwischen Hakkari und Dijarbakir nach der Durchquerung eines Dorfes vor diesem liegen. Verteilerschaden.

Das Dorf wurde nachts durchgehend von Scheinwerfern grell erleuchtet, schräg voraus, in den Bergen, saß jemand mit einem MG und feuerte die ganze Nacht hindurch immer mal wieder ein paar Schüsse auf das Dorf. Nach Mitternacht war Motorengeräusch zu vernehmen und ein LKW ohne Licht kroch die Piste heran. Es waren an die zwanzig Mann türkische Soldaten an Bord, von denen einer fließend deutsch sprach und anbot, Bernds Auto gemeinsam auf den LKW zu wuchten und ins Dorf zu fahren, wo es sicherer sein würde. Da Bernd kein Geld mehr hatte, ließ man von der guten Absicht ab, saß auf und verschwand im Dorf, auf das wieder eine Salve abgefeuert wurde.

Irgendwo im Raum Dijarbakir erreichte Bernd, nach Reparatur und Neueinstellung des Verteilers, eine Kolonne, die stand und sich nicht bewegte. Sie stand vor einer Brücke, die über einen Bach führte und die zusammengebrochen war. Links konnte man von dem Damm, auf dem die Straße verlief, herunterfahren, den seichten Bach durchqueren und auf der anderen Seite erneut den Damm erklimmen und die Strasse erreichen.

Mit reichlich Gas überwand Bernd auch dieses Hindernis, um auf der anderen Seite feststellen zu müssen, daß er sich ein Loch in die Ölwanne geschlagen hatte. Das nächste Dorf konnte noch erreicht werden.

An der Reparaturwerkstatt des Dorfes stand ein PKW mit Kennzeichen aus Köln.

“Ah, Besuch aus Berlin,” meinte der Türke, der aus der Werkstatt kam, in fließendem deutsch ”ich bin Gastarbeiter und bin gerade angekommen, meine Familie zu besuchen.”

Die Ölwanne wurde abgeschraubt und fachmännisch geschweißt, während der Türke und Bernd vor der Werkstatt ein paar Bier tranken. “Ich hab eine Kiste Bier im Kofferraum. Aus Köln.” Hatte er gesagt. Die Reparatur war billig, aber Deutschland war absehbar nur noch zu erreichen, wenn der Rest der Barschaft ausschließlich in Benzin versenkt werden würde. Die Nahrung mußte hinfort dem Lande entnommen werden.

“Komm mit, zu mir nach hause,” sagte der Türke, ”meine Familie wohnt in einem kleinen Dorf nicht weit von hier.”

Sie fuhren über Pisten und Sandwege, überquerten einen Bach mit reißenden Fluten auf einer wackligen Holzbrücke und hielten auf einer unbefestigten Dorfstraße vor einem Haus. Es hatte letzte Nacht ein Unwetter gegeben und alles stand unter Wasser und war schlammig. Der Türke wurde eher etwas reserviert empfangen und auch von Bernds Eintreffen schien niemand so recht begeistert. Dennoch wurde Speis und Trank gereicht und alsbald war es dunkel geworden, mithin Zeit für den Abschied.

“Habt ihr hier diese kleinen roten, zottigen Bergzeigen?” Fragte Bernd den Türken. Diese Ziegen hatte Bernd auf der Hinfahrt im Osten der Türkei überall an den Hängen gesehen. “Willst du eine haben? Ich frag mal.” Ziegen waren nicht zu haben, jedoch hatte ein Bauer in der Nachbarschaft einen Jungesel, für den er umgerechnet etwa fünf Mark haben wollte.

Der kleine Esel wurde verschnürt, die Beine wurden ihm zusammengebunden, und er wurde auf der Rückbank des Ford abgelegt, nach Deutschland gefahren zu werden.

Bernd verabschiedete sich und setzte die Heimfahrt fort. Die wacklige Holzbrücke war eingestürzt, ein Mann wies auf einen Weg, der zu einer zweiten Holzbrücke führen würde.

Die Brücke stand, sah aber wenig vertrauensvoll aus, Bernd befreite den Esel von seinen Fesseln und fuhr langsam über das schwankende Konstrukt.

Über Dijarbakir, Mardin, Gasiantep, Konia, Kytahia, Balikesir ging es nach Tschanakkale, wo übergesetzt wurde, um endlich die griechische Grenze zu erreichen. Tags grasten sie, wo immer es Gelegenheit gab. Ansonsten wurde stets am Verteiler herumgeschraubt und aufs Gas getreten. Esek, so nannte Bernd den Esel, war rasch zahm geworden und lief überall frei im Gelände herum, um nach Anruf zurück zum Auto zu kommen. Die Rückbank hatte Bernd herausgenommen und in den Büschen liegen gelassen um mehr Platz zu schaffen. So stand Esek

hinten und sah interessiert in Fahrtrichtung, gelegentlich, aber stets nur während Überholmanövern, Bernd herzhaft in die rechte Schulter zu beißen. Während dieser paar Tage waren sie ein verschworenens Team geworden, mit gegenseitiger Achtung und untrennbar.

Die griechische Grenze wurde mitten in der Nacht erreicht. Auf der türkischen Seite waren Panzer aufgefahren, die unbeleuchtet in der Finsternis ein Hindernis darstellten.

Die Griechen waren hocherfreut über den Esel und machten Anstalten, ihn hinwegzuzerren und zu schlachten. Bernd bewaffnete sich mit der Brechstange aus dem Kofferraum und überzeugte die Zollbeamten nachdrücklich, daß er den Esel nicht aufzugeben beabsichtigte. Weiter ging es nach Thessaloniki, von wo nach der Karte die Straße nach Yugoslawien abging. In Thessaloniki, einen Tag später, übernachteten sie am Rande eines städtischen Parks im Auto.

Am nächsten Morgen ging es, nach kurzem Weidehalt am Wegesrand, auf einer neuen Straße direkt zur Grenze, die nur wenige Kilometer entfernt war. Hier wurde Bernd bedeutet, daß ohne Paß mit Lichtbild kein Esel über die Grenze kommen könne. Wieder in Thessaloniki besuchte Bernd die Deutsche Botschaft und erfuhr, daß der Esel zu einem Problem werden würde. Amtliche Unterstützung wurde angeboten und ein Professor an der Universität angerufen, mit dem sich Bernd später traf.

“Esel,” sagte der Professor, ”stehen in Griechenland auf der Liste der schützenswerten Tiere und dürfen nicht von griechischem Territorium exportiert werden.”

“Dieser Esel ist kein Grieche, sondern ein Türke. Ich hab ihn vorgestern von der Türkei nach Griechenland hereingeholt. Importiert. Grenze bei Xanthe. Als Transit kann er ja wohl wieder ausreisen. Dazu benötige ich einen Paß mit Lichtbild für die Jugoslawen.”

“Esel,” sagte der Professor,” griechische Esel sind alle ausgerottet worden, weil die Leute sie aufgefressen haben. Eselbraten ist ein Nationalgericht. Esel, griechische Esel, dürfen nicht exportiert werden.”

“Dieser Esel ist türkischer Esel.”

“Woher wissen sie das? Haben sie Papiere?”

“Woher wissen sie, daß der Hengst kein Türke ist?”

“Wir haben Fachleute an der Universität. Die sollen sich ihn ansehen.”

Bernd war pleite, fuhr zurück zur Botschaft und rief Herrn Weber in Berlin an.

“Herr Weber,” sagte er,” ich brauche dreihundert Mark. Schicken sie die heute abend von der Post am Zoo telegraphisch ab. Adresse Deutsche Botschaft in Thessaloniki.”

„Jawoll sagte Herr Weber, “ Wann kommen sie zurück?”

“Bald.”

“Wenn die Griechen ihnen einen Paß vorenthalten, versuchen sie es mit Bulgarien,” munterte der freundliche Beamte Bernd auf. “Auf jeden Fall lassen sie den Esel nicht zurück. Die Griechen fressen sowas.”

Der Hengst Esek hatte eine gewisse Popularität in der deutschen

Botschaft und viel Sympathie gewonnen.

Nachmittags kam das Geld, das Herr Weber anweisungsgemäß geschickt hatte und Bernd fuhr zu dem Treffen auf dem Unigelände, an dem sechs Herren teilhatten.

“Ein Esel, zweifellos. Ohne Besitzpapiere, ohne Identitätspapiere, ohne Einfuhrpapiere.”

“Wenn wir ihn zum griechischen Esel erklärten,” folgerte der zweite Gelehrte, ”mag es einen Weg geben, nach Klärung der Eigentumsverhältnisse, Identitätspapiere anzufertigen.”

“Dann aber,” folgerte der dritte,” ist der Sache nicht gedient. Griechische Esel dürfen nicht ausgeführt werden.”

“Ganz recht,” stellte der Vierte sachlich fest.

“Am einfachsten”, scherzte der Vierte,” wäre es, Mr. Meyer ließe sich hier nieder. Dann könnte er mit einem griechischen Esel in Griechenland leben. Freilich, der Esel darf nicht geschlachtet und verzehrt werden.”

“Schlachten,” sagte Nummer Fünf,” ist nur zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubt.”

“So drehen wir uns im Kreis,” sagte Bernd resignierend. ”Ohne den Esel gehe ich nicht. Und hier bleibe ich auf keinen Fall. Hier hab ich keine Zeitungsbude.”

Die Sache wurde auf den nächsten Nachmittag verschoben und Bernd und Esek fuhren zum Grasen in die Hügel vor der Stadt.

“Das wächst sich zu einem Problem aus,” meinte am nächsten Mittag der Beamte der Deutschen Botschaft, ”So kommen wir nicht weiter.”

“So kommen wir nicht weiter,” sagte der Veterinär Professor auf dem Hof der Universität Thessaloniki nachmittags zu Bernd, ”besser sie versuchen in die Türkei zurückzukommen.

Vielleicht finden sie eine Lösung in Bulgarien.”

“Am anderen Ende von Bulgarien ist wieder Yugoslawien,” stellte Bernd nüchtern fest.

“Schon, aber da ist Serbien von Yugoslawien. Sie waren an der Yugoslawisch Mazedonischen Grenze. Durchaus möglich, daß in Serbien andere Bestimmungen gelten. Versuchen sie es.”

Bernd versuchte es.

Er kaufte zwei ganze Brote und verließ Thessaloniki am nächsten Morgen nach Osten. Hinter Xanthi fuhr er ins Gelände und wartete die Nacht ab. Bevor er weiterfuhr, verfütterte er ein ganzes Brot an Esek, mehr ging nicht hinein. “Du mußt fressen,” sagte er zu ihm, ”damit du in Tiefschlaf versinkst.”

Um drei Uhr früh fuhr er langsam in den Grenzkontrollpunkt ein, stieg aus und deklarierte seine Papiere. Drei Figuren dösten vor sich hin und winkten ihn durch. Aus Griechenland war er raus. Mit Esek. Es galt nun, die türkische Grenze ohne Aufsehen zu passieren.

Die Panzer hatten Stellungswechsel gemacht. Einer stand mitten auf der Straße und mußte vorsichtig umrundet werden. Kein Mensch war zu sehen, alles stockfinster. Kein Laut. Zur linken kam nach einem Kilometer die türkische Grenzstation, die abseits der Straße hinter

einem Parkplatz lag, in Sicht. Bernd parkte möglichst weit von dem Gebäude ab, der Esel war ruhig und döste vor sich hin. Die Formalitäten waren kurz, präzise. Einen Schlagbaum gab es nicht. Bernd fuhr nach Edirne.

An der bulgarischen Grenze sagte der Beamte: “Papiere, Papiere.” Und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. ”Papiere für Esel. Veterinärpapiere für Esel.” “Veterinärpapiere für Esel?” fragte Bernd überrascht. “Veterinärpapiere? Kein Paß?”

“Veterinärpapiere,” wiederholte der Beamte stoisch.

Bernd fuhr nach Edirne zurück und fragte sich nach einem Tierarzt durch. Das lief gegen Gebühr reibungslos ab. Der Veterinär verpasste Esek eine Identität und einen neuen Geburtsort - Edirne. Abends war Bernd wieder an der bulgarischen Grenze, an der es keine Schwierigkeiten mehr gab. Am nächsten Morgen war Serbien erreicht.

“Sie dürfen in Yugoslawien keine Esel im PKW transportieren. Sie müssen den Esel mit Jugosped befördern lassen. Bis zur österreichischen Grenze.” Erläuterte der Beamte hilfreich.

“Wieviel?,” Fragte Bernd. Der Beamte sah in einer Liste nach :”etwa tausendachthundert Dinar,” meinte er, ”zuzüglich Gebühren.” Wieviel immer das in Mark sein mochte, es war mehr als Bernd noch besaß. Man einigte sich dahingehend, daß Bernd in dem nahe gelegenen Ort Dimitrowgrad ein Zimmer nahm und den Kontakt zum örtlichen Büro von Jugosped pflegte. Ohne Jugosped war die Weiterfahrt verboten.

“Ein Zimmer, was zu essen, ein Telefonat und wo finde ich Jugosped?” Der Chef des kleinen, sehr sauberen Hotels sprach leidlich deutsch.

“Herr Weber,” sagte Bernd, “ gleiche Methode, dreihundert Mark, Adresse Dimitrowgrad Post.” “Wird knapp werden,”sagte Herr Weber,” ich hab die Rechnung für morgen früh noch nicht zusammen.”

Nach dem Essen im Hotel ging er mit Esek in die umliegenden Hügel zum Wandern, tollen und Gras rupfen. Morgen würde das Geld da sein, dann würde man hier schon irgendwie wegkommen.

Am folgenden Tag war das Geld noch nicht da. Am vierten Tag zeigte der Hotelwirt erste Anzeichen von Unruhe. “Wenn sie heute nicht zahlen können, ich kann ihnen kein Essen mehr geben.” Am fünften Tag kündigte er vorsorglich das Hotelzimmer und wies darauf hin, daß, wenn Bernd verschwände ohne zu zahlen, er die Polizei rufen würde. “Ich habe gut Beziehungen zu Polizei,” drohte er unverhohlen.

So ein Scheiß auch fluchte Bernd. Die Ernährung hatte nunmehr erste Priorität gewonnen. Für Esek war auf den grünen Hügeln massenhaft Nahrung vorhanden. Der kleine Esel tollte übermütig teils mehrere hundert Meter über den nächsten Hügel, kam außer Sicht, war aber immer pünktlich zur Stelle, wenn es Abmarsch zum Nachtlager hieß. Das Nachtlager war das Auto auf dem Parkplatz des Hotels, das aus Benzinmangel unbeweglich geworden war.

Bernd schlief vorn, Esek hinten auf einer Heuschüttung, die ihm anstelle der Bank bereitet worden war. Zu Essen, für Bernd, hatten sie mehrere Gärten mit mangelder Bewachung gefunden. Über den Zaun,

Blumenkohl, gleich drei, abschneiden und weg in die Büsche. Wasser entnahmen sie einem kleinen murmelnden Bach in einer Talsenke. So ging es den sechsten und den siebten Tag.

“Wenn sie mich nicht telefonieren lassen, kann ich kein Geld heranschaffen.”

“Sie schulden mir Miete, Essensgeld und Telefongeld,” sagte der Hotelchef mürrisch. “Sie müssen bezahlen ihre Rechnung.”

“Schon gut. Ohne Geld kann ich Ihre Rechnung nicht bezahlen.”

“Sie haben kein Geld, ich kann sie nicht telefonieren lassen.”

“Sie werden mich telefonieren lassen müssen, wenn sie ihr Geld haben wollen.”

“Herr Weber,” sagte Bernd, als der Hotelchef ihn endlich zum letzten Mal, dem allerletzten Mal, telefonieren ließ.”Herr Weber, kein Geld da. Ich verhunger hier.”

“Dimitrowgrad liegt in Rußland,” sagte Herr Weber,”sie haben doch aber aus Yugoslawien angerufen. Deswegen habe ich kein Geld geschickt.”

Bernd klärte Herrn Weber auf. Am nächsten Tag war der tägliche Gang zur Post erfolgreich, das Geld war da, aber bereits schon wieder verbraucht. Es wurde Benzin herbeigeschafft, die Hotelrechnung bezahlt, anständig zu Abend gegessen und eine Vereinbarung mit Jugosped getroffen, wonach eine Ausnahme gemacht werden sollte. Bernd durfte Esek mit dem PKW durch Jugoslawien kutschieren, gegen Jugosped Rechnung über siebenhundert Dinar und Jugosped Transport Dokument.

Die österreichische Grenze Wurzenpaß wurde nachmittags erreicht.

“Sie müssen warten, der Amtsveterinär kommt gleich.”

Der Amtsveterinär kam drei Stunden später als es dunkel wurde. Er eilte über den Parkplatz der Grenzstation, hob den Schwanz von Esek, lugte darunter und hatte es eilig.

“Können sie nicht durchkommen, hier.” Sagte er fickrig. “haben sie die Abnahmegenehmigung des bayrischen Freistaats ? Und die Abnahmegenehmigung der Bundesrepublik Deutschland? Nein? Da haben sie aber Pech gehabt.”

“Wird dunkel, muß los. Bin vielbeschäftigt. Sollte gar nicht hier oben in den Bergen sein. Kommen sie morgen wieder, dann untersuche ich das Tier. Kommen sie morgen wieder.” Er entschwand wieder über den

Parkplatz.

“Morgen? Was Morgen. Ich lebe hier nicht. Wann morgen,”rief Bernd ihm wütend nach.

“Morgen, ich bin Morgen wieder hier.” Der Amtsveterinär entschwand mit seinem Auto bergabwärts.

“Hier können sie aber nicht bleiben,”sagte der Grenzbeamte. “Das hier ist Österreich. Hier können sie nur bleiben, wenn sie eingereist sind.”

“Na gut, dann reise ich hiermit ein.”

“Sie können nicht einreisen. Sie haben doch gerade gehört, daß Papiere für ihren Begleiter fehlen.”

“Aber morgen kommt der Amtsveterinär wieder.” Sagte Bernd etwas

hilflos, ”dann kann auch der Begleiter einreisen.”

“Mag sein, aber heute ist der Begleiter noch nicht eingereist. Sie müssen den Begleiter wieder auf die yugoslawische Seite schicken, er darf nicht in Österreich verbleiben, wenn er nicht eingereist ist.”

“Aber der Begleiter hat keinen Reisepaß, die Yugoslawen werden ihn nicht wieder hereinlassen. Nach Yugoslawien.”

“Mag sein, aber hier können sie nicht verweilen. Wenn es sie nach Österreich zieht, müssen sie einreisen und wenn sie eingereist sind, müssen sie uns hier droben verlassen und sich im Tal unten eine Unterkunft suchen. Wir verweigern ihnen aber die Einreise.”

“Sie verweigern mir die Einreise? Ich bin Deutscher.”

“Wir müssen ihnen die Einreise verweigern, weil sie Gepäck zurücklassen, das nicht einreisen kann. Wir dürfen nicht zulassen, daß Teile des Einreisenden zurückgelassen werden.”

Bernd rauchte vor Wut, stieg mit Esek ein, wendete und fuhr wieder auf die yugoslawische Seite zurück. Die Beamten waren kooperativ und machten keine Schwierigkeiten.

Bernd fuhr die Bergstraße herunter, fand einen schmalen Abzweig, der ein paar hundert Meter weit in den pechschwarzen Gebirgswald führte, stellte den Motor ab, machte die Tür weit auf und ließ Esek raus. In einer Minute war er auf dem Fahrersitz eingeschlafen.

Eine Stunde später drückte ihm jemand den Lauf einer Maschinenpistole in den Bauch und hielt ihm eine Taschenlampe vor das Auge. Man sprach deutsch.

“Sie befinden sich hier in der militärischen Sperrzone der Republik Yugoslawien. Das ist ein Strafvergehen. Was betreiben sie hier?”

“Ich werde wohl eingeschlafen sein,” entgegnete Bernd lahm.

“Sie dürfen hier nicht bleiben, sie müssen das Gebiet räumen. Hier wird scharf geschossen,” fügte er drohend an. Sein Kollege, der jetzt sichtbar wurde, nickte bestätigend mit dem Kopf.

“Okay,”sagte Bernd gereizt,”ich geh ja schon. Ich sammle nur meine Familie ein,” und rief Esek in den pechschwarzen Wald hinein. Die beiden Wachen mochten eine Finte vermuten, sie hoben die Mündung ihrer MPs.

“Esek ist mein Esel,”erklärte Bernd vorsorglich,”kleiner Eselhengst.” Esek kam von talwärts hoch, man konnte den einen und anderen Ast knacken hören, stieg wortlos ein und nahm hinten Platz.

Zehn Kilometer weiter talwärts gab es Platz und Ruhe. Morgends wurde in einer Pfütze, es hatte nachts noch geregnet, gewaschen und rasiert; dann fuhren sie wieder bergauf, die Österreichische Grenze zu besuchen.

“Sie müssen warten,” sagte ein anderer Grenzbeamter, ”der Amtsveterinär wird kommen.”

Der Amtsveterinär kam um vierzehn Uhr und war nervös wie tags zuvor.

“Ja, da sind sie ja wieder. Haben sie meine Brille gesehen?,” er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum und es schien Bernd, als ob er ihm gleich in die Hosentasche fassen würde, seine Brille zu suchen.

“Brille? Ich habe keine Brille.”

“Meine Brille, haben sie meine Brille gesehen? Sie waren doch gestern

hier, sie müssen doch meine Brille gesehen haben.”

Aber Bernd hatte seine Brille nicht gesehen.

“Was machen wir jetzt mit dem Esel?” Fragte er, die Hektik des Doktors unterbrechend.

„Was können wir schon mit ihrem Esel machen. Ich muß ihn untersuchen. Wegen Viren. Einhufer haben auch Viren. Wir wollen uns keine Viren leisten. Nicht war? Wenn wir nicht müssen.” Er hob sachkundig den Schwanz von Esek hoch und gab sich Mühe, darunter auch ohne Augengläser etwas zu erkennen.

”Die Pest hat er nicht,” stellte er fest, ”aber man kann nie wissen. Das kann man nie wissen. Geben sie mal die Papiere.”

Bernd gab ihm die Papiere aus Edirne, die in türkisch waren und die noch niemand bisher zu lesen vermochte.

“Stempel sehen gut aus,” stellte der Doktor zufrieden fest, ”wird schon stimmen. Kompliziert die Sache aber erheblich. Macht die Sache aussichtslos.”

“Wieso? Das sind doch gute Papiere, die Stempel sind doch hübsch.”

“Sicher, das macht den Esel zu einem türkischen Esel. Wenn sie mir das gestern gesagt hätten, hätte ich mir die Bergfahrt ersparen können.”

“Was ist verkehrt an einem türkischen Esel?”

“Alles. Ein türkischer Einhufer ist ein Einhufer der in das zivilisierte Europa nicht eingeführt werden darf. Weil die Türkei in Asien liegt. Und der Esel somit Asiate ist. Sie hätten sich einen yugoslawischen Esel kaufen sollen. Sie haben ihn doch gekauft?” Er sah Bernd forschend an. ”Ist ihnen der Begriff Maul und Klauenseuche geläufig?”

“Und nun?”

“Nun haben sie sich etwas ans Bein gebunden. Ich darf ihnen noch nicht einmal erlauben ihn hier an Ort und Stelle zu schlachten. Weil er nicht eingereist ist.”

“Schlachten? Was reden sie da. Schlachten? Eher lasse ich mir den linken Arm bis zur Biege amputieren. Ich gäbe den Blattern den Vorzug. Esek ist Familienmitglied, Kumpel.” Bernd war wütend geworden und machte einen Schritt auf den Doktor zu.

“Ja, ja, schon gut, war nur so eine Idee. Wollte ihnen nur einen Weg aufzeigen die unausbleiblichen Konsequenzen zu vermeiden.”

“Wie werden die Konsequenzen aussehen?” Fragte Bernd, Hoffnung schöpfend.

“Schauderhaft, wenn sie Pessimist sind.”

“Werden sie sie mir in optimistischem Umriß schildern?”

“Freilich. Der Esel muß in einer yugoslawischen Universität, Abteilung Veterinärwesen, in eine Quarantäne. Vier Monate lang. Kriegt er in der Zeit keine Pickel oder sonst was, müssen sie mit den dann auszustellenden Papieren die Abnahmeverpflichtung des bayrischen Agrarministeriums beantragen. Parallel dazu müssen sie mit einer Kopie die Abnahmegenehmigung des Agraministers der Bundesrepublik Deutschland einleiten. Sie wollen doch sicherlich einen jungen Esel. Nicht wahr? Zu hause, wenn es so weit geworden sein sollte.”

“Allerhand. Meinen sie das im Ernst?”

“Toternst. Wie das mit Berlin ist, weiß ich nicht. Da müssen sie ja durch die Ostzone. Keine Ahnung was den Russen an Schikane einfallen wird. Die sind ja nicht gerade bekannt für humoristische Anwandlungen.”

“Wo sollte ich nach einer yugoslawischen Veterinäruniversität suchen?”

“Nirgendwo.”

“Nirgendwo?”

“Richtig. Ich gebe ihnen die Adresse meines slowenischen Kollegen in Ljubljana. Dr. Kasic. Er spricht deutsch und ist Deutscher. Fahren sie dahin und suchen sie irgendwo einen Bauern, der das Tier für vier Monate aufnimmt. Erspart dem Esel auch die medizinischen Versuche die in jeder Universität unvermeidbar sind. Wo sie so an dem Hengst hängen.”

“Sie schon wieder?” schnappte der Posten auf der yugoslawischen Seite.

Auf der Strecke nach Ljubljana, in der Ebene, fand Bernd so etwas, was wie ein Bauernhof aussah und pochte an die Tür. Ein mißtrauischer Mann öffnete und verstand kein Wort. Mit fuchteln, schwätzen und gestikulieren konnte der Durchbruch zum Verstehen eingeleitet werden. Ein paar Dinarscheine und ein paar Zahlen auf einem schmutzigen Blatt Papier sorgten für Verständnis, Interesse und die Bereitschaft Esek aufzunehmen.

“Ich bin Deutscher. Österreichischer Deutscher. Wird Zeit, daß ihr in Deutschland uns hier endlich raushaut. Das hier ist Laibach und nicht Ljubel was. Hier gibts keinen Jubel. Wir, wir Deutschen leben hier mit dem Pöbel des Sterns.”

“Wie wird das ablaufen?” Fragte Bernd. ”Vier Monate? Lange Zeit. Ich bekomme dann von Ihnen die Bescheinigung betreffend die Quarantäne?”

Kasic wird auch Geld brauchen können. Insbesondere Devisen. Dachte Bernd und fuhr das Gebirge zum Wurzenpass hoch.

“Sie schon wieder?” Sagte der Posten auf der österreichischen Seite. ”Werden sie heute einreisen?” Und nach Durchsicht des Passes, ”Werden sie uns jetzt verlassen?”

In Berlin hatte alles wie erwartet seinen Lauf genommen. Die Umsätze waren nicht berauschend. Insbesondere die Nachtschicht brachte kein akzeptables Ergebnis mehr. Die laufenden Warenrechnungen waren bezahlt worden. Aber am anderen Ende stapelten sich die Forderungen. Pacht für die Bude, Strom, Umsatzsteuer, Pacht für das Grundstück, Strom, Wassergeld, Müllabfuhr, Telefon, nochmal Telefon, Anzeigenrechnung für die Autovermietung, Versicherungen, Kraftfahrzeugsteuern, die ganze Palette. Es mußte sortiert werden in wichtig, weniger wichtig, gar nicht wichtig. Unwichtig.

“Kannst du nicht einen Kredit aufnehmen? Du bist doch im Angestelltenverhältnis mit dem Krankenhaus.” Sagte Bernd zu

Jacqueline als sie im Bett nebeneinander lagen und sich nicht sehr angeregt zu unterhalten begonnen hatten.

“Ich ? Kriegst du keinen Kredit mehr?”

“Bei der Bank gewiß nicht. Da sind noch ein paar tausend von dem Schaumstoffladen offen und die letzten zwei Raten sind nicht bezahlt. Ich habe die Kredittilgung auf unwichtig wichtig gestellt.”

“Was soll das heißen?”

“Wie es sich anhört. Das heißt, daß die Raten von jetzt ab vernachlässigbar sind. Ich zahl sie erst mal nicht mehr und schieb das Ganze in die Fernerliefentonne.” Bernd fuhr fort :”Wenn ich eh keinen Kredit mehr bekomme, hol ich ihn mir halt auf dem Umweg über eingesparte Raten.”

Jacqueline holte viertausend Mark Kredit und Herr Weber konnte seinen Restlohn erhalten.

Eine gute Frau.

Pinkeln konnte man in der gegenüberliegenden Weinstube, so die Tür geöffnet war. Frau Ilske, die Reinigungskraft, kam stets am Nachmittag, den Boden zu saugen und die Tische abzuwischen. Frau Ilske trug im Sommer ein kurzes Röckchen, das kräftige, gesunde Oberschenkel zur Schau stellte und Bernd zu philosophischen Gedankenspielen verführte. Wie kamen die oben wo zusammen und wie konnte sie hier immer ankommen, wo sie doch quer durch die Stadt reisen musste. Auch überall sonst war Frau Ilske, deren Vornamen Bernd paradoxerweise nie erfuhr, auch nie erfragte, mit den urtümlichsten Proportionen der ewigen Weiblichkeit reich gesegnet. Sie war so um die vierzig, reif und extrem aufgeilend.

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