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Erstes Buch – Neunzehntes Kapitel

An der Schwelle der Schule, wo solche Sitten heimisch waren, lag ich als elender Knabe; eines solchen Kampfplatzes Ringkunst war es, wo ich mich mehr davor fürchtete, einen Sprachfehler zu machen, als ich mich hütete, wenn ich es dennoch tat, diejenigen, welche es nicht taten, zu beneiden. Ich sage es und bekenne es dir, mein Gott, worin ich von denen gelobt wurde, welchen zu gefallen uns damals gerade so viel galt, als ein gottgefälliges Leben. Denn ich sah nicht den Abgrund der Schande, in welchen ich von deinen Augen verstoßen wurde, denn wer konnte in deinen Augen schändlicher sein als ich, da ich auch sogar solchen mißfiel durch unzählige Betrügereien und Lügen, meinen Erziehern und Eltern gegenüber durch Spielsucht, durch die Begierde Possen zu sehen und in spielsüchtiger Unruhe nachzuahmen?

Auch den Keller und den Tisch meiner Eltern bestahl ich, teils aus Naschsucht, teils um den Knaben ihre Rollen im Spiel, an dem sie sich gleicherweise wie ich ergötzten, mir sie aber gleichwohl verkauften, abzumarkten. Auch in diesem Spiel erschlich ich mir, von eitler Begier zu glänzen verblendet, oft durch Betrug den Sieg. Was aber wollte ich selbst so wenig dulden und tadelte ich so roh, wenn ich andere dabei ertappte, als eben das, was ich anderen tat, und wenn ich selbst darüber ertappt wurde, lieber tobte als mich gefügt hätte? Ist das die kindliche Unschuld? Nein, o Herr, sie ist es gewiß nicht. Das ist, was aus dem Knabenalter auf das höhere folgende Alter übergeht, nur daß es sich anstatt der Erzieher und Lehrer, der Nüsse und Kugeln und Sper[46]linge jetzt um Präfekten und Könige, Gold, Landgüter und Sklaven handelt, wie auch anstatt der Ruten schwerere Strafen eintreten. In der Kleinheit der Kinder hast du, unser König, uns ein Symbol der Demut gegeben, wenn du sprachst: Solcher ist das Himmelreich!

Erstes Buch – Zwanzigstes Kapitel

Doch Dank sei dir, o Herr unser Gott, dargebracht, dem erhabensten und besten Schöpfer und Regierer des Weltalls, wenn du auch nur gewollt hättest, daß ich solch ein Knabe geworden wäre. Denn schon damals lebte ich und empfand und mir lag mein unversehrtes Dasein am Herzen, eine Spur der geheimnisvollen Einheit mit dir, der ich mein Dasein verdankte. Mit meinem inneren Sinne behütete ich die Unverletztheit meiner äußeren Sinne und freute mich an der Wahrheit selbst bei kleinen Gedanken über kleine Dinge. Ich wollte mich nicht täuschen lassen, mein Gedächtnis war frisch, mit Beredsamkeit war ich ausgestattet, Freundschaft war mir angenehm, ich floh den Schmerz, die Haltlosigkeit, die Unwissenheit. Was ist an einem solchen Wesen nicht bewundernswert und des Lobes würdig? Aber alles dies hat mir Gott geschenkt, nicht ich selbst habe es mir verliehen, und es ist gut, und alles dies bin ich. Gut ist also mein Schöpfer, und er selbst ist mein Gut und ihn preise ich mit Frohlocken für all das Gute, wodurch ich auch als Knabe wirklich war. Denn das war meine Sünde, daß ich nicht in ihm, sondern in seiner Kreatur in mir und den anderen Vergnügen, Herrlichkeit und Wahrheit suchte, und so stürzte ich mich in Schmerz, Verwirrung und Irrtum. Dank dir, du meine Wonne, meine Ehre, mein Vertrauen, o mein Gott! Dank dir für deine Gaben! Bewahre sie mir aber auch! Denn so wirst du mich bewahren und sie werden zunehmen, und was du mir gabst, wird vollendet werden, ich selbst werde mit dir sein, denn auch das Dasein hast du mir gegeben. [47]

Zweites Buch – Erstes Kapitel

Gedenken will ich meiner Befleckungen und des Verderbens meiner Seele im Fleisch, nicht weil ich sie liebe, sondern daß ich dich liebe, mein Gott. Liebe zu deiner Liebe ist es, die mich noch einmal die schändlichen Wege durchwandern läßt im Geiste mit der Bitterkeit der neu auflebenden Erinnerung, auf daß du mir süß werdest, o Süßigkeit, die nicht trügt, o Wonne, die zu Glück und Frieden führt, und wenn ich mich sammle von der Zerstreuung, von der ich stückweise zerrissen wurde, da ich von dir, dem Einen, abgewandt, mich in die Vielheit verlor. Da ich ein Jüngling war, flammte auch in mir die Begierde, mich zu sättigen in höllischen Genüssen, und so gab ich mich in wechselnden und lichtscheuen Liebesgenüssen der Verwilderung preis. Und mein Leib verzehrte sich und ich verfiel vor deinen Augen, während ich mir gefiel und den Menschen zu gefallen strebte.

Zweites Buch – Zweites Kapitel

Liebe und Gegenliebe, doch nur sie erfreuten mich. Doch blieb ich nicht auf dem lichten Pfade der Freundschaft, der von Seele zu Seele führt, sondern böse Dünste entstiegen dem Schlamme meiner Fleischeslust und dem Sprudel meiner Jugend und umwölkten und umnachteten mein Herz, daß es nicht mehr scheiden konnte die heitere Klarheit der Liebe von dem Düster der Sinnenlust. Beides wogte und wallte wirr durcheinander, riß meine ohnmächtige Jugend durch die Abgründe der Lust und tauchte sie hinein in den Sündenpfuhl. Da entbrannte dein Zorn über mir und ich erkannte es nicht. Das Klirren der Kette, die mich an die Sterblichkeit [48] fesselt zur Strafe für meinen Hochmut, machte mich taub (für deine Stimme), und weiter und weiter ging ich von dir, und du ließest mich gewähren; ich trieb mich umher, vergeudete meine Kräfte und schwächte mich und wallte mich in meinen Ausschweifungen – und du schwiegst. Du meine Freude, wie spät wurdest du mir zuteil! Du schwiegst damals und ich entfernte mich immer weiter und weiter von dir, immer mehr und mehr in jene unfruchtbare Saat, die nur Schmerzen gebiert in stolzer Verworfenheit und friedloser Erschöpfung.

O, wer meinem Elende ein Maß gesetzt und die flüchtige Schönheit des steten Wechsels mir zu Nutzen gewandelt und ihren Reizen ein Ziel gesteckt hätte, daß die stürmischen Fluten meiner Jugend, da sie nicht ruhen konnten, gebrandet wären am Ufer der Ehe, die sich genügen läßt mit dem Zweck der Fortpflanzung, wie dein Gesetz, o Herr, es vorschreibt, der du Kinder des Todes schaffst und deine linde Hand aufzulegen vermagst zur Linderung der Dornen, die ausgeschlossen sind von deinem Paradiese. Denn deine Allmacht ist nicht fern von uns, wenn wir auch fern sind von dir. Wachsamer hätte ich gewißlich dann dein Wort, das aus deiner Wolke hervorging, beachtet: Es werden solche leibliche Trübsal haben. Ich verschonte aber eurer gern; und: Es ist dem Menschen gut, daß er kein Weib berühre, und: Wer ledig ist, der sorget, was dem Herrn angehört, wie er dem Herrn gefalle. Wer aber freiet, der sorget, was der Welt angehört, wie er dem Weibe gefalle. Hätte ich wachsamer solchen Worten gelauscht, der Sinnenlust abgestorben um des Himmelreichs willen, seliger hätte ich geharrt, von deiner himmlischen Liebe umfangen zu werden.

Aber ich Elender brauste auf, willenlos fortgerissen von den Wogen (die in meinem Innern stürmten), verließ ich dich und übertrat alles, was dein Gesetz verordnet, und entrann deiner Geißel nicht; wer von den Sterblichen könnte auch dies? Denn immer warst du mir nahe in gnädigem Zorn [49] und sprengtest bittersten Wermut auf alle meine unerlaubten Freuden, auf daß ich Vergnügen aufsuchte ohne Schmerz, und hätte es in meinem Vermögen gestanden, wahrlich nichts hätte ich gefunden als nur dich allein, o Herr, dich, der du Schmerz in dein Gebot legtest, der du verwundest, um zu heilen, und tötest, auf daß wir dir nicht absterben. Wo war ich und wie weit verbannt von den Ursonnen deines Hauses in jenem sechzehnten Jahre meines leiblichen Lebens, da der Wahnsinn der Wollust die Herrschaft über mich gewann und ich ihr beide Hände bot, ihr, die sich frech zur Schande der Menschen alles erlauben darf und die doch deine Gesetze verbieten. Die Meinigen sorgten nicht dafür, mich, den Strauchelnden, aufzuhalten und zu verheiraten; sie waren nur darauf bedacht, daß ich möglichst gut und möglichst überzeugend reden lernte.

Zweites Buch – Drittes Kapitel

In jenem Jahre nun erfolgte eine Unterbrechung meiner Studien durch meine Rückreise von Madaura, der Nachbarstadt, in welcher ich den ersten Unterricht in den Wissenschaften und der Beredsamkeit empfing. Es wurden Vorbereitungen zu einem längeren Aufenthalte in Karthago getroffen, mehr durch die Hoffart meines Vaters als durch seinen Reichtum veranlaßt, da er ein ziemlich unbemittelter Bürger von Thagaste war. Warum erzähle ich dies? Nicht dir, o mein Gott; aber vor deinem Angesichte erzähle ich es meinem Geschlechte, dem Geschlechte der Menschen, wie klein auch der Leserkreis dieser meiner Schrift sein möge. Und zu welchem Zweck erzähle ich es? Damit ich und jeder Leser bedenke, aus welchen Tiefen man zu dir rufen muß. Denn was ist näher als dein Ohr, wenn ein Herz sein Bekenntnis ablegt und das Leben aus dem Glauben ist? Denn wer pries nicht damals meinen menschlichen Vater, daß er über sein Vermögen auf seinen Sohn verwandte, so viel zu der weiten Studienreise nötig war. Denn viele reichere Bürger [50] machten keinen solchen Aufwand für ihre Kinder, währenddessen mein Vater sich nicht darum kümmerte, wie ich dir entgegenreifte, oder wie es mit meiner Reinheit stünde, wenn ich nur redegewandt oder vielmehr abgewandt von deinem Dienst war, o Gott, du einzig wahrer und guter Herr deines Ackers, das ist meines Herzens.

Als ich aber in jenem sechzehnten Jahre häuslichen Mangels wegen müßig ging und so Schulferien hatte und bei meinen Eltern lebte, da entwuchsen meinem Haupte die Dornen der Wollust und niemand raufte sie aus. Ja, als mein Vater einst im Bade mich, den kräftig heranreifenden Jüngling, sah mit seiner ungestümen Jugendkraft, teilte er es voll Freude der Mutter mit, als frohlocke er schon über die künftigen Enkel, in dem Freudenrausche, in welchem diese Welt dich, ihren Schöpfer, vergaß und das Geschöpf statt deiner liebte, berauscht von dem unsichtbaren Weine seines verkehrten und zur Tiefe gewandten Willens. Aber in meiner Brust hattest du schon deinen Tempel (aufzurichten) begonnen und den Grund zu deinem Heiligtum gelegt; jener aber (der Vater) war seit kurzem erst Katechumen geworden. Daher lebte sie in heiliger Furcht und Zittern, und ob ich gleich noch kein Christ (noch nicht getauft) war, fürchtete sie doch die Irrwege, welche ich wandelte und die dir den Rücken zukehren und nicht das Angesicht.

Wehe mir! Und ich wage zu sagen, du hättest geschwiegen, mein Gott, da ich mich noch weiter von dir entfernte? Schwiegst du denn damals wirklich so ganz? Und die Worte, die du durch den Gesang meiner Mutter, die im Glauben an dir hing, so oft an mein Ohr tönen ließest, wessen waren sie, wenn nicht dein? Doch keines davon drang mir in das Herz, daß ich danach gehandelt hätte. Mit dem besten Willen ermahnte sie mich oft, wie ich mich noch erinnern kann, heimlich mit tiefem Grame, daß ich nicht der Wollust verfiele und vor allem nicht die Ehe eines andern entweihte. Aber weibisch erschienen mir solche Ermahnungen, denen ich ohne Erröten [51] nicht zu gehorchen vermochte. Von dir kamen sie und ich wußte es nicht und glaubte, du schwiegest und nur jene (meine Mutter) rede, durch welche du zu mir sprachst, und du wurdest in ihr von mir, ihrem Sohne, verachtet, dem Sohne deiner Magd, deinem Knechte. Aber ich wußte es nicht, und mit solcher Blindheit geschlagen eilte ich jählings vorwärts, so daß ich mich vor meinen Altersgenossen schämte, wenn ich minder schändlich gelebt hatte als sie, weil ich sie mit ihren Vergehen prahlen und um so mehr Rühmens davon machen hörte, je schändlicher sie waren: so verführte mich nicht nur die Lust an der Tat, sondern auch die Lust gelobt zu werden. Was ist tadelnswerter als das Laster? Um nicht getadelt zu werden, wurde ich noch lasterhafter, und wo ich es den Verworfenen nicht gleichtun konnte, gab ich vor, die Untat begangen zu haben, damit ich nicht desto verächtlicher erschiene, je unschuldiger ich war, und um nicht für desto geringer zu gelten, je reiner ich war.

Wehe, mit welchen Spießgesellen ich mich auf den Straßen Babels umhertrieb und mich in ihrem Kote wälzte wie in köstlichen Spezereien und Salben. Und in ihrer Mitte trat mich der unsichtbare Feind mit Füßen (in den Kot), daß ich desto fester an ihm hinge, und verführte mich, weil ich verführbar war. Auch meine leibliche Mutter, die zwar aus der Mitte Babels schon eilend geflohen war, in den übrigen Straßen aber langsamer ging, sorgte, so sehr sie mich auch zur Keuschheit ermahnte, doch nicht dafür, das, was sie durch ihren Gatten von mir gehört und schon als verderblich und für die Zukunft als gefährlich erkannt hatte, in die Schranken der ehelichen Liebe zu bannen, wenn es nicht bis auf die letzte Lebensspur vernichtet werden konnte. Sie sorgte dafür nicht, aus Furcht, die Ehefessel könnte meine Hoffnungen vereiteln, nicht jene Hoffnung, welche meine Mutter für das Jenseits auf dich setzte, sondern die Hoffnung der wissenschaftlichen Ausbildung, deren Besitz meine Eltern allzusehr für mich wünschten, der Vater, weil er über dich fast gar nichts, [52] über mich nur Eitles dachte, die Mutter, weil sie glaubte, daß jene gewöhnlichen wissenschaftlichen Studien nicht nur nichts schadeten, sondern vielmehr von einigem Nutzen sein könnten, zu dir zu gelangen. Denn solches ist meine Vermutung, wenn ich, soweit ich vermag, über den Charakter meiner Eltern nachdenke. Auch im Spiel ließ man mir die Zügel mehr schießen als das rechte Maß der Strenge erlaubt, so daß ich mich in mancherlei Gelüste verlor, und überall herrschte Finsternis, die mir, mein Gott, die heitere Klarheit deiner Wahrheit verschloß, und wie aus fettem Erdreich sproßte meine Ungerechtigkeit auf.

Zweites Buch – Viertes Kapitel

Gewiß straft, o Herr, dein Gesetz den Diebstahl und das Gesetz, das geschrieben stehet im Menschenherzen, das selbst die Sünde nicht tilgt. Denn gibt es wohl einen Dieb, der einen andern mit Gleichmut duldet? Nicht einmal der Reiche, der Überfluß hat, duldet den durch Mangel zum Diebstahl getriebenen Dieb. Und ich war willens, einen Diebstahl zu begehen, und beging, ihn weder durch die Not noch durch den Mangel dazu getrieben, sondern durch den Ekel vor der Gerechtigkeit und die Gier nach Ungerechtigkeit. Denn ich stahl, was ich im Überfluß besaß und weit besser; und nicht der Genuß an der Sache selbst, sondern am Diebstahl und an der Sünde war es, den ich begehrte. In der Nähe unseres Weinberges stand ein Birnbaum mit Früchten beladen, die jedoch weder durch ihr Aussehen noch ihren Geschmack reizen konnten. Diese abzuschütteln und fortzutragen, begaben wir ruchlosen Jünglinge uns in später Nachtstunde, bis zu der wir in Spielhäusern nach schändlichem Brauche das Spiel herausgezogen hatten, dorthin und trugen große Massen hinweg, nicht um sie zum Mahle zu genießen, sondern um sie den Schweinen vorzuwerfen, nachdem wir ein wenig davon gekostet hatten, nur um nach unserem Geiste Unerlaubtes zu tun. Siehe mein Herz an, o mein Gott, siehe mein Herz an, denn [53] du hast dich seiner erbarmt, da es in der Tiefe des Abgrundes schmachtete. Und was es dort suchte, das sage dir jetzt mein Herz, daß ich um nichts böse war, ohne irgendetwas dadurch erreichen zu wollen; boshaft war ich, nur um boshaft zu sein. Schändlich war es und ich liebte es, ich liebte das Verderben, ich liebte meinen Abfall (von dir), nicht das Objekt meines Abfalls, sondern meinen Abfall selbst: Schändliche Seele, die sich, von deiner Himmelsfeste trennend, selbst verbannt, die nicht etwas durch Schande, nein die Schande selbst begeht.

Zweites Buch – Fünftes Kapitel

Schöne Körper gewähren einen reizenden Anblick, ebenso wie Gold, Silber und alles Derartige, und für das Gefühl übt fleischliche Sympathie einen starken Reiz aus; gleichermaßen haben alle übrigen Sinne eine ihnen entsprechende Eigentümlichkeit der Körper. Auch zeitliche Ehre, Herrschergewalt und Oberhoheit und der aus ihnen entspringende Trieb nach Freiheit haben ihren Reiz: doch dürfen wir, wollen wir dies alles erlangen, nicht weichen von dir, o Herr, und uns nicht entfernen von deinem Gesetz. Auch unser Menschenleben hat einen bestechenden Reiz durch eine gewisse Art von Anmut und Harmonie mit allem irdischen Schönen. Süß ist auch die Freundschaft der Menschen durch das teure Band, das viele Seelen vereint. Sünde aber wird alles dieses und ähnliches, wenn wir in zügelloser Hinneigung zu diesen Gütern, obgleich sie sehr gering sind (im Verhältnis zu denen, die du uns schenkst), die besseren und höchsten im Stich lassen, ja dich selbst, o Herr unser Gott, und deine Wahrheit und dein Gesetz. Wohl macht auch dies Geringe uns Freude, aber nicht wie du, mein Gott, der alles gemacht hat; denn die Gerechten freuen sich des Herrn und er selbst ist die Wonne derer, die geraden Herzens sind.

Fragt man nun nach der Ursache eines Verbrechens, so findet man keinen Glauben, wenn nicht die Begierde nach [54] jenen Gütern, welche wir die niedrigsten nannten, als Grund nachgewiesen werden kann oder die Furcht, sie einzubüßen. Wohl sind sie schön und reizend, aber im Vergleich zu jenen höheren und seligmachenden Gütern sind sie wertlos und verwerflich. Es beging einer einen Mord. Weshalb? Er liebte des Ermordeten Weib oder Gut, oder er wollte rauben, um davon zu leben, oder er fürchtete, von dem Ermordeten derartiges einzubüßen, oder Rachgier erfüllte ihn. Beging er etwa den Mord ohne Ursache und aus bloßer Freude am Mord? Das klingt unglaublich. Wird doch selbst bei jenem Wahnsinnigen und beispiellos grausamen Menschen als Ursache seiner nutzlosen Bosheit und Grausamkeit das Wort von ihm angeführt: „Nicht soll mir in Untätigkeit Hand und Herz erschlaffen.” Was war aber der wirkliche Grund? Daß er durch die Übung im Verbrechen nach Eroberung der Stadt Ehrenstellen, Gewalt, Reichtümer erlangte und von der Furcht vor den Gesetzen aus seiner mißlichen Lage, da sein Vermögen zerrüttet und sein Gewissen mit Verbrechen belastet war, befreit würde. Selbst ein Catilina liebte nicht seine Verbrechen, sondern anderes, demzufolge er sie beging.

Zweites Buch – Sechstes Kapitel

Was liebte ich denn nun aber an dir, meinem Diebstahl, ich Elender, und jener nächtlichen Schandtat im sechzehnten Jahre meines Lebens? Du warst nicht schön, weil du eben ein Diebstahl warst, oder warst du denn überhaupt etwas, daß ich zu dir rede? Schön waren jene Früchte, die wir stahlen, weil du sie geschaffen, du Schönster von allen, du Schöpfer des Alls, gütiger Gott, du mein höchstes, du allein wahres Gut. Schön waren jene Früchte, aber nicht sie waren es, die meine elende Seele begehrte, denn bessere hatte ich in Menge; jene pflückte ich nur, um zu stehlen. Denn das abgepflückte Obst warf ich hinweg, und die Speise, die mich ergötzte, war einzig und allein die Sünde. Aß ich auch etwas davon, so wurde es mir doch nur durch die Sünde gewürzt. [55] Und nun, mein Herr und mein Gott, frage ich dich, welche Freude mir der Diebstahl gewährte; er hat nichts Schönes, nichts Reizendes, wie es – von Mäßigung und Klugheit ganz und gar zu schweigen – in der Einsicht, dem Erinnerungsvermögen, den Sinnen und der Lebensfreudigkeit liegt, nichts Reizvolles, wie es der Glanz der Gestirne hat, welche das Himmelszelt zieren, nicht wie die Erde und das Meer, voll zeugenden Lebens, wo Entstehen und Vergehen in ewigem Wechsel begriffen sind – kurz meine Tat hatte nicht einmal jenen mangelhaften, nachäffenden Reiz, wie ihn Sünden haben, die uns täuschen (indem sie sich als Tugenden darstellen).

So ahmt der Stolz die Erhabenheit nach, während du doch, o Gott, allein über alles erhaben bist; so sucht die Ehrsucht nur Ehre und Ruhm, während du doch vor allen allein zu verehren bist und zu preisen in Ewigkeit; so will die Strenge der Mächtigen gefürchtet werden; ist es denn nicht Gott, dem allein Furcht gebührt? Was kann deiner Macht entzogen und entrissen werden? Wann, wo oder von wem wäre dies wohl möglich? Die Liebkosungen der Mutwilligen wollen gefallen; doch nichts ist liebenswürdiger als deine Huld, und keine Liebe ist heilsamer, als die Liebe zu deiner Wahrheit, die vor allem schön und lichtvoll ist. Die Neugierde strebt wißbegierig zu erscheinen, während du doch allwissend bist. Selbst die Unwissenheit und Torheit hüllen sich in den Deckmantel schlichter Einfalt und Unschuld, und doch gleicht dir niemand an Unschuld und Unsträflichkeit, denn die Taten der Bösen strafen sich selbst; die Trägheit will für Seelenruhe gelten, doch gesicherte Ruhe ist allein bei dem Herrn. Die Üppigkeit möchte gern Genüge und Fülle heißen, du aber bist allein (wahre) Fülle und unergründliche Quelle unvergänglicher Wonne. Die Verschwendung heuchelt Freigebigkeit zu sein, du aber bist der freigebigste, reichlichste Spender aller Güter; die Habsucht will Edles besitzen – du besitzt alles. Die Scheelsucht streitet über den Vorzug, doch wer ist vorzüglicher als du? Die Furcht schaudert vor ungewöhnlichen und plötz[56]lich hereinbrechenden Ereignissen, die über das, was uns lieb, hereinbrechen, und macht ängstlich für ihre Sicherheit; doch was ist dir ungewöhnlich, was Unvermutet? Wer will von dir scheiden, was du liebst? Oder wo gibt es wahre Sicherheit, wenn nicht bei dir? Die Trauer verzehrt sich, wenn sie verloren, was die Wollust erfreute, weil sie wollte, daß ihr nichts genommen würde, wie dir nichts genommen werden kann.

So bricht die Seele den Bund der Treue, wenn sie sich von dir abwendet und nicht suchet in dir, was sie rein und klar nur findet, wenn sie zurückkehrt zu dir. Verkehrt ahmen dich alle nach, die sich von dir entfernen und stehen auf wider dich. Allein indem sie dich so nachahmen, zeigen sie doch, daß du der Schöpfer der gesamten Natur bist, und daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, sich völlig von dir zu scheiden. Was also liebte ich an jenem Diebstahle? Und worin ahmte ich meinen Herrn nach, wenn auch nur in frevelhafter und verkehrter Weise? War es die Lust dem Gesetz zuwiderzuhandeln, wenigstens durch Trug, weil ich mit meinem menschlichen Vermögen die dem Gebundenen mangelnde Freiheit durch strafloses Tun strafbarer Handlungen nicht nachahmen und so ein Zerrbild deiner Allmacht geben konnte? Es ist jener Knecht, der seinen Herrn verließ, um dem Schatten zu folgen. O Verderbnis, o Schauer des Lebens und Tiefe des Todes! Konnte ich wirklich Gelüst nach Unerlaubtem tragen, nur weil es Unerlaubtes war?

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