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Читать книгу: «Lu die Kokotte», страница 19

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XLIII

Liane stürzte sofort nach Empfang des Briefes zum Geheimrat; vorher hatte sie Werner verständigt und sich zum Lunch mit ihm ein Rendezvous gegeben.

Als sie diesmal den kleinen Vorraum, der in Walthers Privatbureau führte, betrat, lächelte ihr der junge Mann freundlich zu, riß die Türen auf und ließ sie vor.

Der Empfang war sehr herzlich.

»Wie gut es ist, wenn man Freunde hat«, sagte Berthe.

»Nur scheinst du etwas viel zu haben«, erwiderte der Geheimrat.

»Fängst du schon an, eifersüchtig zu werden?« fragte sie. »Ich bin, seitdem ich mit Helldorf verkehre, kaum mit einem andern Mann zusammen gewesen.«

Der Geheimrat lächelte. »Und früher?« fragte er.

»Was soll das heißen? Willst du ein Verzeichnis haben? – Verlaß dich drauf, ich habe nie eine Geschmacklosigkeit begangen. Hatte das glücklicherweise auch nicht nötig und konnte stets wählen, was mir gefiel.«

»Um so erstaunlicher, was für Wege dein Geschmack manchmal geht«, erwiderte der Geheimrat.

»Sag’, was du meinst,« bat Liane, »anstatt Versteck mit mir zu spielen.«

»Ich meine meinen Vetter, den Oberlehrer Dr. Sasse«, sagte der Geheimrat ernst.

Liane lachte laut und herzlich.

»Ach der!« rief sie. »Himmlisch! Wie oft denke ich an den Mann mit dem bunten Vorhemd und der griesligen Jägerwäsche – ah!« – Sie schüttelte sich und zog die Schultern hoch. – »Es juckt, wenn ich nur daran denke! Der lebt auch noch?«

»Warum soll er nicht leben?« erwiderte der Geheimrat; »ich wundere mich nur, daß du an ihm Gefallen finden konntest.«

»Glaubst du das wirklich?« fragte sie belustigt. »Mir scheint, du weißt nicht, was du sprichst. Ich habe ihm damals mein Ehrenwort gegeben, dir nichts zu sagen; na, und Diskretion ist der Kredit einer Kokotte. Aber, da du’s weißt, kann ich dir nun auch sagen, wie ich zu diesem Trottel gekommen bin. Der Mann hat mir, als ich noch Erzieherin bei euch war, frech und plump nachgestellt; ich habe ihn natürlich für das genommen, was er war: für einen schlechten Witz, nach dem einem übel wird. Eines Tages ist dieser Filou – wie ist mir noch heute unklar – dahintergekommen, daß wir beide in Verbindung stehen. Wahrscheinlich hat er die Dienstboten bestochen. Jedenfalls drohte er mir nun mit Skandal, falls ich ihm nicht einmal – na, das Weitere kannst du dir denken. Ich habe mich für unsere Liebe geopfert!« sagte sie mit schalkhaftem Pathos. »Ich hoffe, du wirst dich, auch wenn es längst verjährt ist, dafür erkenntlich zeigen.«

»So ein Schw . . . Schuft!« rief der Geheimrat.

»Was sollte ich tun? Ich entschloß mich und sagte ja. Er bestellte mich in eine Spelunke, die Hotel Bismarck oder so ähnlich hieß, am Stettiner Bahnhof; mir wird noch übel, wenn ich nur daran denke. Er erwartete mich im Hausflur; mit einem falschen Bart, einer Brille, den Kragen hochgeklappt und sah aus wie ein Verbrecher. Ich werde die Angst und den Ekel dieser Stunde nie vergessen. Ich weiß heut noch nicht, was eigentlich geschah. Nur, daß er in dem Hause bekannt war, merkte ich. Denn als wir die Treppe hinaufstiegen, rief so etwas wie ein Portier dem Kellner, der uns führte, und an dessen Frack und Hose der Dreck klebte, zu:

›Herr Walther wieder auf Zimmer Nummer 17.‹ Ich riß instinktiv die Fenster auf, die nach einem schmutzigen Hofe gingen, um Luft hereinzulassen. Aber mir schlug ein so ekler Geruch entgegen, daß ich sie gleich wieder schloß. Dann weiß ich nur noch, daß der Kerl . . .«

»Welcher Kerl?« fragte der Geheimrat.

»Dein sauberer Vetter«, erwiderte Liane, ». . . seinen Rock auszog, vor mir auf der Erde herumrutschte und nach meinen Beinen griff. Ich muß dann wohl die Besinnung verloren haben; denn als ich mich nach einer Weile umsah, wußte ich gar nicht, wo ich war, lag halb entkleidet im Bett, und neben mir auf dem Nachttisch lag ein Fünfmarkstück.«

Der Geheimrat schrie vor Lachen.

». . . Und ein Zettel, auf dem stand: Der Lohn der Liebe! Schlaf’ süß, mein Herzensschatz! Bis morgen! Wo ich dich wieder wie heut erwarte.«

»Und unter meinem Namen macht er das?« rief der Geheimrat. »So ein Schuft!«

»Ich wußte, daß dich das am meisten interessieren würde«, sagte Liane. »Ich habe ihn dann nur noch einmal, und zwar bei euch gesehen, kurz vor meiner Abreise. Da erzählte er mir, daß er Abend für Abend vor dem Hotel auf mich gewartet habe. Ich muß lachen, und da fragte er mich, ob ich denn nicht glücklich gewesen sei.«

»Sie sind doch alle gleich«, sagte der Geheimrat.

»O nein,« erwiderte Liane, »das wäre ganz furchtbar; und ich würde noch heute eine anständige Frau, wenn alle wären wie er. – Aber um endlich auf Luise zu kommen: was wird nun?«

»Alles geregelt«, sagte der Geheimrat. »Meine Frau will sie bis zur Hochzeit zu sich nehmen. Der Professor ist mit allem einverstanden; wir werden noch heute dem alten Geldern Besuch machen. Bist du zufrieden?«

Sie reichte ihm die Hand und er küßte sie.

»Ja«, sagte sie.

»Und mein Lohn?«

»Du hast mir viel versprochen gestern«, erinnerte Liane.

»Ich riskiere nicht wenig, das weißt du; aber ich halte mein Wort, wenn es auch ein Unrecht gegen Helldorf ist.«

Der Diener meldete Herrn Werner Geldern.

»Ich habe ihm telephoniert,« sagte Liane, »damit wir gleich alles regeln können.«

»Und Helldorf?« fragte der Geheimrat.

»Der wird dich auch aufsuchen«, erwiderte Liane; »wenn du es schlau machst, löst er seine Verbindung zu den Banken und geht zu dir.«

»So?«

»Aber einen anständigen Kredit mußt du ihm einräumen«, sagte sie; – »schon in meinem Interesse!«

»Den kann er haben, so hoch er will.«

»Und für mich mußt du sparen – willst du das, und mir hohe Prozente geben? – Weiter verlange ich nichts von dir.«

»Fünfzig Prozent,« versprach der Geheimrat, »solange ich dich zu sehen bekomme.«

»Du, das ist ein Vermögen«, sagte Liane; »ich kann bei Helldorf gut 500 – 800 Mark die Woche sparen, wenn ich mich einrichte und lieb zu ihm bin.«

»Soviel bist du mir wert«, erklärte der Geheimrat.

Liane streckte ihm die Hand hin: »Abgemacht«, sagte sie.

Er schlug ein, zog sie an sich und küßte sie.

Der Diener meldete Herrn Geldern.

»Bitte!« befahl der Geheimrat.

Werner küßte Liane die Hand, begrüßte dann den Geheimrat, dem er irgendwo schon einmal begegnet war.

»Ich darf Ihnen sagen,« begann der Geheimrat, »wie sehr ich mich freue, in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu Ihrer Familie zu treten.«

»Mein Papa erwartet Sie gern«, erwiderte Werner.

»Auch ich hoffe, Sie bald bei uns zu sehen; meine Frau hing immer mit besonderer Liebe an ihrer Nichte und wäre ganz glücklich, wenn sie bis zur Hochzeit unser Gast wäre.«

Werner sah ihn groß an; er überzeugte sich, daß der Geheimrat glaubte, was er sagte; daß er sich nicht einmal verstellte und es in diesem Augenblick wirklich ernst meinte.

»Das ist sehr gütig«, antwortete er; »aber ich glaube kaum, daß meine Braut das annehmen kann.«

»Aber warum nicht?« fragte der Geheimrat. »Sie hat bei uns meine Töchter, die in ihrem Alter sind und sich darauf freuen, ihre Cousine wiederzusehen. Es wird doch viel zu tun geben: Aussteuer – Wohnung – ich kenne das; bei allem wird ihr meine Frau wie eine zweite Mutter zur Seite stehen; und schließlich, da ihre guten Eltern leider tot sind, – schade, daß Sie die nicht mehr kennen lernen, – so sind wir ja auch diejenigen, die Ihrer Braut am nächsten stehen.«

Als Werner zum Geheimrat Walther ging, hatte er sich fest vorgenommen, nichts aus der Vergangenheit zu erwähnen. Er wollte seinem Vater zuliebe – und da es ja auch im Interesse Luises lag – die konventionellen Pflichten auf sich nehmen; so lächerlich an sich diese Maskerade war. Dennoch platzte er jetzt heraus und sagte:

»Sie und Ihre Frau Gemahlin haben nicht immer so gedacht.«

Der Geheimrat war keinen Augenblick verlegen.

»Ich bitte Sie, die Verhältnisse haben sich doch völlig gewandelt; niemand ist glücklicher darüber als ich.«

»Trotzdem wird es nicht gut gehen«, erwiderte Werner. »Meine Braut hat unter dem Leben, das sie – nicht zuletzt durch die Schuld Ihrer Familie – zu führen gezwungen war, seelisch arg gelitten; fremde Menschen regen sie auf.«

»Aber ich bitt’ Sie,« unterbrach der Geheimrat, »wir sind ihr doch nicht fremd – nächst Ihnen wüßte ich keinen, der ihr näher steht als wir.«

»Stehen sollte«, erwiderte Werner; »leider – und das kann Sie kaum wundern, – ist das nicht der Fall. Sie ist in der Zeit, die sie von Hause fort war, eben ein ganz anderer Mensch geworden . . .«

»Im Grunde ist sie ja doch dieselbe geblieben«, versicherte der Geheimrat.

»O nein, Sie irren«, sagte Werner entschieden.

»Für uns jedenfalls«, versicherte der Geheimrat; »wir haben alles, was inzwischen vorgefallen ist, längst vergessen.«

Damit glaubte er etwas ganz besonders Freundliches zu sagen.

»Sie ja, das glaube ich gern«, erwiderte Werner. »Sie lernen von heute auf morgen um; für Sie kann ein und derselbe Mensch heute Kokotte und, wenn ein Fürst kommt und sie zu seiner Frau macht, morgen der Inbegriff alles nur zu Verehrenden sein. Meine Luise hat dickeres Blut; die vergißt weniger schnell, daß sie Kokotte war

»Aber!« rief der Geheimrat entsetzt. »Wie kann man so etwas von einer Frau sagen, die man heiraten will.«

»Der Unterschied ist der,« erwiderte Werner, »daß ich daran denken kann, und zwar an alles, ohne daß meine Liebe darunter auch nur leidet; ja umgekehrt, sie befestigt und vertieft sich nur. Sie aber haben eine solche Scheu, daß Ihnen selbst das bißchen Konvention schwerfällt, solange Sie auch nur im stillen daran denken müssen. So heucheln Sie vor sich selbst.«

»Ich meine, man sollte es sich nicht unnütz schwer machen«, sagte der Geheimrat.

»Das meine ich auch«, sagte Liane.

Und Werner gab ihnen recht; er ärgerte sich, daß er immer noch in seine alten Fehler zurückfiel und feierlich wurde, statt zu lachen. —

»Also,« sagte er, »kehren wir zum Konventionellen zurück! – Verehrtester Onkel – oder geht das zu weit?«

Der Geheimrat reichte ihm die Hand und sagte:

»Es gehört sich wohl so.«

»Das meine ich auch; nur nichts Halbes. Noch einmal also: Lieber Onkel, im Namen Luises danke ich dir und der lieben Tante . . .«

»Sie kennen sie ja noch gar nicht«, rief Liane und lachte laut.

»Darauf kommt es nicht an«, erwiderte Werner. »Der Arzt wünscht aber, daß sie bis zum Tage der Hochzeit im Sanatorium bleibt.«

»Das wird deine Tante so sehr bedauern wie ich«, erwiderte der Geheimrat. »Wann soll denn die Hochzeit sein?«

»So schnell wie möglich,« erwiderte Werner, »und am Hochzeitstage wird, wie ich bestimmt hoffe, die ganze liebe Familie versammelt sein.«

»Das versteht sich von selbst«, erwiderte der Geheimrat; »wie ich meine Frau kenne, wird sie es sich nicht nehmen lassen, die Brautmutter zu spielen.«

»Das Arrangement überlasse ich Ihnen gern«, sagte Werner; »nur eins noch . . .«

»Bitte«, rief der Geheimrat.

»Es gibt nun noch immer zwei Widerspenstige zu zähmen,« sagte er, »nämlich meinen Schwager und meine Schwester. Sie haben zwar ihr Verhalten von Ihrem abhängig gemacht; immerhin glaube ich, daß es gut wäre, wenn man ein wenig nachhilft.«

»Mit Vergnügen«, erklärte der Geheimrat; »das ist doch der Rittergutsbesitzer Brehmer-Geldern?«

»Allerdings«, bestätigte Werner; »die Leute haben den Tick, geadelt zu werden.«

Der Geheimrat schüttelte den Kopf.

»Teure Sache,« sagte er.

»Eben«, erwiderte Werner; »ich sage Ihnen das nur als Gebrauchsanweisung, damit Sie wissen, wo Sie anzukurbeln haben. Die beiden Leute laufen am Schnürchen, wenn Sie da ansetzen, Vorschläge machen und womöglich helfen.«

Der Geheimrat dankte und machte sich Notizen.

Dann ließ sich Werner die Namen und Adressen aller Verwandten von Luise geben, bei denen er seine Karte abzuwerfen hatte, und nach Erledigung weiterer Formalitäten verabschiedete er sich und nahm Liane mit sich.

»Nein, ist das alles blöd«, sagte Liane, als sie draußen waren.

»Aber Sie haben Ihre Sache vorzüglich gemacht«, erklärte Werner.

»Das Beste kommt noch«, versicherte sie.

»Und was ist das?« fragte er.

»Der Hauptschuldige ist noch nicht gerichtet.«

»Wer ist das?« fragte Werner.

»Der Professor natürlich.«

»Und was wollen Sie mit ihm tun?«

»Seinem Pathos will ich zu Leibe. Ich habe nämlich das Gefühl, als wenn alles, was die Familie jetzt tut, obgleich sie es freiwillig und sogar gern tut, im Grunde doch die Strafe für das ist, was sie an Luise gesündigt hat.«

»Bestimmt«, bestätigte Werner; »für jeden, der denkt und sehen kann! Es ist das vernichtende Urteil ihrer Moral. Sie selbst merken es ja nicht; aber für mich und für Luise hat es doch eine große Bedeutung; wir haben unsern Humor wieder, wir können lachen.«

»Ich wünschte auch, ich könnte erst frei leben,« sagte Liane, »so, wie es mir paßt.«

»Wo kann ich Sie hinfahren?« fragte Werner, als sie unten waren.

»Nach Haus, bitte – aber geht es an, daß Sie als Bräutigam mit mir zusammen . . .?«

»Himmel! Nein!« lachte Werner.

»Nicht wahr,« sagte Liane, »das wäre ein fabelhafter Fauxpas.«

»Einer der ärgsten Verstöße gegen die Moral,« versicherte Werner; »alle anständigen Eltern, die das sähen, wären entsetzt und würden die Partie zurückgehen lassen, wenn es ihr Schwiegersohn wäre.«

Sie lachten, gaben sich die Hand und trennten sich.

Werner holte den alten Weise ab und fuhr mit ihm zum Vater.

Als er am Abend zu Luise reiste, saßen der alte Geldern und Weise noch stundenlang unter der großen Kristallkrone beieinander.

»Auf Werner und Luise!« sagte Geldern.

»Und auf die Kommenden!« ergänzte Weise.

Der Alte strahlte.

»Das wird ein echter Geldern«, sagte er. »Prost!«

Sie stießen an und tranken, und kein Tropfen blieb im Glase.

Als Weise fort war, ging der alte Geldern mit Martin, der einen Leuchter vorantrug, langsam durch alle Räume des Hauses; betrachtete liebevoll jedes Stück: die alten Bilder, Teppiche und Möbel; lächelte und nickte mit dem Kopfe. Und als er wieder in seinem Zimmer war, gab er Martin die Hand, sah ihm in die Augen und sagte:

»Ich bin sehr glücklich, Martin.«

XLIV

Als Werner zwei Tage später wieder bei Luise war, erzählte er ihr, daß er aus Berlin kam und nannte ihr auch den Grund, aus dem er dort gewesen war.

»Wir werden von deiner gesellschaftlichen Rehabilitation so wenig Gebrauch wie irgend möglich machen«, sagte er. »Immerhin ist es sehr sinnig, daß du sie lediglich dieser Liane verdankst. Und was meinem Vater und dem alten Weise und allen ehrsamen alten Jungfern der Stadt niemals gelungen wäre: diese so peinlich um ihre moralische Stubenreinheit bedachte Gesellschaft von deiner Tugendhaftigkeit zu überzeugen, gelang mühelos einer Kokotte.«

Da lachte auch Luise zum ersten Male wieder von ganzem Herzen; war ausgelassen und sagte spöttisch:

»Nein, wie ich mich freue, sie alle wiederzusehen, die guten Tanten und lieben Onkel. Ich fürchte nur, ich werde ihre Feierlichkeit nicht ernst nehmen und ihnen ins Gesicht lachen.«

Am nächsten Tage kamen Briefe von Professors, Oberlehrers und Walthers. Sie alle gratulierten in sehr herzlicher Form und taten, als wenn nie etwas vorgefallen wäre. Frau Geheimrat Walther versicherte ihr noch einmal, wie sehr sich ihr Mann, sie selbst und die Kinder freuen würden, wenn sich Luise doch noch entschlösse, bis zur Hochzeit ihr Gast zu sein. Auch von Berthe de Cyliane, die gestern bei ihnen gewesen wäre und so viel Gutes und Liebes über Luise berichtet hätte, fügte sie Grüße bei. Rittergutsbesitzer Brehmer-Gelderns hießen in einem langen Telegramm die neue Schwägerin in der Familie willkommen und sandten einen hohen Fliederstock.

Tante Hanna fand das sehr aufmerksam; aber Werner meinte, es beweise nur, daß sich der Geheimrat Walther ihrer Nobilitätspläne angenommen habe. —

Wie mit dem alten Geldern vereinbart war, blieb Luise bis kurz vor der Hochzeit mit der Tante im Taunus. Aber eines Tages hielt es den Alten, der jeden Morgen auf dem Kaffeetisch ein paar Zeilen von Luise fand, aus denen er sie täglich lieber gewann, nicht mehr. Er fuhr mit Martin zu ihr und überraschte sie.

Als sie sich in den Armen lagen und sich »mein Vater« und »mein Kind« nannten, da klang das so vertraut und natürlich, als wenn sie sich nie fremd gewesen wären.

Einen Tag wollte er bleiben; und blieb eine Woche. Und als er fortfuhr, wußte er, daß er sich nun nie mehr einsam fühlen werde.

– — – — – — – — – —

Drei Wochen später war die Hochzeit.

Der alte Geldern wollte sie in seinem Hause geben. Walthers behaupteten aber, es käme der Familie der Braut zu; und sie nahmen als deren nächste Verwandten das Recht für sich in Anspruch.

Der alte Geldern widersprach; auch Werner wollte davon nichts wissen; aber der alte Weise fand einen Ausweg.

»Ich begreife ja,« sagte er, »daß ihr gerade den Tag nicht in der Gesellschaft verbringen wollt. Ausschalten könnt ihr sie aber nicht! Mittwoch ist die standesamtliche Trauung, Donnerstag die offizielle Hochzeit. Gut, so feiern wir Mittwoch. Wir, das heißt, ihr beide, der Vater, die Tante und ich – vorausgesetzt, daß ihr mich haben wollt. Ganz für uns; meinen alten Famulus bringe ich mit; der spielt euch, falls es in die Stimmung paßt, euren Bach auf dem alten Harmonium. Und ich gebe euch ein paar gute Worte mit auf den Weg. – Martin deckt hier unter der Kristallkrone die Tafel; und die alte Amalie hilft ihm servieren. Sonst niemand! – So denke ich mir eure Hochzeitsfeier!«

Der Vorschlag entsprach dem, was sie alle empfanden.

»Und«, fuhr Weise fort, »am nächsten Tag mag dann die große Maskerade unter Geheimrat Walthers Führung vor sich gehen. Ihr seid dann bereits seit vierundzwanzig Stunden Mann und Frau! Laßt die Leute ruhig in dem Glauben, daß ihr eure Hochzeit feiert!«

»Köstlich!« rief Werner, und der alte Geldern schmunzelte über das ganze Gesicht, klopfte Weise auf die Schultern und sagte:

»Ein netter Seelsorger bist du!« – Dabei war niemand über den Vorschlag glücklicher als er. —

Und in der Tat war der intime Reiz dieses Festes, auf dem kein Wort gesprochen wurde, das nicht empfunden war, so stark, daß der alte Geldern, als sie gegen Mitternacht auseinandergingen, sagte:

»Schade, daß ich nicht noch ein Kind zu verheiraten habe.« —

In dieser Nacht blieben Werner und Luise im Hause des alten Geldern. —

– — – — – — —

Für den Vormittag der offiziellen Hochzeitsfeier war Luises und Werners Besuch bei den nächsten Verwandten vorgesehen. Auch die Reihenfolge war bestimmt. Bereits um elf Uhr wollten sie bei Brehmer-Gelderns sein, wo die jüngste Tochter ein von der Mutter selbst verfaßtes Poem – wie sie sich ausdrückte – hersagen und einen großen Rosenstrauß überreichen sollte. Von da aus zum Professor, der eine kleine Rede vorbereitete, während der seine Frau mit viel Umständlichkeit ein kaltes Büfett herrichtete. Um halb eins erwarteten sie Walthers, bei denen sämtliche Hochzeitsgeschenke aufgebaut und fast alle Familienmitglieder versammelt waren. Oberlehrers waren – so sehr es sie kränkte – aus Mangel an Zeit nicht mit in das Programm aufgenommen worden.

Aber Werner schrieb am Morgen an all »die lieben Verwandten« Zeilen des Bedauerns; Luise sei von den reichen Beweisen großer Liebe, die ihr die Familie in so ungeahntem Maße entgegenbringe, tief gerührt; alles das sei aber so unerwartet über sie hereingebrochen, daß sie seit Nächten kaum noch ein Auge schließe. Und die freudige Erregung, in der sie sich infolgedessen fortgesetzt befände, stelle so große Ansprüche an ihre Nerven, daß ihr der Arzt im Hinblick auf das Fest des Abends für den heutigen Vormittag vollkommene Ruhe befohlen habe. »Sie bittet mich, Euch allen immer von neuem zu danken für Eure große Anhänglichkeit und Liebe, von deren Aufrichtigkeit sie überzeugt ist. Ich schließe mich in allem meiner Braut an und begrüße Euch in verwandtschaftlicher Treue

Werner.«

»Heuchler!« sagte Luise und lachte laut auf, als ihr Werner den Brief zeigte. »Wo uns doch ganz anders ums Herz ist!«

»Ja!« erwiderte er leidenschaftlich. »Wo wir jede Minute bedauern, die wir dieser Maskerade wegen später auf unser Land kommen.«

»Nach dem wir uns so sehnen!« ergänzte sie. Und nach einer Weile fuhr sie fort: »Die können das ja gar nicht ernst nehmen, was du ihnen da alles schreibst.«

»Sie tun’s aber!« erwiderte er. »Das ist ja gerade das, was ich auch nicht begreife.«

»Ich finde es unsinnig, und es verstimmt mich, daß wir – wenn auch nur auf ein paar Stunden – das Theater mitmachen«, sagte Luise.

»Furchtbar lustig wird das!« erwiderte Werner.

»Heut’ ist der Tag, an dem sie uns alle noch einmal lieben; morgen, wenn sie unsere Gesinnung kennen, hassen sie uns und schelten hinter uns her. Und wir antworten ihnen mit dem Evangelium Luca: Selig seid Ihr, so Euch die hassen und Euch absondern und schelten und verwerfen Euren Namen als einen boshaften, freuet Euch alsdann und hüpfet!«

Und er nahm Luise in den Arm und hüpfte mit ihr durchs Zimmer; drückte sie an sich und küßte sie.

»Jetzt bin ich ganz zufrieden!« sagte sie leise. Er aber riß die Arme in die Höhe, jubelte und rief:

»Ich bin ja so glücklich!«

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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320 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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