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Читать книгу: «Frau Dirne», страница 15

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Achtzehntes Kapitel

Also?« fragte Frau Ina.

»Es ist so!« erwiderte Katz.

»Sie wird sich schneiden!«'

»Immerhin. Sie ist gerissen.«

»Wie du. Klug sein ist mehr.«

»Ich gebe zu: du bist beides.«

»Auch taktvoll«, erwiderte Frau Ina und sah ihn an. Er verstand und sagte:

»Verzeihung, Sie haben recht. Hier sind wir nicht in der ›Neuf d'or‹.«

»Ich würde diese Herzogin, die mir nichts nützt, ja ruhig gewähren lassen, wenn sie klug wäre. Sechs solcher Anstalten könnten bestehen.«

»Wenn es sechs Inas gäbe!«

»Sehr richtig. Aber wenn eine sich verrät, so sind alle sechs verloren. Allein diese Nelly Brückner wäre imstande, mich zu ersetzen.«

»Ein junges Mädchen! Ich bitte Sie!«

»Frau Mathilde ist tot – die Bahn ist frei!«

»Ich glaube, daß die Gesellschaft sich daran stoßen würde – im übrigen, Sie wissen doch, daß diese Änne sich schon wieder mal etwas Besonderes leistet.«

»Inwiefern!«

»Sie behauptet, Frau Mathilde habe sich nicht das Leben genommen.«

»Sondern . . .?«

»Es sei ihr genommen worden.«

»Sie ist verrückt!«

»Frau Mathilde war ein paar Stunden, bevor sie aus dem Leben ging, noch bei Marianne, hat mit ihr geplaudert und Pläne für die Zukunft entworfen. Daraus schließt Änne, daß sie nicht an Sterben gedacht habe.«

»Und wissen Sie, was ich daraus schließe? Daß diese Änne sich das mit Marianne zurechtgelegt, es ihr suggeriert hat.«

»Zu welchem Zwecke?«

»Um einen Skandal zu provozieren und die Anstalt in Mißkredit zu bringen.«

»Fähig dazu ist sie.«

»So etwas Lächerliches! Wo Frau Mathilde es schwarz auf weiß hinterlassen und die Gründe angegeben hat.«

»Sie meint, der Zettel könne gefälscht sein.«

»Von wem?«

»Das hütet sie sich, zu sagen.«

»Man sollte sie dazu bringen, daß sie sich äußert. Hören Sie, Katz, das wäre eine bequeme Lösung. Man muß es ihr insinuieren. Wer, das ist gleich.«

»Zu welchem Zweck?«

»Nehmen Sie an, sie verdächtigte Sie oder mich oder sonst einen Dritten des Mordes; ja, würden Sie das ruhig hinnehmen?«

»Ich ließe sie verhaften und wegen Verleumdung einsperren.«

»Daß Sie auch immer eine Lösung haben!«

»Wollen Sie sich der Mühe unterziehen?«

»Was täte ich nicht Ihnen zuliebe?«

»Das würde den Grafen am Ende von seiner Verirrung heilen.«

»Besteht die Verbindung tatsächlich noch immer?«

»Fester denn je.«

»Und was gedenken Sie dagegen zu tun?«

»Ich könnte den Wahnsinn sich austoben lassen. Das wäre bequem und vielleicht auch richtig. Aber ich bin eine zu aktive Natur. Und dann: dazu habe ich nicht jahrelang gekämpft und mich in Schulden gestürzt, um ihn jetzt, wo ich endlich so weit bin, an eine Dirne zu verlieren.«

»Das kann ja doch nur eine Eskapade sein.«

»Die ich mir nicht bieten lasse!«

»Bravo! – Sie sollten Ihren Stolz zeigen!«

Frau Ina schüttelte den Kopf und sagte:

»Ich lasse ihn fallen.«

»Ina!« rief Katz beglückt und breitete die Arme aus.

»Nicht doch!« wehrte sie ab. »Sie mißverstehen mich. Ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, die Gräfin Scheeler zu werden, und Sie sollten mich gut genug kennen, um zu wissen: was ich will, setze ich durch!«

Katz ließ enttäuscht die Arme fallen und sagte resigniert:

»Leider weiß ich das.«

»Ich habe die Macht, ihn zu ruinieren. Ich treibe ihn, wenn ich will, in acht Tagen in den Konkurs. Denken Sie! einen Grafen von Scheeler. Vierundzwanzig Ahnen würden sich in ihren Gräbern umdrehen.«

»Was hätten Sie dann?«

»Er wird seinen Ahnen die Mühe ersparen. Er hat ihnen zuliebe auf mehr verzichtet als auf so ein Mädchen.«

»Soll ich mit ihm reden?«

Frau Ina dachte nach:

»Das wäre am Ende noch nicht das Dümmste. Wenn er mit einer Dirne Freundschaft schließt, kann er auch mit einem Agenten über Liebe diskutieren. Ich habe ihm einen Brief geschrieben« – sie wies auf den Schreibtisch – »lies ihn!«

Katz nahm den Brief aus dem Kouvert heraus und las:

Mein Lieber!

Du gehst daneben. Ich weiß es und bitte Dich, das zu unterlassen. Wenn ich erst Deine Frau bin, wirst Du Deine Freiheit haben. Bis dahin unterstehst Du meiner Kontrolle. Ich bin nicht kleinlich und gönne Dir jedes Vergnügen. Aventuren, sofern sie Niveau hielten, habe ich stets geduldet und habe nie versagt, wenn standesgemäße Rücksicht Opfer und Zeit verlangte.

Alles durftest Du tun, nur eins nicht: geschmacklos werden. Es gibt Dinge, die ein ästhetischer Mensch nicht einmal mit den Fingerspitzen anrührt. Wenn finanzielle Nöte uns zwangen, in Niederungen herabzusteigen, die wir zuvor kaum dem Namen nach kannten, so blieb dabei doch immer der Mensch draußen und hielt sich rein. Der bloße Gedanke einer persönlichen Berührung flößte jedem von uns Ekel ein. Mich widert es an, auch nur davon zu sprechen. Dein Verhalten beweist, daß Du robust und wenig empfindsam bist. Auf Schonung hast Du demnach keinen Anspruch. Man darf deutlich werden. Und so muß ich Dir denn sagen, daß ich nach den Opfern, die ich Dir gebracht habe, nicht daran denke, derartige Geschmacklosigkeiten, in denen zugleich eine Kränkung für mich liegt, weiterhin zu dulden.

Führst Du sie fort, so zwingst Du mich, daß ich mich gegen Dich wende. Bedenke, was das für Dich, Deinen Namen, Deine Zukunft bedeutet. Ich schäme mich für Dich, daß Du mich zu diesen Zeilen erniedrigst. Du hast viel gutzumachen! Vollziehe Deine Reinigung! Aber gründlich! Dann erst erwarte ich Dich – und dann soll, was war, vergessen sein.

Ina.

»Nun?« fragte Frau Ina, und Katz erwiderte:

»Sehr wirksam.«

»Und Antwort soll er geben.«

Katz zögerte.

»Worauf warten Sie?«

»Ich meine, wenn Sie sich doch derart aufs hohe Pferd setzen – ob es da am Ende logisch ist, wenn gerade ich . . .?«

»Schätzt du dich so tief ein?«

Katz lächelte.

»Als wenn es darauf ankäme. Ich halt' mich draußen, denk' mir meinen Teil und lache. Aber die andern, wie die mich einschätzen, darauf kommt es an. So ein kleiner Agent, noch dazu ein Jud' – und dann: meine Abhängigkeit von Ihnen . . .«

»So schick' ich einen Boten; es ist ja ganz gleich. Ich dachte nur, wenn er Sie sieht, daß ihm deutlich die Gefahr vor Augen kommt, in der er schwebt.«

»Ich verstehe,« sagte Katz.

»Daß ich ihm die Gurgel zudrücke, soll er fürchten.«

»Wenn auch nicht gerade das.«

»Doch, doch, ich weiß schon« – er stand auf, sah Frau Ina an und sagte: »Ich gehe.«

Sie streckte ihm den Arm hin. Er nahm die Hand und küßte sie.

»Höher!« sagte Frau Ina. Er schlug ihren Ärmel hoch und preßte die Lippen auf ihren Arm. Ina zuckte zusammen und zog den Arm zurück.

»Auf Wiedersehen!« sagte Katz und ging.

Als er draußen war, zog Frau Ina ihr Spitzentuch hervor, zerknitterte es in der Hand, warf es dann auf den Boden und sagte:

»Bex!«

Baronin Waltner trat aus der Portiere, in der sie, schien's, schon einige Sekunden gestanden hatte, zog ihrer Tochter den Ärmel herunter und sagte:

»Armes Kind!«

»Nun könnte alles so schön sein«, sagte Ina.

»Liebst du ihn denn?«

»Mein Leben ist ein Programm,« erwiderte Ina. »Im Mittelpunkte steht der Graf. Was habe ich alles für ihn getan! Ich fühle mich ja nicht erst seit heute als die Gräfin Scheeler. Seit Jahren denke und fühle und handle ich nur in der Idee. Davon komme ich nicht mehr los, und will es auch nicht.«

»Und brauchst es auch nicht«, beruhigte sie die Baronin. »Alles gibt dir einen Anspruch darauf. Dies kleine Hindernis, das sich dir am Ziel noch in den Weg stellt und das du überschätzt, wird auch überwunden werden.«

»Ich hoffe es, denn sonst . . .«

»Was ist sonst?« fragte die Baronin.

Ina sah ihre Mutter an und sagte:

»Nichts!«

Neunzehntes Kapitel

Sei ohne Sorge, ich tue dir nichts«, sagte der Herr, der in Ännes Zimmer neben ihr auf der Chaiselongue saß.

»Darf ich Ihnen also eine meiner Freundinnen holen?«

»Danke, auch das nicht.«

»Was wollen Sie dann?«

Der Herr stand auf, trat vor Änne hin und erwiderte:

»Das will ich Ihnen sagen.« Er zog einen Brief aus der Tasche, hielt ihn Änne hin und fragte:

»Haben Sie das geschrieben?«

Änne warf einen Blick darauf und sagte:

»Ja.«

»Nun, da will ich Ihnen auch verraten, wer ich bin.«

»Der Staatsanwalt?«

»So ähnlich. Jedenfalls die zuständige Instanz. Um jedes Aufsehen zu vermeiden – denn es wäre im höchsten Maße bedauerlich, wenn die hochherzigen und edlen Bestrebungen, die mit dieser Anstalt verknüpft sind, unter einem Skandal leiden würden –, lediglich aus diesem Grunde bin ich, statt Sie zu mir zu zitieren, unter der Maske eines Besuchers zu Ihnen gekommen.«

Änne strahlte und sagte:

»Gut, gut, daß Sie da sind.«

»Sie werden begreifen, daß ich von vornherein jeder Äußerung, die aus Ihren Kreisen kommt, skeptisch gegenüberstehe.«

»Wir in unserer Abgeschlossenheit und ohne jede Ablenkung haben für viele Dinge vielleicht ein feineres Gefühl als andere.«

»Mag sein. Jedenfalls in diesem Falle befinden Sie sich auf dem Holzwege, und ich wäre der Sache, die sonnenklar ist, auch gar nicht nachgegangen, wenn Fräulein Brückner, der ich von Ihrem Schreiben Kenntnis gab, sich durch Sie nicht beschwert fühlte.«

»Das bedaure ich, ohne es ändern zu können.«

»Sie werden es ändern!« sagte der Herr mit großer Bestimmtheit. »Sie werden den in Ihrer Eingabe ausgesprochenen Verdacht mit dem Ausdruck des Bedauerns als unbegründet widerrufen.«

»Ich lüge nicht! Nie in meinem Leben habe ich gelogen!«

»Sie werden widerrufen!«

»Nein – im übrigen begreife ich zweierlei nicht: Ich habe keinen verdächtigt. Wie kommt es also, daß Fräulein Brückner sich getroffen fühlt? Und dann, selbst wenn ich einen Namen genannt hätte: kann ich denn überhaupt jemanden beleidigen?«

»Sie irren! Fräulein Brückner hat lediglich ein Interesse daran, daß der Name ihrer toten Mutter nicht durch derart wahnsinnige Gerüchte beschmutzt wird.«

»Das ist mir nicht klar.«

»Daran liegt auch nichts – Sie suchen sich auf Kosten unserer Zeit zu unterhalten und interessant zu machen. Das ist grober Unfug.«

»Ich weiß noch immer nicht: Sind Sie der Vertreter Fräulein Brückners oder vertreten Sie ein öffentliches Interesse?«

»Ich vertrete das Recht.«

»Das ist eine Phrase.«

»Ich werde Sie abholen lassen und einsperren.«

»Ob ich hier eingesperrt bin oder wo anders – was liegt daran!«

»Wollen Sie mir sagen, was Sie mit Ihrer Eingabe für einen Zweck verfolgen? Es kann Ihnen im Grunde doch höchst gleichgültig sein, wie diese Mathilde Brückner gestorben ist.«

»Und Ihnen?« fragte Änne.

»Mir natürlich nicht.«

»Also! Dann haben Sie ein Interesse an der Feststellung der Wahrheit und sollten jedem dankbar sein, der Ihnen dabei behilflich ist.«

»In diesem Falle erübrigen sich weitere Feststellungen.«

»Ist erwiesen, daß es Frau Mathildes Handschrift ist?«

»Ja.«

»Durch wen?«

»Jeder Laie ist dazu imstande. Die Handschrift Frau Brückners ist derart charakteristisch, daß jede Nachahmung sofort festzustellen wäre.«

Er zog einen Zettel aus der Tasche, zeigte ihn Änne und sagte:

»Überzeugen Sie sich.«

Änne sah sich den Zettel an und erwiderte:

»Das hat sie geschrieben.«

»Also – sind Sie nun bereit, die verlangte Erklärung abzugeben?«

Änne dachte einen Augenblick nach und sagte dann:

»Für wen ist die Erklärung bestimmt?«

»Für die Akten.«

»Wessen Akten?«

»Meine.«

»Wer sind Sie?«

»Der Vertreter des Rechts.«

Änne stutzte, sperrte den Mund weit auf und sah den Herrn scharf an. Der verzog keine Miene.

»Rechtsanwalt also!« sagte sie laut.

»Was tut das zur Sache?«

»Viel! Unendlich viel!«

»Ich wüßte nicht . . .«

»Aber ich weiß!« fiel sie ihm ins Wort.

»Was wissen Sie denn?«

»Sie wollten, daß ich Sie für einen Vertreter der Anklagebehörde halte.«

»Durchaus nicht. Im übrigen spielt das keine Rolle, da der Fall klar ist und es sich nur darum handelt, unnötigen Skandal zu vermeiden.«

»Betrachten Sie den Versuch als mißglückt.«

»Ich kann Ihnen nur raten . . .«

»Als Vertreter der Familie Erdt-Brückner bitte ich Sie, Ihre Ratschläge dort zu erteilen.«

»So nehmen Sie doch Vernunft an! Das Ganze ist ja doch eine fixe Idee von Ihnen!«

»Ich will Ihnen etwas sagen«, erwiderte Änne.

»Hier handelt es sich weder um eine Idee, noch um die Sucht, Skandal zu machen, noch um Rache oder sonst Ähnliches. Hier handelt es sich um das Bewußtsein eines unendlich feinfühligen Menschen, der ein paar Stunden vor der Katastrophe mit Frau Mathilde zusammen war. Diesem überaus sensiblen Menschen sagt das Gefühl, und zwar mit aller Bestimmtheit: Frau Mathilde hat sich das Leben nicht genommen! – Mehr weiß man nicht. So viel aber steht für mich fest: Diese gefühlsmäßige Überzeugung Mariannes ist zuverlässiger als sämtliche Indizien, die Sie mit Ihrer Logik und Ihrem Juristenverstande zusammentragen.«

Der Herr zuckte spöttisch die Achseln, lächelte überlegen und sagte:

»Bordellphilosophie!«

Dann ging er zur Tür und verschwand ohne ein Wort des Abschieds. –

»Marianne!« rief Änne laut, als er draußen war. Und unter dem ersten Eindruck dieser Begegnung erzählte sie der Freundin, was sich ereignet hatte.

Marianne hörte mit geschlossenen Augen zu. Als Änne geendet hatte, schwieg sie eine Weile, dann sagte sie mit leiser Stimme:

»Sie hat es geschrieben; das mag sein. Vielleicht unter Zwang, vielleicht auch freiwillig.« – Dann öffnete sie die Augen und sagte laut: »Du lieber Gott! Sie hat so viel geschrieben. – So viel!«

Da schoß Änne ein Gedanke durch den Kopf; sie nahm ihre Freundin bei der Hand und rief laut:

»Marianne!«

Zwanzigstes Kapitel

Katz ließ sich beim Grafen Scheeler melden. Und als der Diener die Antwort überbrachte:

»Herr Graf bedauert, er erinnere sich nicht, einen Herrn namens Katz zu kennen«, da sagte er:

»Ich komme im Auftrage der Frau Rittmeister Ina Mertens.«

Der Bescheid, den der Diener daraufhin überbrachte, lautete:

»Sie möchten die Bestellung mir ausrichten.«

»Ist der Graf verrückt?« brauste Katz auf.

»Er war nie gesünder«, erwiderte der Diener, der eisgrau und schon seit über einem Menschenalter im Hause war.

Katz übergab ihm den Brief und sagte:

»Ich warte!« –

Während der Graf die Antwort schrieb, dachte Katz über Frau Ina nach. So also ließ sie sich von einem Menschen behandeln, der von ihr lebte; zum mindesten aber sich durch ihre Hilfe über Wasser hielt. Er haßte und beneidete den Grafen und bewunderte ihn doch. –

Der Diener brachte die Antwort. Der Brief brannte Katz zwischen den Fingern. »Wenn ich doch wüßte, was da drin steht!« sagte er sich immer wieder und wußte doch selbst nicht, was er wünschen sollte: daß der Inhalt Inas Erwartungen entsprach oder sie enttäuschte und ihm eine Hoffnung ließ. Frau Ina riß ihm den Brief aus der Hand, öffnete und las:

Liebe Frau Ina!

Sie haben es mit sich und wohl auch mit mir gut gemeint und unendlich viel für mich getan. Aber jede Wohltat, die Sie mir erwiesen, um mich an sich zu fesseln, war für mich, vielleicht ohne daß Sie es wollten, eine Erniedrigung. So bin ich im Laufe der Zeit plangemäß in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Ihnen geraten, das alles andere – und darauf legen Sie ja so großen Wert –, nur nicht standesgemäß war. Über alles das mit Ihnen zu reden, war meine Absicht. Ich versprach mir davon Gewinn für beide. Denn mir scheint, auch Sie bedürfen der Heilung und Belehrung. Daher bitte ich Sie, mir nicht Briefe zu schreiben, die diese notwendige und erwünschte Aussprache erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Wäre der Spott, mit dem Sie meinen einwandfreien Verkehr mit dieser Änne bedenken, echt, so würde ich Sie bitten: Nehmen Sie sich die Mühe und lernen Sie das Mädchen kennen. Der Aufwand, den Sie auf die Sache verschwenden, die schlecht verborgene Erregung, die aus jeder Ihrer Zeilen spricht, verraten mir aber, daß Sie wissen, wes Geistes Kind sie ist. Und ich tue Ihnen und mir Ehre an, liebe Freundin, wenn ich, unter der Voraussetzung völliger Gleichwertigkeit, eine Aussprache zu dritt erbitte. Das wird für alle drei Klärung, Wohltat und Befreiung sein.

Ihr sehr ergebener

Scheeler.

Frau Ina stürzte an den Schreibtisch, nahm Tinte und Papier und schrieb:

Du bist verrückt! Und solltest das Bordell mit einer Irrenanstalt vertauschen!

Ina.

Vorwärts!« trieb sie Katz an. »Auf eine Antwort verzichten Sie – oder besser: bestellen Sie ihm . . .«

»Er empfängt mich nicht.«

»Dann sagen Sie's seinem Diener! Das ist noch besser! – Er soll ihm sagen: er irrt, aber er wird mich kennenlernen! Gründlicher, als ihm lieb ist! Und wenn er nicht innerhalb vierundzwanzig Stunden bei mir war, dann zünde ich ihm das Dach über dem Kopf an! Ich kann's! – Ich war gescheiter als Sie, Katz. Ich habe Akzepte, in acht Tagen ist er eine Leiche!«

»Sie lieben den Grafen nicht?«

»Ich hasse ihn!«

»Hätte ich Sie nicht lieb – glauben Sie, ich hätte Ihnen ohne Wechsel geliehen?«

»Mit Ihnen ist nichts mehr los, Katz. Sie sind sentimental geworden.«

»Das haben Sie aus mir gemacht!«

»Früher gefielen Sie mir besser.«

»Ich will versuchen, mich zu ändern – nun, wo der Graf ausfällt, besteht ja wohl für mich wieder eine Chance.«

Frau Ina lachte laut auf.

»Sie sollten mich besser kennen, Katz. Was ich will, das setze ich durch, und was ich habe, das behalt' ich! Der Graf gehört mir! Ausschließlich mir! Und ich möchte den sehen, der sich zu dem Wahnsinn versteigt, ihn mir zu nehmen!«

Katz machte ein verzweifeltes Gesicht und wandte sich mit dem Brief in der Hand zur Tür.

»Bleiben Sie!« rief ihm Ina zu. »Dies Bitten ist mir zu dumm. Ich hol' ihn mir selbst!«

Sie rieß ihm den Brief aus der Hand und verschwand.

Katz stand verdutzt, sah ihr nach und sagte:

»Das ist ein Weib!«

Einundzwanzigstes Kapitel

Eine sonderbare Werbung, dachte der Graf und fühlte doch, daß er innerlich bewegt war. Als der alte Diener, den er von frühester Kindheit an duzte und mit dem er alles besprach, den Cutaway und den hohen Hut hinlegte, schüttelte er den Kopf und sagte:

»Das geht doch nicht.«

»Ich meine, sie verdient es schon.«

»Den Dank will ich ihr in anderer Form abtragen.«

Der Diener trug die Sachen in den Schrank zurück, und mit dem großen Strauß lila Orchideen wagte er sich erst gar nicht hervor. Eine einzige Orchidee reichte er dem Grafen, der sie sich gewohnheitsgemäß ins Knopfloch steckte.

»Für die Gnädigste«, sagte der Diener zaghaft. Und der Graf folgte, wie als Kind vor dreißig Jahren, zog die Blume wieder heraus und sagte:

»Ach so – natürlich – du hast ganz recht –!«

Änne empfing den Grafen wie einen guten Freund. Eine gewisse Feierlichkeit fiel ihr an ihm auf, obwohl er wie sonst gekleidet war.

»Nachdem Sie meine Rettung vollzogen haben,« begann er gleich nach der Begrüßung, »trieb es mich, auch Sie aus einem Milieu zu reißen, in das Sie nicht hineingehören.«

»Lieber Graf, das wäre vergebliche Mühe.«

»Mir fehlte bisher jede Initiative; aber jetzt hat mich mein Selbstbewußtsein, das ich durch Sie zurückgewonnen habe, handeln lassen.«

»Was haben Sie getan?«

»Ich war bei Ihrem Vater.«

»Graf! Das durften Sie nicht!«

»Ich mußte hin – er ist menschlicher als Sie denken. Vieles tut ihm leid; manches bereut er.«

»Kommt ihm also die Einsicht?« fragte sie teilnahmsvoll. »Dann wird er viel durchzumachen haben.«

»Ich habe ihm alles erzählt.«

»Was konnten denn Sie ihm erzählen? Wo er doch alles weiß und alles verschuldet hat.«

»Er hatte sich ein völlig falsches Bild von Ihnen gemacht.«

»Wozu taten Sie das?« fragte sie vorwurfsvoll. »Was zwischen meinem Vater und mir vorgegangen ist, das steht so unverrückbar, daß weder Einsicht noch Reue es je vergessen machen können.«

»Sie haben doch Ihre Mutter lieb gehabt.«

»Habe ich Ihnen das denn nicht erzählt?«

»Gewiß – aber in was anderem kann sich die Liebe der Kinder für die Eltern äußern, als darin, daß sie ein Leben in ihrem Sinne führen.«

Änne senkte den Kopf.

»Ihre Mutter hätte Ihrem Vater verziehen – schon um Ihretwillen.«

»Was nützt heute noch die Verzeihung?«

»Ich habe ganz offen mit ihm gesprochen. Von mir und von Ihnen. Nicht etwa, als hätten Sie mich geschickt. Aber mein Gefühl für Sie, das gewiß mehr als nur Hochachtung und Dankbarkeit ist, hat ihn sichtlich beeindruckt. Es war neben der Einsicht, in vielem gefehlt zu haben, ein väterliches Gefühl, das reagierte, als er sah, was ein anderer für sein Kind empfindet. Es ist keine Phrase, kein unwahres Wort gefallen. – Glauben Sie mir also, Änne, wenn ich Sie bitte, mir Ihr Vertrauen zu schenken, daß ich es grundehrlich mit Ihnen meine.«

»Gern und gewiß glaube ich das. Aber was haben Sie vor?«

»Sie glücklich zu machen.«

»Und wie sollte das geschehen!«

»Wenn wir beide den Willen und die Kraft haben, auszulöschen, was hinter uns liegt, könnten wir, wenn vielleicht auch in einer anderen Stadt, ein Leben führen wie andere Menschen unseres Standes.«

»Wie andere Menschen unseres Standes?« wiederholte Änne.

»Und das nennen Sie ein neues Leben? Rehabilitiert von Vaters Gnaden? – Lieber Graf, ich habe Sie überschätzt. Ich dachte, Sie überzeugt zu haben, daß Sie um Ihrer Selbstachtung willen sich Ihr neues Leben selbst erringen müssen.«

»Ich hätte es getan. Mein Wort darauf! Aber welche Aussicht böte sich mir dann, Sie zu erringen?«

»Wenn es Ihnen ernst um mich ist, dann nur auf dem Wege, den ich Ihnen wies! – Gewiß: es wäre so einfach und so bequem, Vergangenes zu vergessen; bequem für alle! Ich wäre vor der Welt rehabilitiert, Sie wären schuldenfrei und könnten standesgemäß leben. Papa hätte einen Schwiegersohn aus einem der ältesten Adelsgeschlechter. Der übliche Schluß eines Dramas. Das Publikum wäre befriedigt, der Erfolg gesichert. – Aber das Leben, Graf, ist anders. Was hinter uns liegt, läßt sich mit einem Händedruck und braunen Lappen nicht fortwischen. Das haftet tiefer als nur im Gedächtnis. Das sitzt da!« – und sie wies auf ihr Herz. – »Der geringste Anlaß – und das alte Bild stiege in unserer Erinnerung auf! Was das für ein Glück gäbe, können Sie sich denken. – Was ich, was Sie durchlebt haben, muß ausgebrannt werden; überstreichen läßt es sich nicht. Das aber vermag nur das Leben. Und Leben, Graf, ist in diesem Falle gleichbedeutend mit Arbeit. Arbeit allein kann uns dazu verhelfen, daß wir wieder an uns selbst glauben!«

»Sie haben recht, Änne, mit jedem Wort. Und ich glaube auch, daß es nur Flickwerk wäre, wenn wir Ihrem Vater folgten. Mir wäre jede Arbeit recht, wenn ich nur wüßte, was aus Ihnen wird.«

Änne trat auf ihn zu und sah ihn lange an.

»Ich glaube an den guten Kern in Ihnen, Graf. Daher glaube ich auch an uns.«

»Änne!« rief Graf Scheeler und streckte den Arm nach ihr aus.

»Arbeiten wir! irgendwie, irgendwo. Zwei Menschen wie wir kommen durch, und es findet sich immer etwas. Sie wissen in der Landwirtschaft Bescheid, ich bin auf dem Gut meines Vaters groß geworden. Wenn wir nur den Glauben an uns haben, dann trägt man alles.«

Der Graf hielt bewegt ihre Hand.

»Was ich bisher für eine Phrase hielt: ›alles fällt von einem ab‹, das erlebe ich jetzt an mir. Ich fühle, wie ich körperlich und seelisch ein neuer Mensch werde! – Jetzt, Änne, mag kommen, was will: ich stehe! – Endlich, nach Jahren, zum ersten Male fühle ich, daß ich wieder Boden unter den Füßen habe.«

»Und dafür, daß Sie diesmal feststehn, will ich sorgen!«

»Tu es! Änne!«

Jetzt erst schlug sie ein und sagte:

»Halte mich!«

»So fest, wie mein Leben!«

»Wir werden es schwer haben!«

»Und wünschen es uns auch nicht anders.«

»Das war das befreiende Wort! Je härter, um so besser; dann werden wir so feststehen, daß nichts mehr uns umstoßen kann!«

In diesem Augenblicke riß jemand hastig die Tür auf; Frau Ina trat ins Zimmer und sagte, als sie Änne Hand in Hand mit dem Grafen sah:

»Ist es zu glauben, diese Idylle in einem Freudenhaus?«

»Geben Sie sich keine Mühe, Frau Ina«, erwiderte der Graf. »Hier ist mit Intellekt nichts mehr auszurichten.«

Frau Ina zwang sich zu einem schelmischen Lächeln und sagte:

»Eine eigentümliche Liebhaberei, Graf, die ich nie an Ihnen verstanden habe. Beinahe pervers.«

»Was meinen Sie?«

»Mit den Seelen von Dirnen Schindluder zu treiben.«

»Gnädige Frau!« fuhr der Graf sie an. »Ich möchte Sie bitten, diese Dame . . .«

Frau Ina lachte laut auf und sagte:

»Göttlich sind Sie!«

Und der Graf fuhr fort:

». . . die meine Braut ist . . .«

»Hören Sie auf! ich ersticke!« rief Frau Ina, und sie bog sich vor Lachen; aber es klang nicht echt. »Das ist der beste Witz, Graf, den Sie sich seit langem geleistet haben.«

»Es ist mein voller Ernst, und ich verbiete Ihnen . . .«

»Sie . . . verbieten . . . mir . . . Hahaha! . . . in Gegenwart Ihrer . . . Braut . . . nein, Graf! wirklich! ich kann nicht mehr – Sie müssen aufhören – ich ersticke sonst tatsächlich – im übrigen: dies Mädchen steht unter meinem Schutz – so lustig die Geschichte ist – ich darf es nicht dulden – sie nimmt es am Ende ernst – die Mädchen sind so – sie verstehen keinen Spaß – und nachher gibt es Tränen – und sie werden alt und häßlich – das darf nicht sein – also hören Sie auf – kommen Sie, lassen Sie die Kleine in Ruh! – Trinken Sie eine Tasse Tee mit mir!«

»Ich bitte Sie, Frau Ina,« sagte der Graf. »Ersparen Sie sich und uns Allen dies unnötige Theater. Es tut mir ja leid, ja weh, daß ich Sie kränken muß; aber bedenken Sie, wohin Sie mich geführt haben. Wenn es der Änne doch gelänge, auch Sie zu überzeugen . . .«

Frau Ina, die einsah, daß ihr Trick nicht verfing, machte jetzt ein ernstes Gesicht, ging auf den Grafen zu und sagte:

»Allen Ernstes, Graf, Sie sind krank. Tun Sie was für Ihre Nerven! Aber eilen Sie! Ich fürchte, es wird sonst zu spät. Ich habe Ihren Fall mit allen Details einer Kapazität vorgetragen und sie überzeugt, daß Sie gefährlich sind.«

»Das bringen Sie fertig.«

»Ich habe es fertiggebracht! Es war unklug, sich mit mir einzulassen. Ich habe Sie gewarnt. Leider haben Sie nicht gehört. Sie allein tragen die Schuld, wenn man Sie einsperrt.«

Änne fuhr auf.

»Das wird Ihnen nicht gelingen!« rief sie.

»Natürlich! Sie werden die Kapazität widerlegen!« erwiderte Ina spöttisch. »Sie können ja alles! Einen Grafen einfangen, einen Selbstmord in einen Mord verwandeln; es fehlt nur noch, daß Sie aus sich selbst eine Ehrenjungfrau machen.«

»Wer hat hier das Hausrecht?« fragte der Graf.

Änne schüttelte den Kopf, und Frau Ina sagte herausfordernd:

»Ich!«

Der Graf nahm Änne unter den Arm und sagte:

»Dann gehen wir.«

Frau Ina beherrschte sich mühsam. Als sie an der Tür waren, rief sie ihnen nach:

»Sehen Sie sich vor, Graf! Laufen Sie nicht den Wärtern in die Arme!«

»Was hat sie vor?« fragte Änne.

Der Graf schlang seinen Arm um Änne und sagte:

»Nun fürchte ich nichts mehr!«

Und als Frau Ina in ihrer Wut die Tür von Ännes Zimmer laut hinter ihnen zuschlug, da durchzuckte es Änne und sie dachte:

Ich gehe hinaus, und sie ist da, wo sie hingehört.

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
Объем:
270 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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