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Stand der Forschung: Museums- und Sammlungsgeschichte

Meine Arbeit zur Geschichte des Schweizerischen Nationalmuseums und seiner Sammlung will ich zunächst in der bestehenden Literatur zur Sammlungs- und Museumsgeschichte verorten. Dabei gehe ich besonders auf den Forschungsstand zur Sammlungsgeschichte des Schweizerischen Nationalmuseums ein.

Über die Geschichte des Schweizerischen Nationalmuseums und die in diesem Rahmen praktizierten Sammlungstätigkeiten wurde bisher nur vereinzelt geschrieben, und dann mit dem Schwerpunkt auf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Institutionsgründung. Hanspeter Draeyers Arbeit zur Bau- und Entwicklungsgeschichte des Nationalmuseums (1889–1998) ist die einzige Studie, die sich ausführlicher mit dem 20. Jahrhundert befasst, der Zeitspanne, die mich interessiert. Draeyer untersucht den Bau und Umbau des Museums sowie die Veränderungen der Ausstellungspräsentationen; andere museale Tätigkeiten kommen nur am Rand zur Sprache.63

Die bisherigen Publikationen zur Geschichte des Schweizerischen Nationalmuseums entstanden hauptsächlich im Rahmen von Jubiläen, ähnlich wie bei anderen National- und Landesmuseen.64 Je nach Zeit waren die thematischen Gewichtungen der Geschichtsschreibung andere: Zum 50-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Landesmuseums hatte man sich 1948 mit einer einzigen Festschrift «begnügt», 65 wie es darin hiess. Man wollte sich, passend zu den Tätigkeiten des Museums, mit dem «stillen, der Vergangenheit zugewandten Wirken» vom «laute[n] Geburtstagsfest»66 des Schweizerischen Bundesstaates abheben, der gleichzeitig seine 100-Jahr-Feier hatte. Im Jubiläumsband erläuterten die Museumsmitarbeiter hauptsächlich die Bestände der einzelnen Sammlungen und präsentierten in einem umfassenden Bildteil herausragende Sammlungsstücke. Ganz anders 1998 zum 100-Jahr-Jubiläum des Museums: Da wurde die Doppelfeier zum Programm gemacht. Im Landesmuseum wurde, in Zusammenarbeit mit externen Historikerinnen und Historikern, eine Sonderausstellung gezeigt mit dem Titel «Die Erfindung der Schweiz 1848–1998. Bildentwürfe einer Nation», begleitet von einem umfangreichen Ausstellungskatalog. Finanziert wurden die Ausstellung teilweise aus dem Jubiläumsbudget «150 Jahre Bundesstaat».67 Zudem erschienen zur Geschichte des Museums gleich mehrere Darstellungen von Mitarbeitenden des Museums.68 Den rund um das 100-Jahr-Jubiläum entstandenen Forschungsarbeiten ist gemeinsam, dass sie die Geschichte des Schweizerischen Landesmuseums in enger Verbindung zum Prozess der Identitätsbildung der Nation Schweiz thematisieren. Sie sehen das Museum als einen Schauplatz unter anderen, wo eine imagologische Bastelei nationaler Identität stattfand, entsprechend der jeweiligen Zeitströmung.69

Dass der Museumsgeburtstag als Doppeljubiläum (Nationalmuseum/Nationalstaat) begangen wurde, ist Ausdruck des damaligen Bedürfnisses nach einer kritischen Hinterfragung des nationalen Selbstbildes wie auch der thematischen Schwerpunktsetzung in der europäischen Forschungslandschaft der 1990er-Jahre, als historische Museen und Nationalmuseen in der Geschichtswissenschaft zum neuen Untersuchungsgegenstand wurden.70 Um 1990 begannen Historikerinnen und Historiker, die damals neu auch zur Mitarbeit in Museen beigezogen wurden, über die Entstehungsbedingungen von Museen zu forschen.71 Dabei interessierten sie sich vornehmlich für die historischen Museen und Nationalmuseen (ohne abschliessenden Konsens über die Definition, was denn ein historisches Museum oder ein Nationalmuseum sei72). Das entsprach der vorangehenden Museumsgeschichtsschreibung, bei der jede Fachrichtung sich jeweils für «ihre» Museen als zuständig erachtete: Kunsthistorikerinnen und -historiker beschäftigten sich bereits seit Ende der 1970er-Jahre mit der historischen Entwicklung von Kunstmuseen, wohingegen Ethnologen anthropologische oder ethnologische Museen untersuchten.73 Die disziplintreue Museumsgeschichte hatte zur Folge, dass für bestimmte Museen auch nur gewisse Forschungsfragen gestellt wurden, mit einheitlichem Ergebnis: Als Hauptnarrativ für die Entstehungsgeschichte der Nationalmuseen und historischen Museen wurde die Erzählung von der Öffnung der kaiserlichen, königlichen und fürstlichen Gemäldegalerien und Wunderkammern für eine sich allmählich konstituierende bürgerliche Öffentlichkeit entwickelt. Die herrschaftlichen Sammlungen, ostentative Repräsentationen von Macht, leisteten nun, umgewidmet und demokratisiert, in den modernen historischen Museen des 19. Jahrhunderts Konstruktionshilfe bei der nationalen Identitätsbildung und der Formierung einer eigenen Nationalgeschichte, so die Geschichtsschreibung.74 Die Präferenz der Geschichtswissenschaften für Nationalmuseen um 1990 verdeutlicht darüber hinaus auch, dass noch Ende des 20. Jahrhunderts der «Nationalstaat» ein grundsätzlicher Bezugsrahmen ihrer Historiografien blieb, trotz den zahlreichen Versuchen, «Nation» zu dekonstruieren und/oder als Kategorie zu verabschieden.75 Ich gehe mit den jüngeren Studien über historische Museen und Nationalmuseen einig, die besagen, dass die Priorisierung der Denkkategorie des «Nationalen» dafür gesorgt hat, dass andere, ebenso wichtige Referenzräume vernachlässigt wurden.76

Dass der Begriff der «Nation» beziehungsweise die Inszenierung einer «Nationalgeschichte» nur ein Bezugsrahmen unter anderen war, der bei den Museumsgründungen des 19. Jahrhunderts eine Rolle spielte, wurde jüngst auch bezüglich des Schweizerischen Nationalmuseums dargestellt, bezeichnenderweise durch eine Kunsthistorikerin. Ausgehend von der Figur des ersten Museumsdirektors, Heinrich Angst, legt Chantal Lafontant Vallotton in ihrer Dissertation von 2007 dar, welche personellen und institutionellen Verflechtungen zwischen dem Museum und dem Kunstmarkt in den Jahren 1883 bis 1902 bestanden hatten. Lafontant kommt zu der Erkenntnis, dass die öffentlich finanzierte Sammlungstätigkeit des Bundes inhaltlich entscheidend von den persönlichen Vorlieben des Gründerdirektors und dessen Agitationen auf dem internationalen Kunstmarkt bestimmt war.77 Der Begriff der «Nation» war dabei nicht zuletzt insofern präsent, als xenophobe und antisemitische Äusserungen zu den gängigen Voten gehörten, um das eidgenössische Parlament von einem Ankauf eines Kunstguts aus dem Gebiet der Schweiz zu überzeugen, das den ästhetischen Präferenzen der Museumsbehörden entsprach.78

Ein weiterer Forschungszweig der 1990er-Jahre, der teilweise an das dargelegte Narrativ einer Museumsgeschichte als Nationalstaatsgeschichte anknüpfte, waren die unter dem cultural turn zu verortenden Untersuchungen von Erinnerungskulturen, wobei das (historische) Museum als Installation spezifischer Erinnerungsformationen, als «lieux de mémoire», 79 verstanden wurde.80 Beeinflusst von der wandelnden Konzeption des menschlichen Gedächtnisses veränderten sich Anfang der 2000er-Jahre auch die kulturwissenschaftlichen Vorstellungen über die Funktion des Museums. Verstanden als externes Speichermedium einer Gesellschaft, rückten andere Bereiche des Museums in den Blick: Untersucht wurde das Verhältnis zwischen den verschiedenen «Zonen der Erinnerungen», den Depots, den Magazinen und dem Ausstellungsraum.81

Abschliessend ist zur geschichtswissenschaftlichen Forschung über die historischen Museen und Nationalmuseen zu sagen, dass sie sich – abgesehen von ihrer Präferenz für die Kategorie «Nation» – generell für ähnliche Themen und Untersuchungsräume wie die Museumsforschungen anderer Disziplinen interessierte: Im Vordergrund stand das Thema Ausstellung, als Untersuchungszeiträume interessierten die Spätrenaissance und der Barock mit ihren Wunderkammern sowie das 19. Jahrhundert. Aktuell ist eine Hinwendung zur Museumsgeschichte der 1970er- und 1980er-Jahre zu beobachten.82 Andere Praktiken wie die Objektrestaurierung oder die Inventarisierung, die mich interessieren, waren dagegen bei den Nationalmuseen und historischen Museen bisher fast gar nicht Thema, 83 ebenso wenig die Zeitspanne von den 1920er- bis zu den 1960er-Jahren, als diese Praktiken zum Kerngeschäft der Museumsarbeit gehörten. Um die Geschichte dieser Praktiken zu erschliessen, müssen die Ergebnisse aus anderen Forschungsbereichen beigezogen werden.

Anthropologen, Philosophen und Psychologen interessierten sich (ebenfalls im Rahmen des cultural turn) für das Sammeln als eine spezifische Umgangsweise des Menschen mit der Objektwelt, verstanden als eine zentrale Praxis der Identitätsbildung.84 Zur wichtigen Referenz im deutschen Sprachraum wurde Krzysztof Pomians schmales Bändchen Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln (fr. 1987), das 1988 auf Deutsch erschien. Sein semiotisch geprägter Ansatz fand weit über die 1980er-Jahre hinaus grossen Nachhall in den kulturwissenschaftlichen Forschungen.85 In seinem Theorieentwurf über das Sammeln im musealen Zusammenhang sucht der französische Philosoph nach einem verbindenden Strukturmerkmal des Sammelns in unterschiedlichsten Kulturen und Epochen (von antiken Grab- oder Tempelbeigaben über Reliquien bis zur Vasensammlung der Medici). Seine Antwort lautet, dass die Sammlungsstücke im Museum einzig zum Zweck ihrer Betrachtung vereint sind, um das Unsichtbare (die Vergangenheit oder das Göttliche) zu repräsentieren.86 Sie funktionieren nach Pomian als Vermittler zwischen den Lebenden dieser Welt und den Toten, zwischen Göttern und Menschen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.87

Pomians Untersuchung kann nicht erklären, weshalb die Repräsentations- und Vermittlungsweisen sich über die Zeit radikal verändert haben. Zudem ist sie eine weitere Studie, welche die Intention des Sammelns auf das Ausstellen und die Museen auf ihre Ausstellungspraxis beschränkt. Gegen diese Reduktion werde ich in meiner Arbeit argumentieren.

Mit anderen Praktiken als dem Ausstellen befassten sich die Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaftsgeschichte. Entsprechend wichtig sind ihre Untersuchungen für meine Arbeit.88 Programmatisch für die Forschung in diesem Bereich ist weiterhin die Einleitung «Sammeln als Wissen»89 von Anke te Heesen und Emma C.Spary im gleichnamigen Band von 2002. Sie untersuchten die konkrete Praxis des Sammelns als Teil der wissenschaftlichen Tätigkeit (des Systematisierens, Speicherns und Katalogisierens) zur Erkenntnisgewinnung. Ein besonderes Augenmerk legen sie dabei auf den Anteil der Dinge an der Praxis.90 Im Sammelband von te Heesen und Spary konzentrieren sich alle Aufsätze auf die naturwissenschaftlichen Sammlungspraktiken, entsprechend den generellen Forschungspräferenzen in der Wissenschaftsgeschichte, die sich zuerst den Naturwissenschaften, der Medizin und der Ingenieurtechnik und nicht den geistes- und sozialwissenschaftlichen Gebieten zuwandten.91 In den darauf folgenden wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen zum Sammeln blieb der Fokus auf den Naturwissenschaften, oder sie konzentrierten sich auf die frühneuzeitlichen Kunst- und Wunderkammern.92 Auch wenn die Tätigkeiten im Fall des Schweizerischen Nationalmuseums und anderer historischer Museen und Nationalmuseen nur partiell und temporär als (natur)wissenschaftlich bezeichnet werden können, ist es in der Geschichtsschreibung über sie fruchtbar, auf das wissenschaftsgeschichtliche Vorgehen methodisch Bezug zu nehmen.

Quellen: unabgeschlossen, hermetisch

Die geschichtswissenschaftliche Untersuchung von Sammlungspraktiken an einem Museum bringt einige quellentechnische Besonderheiten mit sich: Das Museum ist kein Ort, wo Schriftlichkeit gepflegt wurde. Der mündliche Austausch war wichtiger. Um die Archivierung der verhältnismässig wenigen schriftlichen Quellen kümmerten sich die Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter nicht speziell, sodass diese unsystematisch erhalten wurden. Offenbar erachteten die Mitarbeitenden sich für die Dokumentation der Geschichte ihrer Institution nicht als zuständig. Überspitzt gesagt: Die Museumsmitarbeitenden bewahrten die Sammlungsstücke auf und warfen die Textdokumente über sie weg.

Die fehlenden Dokumentationsbemühungen sind ein verbreitetes Phänomen, wie ein Blick auf andere Museen bestätigt.93 Sie machen eine geschichtswissenschaftliche Bearbeitung schwierig, sind aber auch interessant, weil sie bereits als ein erstes Stück Sammlungsgeschichte verstanden werden können. Für die Dokumentationsformen am Schweizerischen Nationalmuseum sind die Unabgeschlossenheit, die wechselnden, hermetischen Ordnungslogiken sowie die dezentrale Ablage charakteristisch. Das Sammeln und damit auch seine Dokumentation kennen keinen Abschluss. Ältere Quellenbestände waren immer Teil der aktuellen Sammlungspraxis. Sie wurden nicht als historische Akten behandelt, sondern immer wieder abgeändert. Bei Bedarf griff man auf sie zurück und überarbeitete sie den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend oder warf sie weg, wenn sie unbrauchbar geworden waren. Angaben wurden durchgestrichen, ausradiert, hinzugefügt, ergänzt oder gelöscht. Die Quellen widerspiegeln die historische Gewachsenheit der Sammlung wie auch den alltäglichen Umgang mit ihr.

Nur in einem Bereich wurde am Schweizerischen Nationalmuseum über den ganzen Zeitraum seines Bestehens hinweg Wert auf die Dokumentation gelegt, und zwar bei der Erfassung der Objekteingänge. Fortlaufend wurden die in die Sammlung eingegangenen Stücke in Inventarbücher eingetragen, unter einer Inventarnummer samt Angaben über ihr Aussehen, ihre Herkunft, ihren Kaufpreis und so weiter.94 1989 begannen dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums, die Neueingänge in einer elektronischen Datenbank zu erfassen und die bestehenden Inventare in die neue Systematik zu übertragen.95 Die Inventarbücher und die Datenbank sind auch deshalb etwas Besonderes, weil sie die einzige sammlungsübergreifende Dokumentationsform sind. Sonst verwalteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Sammlungsstücke nach (wechselnden) Sach- und Materialgruppen (Waffen und Militaria, Keramik, Edelmetall und so weiter) und publizierten zu ihren Fachgebieten. Daher ist auch oft von «Sammlungen» des Landesmuseums und nicht von einer «Sammlung» die Rede.96

Spätestens ab 1961, als die Ressortstruktur eingeführt worden war und damit den Konservatoren einzelne Sammlungsgebiete fest zugeteilt wurden, lag es im Ermessen der einzelnen Mitarbeitenden, welche Dokumentationen sie für ihre Arbeit für relevant hielten und in ihren Büroräumlichkeiten aufbewahren wollten. Sie erstellten teilweise eigene Karteien und Sachkataloge und führten eine gesonderte Dokumentation zu einzelnen Sammlungsobjekten.97 Manche Akten blieben aufgehoben, einige wurden auf den Fluren der Museumsverwaltung deponiert und andere der hausinternen Bibliothek übergeben. Das Museum verfügte zu keiner Zeit über ein zentrales, systematisch geführtes Institutionsarchiv.98 Viel wichtiger für die Museumsangestellten waren ihre Fachkataloge zu einzelnen Sammlungsstücken und Objektgruppen sowie ab Ende der 1970er-Jahre Ausstellungskataloge, die zu den Ausstellungen erschienen.99

Die Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter berichten, dass viel Aktenmaterial in den 1970er- und 1980er-Jahren weggeworfen wurde, als die damalige Direktion anordnete, vorhandene Akten der Museumsarbeit zu sichten, zu sortieren und gegebenenfalls zu vernichten.100 Ich kann belegen, dass noch 1962 rund 80 Laufmeter ungeordnete Akten vorhanden waren. Die Rede ist von Protokollen, Urkunden, Verträgen, Gutachten, Gerichtsurteilen, Jahresrechnungen und Korrespondenz, die sich über Jahrzehnte wortwörtlich angesammelt hatten und die wegen der fehlenden Ordnung grossenteils als unbenutzbar galten.101 Es ist auch gegenwärtig sehr schwierig, sich in den Ordnungssystematiken und Notationssystemen der vorhandenen Dokumentationen und Akten zurechtzufinden. Kein Handbuch oder Ähnliches existiert, das Hilfestellung bieten könnte. Die Mitarbeitenden des Museums haben ihre je eigenen Such- und Orientierungsstrategien entwickelt.

Institutionsinterne Belange, die gegenüber dem Bund speziell ausgewiesen werden mussten, wurden dokumentiert und 1880 bis 1940 an das Bundesarchiv in Bern abgegeben. Anschliessend erfolgte eine ungeordnete Aktenabgabe. Im Bundesarchiv befinden sich hauptsächlich Personalakten der Museumsangestellten sowie Unterlagen zu einzelnen wichtigeren Entscheiden und Veränderungen, an denen die Departemente des Bundes und die Landesmuseumsbehörden beteiligt waren.102 Die Museumsdirektion und die Kommission des Landesmuseums hatten gegenüber der Exekutive die Pflicht, in Form von Jahresberichten über ihre Tätigkeiten Rechenschaft abzulegen. Zuhanden des eidgenössischen Departements des Innern wurde im Namen der Museumsdirektion und der Kommission des Landesmuseums Bericht erstattet.103 Die jährlichen Berichte informieren über personelle und administrative Veränderungen, publizieren die Jahresrechnung und, besonders interessant, berichten über die Arbeit der Kommission, der Direktion wie auch über die Tätigkeiten der Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Abgedruckte Fotografien geben zudem vereinzelt Einblick in die Arbeitsräume des Landesmuseums.104 Die Jahresberichte dienen als wichtige Quellen, um mehr über die Tätigkeiten im Museum und ihren jeweiligen Stellenwert zu erfahren. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Berichterstattung fast ausschliesslich die Perspektive der Direktion wiedergibt. Sie verfasste jeweils den grössten Teil eines Jahresberichts.105

Es gibt noch einen zweiten wichtigen gedruckten Quellentyp, der im Gegensatz zu den Jahresberichten aber unveröffentlicht blieb: die Protokolle der Sitzung der Landesmuseumskommission.106 Die Kommission des Landesmuseums funktionierte als Bindeglied zwischen der Landesregierung und der Museumsdirektion. Sie traf sich mehrmals im Jahr, um über Objektankäufe und Finanzfragen sowie Zielsetzungen in der Sammlungs- und Museumspolitik zu beschliessen, welche die Kompetenz der Museumsdirektion überschritten. Die Protokolle der Sitzungen geben Einblick, welche Themen aus der Museumsarbeit jeweils politisch relevant waren. Doch sie sind keine «Handlungsprotokolle», 107 aus denen Tätigkeiten und Meinungsbildungsprozesse genau nachvollzogen werden könnten. Die referierten Themen und Beschlüsse werden mehrheitlich zusammengefasst wiedergegeben.

Der beschränkten textlichen Basis und der unabgeschlossenen, in die Gegenwart hineinreichenden Quellenbestände werde ich mithilfe eines breiten Quellenbegriffs methodisch Rechnung tragen. Ich orientiere mich dafür an geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit schriftlichen Quellen unterschiedlichster Gestalt und mit Themen befassten, welche nur indirekt über die traditionelle Schriftkultur erschliessbar sind.108 Ich orte und interpretiere die vielfältigen Zeichen(systeme) jenseits des Fliesstextes (Listen, Räume, Dinge), wobei die quellenkritischen Fragen nach dem Materialzustand, den Erhaltungsbemühungen, den Aufbewahrungsorten und der Zugänglichkeit der Quellen besonders gewichtet werden. Die Suche gilt den absichtslos(er)en Spuren und den Überresten. Der Quellenkontext «Museum» ist dafür besonders vielversprechend, weil hier der Archivierungsprozess und damit die Trennung von abgeschlossenen Dokumentationen der Vergangenheit und der gegenwärtigen Praxis fehlt.109 Demzufolge suchte ich die Spuren der Sammlungspraxis nicht nur in den Jahresberichten und den Protokollen der Museumskommission, sondern beispielsweise eben auch in den Objektinventaren. Weiter führte ich drei Leitfadeninterviews mit langjährigen Mitarbeitern wie auch weitere informelle Gespräche mit Mitarbeitenden.110 Zudem arbeitete ich phasenweise in verschiedenen Räumen der Museumsverwaltung, um den aktuellen Umgang mit den (historischen) Museumsakten kennenzulernen (Abb. 5).

Diese «Feldforschungen»111 im Museumsbetrieb ermöglichten den Zugang zu nicht aufgezeichneten Aspekten der Sammlungspraxis der letzten 30 Jahre. Auch manche Sammlungsstücke dienten als Quellen. Nicht anders als die anderen Quellentypen befragte ich sie quellenkritisch und setzte sie in Beziehung zu anderen (schriftlichen) Quellen.112 Das gilt es in Anbetracht des anhaltenden hype um die Dinge zu betonen, bei dem manchmal vergessen geht, dass die Dinge genauso wie Texte stumm sind.113

4 116,67 ₽
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523 стр. 56 иллюстраций
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9783039199112
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