Читать книгу: «tristan & Ramona», страница 3

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"Oh, du liest Freedom", hatte Verena gesagt, als sie mein Buch sah. "Ich fand das ja echt ein ganz ganz tolles Buch, also wirklich super super toll. Aber auch supertraurig, auf der anderen Seite, weil sie müssen sich alle die ganze Zeit so schrecklich quälen, und am Ende bekommt dann doch keiner, was er will. Uh Scheiße!" Sie schlug wie erschrocken die Hand vor den Mund und lachte. "Sorry! Jetzt habe ich schon alles verraten. Sorry, Spoiler! Sorry sorry!"

Meistens lag ich also mit meinem "doofen Hut" (O-Ton Verena), Sonnenbrille und Kopfhörern auf meiner Strandliege, hatte mein Buch vor der Nase und war somit perfekt abgeschirmt von allen schädlichen Umwelteinflüssen. Oder ich schaute aufs Meer, den Kopf voller selbstquälerischer Gedanken und zielloser Grübeleien, die mir die Seele verdunkelten und die ich dann in mein Reisetagebuch kritzelte. Niemand interessierte sich für die Große Depressive. Auch wenn Ellen das anders sah.

"Also ehrlich, davon träumt glaub ich jede Frau, hier so neben Scarlett Johansson und Anne Hathaway am Strand zu liegen. Das ist fast wie unsichtbar sein. Danke schön!"

Das war natürlich reine Koketterie, denn tatsächlich erhielt sie jede Menge Aufmerksamkeit von den Ragazzos. Vielleicht nicht ganz so viel wie Verena, aber jedenfalls sehr sehr viel mehr als ich.

"Was schreibst da eigentlich die ganze Zeit? Dein Tagebuch?", fragte Verena.

"Ja."

"Über die Reise?"

"Auch."

"Komm ich auch darin vor?"

Ich grinste amüsiert. "Klar. Über dich schreib ich überhaupt das meiste."

"Cool!" Sie strahlte mich an. "Darf ich lesen?"

Ich reichte ihr die Kladde hinüber, und sie vertiefte sich eine Weile darin.

"Es liest sich ehrlich gesagt wie ein Lebewohl", sagte sie.

"Hm! Kann man so sehen, ja." Ich zog die Mundwinkel hoch zu einem kurzen Lächeln und zuckte mit den Schulter. "Es ist, wie es ist."

Zugegebenermaßen war Verena auch wirklich wahnsinnig heiß in ihrem magnetischen Bikini. Manchmal, wenn ich schwitzend unterm Sonnenschirm auf meinem Liegestuhl döste, ertappte ich mich dabei, dass ich ihr so leicht verträumt auf den Hintern starrte. Und Ellen ging's offenbar ganz genauso.

"Aus dieser Perspektive sieht man sofort, dass du aus Hinterzarten bist", rief sie Verena zu, die im seichten Wasser stand, das blaue Meer als Hintergrund.

"Pfff! Du immer!", lachte Verena und sprang im Wasser umher, dass es spritzte.

"Ich find, sie hat einen Arsch wie ein Junge", sagte Ellen. "Hörst du, Burschi? Ich will auch so einen flachen Arsch wie du!", rief sie Verena zu.

Kurz darauf kam Verena zu unserem Lager zurück.

"Ich weiß ja net, was ihr vorhabt. Ich geh Seestern." Sie zog sich ihr neues Hemdchen aus weißer Baumwollspitze über, das ihr knapp bis zum Oberschenkel reichte, schlüpfte in ihre ollen Strandlatschen und schnappte sich meinen "doofen Hut", den ich auf Mallorca gekauft hatte.

"Das schaut doch nicht blöde aus, gell?", fragte sie und sah an sich hinunter.

"Nee, is super!"

"Nee. Sehr OK", meinte Ellen. "Was Neues, was Altes, was Geborgtes und was Blaues."

"Ciao ragazzo, uno momento, va bene?", sagte Verena. "Make spaziere gehe, weischt? Zwinker zwinker". Sie winkte uns mit den Fingern, streckte mir die Zunge raus und stapfte los Richtung Strandbar.

"Ich find, sie hat echt den geilsten Arsch der Welt", sagte Ellen. "Da könnt ich direkt lesbisch werden. Ich hab selber ja eigentlich auch einen ganz guten Hintern, aber gegen sie habe ich praktisch einen Hängearsch."

"Ach was", sagte ich, "deine Po-Ebene ist voll in Ordnung. Kein Grund sich Sorgen zu machen." Allerdings teilte ich ihre Ansicht über Verenas Arsch zu hundert Prozent.

In den ersten Tagen hatte Verena noch gemeint, sie fände die Aufmerksamkeit der Ragazzos "eigentlich ganz charmant", aber bald darauf war sie nur noch abgenervt davon. Und irgendwann platzte ihr dann die Hutschnur, und sie gab den drei Typen, die keine zwei Meter von ihr entfernt im Sand saßen und sie mehr oder weniger unverhohlen anglotzten, deutlichst zu verstehen, dass sie abhauen sollen, auf Deutsch und mit unmissverständlicher Gestik. Und die Jungs trollten sich dann auch tatsächlich.

"Meine Fresse!" Sie war ernsthaft sauer.

"Das – war Swediss", meinte Ellen lachend und klimperte mit den Augen wie die Maus.

"Ich find's echt eine Zumutung. Also dass du echt immer erst laut werden musst, bevor Typen es schnallen, dass sie sich verpissen sollen."

"Ärger dich nicht, Bub", meinte Ellen. "Die Wölfe holen sich immer zuerst die Kranken und Schwachen. Das ist das Gesetz der Wälder." Verena musste grinsen, trotz ihres Ärgers.

"Pfff, meinethalben. Nur irgendwann ist auch mal gut. Die sollen mich einfach mal in Ruhe lassen, sonst gibt's auf die Nase."

"Jetzt gibt's erstmal Fortuna per tutti ", sagte Ellen. "Als Stimmungsaufheller."

"Also ich würde ja echt zu gerne mal wissen, wo diese ganzen Verrückten immer herkommen", sagte Verena und strich den Sand aus ihrem Buch.

"Die werden von vorbeifliegenden Raumschiffen hier ausgesetzt?", schlug ich vor.

"Wahrscheinlich." Verena machte ein finsteres Gesicht, aber dann grinste sie doch. "Aber wieso landen die dann immer ausgerechnet bei uns?"

Bei der "Jonas-Affäre" hatten wir zwar feierlich unsere Einigkeit beschworen, aber schon beim nächsten Mal war wieder business as usual: Meine Mädels machten facciamo passeggio, und ich lag allein am Strand.

Nur dass diesmal Verena kurz darauf aus der Strandbar zurückkehrte. Sie ließ sich wortlos neben mich in den Sand fallen. Wir schauten ins Blaue hinaus, Himmel und Meer, und rauchten. Irgendwann drehte sie sich zu mir um und sah mich an, den Kopf auf den Arm gestützt.

"Ahm öh... Das da mit dem Jonas da, am Strand, habt's ihr da... Oder du mit ihm... Du weißt schon!"

"Meinst du dumdidum?", sagte ich, so leicht amüsiert. Verena nickte. Und als ich dann meinte: nee, hätt ich nicht, schien sie ein wenig erstaunt.

"Aha?"

"Ich weiß nicht mal, ob ich das überhaupt wirklich wollte."

"Also eher so verknallt, ein bisschen, teenagermäßig?"

"Nee Quatsch verknallt. Es war... Weiß nicht. Ach, keine Ahnung! Ein Urlaubsflirt? Mit der Betonung auf Flirt?"

"Aber wieso hast du denn dann unbedingt gewollt, dass er mitkommt mit uns?"

"Weiß nicht." Ich sah hinunter auf meine Füße und strich mir den Sand von den Schienbeinen. "Es war, glaub ich, diese besondere Stimmung, die ich hatte, da an dem Abend." Ich lächelte sie an, so leicht verlegen. "Oder schon den ganzen Tag über eigentlich. So'n besonderer Zauber, gewissermaßen. Und ich wollte glaub ich einfach noch mehr davon haben." Und nach einer Pause fügte ich hinzu: "Aber inzwischen ist der Zauber auch schon wieder verflogen."

"Tja", sagte Verena. "Scheint so. Sonst säßen wir jetzt wohl nicht hier zusammen, oder? Brauken Fortuna?"

"Ja, gerne!"

Sie krabbelte auf allen vieren zu ihrer blauweißgestreiften Strandtasche und holte Zigaretten und Feuerzeug.

"Und du?", fragte ich. "Wieso bist du schon wieder zurück? Keine Lust mehr auf make spaziere gehe?"

"Ach, ich glaube, ich hatte plötzlich einfach genug vom mit Wölfen Jonglieren. Ich mach's wie's Rotkäppchen und lauf ganz schnell heim zur Großmutter."

"Das ist lieb von dir, Bub. Die alte Frau weiß das zu schätzen!"

"Gern geschehen", sagte sie mit einem kleinen Grinsen. "Ich hätt's halt einfach saublöd gefunden, wenn du dich da mit dem großen bösen Wolf einlassen hättst, weischt?" Sie nahm einen kleinen schwarzen Kiesel und warf ihn Richtung Wasser. "I hätt's halt wirklich blöd gefunden."

Ich war mehr als ein bisschen gerührt, dass sie das sagte. Ich sah hinaus aufs blaue Meer und wischte mir etwas Sand aus dem Augenwinkel. Alles war gut. Alles war gut so, wie es war.

"Kleine Sonias One-Night-Stand" war für Elli natürlich Wasser auf ihre Mühlen.

"Sowas will ich auch! Allein schon aus Revanchegründen. Ich mein, Michi hat jetzt vier Wochen sturmfreie Bude, während ich mit euch hier unten bin. Und ich möchte echt nicht wissen, was er so alles treibt in der Zwischenzeit. Naja, könnt ihr euch ja vorstellen."

"Nee, keine Ahnung", sagte ich, und Verena meinte: "Arbeiten?"

"Pfff, Arbeiten! Ha ha ha, das wüsst ich aber! Er ist bestimmt damit beschäftigt, die liebliche Ficktoria flachzulegen." Sie hielt sich beide Hände mit Abstand vor die Brust, um Megatitten anzudeuten.

"Das ist die neue Assistentin bei uns am Institut", sagte Verena zu mir. "Victoria."

"Oder vielmehr sie ihn. Die legt es drauf an, die kleine Schlampe."

"Sie macht's schlimmer als wie es ist", gnickerte Verena.

"Ich glaub auch", sagte ich lachend.

"So der Typ pumperlg'sundes Wiener Mädel mit rosigen Apfelbäckchen. A bissel feist, a bissel plump, aber die Typen drehen trotzdem alle so mittelmäßig durch wegen ihr: Hach, die süße, die reizende, die ach so wunderschöne Ficktoria. Auch Ficki genannt."

"I find scho auch, dass sie hübsch ist", widersprach Verena. "Und da kann sie ja nichts dafür, fürs Hübschsein."

"Doch. Klar."

"Sagst du mal so, als Betroffene", sagte ich.

"Außerdem ist sie gar nicht hübsch."

"Was?", fragte Verena.

"Na, ich mein, du sprichst aus Erfahrung. Von wegen hübsch sein."

"Ach du immer", sagte Verena lächelnd und patschte mir auf den Arm.

"Es ist gar nicht so, dass ich besonders eifersüchtig wäre", sagte Ellen. "Aber es ist im wirklichen Leben eben nun mal einfach nicht so wie im Schlager, so nach dem Motto: Hossa hossa, shalalalala, mehr brauchst du nicht zum Glücklichsein. Das sind einfach alles Lügen. Komplett. Von A bis Z."

"Na, es kommt halt schon auch ein bisschen darauf an, welche Konzeption von Glück du hast, oder?", sagte ich.

"Was meinst du, Konzeption?"

"Na, ich find so... Na, ich seh das ja zum Beispiel bei meiner Kollegin Lena. Wenn ich mir anschaue, was sie sich wünscht, so in puncto Konzept vom Glück."

"Der kleine Vampir?", fragte Verena grinsend und machte sich mit den Fingern Vampirzähne.

"Wieso Vampir?", fragte ich. "Ach so. Weil sie immer anruft?"

"Ja genau. Da musst du auch lachen", sagte Verena mit diesem lieblichen kleinen Grinsen. "Das ist schön. Ich mag es, wenn du lachst. Du siehst dann so hübsch aus." Sie nahm ein bisschen weißen Sand zwischen die Finger und ließ ihn auf meinen Oberschenkel rieseln. "Total hübsch."

"Na, jedenfalls schiebt sie momentan ziemlich den Frust, Lena."

"Wegen Männers?", fragte Verena.

"Ja, mehr oder weniger schon. Ich mein, wer kennt das nicht?"

"Guck nicht mich an!", sagte Elli. "Ich hab das praktisch erfunden."

"Aber sie hat echt so leicht den Knall, was das angeht", sagte ich. "Also dass sie jetzt unbedingt ein Kind will, zum Beispiel. Auf Biegen und Brechen und ganz egal mit wem. Und dafür irgendwie alles bereit ist zu machen. Ich zieh sie ganz oft auf damit, also dass sie so völlig hysterisch immer so auf dieses Ding, Traumprinz, Kind, Familie abfährt. Aber was weiß ich. Vielleicht ist das ja auch völlig normal, für Frauen in unserem Alter. Nur ich finde, sie hat da echt voll den Tunnelblick, völlig gaga irgendwie. Und bringt sich damit von einer Malaise in die nächste."

"Also ich kenn sie ja nicht wirklich", sagte Ellen, "aber ich weiß echt nicht, was die Alte für'n Problem hat. Das ist so'n richtiges Klageweib, so: mimimi, die Kerle sind alle so gemein zu mir."

"Kann sein. Aber sie weiß wenigstens, was sie will. Und das zieht sie auch gnadenlos durch. Während ich, ich weiß nicht, was ich will. Ich weiß nur, dass das, was ich habe, mich tendenziell unglücklich macht. Oder unzufrieden? Oder eigentlich doch eher unglücklich, in the long run." Verena lachte kurz auf. "Ich leb von Wochenende zu Wochenende, immer in der Hoffnung, dass etwas passiert. Dass es passiert. Auch wenn ich nicht weiß, was das ist."

"So'n bisschen wie damals als Teenie", sagte Ellen. "Wo du jedes Wochenende feiern gehst und hoffst, dass es passiert."

"Ja, genau."

"Was passiert?", fragte Verena.

"Und es passiert natürlich nie. Aber du ziehst trotzdem immer wieder los, jedes verfickte Wochenende."

"Jedes verfickte Wochenende", wiederholte ich. "Nur dass ich mittlerweile kein Teenie mehr bin. Leider."

"Time is runnin' out on you", sagte Verena und kitzelte mich am Knie.

"Bitch!", sagte ich lachend.

"Ach, weißt du, Soni-Maus, manchmal beneide ich dich trotzdem", sagte Elli. "Ganz in echt! Du kannst immer noch losgehen, wenn du Bock drauf hast, und kannst auf die Kacke hauen, als gäbe es kein Morgen. Das ist noch der alte Spirit. Meine eine hat dazu höchstens mal in den Ferien Gelegenheit."

"Naja. Ganz so ist es ja nicht."

"Aber so ungefähr, so ungefähr. Ich meine, im Prinzip ist es für dich doch noch genauso wie früher: Die Typen fressen dir aus der Hand, und du kannst alle haben, die du willst."

"Kann es sein, dass du das gerade alles ein bisschen idealisierst?", fragte ich. "Irgendwie ist es schon ein bisschen paradox, dass wir uns gegenseitig um das Leben beneiden, dass wir führen."

"Hä? Du willst Michi heiraten?"

Mein Telefon klingelte, und Verena machte wieder ihr Vampirgesicht. Das ist ja das Schöne an der Mobiltelefonie, dass man immer erreichbar ist. Das Blöde daran ist, dass man eben immer erreichbar ist.

Während ich mit Lena telefonierte, gingen Ellen und Verena zur Strandbar, "Lulu machen" und Eis holen.

"Am besten ist ja, man macht sein Telefon komplett aus", meinte Ellen, als sie und Verena vom Seestern wieder zurück waren. "Sonst ruft am Ende noch deine Mutti an, wenn du gerad so schön dabei bist... Hehehe, mitten im ungeeignetsten Augenblick, zwinker zwinker!" Sie klimperte mit den Augen wie die Maus. "Obwohl, bei deiner fänd ich das nicht so schlimm. Silke ist cool. Verglichen mit meiner Mutter auf jeden Fall." Ellen und meine Mutter waren schon immer ganz dicke miteinander und sind es bis heute. Ellen wohnte ja damals zeitweise praktisch bei uns, als ihre Eltern sich getrennt hatten.

"Was ich mich ja immer frage", sagte Ellen, "also zu dem Thema Konzeption von Glück jetzt nochmal. Sind unendliches Unglück und unendliches Glück eigentlich das gleiche? Zwei Seiten einer Medaille? Oder sind sie etwas ganz anderes, unterschiedliches? Sozusagen dieselbe Seite zweier gänzlich verschiedener Medaillen?"

"Na, du fährst hier ja das ganz schwere Geschütz auf", sagte ich lachend. "Achtung Achtung! Sollten Philosophinnen an Bord sein: Bitte melden Sie sich umgehend beim Kabinenpersonal."

"Ich find, das ist genau diese Art Frage, wie sie immer bei Frag doch mal die Maus gestellt werden", sagte Verena.

"Hehehe, genau", sagte Ellen und klimperte mit den Augenlidern wie die Maus. "Obwohl, historisch gesehen ja Sonia eigentlich immer die Maus war, und ich der kleine blaue Elefant. Keine Ahnung, wie das zustande gekommen ist." Sie lachte. "Und in letzter Zeit muss ich meistens zusätzlich auch noch den Maus-Part übernehmen. Als Doppel-Rolle sozusagen", fügte sie hinzu und knuffte mich liebevoll auf den Oberarm. "Soni-Maus!"

"Elli-Fant", sagte ich und knuffte sie liebevoll zurück. So hatte ich sie schon ewig nicht mehr genannt.

"Hihi, Elli-Fant! Wie süß!", sagte Verena lachend. "Und? Was sagt ihr beiden Mäuse jetzt zu dieser hochphilosophischen Frage nach der Einheit von Glück und Unglück?"

"Naja. Dass es halt eine philosophische Frage ist", sagte ich. "Medizin und Biologie können da nicht allzu viel beitragen. Gut, wir wissen aus der Hirnforschung, dass beim Gefühlshaushalt diverse Botenstoffe im Gehirn beteiligt sind. Endorphine, Oxytocin oder Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin, die bei den verschiedenen Aktivitäten freigesetzt werden, was weiß ich, beim Sex."

"Hehehe."

"Oder beim Essen. Oder beim Sport."

"Bitte?", sagte Elli.

"Aber es ist nicht so, dass es jetzt für Glücksgefühle oder Unglücksgefühle jeweils einen speziellen Botenstoff geben würde. Das wäre ja auch ein bisschen zu einfach."

"Na, ich komme auf die Frage, weil in der Quantenphysik spricht man ja vom Quantensprung", sagte Elli. "Das ist so diese unsichtbare Grenze, wo eins ins andere umschlägt."

Ich musste laut loslachen. "Sorry Leute", japste ich, "aber ich bin so ein schlichtes Gemüt, ich muss bei Quantenphysik immer an Füße denken."

"Naja, nobody's perfect", sagte Elli lachend. "Ich muss bei Neurotransmittern immer an Ecstasy denken."

"Geht wahrscheinlich den meisten Leuten so", sagte Verena. "Du hast übrigens schöne Füße."

"Danke. Obwohl ich glaube, wenn ich mir das hier so angucke, ich sollte mal meinen Nagellack neu machen."

"Also ich steh auf Füße. Ich liebe Füße, wirklich. Ich glaub, ich bin fussophil."

"Podophil", sagte ich lachend.

"Meinetwegen. Oder podosexuell." Verena gnickerte. "Oder vielleicht doch eher popo-sexuell", sagte sie und klapste mir auf den Hintern.

Wir lagen nebeneinander unterm Sonnenschirm, und Verena beguckte sich Fotos auf meinem Mobiltelefon.

"Hübsch! Ist das der Jan?"

"Nee, das ist Tim", sagte ich. "Mein, äh... mein Liebhaber." Und irgendwie war es mir peinlich, merkwürdigerweise.

"Tim. Er sieht nett aus."

"Das ist er auch", sagte ich. "Nett. Und ausgesprochen praktisch."

Verena grinste mich an und scrollte weiter durch meine Bilder.

"Und ist das der kleine Vampir?", fragte sie und hielt mir das Display entgegen.

"Genau", sagte ich lachend. "Das ist Lena."

"Sie ist hübsch", sagte Verena.

"Mhm. Ziemlich hübsch."

"Wow! Sie schaut aus wie ein Model. Ich mein, mein Typ wär sie eher net, weil ich steh nun mal net so auf große Busen. Aber ihr Look ist der Hammer." Und sie scrollte weiter durch mein Leben. "Weischt, ich denk gerad, ob sie vielleicht auch deshalb immer anruft, weil sie ein bisschen in dich verknallt ist."

"Quatsch verknallt."

"Und jetzt ist sie eifersüchtig, weil... Na, weil du mit uns in Urlaub fährst und nicht mit ihr. Kann doch sein. Also ich wär bestimmt eifersüchtig."

Und just in dem Moment klingelte natürlich mein Telefon, und Verena machte wieder ihr Vampirgesicht.

Ellen hatte sich ausschließlich Erotikromane zu lesen mitgenommen, unter anderem Shades of Grey natürlich.

"Hab'isch mir gleich geholt. Man will ja schließlich mitreden können", sagte sie.

Verena hatte das Buch schon in den Staaten gelesen: "Also i fand's ja eher harmlos, so viel wie davon geredt wurde. Und irgendwie... Ja, langweilig auch. Die ersten hundert Seiten passiert nix. Echt so gähn. Und danach wird dann eigentlich nur noch gefickt, und das ist dann auch langweilig. Da kannst du dir echt gleich 'n Porno reinschieben."

Elli hat das Buch natürlich trotzdem gelesen, "durchaus mit Gewinn". Auch wenn sie Verena teilweise recht geben musste. "Die Alte hat echt schwer einen an der Meise, kann man nicht anders sagen."

Meistens las Verena in ihren Fachbüchern, aber zur Abwechslung und als Bettlektüre nahm sie auch gern mal einen von Ellis Saftschinken zur Hand.

"Das find ich ganz schön mitunter, so zur Entspannung. Und wenn man möcht, kann man dabei auch noch ein bissel an sich herumspielen."

"Öh." Ellen guckte so leicht pikiert "Also machst du nicht ernsthaft, oder?"

"Was meinen?"

"Na, dir an der Mumu rumspielen, während wir alle zusammen im Bett liegen."

"Nah. Wenn ihr schon schlaft halt."

"Also ich fass es nicht! Da schläft man so völlig nichtsahnend, während du dir hier still und heimlich einen runterjuckelst."

"Soll ich dich das nächste Mal wecken?"

"Vielleicht sollten wir es einfach alle mehr machen", meinte ich grinsend. "Lesen."

"Na. Also macht, was ihr wollt, aber... Also dafür fahr ich nicht in Urlaub, echt nicht! Masturbieren tu ich ja schließlich zuhause schon oft genug."

Leutegucken und lästern geht am Strand natürlich immer besonders gut. Und mit Elli konnte man schon immer super lästern.

Sie hat ein scharfes Auge, dem nichts entgeht: "Heiliger Sankt Blasius! Also jetzt brat mir doch einer 'n Storch! Der Typ dahinten, der holt sich doch einen runter. Also echt! Ich fass es nicht. Der holt sich tatsächlich einen runter. Am helllichten Tag."

Sie ist eloquent und schlagfertig: "Leude, drüben bei den Ossis ist schon wieder Freischwinger-Alarm."

Und sie hat ein mitfühlendes Herz für die kleinen Schwächen ihrer Mitmenschen: "Haua haua haua ha! Also wenn ich mir das hier so angucke, dann bin ich ja echt sowas von froh, dass ich mir damals kein Arschgeweih hab stechen lassen. Und dass ich das auch nicht gemacht hab, als das damals losging mit Intimschmuck, sonst hätte ich jetzt wahrscheinlich auch beide Brustwarzen gepierct. Oder am besten auch noch die Klitoris." Sie schüttelte sich vor gespieltem Entsetzen. "Will man sich auch nicht vorstellen."

Da konnte man ihr natürlich nur beipflichten, obwohl wir ja beide selber auch unser Päckchen zu tragen hatten, in Gestalt mehr oder weniger schlechter Tätowierungen.

"Jaja, da wünscht man sich schon manchmal, dass man sich damals anders entschieden hätte", sagte ich.

"Ach, dein Miezekätzchen find ich ganz hübsch", sagte Verena, und betastete die Tätowierung auf meinem linken Schulterblatt.

"Danke. Naja. Obwohl, ich mag Katzen ja auch immer noch ganz gerne."

In unserer Nähe lagerte immer eine Gang sizilianischer Mädchen, alle so ca. 15, 16 Jahre alt. Stets vergnügt genossen sie ihr junges Leben. Spielten mit ihren Mobiltelefonen und lasen Modemagazine. Redeten unaufhörlich. Balgten und neckten sich.

Zwei von ihnen hatten offenbar schon einen festen Freund, zwei picklige Jungs, die manchmal auftauchten. Aber im Laufe des Nachmittags kamen immer diverse Jungs vorbei. Und auch ein paar Mädchen, die jedoch nicht zum harten Kern der Gang zu gehören schienen.

Manchmal lag ich einfach nur träge auf meiner Strandliege und beobachtete die Mädels, wie sie ihre Verführungsspiele spielten. Sich von Jungs betatschen und vielleicht sogar küssen ließen. Ein wildes spätpubertäres Spiel, das durch und durch sexualisiert war.

Eins der Mädels hatte es mir besonders angetan, ein hübsches, etwas schüchternes Mädchen, sehr groß und schlank, mit wenig Busen und kurzen dunklen Haaren. Sie hieß auch Sonia, und vielleicht war sie deshalb mein Liebling. Ich hatte bei ihr immer ein bisschen das Gefühl, sie wäre mein Zeit-Zwilling: wie die Sonia von vor 16 Jahren.

Verena kam und setzte sich neben mich in den Sand.

"Die Ragazzas sind ein bisschen so wie Ellen", sagte sie. "Die wollen's auch wissen. Zumindest glauben sie das."

"Ja, vermutlich. Genau das nennt meine Mama: mit Wölfen jonglieren."

"Hihi. Kluge Mama."

"Is'n gefährliches Spiel."

"Ja, sehr gefährlich", sagte Verena und strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn.

"Mhm. Molto pericoloso."

"Ja, genau. Molto." Sie hatte meine Hand genommen und betrachtete eingehend meine Finger. "Ich finde, du hast richtige Sandkastenhände. Wegen der Fingernägel, mein ich."

"Typische Ärztinnenfingernägel", sagte ich. "Oder Klavierspielerfingernägel."

"Spielst du Klavier?"

"Nee. Also nicht wirklich. Ich würde gern, aber irgendwie war es mir nicht gegeben. Als Kind."

In dem Moment kam Ellen angeschlurft und ließ sich mit einem Plumps neben uns in den Sand fallen.

"Schweinchen Madonna, what a fuck! Gehe mische Ahsche!"

"Ich weiß nicht genau, ob ich weiß, was du meinst."

"Ich weiß, dass du nix weißt", seufzte Ellen. "Und i weiß a'nix."

Sie hatte uns Sandwich misto und Sfogliatelle aus dem Seestern mitgebracht, über die wir uns gierig hermachten.

"Und? Was gibt's Neues bei Ragazza-TV?"

Wir brachten Elli kurz auf Stand, was in der Clique gerade anlag.

"Könnte gut sein, dass Schluss ist zwischen Valeria und ihrem Freund. Er ist jedenfalls noch nicht aufgetaucht."

"Nah, es ist doch gerade mal halb fünf", sagte Verena. "Gib ihm noch eine Chance."

"Na, so rattenscharf, wie Valeria ist, dürfte das wohl nicht allzu lange dauern, bis sie einen neuen hat", sagte Ellen. "Glaubt mir, das ist voll der Heiratsmarkt hier."

"Ach geh, Heiratsmarkt. Diese Jungs wollen bestimmt alle bloß bumsen", sagte Verena bekümmert.

"Hehehe, genau meine Möge", sagte Ellen.

"Ja nu. Aber für diese Mädels hier ist es ja schon nochmal etwas anderes als wie bei uns."

"So ist das nun mal", sagte Ellen. "Die Konkurrenz schläft nicht. Aber noch haben sie alle Vorteile auf ihrer Seite, weil sie noch so jung sind. Sie haben den Glow."

"Sie haben den Glow", bestätigte ich.

"Eine wie die andere."

"Eine wie die andere."

"Auch die kleine Dicke."

"Auch die kleine Dicke."

"Da kannste nicht gegen an", sagte Ellen. "No chance. Ich nenne das den Ficktoria-Effekt. Zum Beispiel, wenn ich mir manchmal unsere kleine Dick-Madame hier so angucke, denke ich: Wow, ich steh echt sowas von auf große Ärsche. Nur wenn ich dann die ganzen alten Weiber hier am Strand sehe, denke ich: Nee, komm, Scheiße, ich nehm alles zurück. Ich steh doch nicht auf große Ärsche."

"Hätte mich jetzt auch gewundert", sagte Verena grinsend.

"Mich auch", sagte Ellen. "Muss an der Hitze liegen. Wahrscheinlich habe ich einen Sonnenstich."

Ich hatte mein Buch schon lange zugeklappt und beobachtete zwei junge Sizilianerinnen, die sich vor uns in den Sand gelegt hatten. Die beiden waren sich ihrer Anziehungskraft wohl bewusst, und ich bewunderte sie für ihre Selbstsicherheit. Sie trugen beide den gleichen Bikini, dunkelgrün, fast schwarz, ziemlich knapp, mit Schleifchen links und rechts am Höschen, das ihre knackigen Hintern eher enthüllte als verdeckte. Üppiges blühendes Fleisch.

"Wach auf, Faulpelz!" Ellen stupste mich an. "Wir wollen was essen gehen."

Offenbar war ich eingeschlafen. Die beiden Sizilianerinnen waren verschwunden. Ellen und Verena hatten sich schon was übergezogen.

"Bäähähä", heulte Verena, "meine ganze Unterhose ist voller Sand!" Sie hüpfte auf der Stelle und lupfte dabei den Saum ihres Slips, damit der Sand herausrieseln konnte.

Ich stand auf, klopfte mir den Sand von der Haut und stiefelte hinter den beiden her Richtung Strandbar.

Es waren wunderschöne, unbeschwerte Tage voller Sonnenschein in unserem "Seestern". Baden, schwimmen, in der Sonne brutzeln, im Schatten schlummern. Reden, rauchen, lästern, essen und trinken. Unsere "Schicht" ging immer von 12 bis 6. Jede von uns hatte Zeit für ihre eigenen Interessen. Und gemeinsam hatten wir Zeit mit- und füreinander. Gegen fünf, halb sechs war dann auch Elli spätestens wieder zurück aus dem Stella Marina.

"Na, ihr Süßen!", rief sie uns schon von weitem zu. "Mhm, lecker! Knackärsche im Sonnenuntergang." Sie ließ sich im Lotussitz neben uns im Sand nieder. "Ich hoffe doch, ihr hattet einen genauso schönen Nachmittag wie ich."

Meistens gingen wir dann noch einmal zusammen schwimmen, bevor wir unsere Sachen zusammenpackten und zurück nach Hause fuhren.

"Time to get the party started", sagte Ellen.

Ellen hatte ja schon von Anfang an ihre Fremdgeh-Phantasien gepflegt und ohne Ende davon gequatscht. Und sie war fest entschlossen, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen. Und sie fackelte dann auch nicht lange.

Renato hieß der Glückliche. Sie hatte ihn im Paraluna aufgegabelt, gleich an unserem zweiten Abend in Catania. Oder er sie? Wie auch immer... Renato war Anfang 30, leidlich hübsch, schwarze Haare, 7-Tage-Bart, lila gemustertes rosa Hemd, schwarze Jeans.

"Gebügelt", sagte Verena und zog die Augenbrauen nach oben. "Bestimmte von mamma."

Eine stylische schwarze Sonnenbrille vervollständigte die Gesamtkomposition. Es war übrigens Nacht!

Ellen hatte schon eine ganze Zeit lang mit ihm geflirtet und später auf der Tanzfläche rumgemacht. Trotzdem hatte ich zumindest es nicht kommen sehen, was dann passierte. Und Ellen vermutlich auch nicht, das Ganze war wohl eine ziemliche Spontan-Entscheidung. Irgendwann kam sie herüber zu uns an den Tisch, schnappte sich ihre Handtasche und meinte: "Ich bin dann mal weg. Grins! Don't wait me up!" Sie winkte uns zum Abschied kurz zu und dann verließ sie mit Renato den Club.

"Zadong! Und weg ist sie!", sagte ich.

"Was war das denn?", fragte Verena. Und ich meinte noch: "Ich schätze, die sehen wir erstmal so schnell nicht wieder."

Aber dann brach keine zwei Stunden später eine hochgradig aufgekratzte Elli durch die Tür unseres Apartments, immer noch völlig erregt von ihrem Erlebnis, so diese Mischung aus Angst vor der eigenen Courage und stolz wie Oskar.

"Leude Leude Leude Leude!" sagte sie und ließ sich mit Schwung zwischen Verena und mich aufs Sofa fallen. "Schweinchen Madonna, ich kann euch sagen! Echt!"

"Wie?" fragte Verena. "Was ist passiert?"

"Erzähl uns alles, alle schmutzigen Details."

"Ich fürchte, da gibt's nicht viel zu erzählen."

"Na, dann erzähl uns alles andere."

"Okay, Ragazzas. Weil ihr es seid." Ellen genoss sichtlich unsere neugierige Aufmerksamkeit. "Also: Er war mit dem Auto da. Der Wagen parkte direkt vor dem Club, logo, so eine knackschwarze Sportkarre mit mächtig wrumm wrumm. Wir also rein ins Auto und ab. Ich hatte ja gedacht, wir fahren irgendwohin an den Strand oder so. Darüber hatten wir gesprochen, vorher, also das dacht ich wenigstens, dass wir darüber gesprochen hätten. Und ich dann natürlich schon so Phantasien hatte, so: aah und ooh, molto romantico, mit Blick aufs Meer und so. Aber dann hielten wir keine zwei Minuten später vor einer Bar, wo zwei Kumpels von ihm waren, die er von unterwegs aus angerufen hatte."

"O weh!", meinte Verena.

"Ja genau. Das hab ich auch gleich gedacht, so: hupa, was wird das jetzt hier? Sexo di gruppo oder was, keine Ahnung, also ob ich jetzt hier so weitergereicht werden soll, gang-bang-mäßig. Na, die drei hatten dann ein paar Minuten gequatscht und gelacht, so: blablabla bellissima ragazza, bla'blablabla hähähä. Und im ersten Moment hatte ich schon so ein bisschen ein mulmiges Gefühl. Aber es war dann eigentlich doch ganz niedlich. Wahrscheinlich wollte er einfach nur ein bisschen mit mir angeben." Sie beugte sich vor und kämmte mit den Fingern ihre Haare durch, die sie dann zu einem Knoten hochsteckte.

399
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9783754174074
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