Читать книгу: «Endlich schwanger», страница 4

Шрифт:

Was das heißt, richtig Streit, das kriegten wir dann Silvester mit. Wir waren bei Dennis und Jana zum Fondue eingeladen, mit noch ein paar anderen Leuten, alles Computer-Nerds, jeweils mit Anhang. Dennis war ein Freund, Kollege, Konkurrent von Chris, was weiß ich, keine Ahnung, seine Firma residierte jedenfalls in dem selben Loft in der Schanze, direkt neben Network Solutions, und machte auch irgendwas mit Computern. Dennis und Jana hatten sich in dem Jahr diese schicke Eigentumswohnung für 400.000 Euro gekauft, Altbau, 120 Quadratmeter, nicht weit von der Schanze, echt der Hammer! Jana kannte ich vorher noch gar nicht, eigentlich kannte ich niemand von den anderen Leuten so richtig. Zuerst war es eigentlich auch ganz nett, fünf Pärchen um einen großen Tisch, lecker Essen, und um Mitternacht dann anstoßen, richtig mit Champagner. Die Jungs haben dann vor der Tür für uns noch ein bisschen Feuerwerk gemacht. Also eigentlich ganz schön so weit.

Am Ende wurde es dann allerdings ein schrecklicher Abend. Dennis und Jana hatten sich die ganze Zeit schon so ein bisschen angegiftet, und kurz nach Mitternacht krachte es dann so richtig zwischen den beiden. Jana machte Dennis eine richtige Szene, vor allen Gästen. Schließlich zerdepperte sie die große gläserne Salatschüssel an der Wand vom Wohnzimmer und rauschte davon. Wir waren natürlich alle völlig verdattert, und niemand wusste, was tun.

Nach diesem schrecklichen Silvester-Erlebnis konnte ich die kleine Unstimmigkeit zwischen uns wegen Weihnachten noch mal viel besser einordnen. Wir hatten uns ein bisschen gezankt, OK, aber mehr eben auch nicht. Das zwischen Dennis und Jana war richtig Krieg, Beziehungskrieg, und die beiden trennten sich dann auch kurz darauf.

Wir haben danach dann manchmal zu dritt was mit Dennis unternommen, oder luden ihn zu uns ein, weil er war schon ziemlich geknickt. Und es sah zunächst sogar so aus, als müsste er die Wohnung verkaufen. Chris lästerte manchmal ein bisschen über Dennis, weil er fand, dass Dennis sich so hängenlassen würde. In seiner Verzweiflung hatte er wohl sogar schon versucht, kleine Clarissa anzubaggern, die ihn aber natürlich abblitzen ließ. Aber im Prinzip tat er uns schon auch ziemlich leid.

"Das arme Schwein!", meinte Chris immer, wenn wir über Dennis redeten, und das traf es eigentlich auch ganz gut.

Der 10. Januar war dann schon unser zweiter Jahrestag, plus ein Jahr Waldplanet, und wir machten einen wunderschönen und total romantischen Pärchentag daraus. Ich war echt so wahnsinnig verliebt, das merkte ich an diesem Tag nochmal auf eine ganz besondere Weise. Ich bin ja eigentlich gar nicht so der romantische Typ, aber an unserem Jahrestag spürte ich es einfach so total intensiv: Er ist mein große Liebe. Diese unheimliche Vertrautheit, die totale Verbundenheit zwischen uns. Wir waren die ganze Zeit im Kontakt miteinander, seelisch, aber auch ganz einfach körperlich.

Danach fing ich dann nochmal ganz neu an, von unserer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Mir auszumalen, wie es sein würde. Wie wir heiraten. Und dass wir Kinder haben. Es war für mich auf'ne Art natürlich immer völlig klar, dass ich irgendwann mal heiraten und Kinder haben würde, das ist eine von diesen Selbstverständlichkeiten, mit denen du aufwächst, als Mädchen. Aber damals wurde mir allmählich klar, dass für mich nun die Zeit dafür gekommen war. Das mit dem Heiraten war mir dabei in Wirklichkeit eigentlich gar nicht so wichtig, obwohl ich da natürlich auch so die typischen Kleinmädchen-Vorstellungen hatte: Hochzeitskleid, Hochzeitskutsche, Hochzeitsfeier, Hochzeitsreise. Aber das allerwichtigste war für mich schon, dass ich unbedingt ein Kind mit ihm wollte. Ich wollte das Kind unserer Liebe zur Welt bringen. Einen kleinen Chris, einen süßen kleinen Jungen, so hübsch wie sein Papa.

Ginis Schwangerschaft gab meiner Auseinandersetzung mit dem Thema dann nochmal einen richtigen Kick. Ich hatte zwar irgendwie damit gerechnet, nach ihrer Verlobung, aber als sie dann anrief und sagte, dass sie schwanger ist, war ich trotzdem total überrascht. Ich bin dann natürlich sofort zu ihr nach Kiel gefahren. Sie war total selig. Und Tobias auch. Die beiden wollten am liebsten jetzt sofort heiraten, einfach schnell alle zusammentrommeln und ein riesiges Hochzeitsfest feiern. Was dann allerdings nicht so einfach war, weil Tobias' Familie über die ganze Welt verstreut lebt. Und es sollte dann noch fast anderthalb Jahre dauern, bis es endlich so weit war mit dem Hochzeitsfest.

In den drei Tagen in Kiel habe ich dann zum ersten Mal so richtig realisiert, dass wir erwachsen geworden waren. An Gini fiel es mir auf, aber das galt natürlich auch für mich. Wir waren einfach nicht mehr die kleinen Medizinstudentinnen, meine kleine Gini war ganz plötzlich eine richtige Erwachsene geworden. Frau Dr. med. Regina Holzkamp, frisch verlobt und ganz frisch schwanger. Und total happy.

Die nächsten Wochen fing ich dann an, mich so ganz langsam an den Gedanken ranzutasten, Mutter zu werden, und mich irgendwie auch schon ein bisschen darauf vorzubereiten. Ich nahm dann auch gleich ein paar Veränderungen in unserem Leben vor. Ich stellte unsere Ernährung um auf gesund. Das fand Chris zwar nicht so toll, aber er konnte ja mittags auf der Arbeit weiter sein Junk Food futtern. Wir hatten beide im letzten Jahr und wegen der Feiertage ein bisschen zugelegt, ich gleich ganze vier Kilo, und mein Süßer hatte auch ein kleines Bäuchlein bekommen. Ich hörte auf zu rauchen, von einem Tag auf den anderen, und trank weniger Alkohol, vor allem kein Bier mehr. Und ich fing wieder mit dem Laufen an, damit sich der BMI wieder Richtung 20 bewegte. Seit Thailand hatte ich irgendwie damit aufgehört. Früher, in Kiel, bin ich fast jeden Tag gelaufen, immer bis raus nach Düsternbrook, am Wasser entlang, und dann zurück durch die Grünanlagen. Zweimal bin ich sogar den Hamburg Marathon gelaufen. Und ich hatte mein Training noch nicht mal unterbrochen, als ich fürs Staatsexamen lernen musste. Irgendwie war Laufen damals immer ein fester Teil meines Lebens gewesen. Jetzt kaufte ich mir neue Laufschuhe, und schon nach wenigen Tagen war ich wieder in der Spur. Ich ging vor der Arbeit oder nach der Arbeit laufen, allein oder mit Arbeitskollegen, fast jeden Tag, zehn, fünfzehn Kilometer. Chris fand es super, dass ich was für meine Fitness tat. Und für meinen Hintern, meinte er.

Natürlich redete ich auch total viel über das Thema Kinderkriegen, mit Gini sowieso, klar, und mit den ganzen Mädels aus Kiel, mit Clara, mit Lexa, mit Sonia und anderen Kolleginnen auf Station. Und mit meiner Mutter natürlich. Mama fing in letzter Zeit ja sowieso jedesmal von selber damit an, wenn wir telefonierten. Die Intensität meines Kinderwunsches überraschte mich ehrlich gesagt selber, denn eigentlich mache ich mir gar nicht so viel aus Kindern, so an und für sich. Dieses ganze tututu und eitatei liegt mir eigentlich überhaupt nicht, und wenn ich es bei andern mitkriege, nervt es mich auch eher, als dass ich es schön finde.

Ende Februar fuhr ich dann für eine Woche mit meinen Eltern und meinem kleinen Bruder in den Skiurlaub nach Österreich. Chris fuhr nicht Ski, und außerdem hatte er keine Zeit für sowas, meinte er. Mama fand das natürlich schade, weil sie ihren zukünftigen Schwiegersohn gern mal wieder gesehen hätte. Und ihm wahrscheinlich auch gern mal ein bisschen ins Gewissen geredet hätte, wie es denn nun eigentlich mit Enkelkindern aussieht. Insofern war ich ganz froh, dass er nicht mitgekommen war, denn ich wollte ihn eigentlich lieber selber so ganz sachte darauf vorbereiten und nicht, dass meine Mutter mir dazwischengrätscht.

Im März passierte dann Fukushima, und das war dann schon irgendwie ziemlich heftig, ein richtiger Schock. Wenn du gerade dabei bist, dir vorzustellen, wie es ist, dein Kind großzuziehen, dann bist du ja einfach noch mal viel sensibler, was solche Sachen angeht. Ich machte mir richtig Sorgen deswegen, noch mal ganz anders als bisher. Wie soll denn ein Kind aufwachsen unter solchen Vorzeichen? Oder sowas wie EHEC ein paar Wochen später, was ich ja über die Arbeit in der Klinik dann auch aus nächster Nähe mitbekam. Aber andererseits, irgendwas ist ja immer.

Durch die Royal Wedding Ende April wurde Heiraten, Kinder undsoweiter dann plötzlich endgültig das große Thema. Nicht bloß bei mir, sondern irgendwie überall um mich herum. Auf Station lief die Hochzeit auf allen Bildschirmen, und natürlich auch im Schwesternzimmer. Das war auf'ne Art so richtig girls' day.

Abends guckte ich mir dann gerade die Zusammenfassung im Fernsehen an, als Mama anrief, und wir haben dann ein bisschen zusammen geguckt. Mama war total begeistert, sie fand alles wunderschön.

"Und wie hübsch Kate aussieht in ihrem Hochzeitskleid!" seufzte sie. "Ach Mäuschen, ich wünsch mir ja nichts mehr für dich als auch so eine Hochzeit, so ganz in weiß. Wie eine richtige Prinzessin."

"Ja, das wäre toll. Und als Zugabe gibt's dann noch diesen supergeilen Sportflitzer für die Flitterwochen", sagte ich, und musste ein bisschen grinsen dabei.

Ich war allerdings auch ein bisschen gerührt, dass sie so ins Schwärmen geriet. Wo eben einfach auch klar war, wie sehr sie sich das wirklich wünschte. Und wie unglaublich wichtig das für sie geworden war. Todder war da ja schon über ein halbes Jahr verheiratet, und ihre Schwiegertochter war inzwischen auch schon schwanger. Ihr erstes Enkelkind. Und jetzt war ich doch einfach als nächste dran. Fand meine Mutter. Und ich irgendwie auch.

"Es würde mich einfach so wahnsinnig freuen für dich", sagte sie. "Und den Prinzen dafür hast du ja auch schon."

Das sah mein Prinz allerdings ganz anders. Er hatte an dem Abend schon die ganze Zeit gelästert, schon bevor Mama anrief, warum ich mir sowas angucken würde, und wie doof man sein muss, um sich so einen Scheiß anzugucken, und dann weinte ich auch noch dabei.

OK, dachte ich nur, mein Liebster ist ein Heiratsmuffel. Es gab also eine harte Nuss zu knacken.

4

Drei Monate später war dann alles aus. Ich kann immer noch nicht fassen, wie schnell das ging. Auf'ne Art war das auch mit die Schuld von William & Kate mit ihrer Royal Wedding, denn kurz danach fingen wir an, übers Heiraten und Kinderkriegen zu sprechen. Und innerhalb weniger Wochen waren wir deswegen so heillos zerstritten, dass nur noch die Trennung blieb. Aus höchsten Höhen abgestürzt bis ganz nach unten.

Im Mai waren wir nochmal zusammen in den Ferien. Zwei Wochen Frankreich, Côte d'Azur im Frühling, total schön. So eine richtige Frühlings-Liebesreise. Und in dieser Stimmung hatte ich das Thema das erste Mal angesprochen. Wie schön das wäre, wenn wir ein Kind hätten. Und wenn wir heiraten würden. Chris war von dieser Vorstellung offenbar nicht so begeistert wie ich. Das hatte ich auch gar nicht erwartet, aber natürlich schon etwas mehr als das, was dann kam.

"Ach du Schreck!" Das war schon mal seine erste Reaktion. "Öööh... tjaaa... Was soll man da jetzt zu sagen?"

"Ja ja ja, Schatz, ich will! Lass uns sofort anfangen!" Aber Chris war nicht für Späße aufgelegt.

"Öööh tjaaa... okay... aber vielleicht a... vielleicht noch nicht jetzt gleich... irgendwie, Prinzessin."

"Aber wieso denn nicht? Das wäre doch einfach wahnsinnig supi-toll, du so als Papa, so bömm bömm bömm, und ich als Mama, so laa lala." Aber auch auf niedlich kam ich bei ihm damit nicht weiter. Chris räusperte sich.

"Also ich find es dafür definitiv noch zu früh. Wenn du mich fragst."

"Aber wieso denn? Das wär doch jetzt gerade genau die optimale Phase. Für mich, für dich, und für die Beziehung..."

"Ah ick weeß nich, Prinzessin!" Wenn Chris mit diesem Pseudo-Berlinern anfing, bedeutete das meistens nichts Gutes. "Ich find auch, wir haben doch noch so viel Zeit."

Wir haben doch noch so viel Zeit. Er hatte zwar nicht kategorisch nein gesagt, das nicht. Er sagte aber eben auch nicht ja. Und ehrlich gesagt war ich schon ein bisschen enttäuscht von seiner ganzen Reaktion, auch weil ich ihm da ja praktisch sowas wie einen Heiratsantrag gemacht hatte und er das einfach alles so beiseite geschoben hatte.

Wir haben doch noch so viel Zeit. Das sollte in den nächsten Monaten echt sowas wie sein Standardsatz werden, fast bis ganz zum Schluss eigentlich, wo unsere Zeit dann in Wirklichkeit schon längst abgelaufen war. Chris hätte das ganze Kinderthema wahrscheinlich am liebsten auf unbestimmte Zeit verschoben. Aber natürlich habe ich das in der Folgezeit immer mal wieder angesprochen, und wir haben dann auch meistens ganz ernsthaft darüber geredet. Und zuerst waren das auch noch so ganz normale Gespräche. Wir waren zwar ziemlich unterschiedlicher Auffassung, aber es war eigentlich sogar noch ganz lustig, einfach weil es mehr so ein typisches Rollending war: Frau träumt vom Heiraten und Kinderkriegen, und Mann versucht, es auf die lange Bank zu schieben. Einmal meinte ich zum Beispiel, dass ich ja einfach mal das Kontrazeptivum absetzen könnte.

"Wieso?"

"Dann gucken wir einfach, was passiert."

"Was gucken?"

"Na, ob ich schwanger werde, Dummerchen!"

Ich schwärmte dann noch ein bisschen weiter, wie toll das wäre, wenn wir jetzt gleich einen kleinen Chris machen würden.

"Alles kein Problem, wir müssten auch noch nicht mal umziehen, das kleine hintere Zimmer könnte das Kinderzimmer werden, und wegen meinem Job könnte ich versuchen..."

"Um Himmels willen", meinte Chris lachend. "du hast ja ein Tempo drauf. Aber im Moment nimmst du noch die Pille, oder? Oder muss ich morgen erstmal Kondome kaufen gehen?"

Auf diesem Level liefen unsere Gespräche. Am Anfang!

Aber es war eben von Anfang an auch schon immer so, dass er eher so hinhaltend redete, so nach dem Motto, es wäre doch schön, was wir jetzt hätten, und dass wir uns doch schon so viel zusammen aufgebaut hätten und nicht voreilig Schritte machen sollten, deren Konsequenz wir jetzt noch gar nicht überblicken könnten. Also beim Heiraten zum Beispiel.

"Und wer weiß, vielleicht findest du mich in einem Jahr superscheiße, und dann bist du froh, dass du nicht mit mir verheiratet bist und meine Schulden bezahlen musst."

"Pfff, das wird schon nicht passieren", meinte ich nur.

"Oder wie das bei Dennis und Jana gelaufen ist."

"Das kann man doch überhaupt nicht mit uns vergleichen. Da war es ja einfach die Beziehung, die Schrott war."

Was Kinder anging, hatten wir allerdings auch wirklich schon ziemlich unterschiedliche Ausgangspunkte. Während das für mich eigentlich schon immer völlig klar war, hatte Chris sich übers Kinderkriegen bisher noch überhaupt keine Gedanken gemacht.

"Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob ich überhaupt Kinder will. Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht so weit. Und vielleicht sind wir auch einfach noch nicht so weit."

"Wann wenn nicht jetzt, wer wenn nicht wir", meinte ich nur trocken.

"Und als nächstes werden wir dann Großstadtindianer und wohnen auf dem Bauwagenplatz oder wie?", meinte Chris, und bei der Vorstellung mussten wir dann beide grinsen. "Voll 80er."

"Aber jetzt mal ganz ernsthaft, Mäuschen, als Typ kannst du dir das später immer noch überlegen, ob du Kinder willst. Aber als Frau wird es mit 30 einfach höchste Zeit, sonst ist der Zug irgendwann endgültig abgefahren."

"Ich finde, du dramatisierst das echt total, Prinzessin. Es kriegen doch viele Frauen erst mit Mitte 30 ein Kind, wir haben doch also noch so viel Zeit."

Beim Thema Kind kamen wir also nie so richtig auf einen Nenner, weil Chris einfach lieber weiter auf Zeit spielen wollte. Unsere Gespräche drehten sich an der Stelle jedenfalls immer ziemlich im Kreis.

Richtig sauer wurde er dann allerdings, als ihm klar wurde, dass ich mich nicht nur schon seit längerem mit dem Thema beschäftigte, sondern dass ich auch schon ganz viel darüber geredet hatte.

"Mit allen möglichen fremden Leuten, nur nicht mit mir!" Er war wirklich ziemlich sauer deswegen. "Weißt du, das find ich echt fast schon sowas wie Verrat. Das nehm ich dir echt übel."

Ich fühlte mich ehrlich gesagt ziemlich angepisst davon, dass er mich so runtermachte deswegen. Ich meinte dann zwar noch, dass ich nur mit meinen Freundinnen darüber geredet hätte, aber er war dann trotzdem sauer.

Es war dann auch so, dass ich auf die Dauer mit seinem ewigen Später und Warten und alles-auf-die-lange-Bank-Schieben immer schlechter zurechtkam. Ich konnte das auch nicht einfach so stehen lassen, dafür war mir das Thema ja auch viel zu wichtig. Insofern eskalierte die Stimmung zwischen uns dann schon etwas. Es war nicht mehr so witzig locker-flockig wie zu Anfang. Irgendwann meinte er dann, dass er keine Lust mehr hätte, dass wir immer so viel darüber reden. Und damit kam ich dann überhaupt nicht klar. Ich fand ihn nur noch distanziert. Ich wollte Nähe, und er stieß mich immer wieder zurück.

Das erste Mal richtig Streit deswegen hatten wir dann ausgerechnet an meinem Geburtstag. Das fing schon am Abend vorher an, da waren wir essen, und ich hatte gesagt: "Ab jetzt tickt die Uhr", das war nur so als Spruch gemeint, wegen meines Alters, und schon ging's los, er kriegte sofort schlechte Laune. Ob man nicht mal wenigstens heute in Ruhe essen könnte ohne diese ewigen Problemgespräche. Und als dann am nächsten Vormittag meine Mutter anrief, war er am Telefon, und sie machte ihrem Lieblingsschwiegersohn dann wohl auf ihre typische Art die Hölle heiß, von wegen Enkelkindern und so. Nach dem Telefonat ist er jedenfalls regelrecht explodiert. Er stauchte mich total zusammen.

"Da hab ich echt Bock drauf! Da hab ich echt wirklich Bock drauf, mich auf so saudumme Art von deiner Mutter anmachen zu lassen."

"Du kennst sie doch!", meinte ich anfangs noch, um ein bisschen zu vermitteln und die Wogen zu glätten. "Sie meint das doch nicht böse!"

"Trotzdem! So eine unglaubliche Anmaßung! Was bildet die sich ein!"

"Sie hätte halt gern endlich Enkelkinder."

"Dann soll sie welche adoptieren oder was weiß ich, ist mir echt scheißegal! Wie ich mein Leben leben will, das ist bitteschön immer noch meine Sache! Und ich hab echt keine Lust, ich hab echt überhaupt keine Lust, mir von irgendjemand da reinquatschen zu lassen, damit das ein für allemal klar ist! Und wenn du unbedingt diesen Babyfilm fahren willst und mit aller Welt darüber quatschen willst, dann lass mich gefälligst da raus!"

Er konnte sich irgendwie gar nicht wieder einkriegen. Ich wurde dann selber auch laut, weil ich wollte das natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Er soll mich nicht so anschreien, schrie ich. Ich war ziemlich wütend deswegen. Leider fing ich dann ein bisschen an zu weinen, vor Wut hauptsächlich, aber auch weil ich so geschockt war von seiner Hass­tirade, gegen Mama, aber irgendwie vor allem ja auch gegen mich.

Es war ein total beschissener Geburtstag. Ich war den ganzen Tag total traurig. Und sauer auf ihn. Am Nachmittag kamen noch ein paar Leute zum Kaffeetrinken vorbei, und wir machten wieder auf heile Welt, aber so richtige Geburtstagsstimmung wollte dann nicht mehr aufkommen.

Durch diesen Streit an meinem Geburtstag veränderten sich unsere Gespräche nachhaltig. Ich fing an, seine totale Verweigerungshaltung zu hinterfragen, weil ich hatte das Gefühl, dass wir das dringend klären müssen. Ihm wäre es wahrscheinlich am liebsten gewesen, einfach alles unter den Teppich zu kehren. Aber ich hätte sonst gar nicht mehr gewusst, was wir überhaupt noch für eine Beziehung haben, denn von sich aus sagte er ja nie was dazu.

Das Problem war nur, dass wir nie ruhig darüber sprechen konnten, sondern immer sofort in Streit gerieten. Oft passierte es am Wochenende, sonntagabends. Tatortgucken fiel in dieser Zeit meistens aus. Der Streit entzündete sich immer an irgendwelchen Kleinigkeiten. Eine beiläufige Bemerkung, eine angebliche Anspielung von mir, ein Anruf von meiner Mutter, irgendeine Kleinigkeit reichte und dann ging einer von uns hoch.

Irgendwann war ich dann so weit, dass ich insgeheim anfing, unsere ganze Beziehung in Frage zu stellen, denn eigentlich ging es doch nur noch um die Frage Warum. Warum will er mich nicht heiraten? Warum will er kein Kind mit mir? Und warum will er noch nicht mal darüber sprechen?

Dass zunächst scheinbar alles beim alten blieb, lag natürlich auch daran, dass er mich immer noch um den Finger wickeln konnte. Nach jedem Streit hatten wir Versöhnungs-Sex. Wahrscheinlich war das der eigentliche Grund, warum wir überhaupt streiten, meinte er. Und da wir so viel stritten, hatten wir immer ziemlich viel Versöhnungs-Sex. Und unser Sex-Leben war eigentlich wie immer. Guter Sex, genauso gut wie immer. Und ich war ihm sexuell auch noch genauso verfallen, richtig süchtig. Und damit kriegte er mich natürlich immer wieder, jedenfalls in der ersten Zeit noch. Wenn wir wieder mal so ein Problemgespräch hatten, fing er immer irgendwann an zu lachen, nahm mich in den Arm, und ich musste dann auch lachen, ein bisschen wenigstens. Und dann passierte es. Ich liebte es, wie er mich nahm, mit dieser besonderen Art zärtlicher Grobheit. Und am Ende lag ich dann immer total glücklich in seinen Armen, grinste in mich hinein und dachte sowas wie Du süßer kleiner Scheißkerl! Hast du's wieder mal geschafft! Und dann war irgendwie auch alles immer wieder gut. Für den Moment.

Allerdings eskalierte unser Streit in den nächsten Tagen immer mehr und mehr. Bis zu dem Punkt, wo ich dann schon nicht mehr wusste, ob er mich überhaupt noch liebt.

Wir lagen schon im Bett, kurz vorm Einschlafen. Ich ließ meine Hand auf seinem Bauch spazierengehen, vom Sternum bis zum Unterleib und wieder zurück.

"Vielleicht findest du mich ja gar nicht so heiß, wie du immer denkst, Mäuschen", sagte ich. Normal war das bei uns eigentlich immer die Eröffnung des Vorspiels, Aufforderung zum Tanz. Aber diesmal nicht.

"Doch, sehr sogar", meinte er. "Wahnsinnig heiß."

"Aber ein Kind willst du trotzdem nicht mit mir, oder was?", sagte ich und piekste ihm in den Bauchnabel.

"Ach, Prinzessin, bitte nicht das schon wieder."

"Äh, Prinzessin, nicht das schon wieder." Ich gab ihm einen ziemlich feuchten Ohrenkuss.

"Ich weiß nicht, was ich will."

"Schon gemerkt."

"Ich denke einfach, vielleicht sollten wir noch warten."

"Worauf warten?"

"Ich weiß nicht."

"Vielleicht liebst du mich ja auch einfach nicht mehr so, wie du immer denkst." Ich steckte ihm die Zunge ins Ohr.

"Nee, das ist es nicht. Definitiv nicht." Er räusperte sich ein paarmal, bevor er weiterredete. "Aber also ich finde schon, dass das ein ziemlich einschneidender Schritt ist für eine Beziehung. Und dass wir uns das auf jeden Fall gut überlegen sollten. Und vielleicht machen wir uns da ja auch was vor, wer weiß."

Das war ein richtiger Schreck, als er das sagte. Wie ein Schlag vor den Kopf. KLONK! Plötzlich war ich total angespannt. Ich zog meine Hand von ihm weg.

"Ich weiß gerade nicht, worauf du hinauswillst!" Meine Stimme krächzte richtig. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals.

Und plötzlich wusste ich, worauf das hinausläuft, auf irgendein Geständnis! Er kaute auf irgendetwas herum. Irgendetwas Schlimmes! Dass er eine andere hat, dass er sich trennen will, dass er mich nicht mehr liebt, keine Ahnung. Irgendetwas Schreckliches kam auf mich zu, und ich kriegte es mit der Angst.

Er guckte zu mir herüber, aber nicht so richtig, nur so aus den Augenwinkeln.

"Ach, ich weiß auch nicht. Was ich mein ist, vielleicht ist unsere Beziehung ja auch einfach überhaupt nicht so, wie sie sein müsste, wenn man ein Kind kriegt."

"Was heißt das? Wie müsste sie denn sein, deiner Meinung nach?"

"Dass wir eben vielleicht ja auch einfach noch gar nicht so weit sind."

"Sag nicht wir."

"Oder eben einfach noch nicht so weit, wie wir immer denken."

"Sag nicht wir, wenn du ich meinst. Du weißt nicht, was du willst. Das hab ich verstanden. Ich schon. Ich weiß, was ich will, für uns. Wir haben ja schon ganz oft darüber gesprochen. Und ich hab dir ja auch schon bestimmt tausendmal gesagt, dass ich dich liebe, und ich hab es immer ganz genau so gemeint. Bedingungslos. Absolut. Das war für mich immer die Grundlage unserer Beziehung. Also komm mir jetzt nicht mit: Vielleicht lieben wir uns nicht genug, um ein Kind zusammen zu haben. Rede von dir selbst!"

"Das hab ich doch gar nicht gemeint."

"Was hast du denn gemeint? Sag's mir doch endlich! Und sag verdammt noch mal ich. Sag: Ich liebe dich nicht genug. Sag: Ich habe dich nie geliebt. Sag: Ich will mich von dir trennen. Wenn es wirklich so ist, dann sag es auch!"

"Ich weiß echt nicht, was du jetzt willst, dass ich sage."

"Die Wahrheit, Mäuschen. Ich will die Wahrheit hören. Liebst du mich? Du hast es doch schon mal gesagt, ich liebe dich, du erinnerst dich wahrscheinlich, damals, Paris 2009. Und du hast Dinge mit mir gemacht, die nur dann richtig gewesen sind, wenn du mich wirklich aufrichtig und ewig in Anführungszeichen liebst."

"Was hat denn das jetzt damit zu tun?"

"Ich will nur verstehen, was du meinst. Unsere Beziehung ist nicht so, wie sie sein sollte. Was heißt das? Liebst du mich nicht genug, oder liebst du mich nicht in der richtigen Weise. Liebst du mich überhaupt. Du willst mir ja offensichtlich irgendwas sagen. Und es hat genau mit dieser Frage zu tun. Du weißt nicht, ob die Liebe ausreicht. Vielleicht sind wir ja auch noch nicht so weit. Ich will einfach wissen, was das heißt, und ich will es verdammte Scheiße jetzt wissen! Ob du mich liebst oder mich vielleicht nicht genug liebst. Oder ob du mich so liebst in Anführungszeichen, wie man seinen Hund liebt, oder die Wohnung oder die Musik irgendeiner beschissenen Band, die man vor fünfzehn Jahren gut fand. Sag es mir doch, bitte, das kann doch nicht so schwer sein!"

Langsam redete ich mich in Rage. Chris sagte dann gar nichts mehr, er sah mich auch nicht an, sondern wich meinem Blick aus und guckte nur starr geradeaus. Wir waren zwar immer noch im Bett, aber wir hatten uns beide aufgesetzt, so nebeneinander, und ohne uns zu berühren.

"Okay, neuer Versuch!" Das war kein Sarkasmus, wie er wahrscheinlich dachte, das war ernst gemeint, weil ich wollte gern, dass wir ein bisschen aus dieser Eskalation rauskommen. "Lass es mich so formulieren. Liebst du mich so, dass du dein Leben mit mir verbringen willst, ohne am Ende zu denken, du hast es verpasst? Willst du mit mir glücklich sein, bis dass der Tod uns scheidet, leider irgendwann? Oder nicht? Und willst du ein Kind mit mir haben? Oder eben nicht!"

Chris ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Und dann wiederholte er es tatsächlich in der Ich-Form!

"Okay, wenn du denkst, dass das was nützt. Also, vielleicht ist unsere Bezie... meine Beziehung zu dir nicht... nicht so, wie sie wahrscheinlich sein müsste. Oder wie ich denke, dass es in jedem Fall sein muss, wenn Leute ein Kind zusammen kriegen."

Ich wurde total sauer.

"Na, gut, dass das jetzt mal raus ist!", schrie ich, sprang auf und rannte weg.

Er liebt mich nicht mehr.

Ich hatte mich auf der Toilette eingeschlossen, und dieser Gedanke arbeitete in meinem Kopf, unaufhörlich. Er liebt mich nicht mehr, er liebt mich nicht mehr, er liebt mich nicht mehr. Wie sollte es mit uns überhaupt weitergehen? Wenn er mich nicht mehr liebt.

Dieses Gespräch war für mich ein richtiger Schock. Spätestens da war für mich höchste Alarmstufe. Aber trotzdem blieb in den nächsten beiden Wochen in unserem Zusammenleben scheinbar alles wie zuvor. Unser Alltag, Arbeit, Freizeit, Tisch und Bett, alles wie immer, business as usual. Wir lebten unser Leben. Oder eigentlich unsere Leben, eher nebeneinander als miteinander. Aber noch gab es Möglichkeiten der Begegnung. Das Bett. Gemeinsam schlafen. Miteinander Sex haben. Ein paar zärtliche Worte vor dem Einschlafen, ein liebevoller Augenblick. Und für ihn stimmte das ja auch, für ihn hatte sich ja wirklich nichts geändert! Er liebte mich ja einfach nicht, genausowenig wie vor diesem Streit. Doch in Wirklichkeit veränderte sich natürlich alles rasant, schon allein, weil der Streit immer weiter eskalierte, und zwar einfach dadurch, dass sich dieses eine Gespräch in unendlichen Variationen ständig wiederholte.

"Vielleicht liebe ich dich nicht so, wie ich sollte. Oder wie ich denke, dass ich müsste. Oder wie du es verdienst."

"Willst du damit sagen, es liegt an mir oder was?"

"Dass es einfach nicht genug ist."

"Was meinst du damit?"

"Nein es liegt nicht an dir, was ich mein..."

"Was meinst du damit, wenn du sagst, nicht genug? Nicht genug wofür? Nicht genug, um Sex mit mir zu haben? Na, das ist es ja wohl nicht! Oder nicht genug, um mit mir zusammenzuleben, jetzt und in Zukunft, auf Dauer, für immer vielleicht? Für immer zusammen, das ist das, was ich will." Ich geriet jetzt immer ziemlich schnell in Fahrt, ganz egal, worüber wir gerade redeten, einfach weil ich mich so wahnsinnig unter Druck fühlte, alles zu klären. "Nicht genug, um ein Kind mit mir zu haben? Davon haben wir geträumt, von Anfang an, davon haben wir schon in Paris geredet. Und in der ganzen Zeit danach. Also das dachte ich jedenfalls immer, dass wir davon sprechen, wenn wir über uns gesprochen haben. Deswegen ist das so unglaublich erniedrigend, wenn du jetzt gerade so redest. Merkst du das gar nicht, welche Erniedrigung du mir damit zufügst, was für eine Demütigung? Unsere ganze Beziehung basiert darauf, und jetzt sagst du plötzlich, ätschibätsch, stimmt leider gar nicht, war nur Spaß."

Das war eine richtige Predigt, mein großes Plädoyer, und ich war eigentlich ganz zufrieden, dass ich es so rübergebracht hatte, weil genau darum ging es meiner Meinung nach. Er widersprach mir zwar in den meisten Punkten, oder versuchte es wenigstens. Aber er konnte auch nicht ja sagen, als ich ihn dann direkt fragte, ob er mich denn überhaupt lieben würde.

Бесплатный фрагмент закончился.

399
480,56 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
350 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783738050141
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают