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Andreas Weis

Ursula Kleine Stevermüer

Das Tor zu deiner

inneren Welt

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Das Geheimnis

Das Geheimnis der Einzigartigkeit,

in der Vielfältigkeit des ewigen Werdens und Seins,

ist die Symphonie des Universums.

Sie offenbart sich dem,

der bereit ist, in die Tiefe der eigenen Seele zu blicken,

und sich nicht scheut,

die Schatten zu betrachten,

die zu seinem Eigen gehören.

Der erkennt,

dass alles in allem

miteinander verwoben,

verbunden

und zugehörig ist

und dass das eine ohne das andere

nicht möglich sein kann.

So wird für ihn alles sichtbar, verständlich

und bleibt doch

ein stilles Geheimnis.

Vorwort

Die Zeit kann heilen, die Zeit kann verweilen, die Zeit kann eilen, doch niemals still stehen. Doch sie ist auf ihre Art nie ruhelos, sondern schaffend und ruhend und nie gebunden ans Leben. Du kannst Zeit messen, du kannst Zeit vergessen, doch niemals halten. Sie vergeht, wie der Mensch vergänglich ist.

Jede Veränderung braucht ihre Zeit, denn zu jeder Zeit gibt es Veränderungen, damit die Veränderung Bestand hat, in ihrer Zeit, die kommt.

Niemals ist Stillstand in der Zeit, denn alles im Leben ist in Schwingung. Doch braucht das Leben Stille, um in sich zu ruhen, um zu betrachten das Veränderte, und das braucht auch seine Zeit.

Irgendwann wird die Zeit nicht mehr gebraucht, da die Veränderung zur Vollkommenheit gekommen ist. Bis dahin braucht alles im Leben seine eigene Zeit, weil jede Veränderung eine Entwicklung ist, hin zum Ziel. Es ist ein stetiges Vergehen und Werden, ein Sterben und ein Geborenwerden.

Zeit und Veränderung sind wie der Frieden und die Liebe, sie lassen sich nicht binden und halten und sind nur erlebbar im Heute und im Jetzt.

Wie schnell die Zeit heute dahineilt, weiß ein jeder von uns, doch wissen wir eigentlich, wie kostbar unsere Zeit ist? Wir wissen nicht, wie viel Zeit des Lebens uns geschenkt ist, darum nutze die deine Zeit sinnvoll für dich. Es ist deine Verantwortung dir selbst gegenüber. Erfülle dir in dieser Zeit, wann immer es möglich ist, deine kleinen und großen Träume und Wünsche, nicht die, die dir andere einreden. Erst wenn du dir deine Träume und Wünsche erfüllst, kannst du am Ende deiner Zeit sagen: „Ich habe gelebt.“ Du brauchst für deine Träume und Wünsche nicht viel, du brauchst dazu nur

dich, dein Ja zu dir selbst.

Wir wünschen dir von Herzen, dass du deine kostbare Zeit für dich lebst, auch wenn es mal schwer ist. Halte an deinen wahren Träumen und Wünschen fest und nicht an den Fantasien, die du dir erträumen möchtest, weil du dich einsam fühlst oder ungeliebt und unverstanden.

Unser Wunsch ist es, dass dieses Buch dich berühren möge.

Und wenn es dich zum Weinen bringt, dann ist es deine Geschichte.

Bringt es dich in die Traurigkeit, so ist es deine Geschichte.

Bringt es dich in die Wut, so ist es deine Geschichte.

Wenn es dich zum Nachdenken bringt, ist es deine Geschichte.

Bringt es dir Freude, Zuversicht und Hoffnung, ist es deine Geschichte.

Deshalb haben wir dieses Buch für dich geschrieben, dass es dich näher zu dir bringt, zu deiner eigenen Lebensgeschichte.


Ja, für dich geschrieben
Nicht für irgend- ein ich geschrieben
Sondern allein für dein ich geschrieben
Nur für d(ein)ich, geschrieben

Es ist deine Geschichte, so wie sie auch die unsere und die der vielen ist, die sich berühren lassen wollen in ihrem Herzen und ihrer Seele.

Wie zwei wunderbare Menschen zu uns einmal sagten:

„Lass sie wissen aus euren Herzen und lesen in euren Herzen, damit sie ganz und heil werden. Versöhnlich und mild mit sich umgehen und sich in Liebe wieder lernen zu achten.“

Mit viel Herz für dich und dein Gesunden.

Andreas Weis und Ursula Kleine Stevermüer

Danksagung

Wir bedanken uns bei all denen, die uns in der Begegnung mit ihnen aus ihren reichen Schätzen an Lebenserfahrung beschenkt haben. Wir danken für all die offenen, ehrlichen, tiefen Gespräche, die wir mit ihnen haben durften, und wir danken für ihr uns entgegengebrachtes Vertrauen.

Wir bedanken uns bei Britta und Alfred Schwarzburger, die uns weiterhin motiviert und angeregt haben, die aus unseren Herzen entstandenen Texte zu veröffentlichen. Sie gaben uns auf unseren Weg den weisen Satz mit:

„Schenkt den Menschen die Feuchtigkeit eurer Augen.“

Wir bedanken uns bei allen, die zur Gestaltung des Buches beigetragen haben.

Wir danken der Welt um uns herum für die vielen Eindrücke, die sie uns hinterlassen hat, ihr geschäftiges Treiben, die Stille und Ruhe. Für die sonnigen Tage, die trüben und kalten Tage des Lebens. Wir danken für die Tränen, für das Lachen, für das kindliche Fragen. Für das Licht und die Dunkelheit und die vielen Wege, die uns gezeigt wurden.

Einleitung

Wie wir durch das Leben gehen, ist eigens unsere Entscheidung. Jeder trifft die Entscheidung für sich selbst. Niemand kann dir deine Entscheidung abnehmen, du trifft sie immer einsam und allein. Doch du wirst spüren, dass du nicht allein bist. Es gibt viele Menschen, die Entscheidungen treffen und die Verantwortung dafür übernehmen. Im Innern haben sie sich mit ihrem Selbst beraten, haben auf ihre innere Stimme gehört und haben vertraut. Haben die Entscheidung getroffen und die Entwicklung beobachtet. Haben nicht eingegriffen, nur gelassen und in Ruhe abgewartet. Manchmal schien es, als wäre es falsch gewesen, doch zuletzt hat es sich so entwickelt, wie es sein sollte, und nicht so, wie wir es uns gedacht hatten, denn dann wäre es keine Entscheidung gewesen, sondern Manipulation.

Wir Menschen suchen nach Sicherheit, doch diese gibt es nicht, sonst würden wir im Leben einschlafen. Wir sollen wachsam sein, vertrauen und Fragen stellen. Auch wenn nicht alles beantwortet werden kann, so können wir dem Leben dennoch vertrauen, das alles für uns bereithält. Wir können beherzt zugreifen, alles ist vorhanden. Wer sich nur einseitig vom Leben ernährt, wird an der Seele kranken. Wer sich vom ganzen Leben mit allen Facetten ernährt, dessen Seele ist und bleibt gesund. Und was ist unsere Seelennahrung? Vertrauen, Hoffnung, Glaube, Liebe, Geduld und soziale Kontakte wie Familie, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Bekannte und Arbeitskollegen. Aus allem und allen können wir uns nähren. Nur so viel, wie wir brauchen, damit genügend für alle in Gegenseitigkeit bleibt.

Das, was den Menschen krank macht, ist das Ungleichgewicht. Er tendiert meist nur zur Freude, leiden möchte er nicht. Gier, Geiz, Neid, Habsucht, Unfrieden, Lieblosigkeit sowie die Geringschätzung und Missachtung der Persönlichkeit des Einzelnen oder seiner Selbst stehen heute im Vordergrund und machen all das noch schlimmer. Rücken wir diese Kräfte dahin, wo sie hingehören, und stellen uns an den Platz, an den wir gehören und an dem wir unsere uns aufgetragene Lebensarbeit tun sollen, dem Leben zu dienen, im Einklang mit dem Universum, zur Entwicklung unserer Seele, dem ganzen, wahren Menschen.

Der Geist soll der Seele dienen, nicht die Seele dem Geist. Der Körper soll beiden dienen zum Zweck des Daseins, Seele und Geist sollen ihn erhalten, bis seine Aufgabe erfüllt ist. Uns obliegt die Verantwortung, die Entscheidung zum Leben zu treffen. Ohne Verantwortung kannst du nicht leben, nur durch die eigene verantwortliche Entscheidung zu dir selbst.

In unseren Kursen, die wir mit Erziehern in Kindergärten, mit Schwestern und Pflegern in Altenheimen und Altenpflegeschulen und mit denen absolvieren, die wir zu Ersthelfern in Betrieben ausbilden, versuchen wir zuerst die Angst vor dem Tod zu klären. Viele sind unsicher, weil sie nicht wissen, was danach kommt. Die Religionen können keine Antwort geben, verweisen auf ihre Dogmen. Niemand weiß, was wird. Doch alle tragen wir eine Sehnsucht im Herzen nach etwas, das größer als der Mensch ist. Wo wir an Hoffnung festhalten, bleibt die Gewissheit doch im Dunkeln der Ungewissheit.

Das Wort Tod beinhaltet doch für alle Menschen das Gleiche.


Tod = Verlust, Schmerz und Leid
Trauer, Wut und Endgültigkeit.

Wir sind unsicher! Was wird werden? Wie geht es weiter? Fragen über Fragen stellen wir uns in unserer Unsicherheit.

Nehmen wir an, es gäbe wirklich nichts mehr danach. Es würde keinen Sinn machen! Man soll nur einmal eine kurze Zeitspanne hier auf der Erde leben und dann wäre nichts mehr?! Dann würde doch jeder lange leben wollen, doch niemand wüsste, wie lange er leben wird. Würde dann die Qualität des Lebens, die wir uns in unserer heutigen Zeit leisten, das Leben verlängern? Wir wollen alle leben, doch wir wissen nicht wie und was Leben überhaupt ist. Nur die Hoffnung auf etwas lässt uns leben.

Ein kleines Beispiel: Denken wir einmal an unsere große Liebe in der Jugendzeit. Wir waren glücklich, verliebt, die Welt um uns blühte und alles war so leicht und beschwingt. Wir hofften, dass es nie aufhören würde. Und dann kam das Aus unserer ersten Liebe. Wir haben unsere große Liebe verloren. Wir waren voller Schmerz und haben schwer gelitten. Wir waren voller Trauer, waren wütend und es war endgültig aus und vorbei. Die Liebe war gestorben und doch hat sich Neues entwickelt, wir haben begonnen neu zu leben, zu lieben. Sollte uns das nicht genügend Hoffnung und Wissen sein, dass es weitergeht? Klar würden wir gerne sehen, wie das neue Leben sein wird, doch lassen wir uns überraschen. So, wie wir es in unserer jetzigen Zeit tun sollten. Das Leben bringt alles mit sich. Es ist überraschend vielfältig, schnell, farbenfroh. Bringt Glück, Leid, Kummer, Freude. Lässt uns durchatmen oder den Atem stocken. Schenkt uns Begegnungen und Abschiede.

Doch die Unsicherheit wird nie vergehen, sie bleibt. Und gerade diese Unsicherheit brauchen wir, um zu leben. Es gibt keine Sicherheit, es gibt nur den, der das Leben so annimmt, wie es kommt. Und wer auf das Leben hofft und vertraut, der wird leben, hier und jetzt und danach.

Tanze, tanze auf deine Weise,

tanze, tanze im Kreise, beschwingt um das Eigene,

tanze, tanze wie der Mond um die Erde sich dreht.

Tanze, tanze im Reigen der Jahreszeiten,

tanze, tanze wie der Schatten sich im Licht regt.

Jauchze und lache, drehe dich und schwinge,

so leicht, wie der Wind das Gras und die Blumen bewegt.

Wirbel wie der Wind, der die Bäume durchweht,

wirble, wie der Sturm über die Erde fegt.

Strahl wie die Sonne, um die sich die Planeten drehen.

Stetig im Kreise, tanze, tanze auf deine eigene Weise.

Schwindlig vor Wonne des Glücks, dein Herz schlägt.

Lachend sich die Seele nach Freiheit und Liebe sehnt.

Tanze, tanze auf deine eigene Weise,

lausche der Stimme, die ganz leise spricht:

„Tanze, tanze, es ist deine Weise

auf deiner Lebensreise hin zum Glück.“

Abendstimmung

Farbenprächtig der Sonnenuntergang

eines sich langsam zu Ende neigenden Tages.

Wie Sternenstaub

glitzert der weiße Sand am Strand.

Staunend stehe ich da

und sehe die Vielfalt der Farben

der langsam ins Meer versinkenden Sonne.

Und das Meer

wechselt sein Kleid

von einem leuchtenden Türkis

in ein tiefes, dunkles, geheimnisvolles Blau.

Die vom Abendrot angehauchten Wellen

brechen sich schäumend

an den Klippen und umspülen weich den Strand.

Ruhig schlummernd

liegen im fernen Hafen

die weißen Motor- und Segelboote.

Abendstimmung,

der warme Abendwind

umfährt sanft meinen Körper

und lässt es in mir wohlig schauern.

Nach Salz und Tang riecht die Abendluft.

Langsam neigt sich der Tag

in die sternenklare Nacht.

Der Mond steht am Himmel,

weiß, strahlend,

und die Sterne funkeln mir zu

wie zum letzten Gruß.

Der Abschied: „Es ist meine Zeit.“

Schweigend und in Gedanken vertieft standen wir in der Nacht um zwei Uhr am Fenster und schauten zum nächtlichen Sternenhimmel hinauf. Sie konnte nicht schlafen, zu viel ging ihr durch den Kopf. Sie hatte mich um ein Gespräch gebeten, ungewöhnlich um diese Zeit, doch sie war eben auch ein ungewöhnliches Mädchen. Mit ihren dreizehn Jahren stand sie vor der Frage: Was soll ich tun, was ist richtig? Sie hatte eine Entscheidung für sich getroffen, doch würden ihre Eltern damit einverstanden sein? Würden sie diese Entscheidung annehmen und sie dabei unterstützen? Ja, sie brauchte die Unterstützung ihrer Eltern, die diese Entscheidung mit ihr tragen sollten.

Plötzlich, aus der Stille des Schweigens, sprach sie: „Ist der Himmel da oben weit? Und wie weit mag er wohl sein?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete ich. „Ich glaube schon, dass der Himmel eine unendliche Weite haben wird.“

„Ist Gott weit weg?“, sprach sie leise.

„Gott ist für jeden einzelnen Menschen anders“, sprach ich zu ihr und schaute in die unendliche Weite des Himmels. Ich stellte mir selbst die Frage: Wo bist du, Gott, in diesem Augenblick? Wo bist du im Leben eines Menschen? Ich spürte, wie mich eine kleine Kraft berührte. Ich antwortete ihr: „Gott ist anders, für den einen ist er fern, für den anderen ganz nah. Wir fühlen unterschiedlich Nähe und Ferne, je nachdem, wie wir unsere Einstellung zu ihm haben. Wir beten zu ihm, wenn es uns schlecht geht, dann ist er ganz nah. Geht es uns gut, so beten wir nicht und er entfernt sich, doch gleichzeitig haben wir eine Sehnsucht im Herzen und so nähert er sich uns wieder zu. Gott drängt sich nicht auf, Gott ist da, wenn wir ihn bitten.“

„Wenn ich ihn bitten würde, mir zu helfen und meinen Eltern meine Entscheidung mitzuteilen, glaubst du, er würde ihnen die Kraft geben, zu dieser Entscheidung zu stehen?“

„Ich weiß nicht, wie Gott das macht, doch ich glaube, er wird es möglich machen für dich und deine Eltern.“

Plötzlich fragte sie mich: „Glaubst du, dass wir nach dem Tod weiterleben?“

„Ja, das glaube ich“, antwortete ich. „Was hätte alles Leben sonst für einen Sinn? Warum bräuchten wir hier auf Erden Erinnerungen, wenn alles zu Ende wäre? Es würde keinen Sinn machen, dann an Gott zu glauben, eine Hoffnung zu haben. Jeder Mensch würde doch darum kämpfen, am Leben zu bleiben, und das so lange, wie es möglich wäre. Es gäbe keine Liebe unter den Menschen, nur Kampf und Streit um Macht, um sich Leben zu kaufen auf jede erdenkliche Weise.“

„Aber was kommt dann wieder zurück? Würde ich ich sein, so wie jetzt? Das möchte ich nicht, dann hätte sich ja nichts geändert.“

„Es kommt das wieder, was uns ausmacht, unsere Seele. Vielleicht in einem anderen Körper. Doch unsere Seele bleibt, was sie ist, Gottes Schöpfung.“

„Und warum sind wir hier?“

„Ich glaube, um irgendetwas zu lernen, das uns hilft, unsere Sehnsucht endgültig zu stillen, die alle Menschen im Herzen tragen.“

„Lässt du mich jetzt allein? Ich muss nachdenken. Gute Nacht und danke. Kannst du morgen dabei sein, wenn ich mit meinen Eltern spreche?“, sagte sie.

„Ja, gewiss, ich werde da sein. Wie jeden Nachmittag um die gleiche Zeit?“

„Ja, das wäre gut. Pass auf dich auf“, sagte sie leise und drehte sich wieder zum Fenster, um in den Himmel zu schauen, gedankenvertieft in einen inneren Kampf, einsam und allein. Ich konnte ihr nicht helfen, sie musste und würde die Entscheidung für sich allein treffen, wie jeder Mensch sie treffen muss, einsam und allein.

Das Gespräch am Nachmittag lief stockend. Sie fand nicht die richtigen Worte für den Einstieg zum Gespräch, wie sie ihren Eltern ihre Entscheidung mitteilen sollte.

„Ich möchte die nächste Chemo nicht machen lassen“, sagte sie wie aus heiterem Himmel. Jetzt war es raus. Erwartungsvoll schaute sie ihre Eltern an.

„Aber Kind, es ist doch nur zu deinem Besten, damit du wieder gesund wirst.“

„Was ist denn mein Bestes und wer kann wissen, was mein Bestes ist, als ich allein?“, antwortete sie ihrer Mutter. Tränen standen dem Mädchen in den Augen.

„Kind, glaub mir, die Ärzte tun das, was für dich gut ist, um dir zu helfen, sie wollen, dass du wieder gesund wirst, und wir auch – du doch auch“, sprach der Vater zu ihr.

„Aber ich kann und will nicht mehr, könnt ihr das nicht verstehen?“

„Kleines, wenn du die nächste Chemo nicht anwenden lässt, ist doch alles vergebens gewesen“, flehte die Mutter ihre Tochter an.

„Ich möchte nicht mehr, Mama, ich kann und will nicht mehr“, gab sie traurig und enttäuscht zurück. Konnte sie denn niemand verstehen, niemand sich in sie hineinfühlen?

„Weiß du, was du uns damit antust? Wie kannst du nur so denken, wir lieben dich doch und tun alles, was nötig ist, um dir zu helfen. Kleines, bitte tu uns das nicht an“, sprach die Mutter weinend.

Verzweifelt und traurig stand die Tochter auf und lief aus dem Aufenthaltsraum zu ihrem Zimmer über den Flur des Krankenhauses.

Zu mir gewandt sagte der Vater: „Tun Sie doch etwas, sie ist doch noch ein Kind und kann keine sinnvollen Entscheidungen treffen.“

Ich musste an mich halten, in mir stiegen Emotionen einer ohnmächtigen Wut hoch. Hört denn niemand, was das Kind sagen möchte? Ist niemand in der Lage, ihr ernsthaft zuzuhören? Ich sagte: „Ich gehe zu ihr und rede mit Ihrer Tochter. Warten Sie hier, bis ich Sie hole oder mit ihr zu Ihnen komme.“

Ich sprach mit ihr fast eine Stunde, hörte ihr zu und verstand, was sie wollte, dann sagte ich zu ihr: „Sag es so deinen Eltern, so wie du es mir gerade gesagt hast. Ich bete, dass du ihre Herzen berührst und sie dich verstehen können.“

Sie wischte ihre Tränen ab und gemeinsam gingen wir Hand in Hand zurück in den Aufenthaltsraum, wo ihre Eltern warteten. Beide hatten geweint und wischten sich, als wir eintraten, verstohlen die Tränen weg, so als wäre nichts gewesen. Sie wollten ihrer Tochter zeigen, dass sie stark seien.

Sie sprach leise, doch bestimmt. Ihre Stimme klang kraftvoll, weise, voller Liebe und Wärme: „Ich hatte alles, was ich mir wünschen konnte, und ihr habt mir diese Wünsche möglich gemacht. Ich bin euch dankbar dafür. Ihr wart stets an meiner Seite, ich konnte mich auf eure Liebe verlassen, die mir durch euch immer ungeteilt zuströmte. Ihr habt mich in den schweren Stunden getragen, habt alles gegeben, was ihr konntet, alle Fürsorge und Hilfe. Doch nun bitte ich euch nur noch um diesen, meinen noch einzigen Wunsch: Lasst mich gehen, mehr wünsche ich mir nicht. Mein Leben habe ich gehabt und ihr seid ein Teil davon. Es ist meine Zeit, mein einziger Wunsch, lasst mich los, ich liebe euch.“

Beide Eltern saßen auf dem kleinen weißen Sofa mit den geschwungenen Lehnen, die wie Flügel aussahen, und weinten. Ihre Herzen wollten durch den inneren Kampf, den jeder für sich innerlich austrug, zerreißen. Ich konnte es ihnen ansehen, das Ringen in ihrer Seele, den Schmerz, den sie in diesem Augenblick durchmachten.

Plötzlich nahm der Vater die Hände der Mutter in die seine, beide schauten sich tief in die Augen. Beide sahen darin den Kampf und den Schmerz, der sich in ihnen widerspiegelte. Sie nicken sich gegenseitig zu, wissend, dass für beide der Abschied von ihrer Tochter gekommen war, der so voller Schmerz für sie war. Vor ihren Augen liefen die dreizehn gemeinsamen Jahre ab.

Sie wendeten sich zu ihrer Tochter hin und der Vater sagte: „Wir werden dir diesen letzten Wunsch erfüllen. Wir wissen jetzt, dass deine Seele bereit und gereift ist. Es schmerzt sehr, doch es ist unser Schmerz, den wir nun tragen wollen, damit du deinen Frieden findest.“

Sie umarmten sich alle drei lange, Träne für Träne floss und gleichzeitig auch die Kraft, mit ihre Tochter durch die letzte Zeit zu gehen. Ich sah, wie sich ihre Körper langsam aufrichteten, und zum Schluss lachten sie alle drei mit Tränen in den Augen. Zärtliche, liebevolle Blicke tauschten sie miteinander aus.

„Ja, gemeinsam“, sagte die Mutter. „Gemeinsam durch deine Zeit.“

Die Prognose von nur noch drei Monaten verlängerte sich auf ein Dreivierteljahr. Ihre gemeinsame Zeit. Sie lachten viel, weinten gemeinsam und genossen jede freie Zeit miteinander.

An dem Tag ihres Todes lagen in allen Gesichtern tiefer Friede und Dankbarkeit für die geschenkte Zeit. Der Abschiedsschmerz war wie bei jedem Menschen da, doch die Zeit nimmt sich Zeit, die Wunden zu heilen. Zurück bleiben die Erinnerungen an eine gereifte Seele, die ihre Entscheidung getroffen und getragen hat.

Auf der Dankeskarte, die ich bekam, war zu lesen: „Sie ist uns geschenkt worden, war uns ein besonders wertvolles Geschenk. Sie war nicht unser Eigentum, darum gaben wir sie zurück, als es Zeit war, sie an den Eigentümer zurückzugeben. Dankbar, dass er sie uns eine Zeit überlassen und uns beim Abschied begleitet hat. Danke, lieber Gott, für das wundervollste Geschenk, das du uns bereitet hast. Das Geschenk der Freude und des Leidens, hin zur Hoffnung und des Friedens.“

399
477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
111 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783960087830
Издатель:
Правообладатель:
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