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Als weitere Methoden, experimentell Neurosen hervorzurufen, nennt er die Kastration und die Kollision der hemmenden und erregenden Prozesse (Pawlow, 1932). Bei der Kollisionsmethode wird die Differenzierungsfähigkeit der Hunde überfordert. Wenn die Hunde gelernt hatten, dass sie nach der Darbietung eines Kreises Futter bekamen (erregender Prozess) und bei der Darbietung einer Ellipse einen Stromstoß (hemmender Prozess), wurde jetzt die Form des Kreises schrittweise immer mehr der Ellipse angeglichen, bis diese kaum mehr zu unterscheiden waren. Neurotisches Verhalten (Winseln, die Hunde bissen in die Messapparatur) war die Folge, die Hunde konnten am Tag danach nicht einmal mehr zwischen der ursprünglichen Form des Kreises und der Ellipse unterscheiden.

Pawlow selbst versuchte, die Konditionierungsprozesse physiologisch durch Hemmungs- und Erregungsprozesse zu erklären, wobei diese Erklärungen weitgehend spe-

kulativ blieben. So „können auch die Reflexe von zweierlei Art sein: positive und negative oder hemmende, oder mit anderen Worten: sie können eine bestimmte Tätigkeit in Gang bringen oder eine schon bestehende Tätigkeit hemmen“ (SW IV, S. 7).

Bei den Hunden selbst unterschied er auch Typen von Hunden, bei denen sich die positiven Reflexe leicht ausbilden (bei denen also die erregenden Prozesse stärker sind), und Hunde, bei denen die hemmenden Reflexe leicht gelernt werden können, während die positiven nur langsam gelernt werden und auch leicht (durch unbedeutende Störreize) gehemmt werden können. Besonders scheue Hunde (die vorsichtig laufen, mit eingezogenem Schwanz und abgewinkelten Beinen) erwiesen sich als besonders lernfähig, wobei es zunächst einige Zeit dauerte, bis die konditionierte Reaktion ausgebildet war:

Ganz zu Beginn ist bei ihm die Bildung der bedingten Reflexe außerordentlich erschwert: Das Anschnallen im Gestell, das Anbringen verschiedener kleiner Geräte am Tier, […]. Wenn aber das alles schließlich überwunden ist, wird der Hund zu einem musterhaften Experimentalobjekt, fast zu einer guten Maschine. (Pawlow, SW III/2, S. 335)

Zwischen den beiden Extremtypen (denen er beim Menschen den Choleriker und den Melancholiker gegenüberstellte) verortete er den zentralen Typ, bei dem beide Prozesse in ausgeglichenem Verhältnis stattfinden (beim Menschen ordnete er den Sanguiniker dem lebhaften ausgeglichenen Typus zu und den Phlegmatiker dem ruhigen). Später versuchte er auch Persönlichkeitsunterschiede (Neurasthenie und Hysterie) durch ein Überwiegen der hemmenden oder erregenden Prozesse zu erklären, bis hin zu einer spekulativen Erklärung der Schizophrenie, die er als höchsten Grad der Hysterie betrachtete (SW III/2, S. 353).

Die bedingten Reflexe bilden für Pawlow die Grundlage der gesamten höheren Nerventätigkeit bei Mensch und Tier, während die unbedingten Reflexe der niederen Nerventätigkeit zugrunde lägen. Zu diesem Schluss kommt er, nachdem er die Großhirnrinde von Hunden entfernt hatte. Diese Hunde bleiben lebensfähig, gehen aber, auf sich allein gestellt, schnell zugrunde. Wenn diese Hunde einige Stunden nach der Fütterung aus zeitweiligem Schlaf erwachen, laufen sie ziellos herum, bis sie gefüttert werden. Von alleine finden sie kein Futter mehr. Dann versinken sie wieder in Schlaf. Während sie herumlaufen, fließt der Speichel. Pawlow schließt daraus, dass diese Tiere keine Signale der Umwelt mehr wahrnehmen können und daher zwar noch ihre unbedingten Reflexe zeigen, wenn man sie füttert, aber sie bilden keine bedingten Reflexe mehr aus, können also nicht mehr adäquat auf Umweltreize reagieren und z. B. das Futter nach seinem Aussehen oder Geruch finden.

Pawlow bleibt auch bei der Untersuchung psychischer Erscheinungen immer Physiologe, ein Naturwissenschaftler, der die fraglichen Phänomene immer nur von außen betrachtet:

Ich habe mit Absicht dem Wort „Seelentätigkeit“ das Beiwort die sogenannte zugefügt. Wenn der Naturwissenschaftler sich die vollständige Analyse der Tätigkeit der höheren Tiere zur Aufgabe stellt, so kann er nicht, ohne die Grundsätze der Naturwissenschaft zu ändern, von einer psychischen Tätigkeit dieser Tiere sprechen. Er hat nicht das Recht dazu, Naturwissenschaft – das ist die Arbeit des menschlichen Verstandes, der der Natur zugewandt ist und der sie ohne irgendwelche Deutungen und Begriffe erforscht, die aus anderen Ursprungsquellen entlehnt sind als der äußeren Natur selbst. Spräche der Naturforscher von einer psychischen Tätigkeit der höheren Tiere, so würde er aus seiner Innenwelt entlehnte Ideen auf die Natur übertragen, d. h., er würde jetzt das wiederholen, was der Mensch beim ersten Zusammentreffen seiner Gedanken mit der Natur schon einmal tat, als er verschiedenen toten Erscheinungen der Natur seine Gedanken, Wünsche und Gefühle unterschob. Für den konsequenten Naturwissenschaftler existiert auch bei den höheren Tieren nur eines: diese oder jene äußere Reaktion des Tieres auf die Erscheinungen der Umwelt. Mag diese Reaktion im Vergleich mit der eines niederen Tieres auch sehr kompliziert sein und unendlich kompliziert im Vergleich mit der eines beliebigen toten Gegenstandes, so bleibt doch das Wesen der Sache dasselbe. (Pawlow, SW III/1, S. 42)

Neben der Konditionierung des Speichelflusses wie bei Pawlow wurde zu weiteren Paradigmen der klassischen Konditionierung geforscht (s. Tabelle 1). Das Paradigma der aversiven Konditionierung konnte auch bei einfacheren Lebewesen nachgewiesen werden. So versuchen Fruchtfliegen (Drosophila) zu fliehen, wenn Elektroschocks mit bestimmten Gerüchen gekoppelt werden (Quinn & Dudai, 1976, s. Abbildung 5). Das zeigt, dass der Mechanismus des Lernens durch klassische Konditionierung ein phylogenetisch sehr alter Mechanismus ist.


Abbildung 5: Der Versuch von Quinn und Dudai (1976; modifiziert nach Gluck, Mercado & Meyers, 2010).

Auch an der Meeresschnecke Aplysia wurden Konditionierungsversuche erfolgreich durchgeführt (Kandel, 1979). Häufig wurde auch die Reaktion des Einfrierens („freezing“, eine Art Schockstarre) als Reaktion auf Geräusche nach Koppelung mit Elektroschocks untersucht und die Konditionierung des Lidschlussreflexes (Blinzeln) durch Töne. Der Lidschlussreflex lässt sich auch beim Menschen gut untersuchen.

Tabelle 1: Paradigmen der Konditionierung.


Konditionierung des Speichelflusses
unkonditionierter Stimulus, USunkonditionierte Reaktion, URkonditionierter Stimulus, CSkonditionierte Reaktion, CR
Pawlows HundFutterSpeichelflussGlockeSpeichelfluss
aversive Konditionierung
FliegenschockSchockFluchtversuchGeruchFluchtversuch
konditionierte emotionale ReaktionSchockEinfrierenTonEinfrieren
AugenblinzelnLuftstoßBlinzelnTonBlinzeln

In einem Experiment von Siegel, Hearst, George und O’Neal (1968) erhielten Kaninchen kleine Elektroschocks (US) nahe dem Auge nach Vorgabe von Tönen unterschiedlicher Frequenz (CS). Die (un-)konditionierte Reaktion war der Lidschlussreflex. Das Experiment belegt, dass die konditionierte Reaktion schwächer wird, umso unähnlicher der vorgegebene Reiz dem konditionierten Reiz ist (s. Abbildung 6, S. 22). Man spricht hier von einem Generalisierungsgradienten.

Die Steilheit des Generalisierungsgradienten lässt sich experimentell beeinflussen. Betrachten wir dazu Abbildung 7. Wird zunächst auf den mittelgrünen Stimulus konditioniert, so reagieren die Versuchspersonen (Vpn) fast genauso stark auf Reize ähnlicher Farbe. Der Generalisierungsgradient bei A ist flach. Unterscheiden sich die vorgegebenen Reize stärker in der Farbe, ist der Generalisierungsgradient steiler (B). Wird ein Diskriminationstraining durchgeführt, bei dem der unkonditionierte Reiz immer nur auf den mittelgrünen Stimulus folgt, resultiert der Gradient in C.


Abbildung 6: Generalisierung der konditionierten Reaktion in Lidschluss-Experimenten mit Kaninchen (modifiziert nach Siegel et al., 1968).


Abbildung 7: Verschiedene Generalisierungsgradienten beim klassischen Konditionieren (aus Zimbardo & Gerrig, 2004).

In vielen Studien wurde analysiert, wie das optimale Intervall zwischen konditioniertem und unkonditioniertem Reiz sein sollte. So untersuchte McAllister (1953) die Konditionierung des Lidschlussreflexes. Es stellte sich heraus, dass ein zu kurzes Intervall zwischen konditioniertem und unkonditioniertem Reiz genauso ineffizient war wie ein zu langes Intervall. Am besten gelang die Konditionierung bei einem Intervall von 250 Millisekunden (s. Abbildung 8).

Generell variiert das optimale Intervall je nach Reizen, Reaktion und Lebewesen. Während bei vielen Reaktionen ein Intervall von 0,5 Sekunden am effektivsten ist, erweist sich bei der Speichelsekretion ein Zeitintervall von bis zu 10 Sekunden als optimal, bei Furchtreaktionen liegt das „optimale“ Intervall bei bis zu 60 Sekunden (Becker-Carus & Wendt, 2017). Dabei spielt eine Rolle, ob das schnellere zentrale Nervensystem oder das langsamere vegetative System beteiligt ist.


Abbildung 8: Die Ausprägung des Lidschlussreflexes in Abhängigkeit vom Intervall zwischen CS und UCS (modifiziert nach McAllister, 1953).

In der Studie von Garcia, Ervin und Koelling (1966) wurde Ratten nach dem Trinken einer mit Saccharin gesüßten Flüssigkeit eine Injektion gegeben, die Übelkeit auslöste. Die Ratten lernten, die Flüssigkeit zu vermeiden. Die Konditionierung war selbst dann wirksam, wenn zwischen CS und UCS ein Intervall von 75 Minuten lag. In der Untersuchung von Smith und Roll (1967) lag das Intervall zwischen CS und UCS bei zwölf Stunden, dennoch konnte eine Aversion gegen Saccharin beobachtet werden.

Die Untersuchung von Garcia und Koelling (1966) belegt, dass es eine angeborene Tendenz gibt, bestimmte Reiz-Reaktions-Verbindungen leichter zu erlernen als andere. Die Ratten vermieden die Zuckerwasserlösung, wenn sie Übelkeit vorhersagte (gleichgültig ob durch Röntgenstrahlung oder eine Lithiumchloridlösung verursacht), tranken aber sogar mehr Wasser, wenn im Anschluss Elektroschocks verabreicht wurden. Umgekehrt vermieden die Ratten „helles, lärmendes“ Wasser (wenn die Ratte trank, leuchtete eine Lampe auf und ein Klicken war zu hören), das Elektroschocks vorhersagte, nicht aber, wenn danach Übelkeit eintrat (s. Abbildung 9). Offenbar ist der Geschmack eher ein biologischer Hinweisreiz für Übelkeit (der Geschmack ist ein natürlicher Stimulus im Zuge der Nahrungsaufnahme) und Helligkeit bzw. Geräusche signalisieren eher einen drohenden Schock (bzw. fordern zum Fluchtverhalten auf).


Abbildung 9: Die Resultate der Studie von Garcia und Koelling (1966; modifiziert nach Gerrig, 2015).

Während Pawlow die zeitliche Kontiguität (das zeitliche Zusammentreffen) von konditioniertem und unkonditioniertem Reiz betonte und davon ausging, dass der konditionierte Reiz den unkonditionierten Reiz ersetzt,2 zielen neuere Modelle (kognitive Sicht auf das Phänomen) eher darauf ab, dass der Organismus versucht, die Beziehung zwischen konditionierten und unkonditionierten Reizen vorherzusagen. Nach dem Modell von Rescorla und Wagner (1972) geht es um die Bildung von Assoziationen zwischen konditionierten und unkonditionierten Reizen. Je überraschender der unkonditionierte Reiz, je schlechter er also durch den konditionierten Reiz vorhergesagt werden kann, desto größer ist der Lernfortschritt. Im Laufe der Konditionierung lernt der Organismus, dass bestimmte konditionierte Reize den unkonditionierten Reiz besser vorhersagen können. Der „Erkenntnisgewinn“ durch jeden weiteren Durchgang wird immer geringer und dadurch auch der Lernfortschritt. Jeder konditionierte Stimulus steht auch gewissermaßen in Konkurrenz zu anderen anwesenden Reizen. Hat der Organismus bereits gelernt, dass ein bestimmter konditionierter Reiz (z. B. Licht) den unkonditionierten Reiz sehr gut vorhersagen kann, dann erfolgt keine Konditionierung auf andere Reize mehr, die den unkonditionierten Reiz vielleicht fast ebenso gut vorhersagen können, weil kein Bedarf für eine bessere Vorhersage mehr besteht.

1.1.2 Praktische Anwendung der Konditionierung

Viele aus dem Alltag bekannte Phänomene können durch klassische Konditionierung erklärt werden, z. B. das Sauce-Béarnaise-Phänomen, benannt nach der Aversion des Psychologen Martin Seligman (1970), der sich vor dieser Speise ekelte, da er nach einem Genuss von ihr erkrankt war. Viele kennen dieses Phänomen aus eigener Erfahrung: Man isst ein Gericht und danach wird einem übel, man bekommt eine Darmgrippe o. Ä. Mit einem Male ist das betreffende Gericht zum konditionierten Reiz für die Übelkeit geworden und man entwickelt einen dauerhaften Ekel davor, obwohl das Gericht überhaupt nicht die Ursache der Erkrankung gewesen sein muss. Ein solcher Effekt tritt vor allem bei außergewöhnlichen Speisen ein, die man nicht regelmäßig zu sich nimmt (alltägliche Speisen kommen für eine klassische Konditionierung kaum in Frage, s. Degen, 2005).

Auch der Placebo- und der Nocebo-Effekt, also die scheinbare positive oder negative Wirkung von Medikamenten, können durch klassische Konditionierung erklärt werden. Zum Beispiel kommt es bei einer Überdosierung von Insulin bei Zuckerkranken zu einem Insulinschock, der zur Bewusstlosigkeit führen kann. In Versuchen mit Ratten konnte gezeigt werden, dass Ratten nach mehrmaliger Injektion von Insulin bereits beim Anblick der Injektionsnadel in diese schockartige Bewusstlosigkeit fielen (Becker-Carus & Wendt, 2017).

Immunreaktionen lassen sich ebenfalls konditionieren (Schedlowski & Tewes, 1996). In einem Versuch erhielten Ratten zunächst eine süße Saccharinlösung, kurz darauf das Medikament Cyclophosphamid, das bei den Ratten zu Übelkeit und Erbrechen führte. Für die Ratten war die Saccharinlösung ein aversiver konditionierter Reiz, den sie zu vermeiden lernten (manche lernten das schon nach einer einzigen Medikamentengabe). Wenn jetzt versucht wurde, die Konditionierung wieder zu löschen, indem größere Mengen von Saccharin ohne Medikament dargeboten wurden, starben manche Ratten (ohne Medikamenteneinwirkung!). Es stellte sich heraus, dass Cyclophosphamid auch auf das Immunsystem wirkt. Es wirkt immunsuppressiv, sodass die Antikörperbildung gegen Krankheiten unterdrückt wird und die Tiere eher krank werden und in Folge sterben. Offensichtlich wurde das Saccharin für die Ratten auch zum konditionierten Reiz für die Immunsuppression (Ader & Cohen, 1975), sodass die Gabe der Saccharinlösung alleine genügte, um die Immunabwehr der Ratten zu schwächen.

Asthma-Patienten können schon beim Anblick von auslösenden Reizen (wie Katzen oder Pollen) einen Anfall bekommen (Becker-Carus & Wendt, 2017).

Auch Ängste können durch klassische Konditionierung entstehen. Wenn der Lehrer den Schüler für eine schlechte Leistung tadelt, kann er als Person zum negativ konditionierten Stimulus werden und alleine der Anblick des Lehrers kann unangenehme Gefühle oder Ängste auslösen.

Besonders problematisch bei Ängsten ist, dass die auslösenden Reize gerne vermieden werden (man bricht die Schule ab oder meidet den Zahnarzt), weil die Vermeidung angstauslösender Reize angstreduzierend wirkt. Wenn angstauslösende Reize aber immer vermieden werden, können die Ängste auch nicht mehr gelöscht werden. Es ist dann überhaupt nicht mehr möglich, die Erfahrung zu machen, dass ein bestimmter Stimulus nicht mehr mit negativen Konsequenzen verbunden ist. Wenn man z. B. erst dann zum Zahnarzt geht, wenn tatsächlich gebohrt werden muss, ist das nicht unbedingt die beste Strategie, um die Angst vor dem Zahnarzt zu reduzieren.

Bereits Razran (1940) konnte zeigen, dass Einstellungen zu politischen Aussagen durch klassische Konditionierung geändert werden können. Seine Vpn bewerteten zunächst Slogans wie „Amerika den Amerikanern“ oder „Arbeiter der ganzen Welt, vereinigt euch“. Danach wurde die Hälfte der Slogans zusammen mit anderen Aussagen wiederholt dargeboten, während die Vpn köstliche Speisen verzehrten. Die andere Hälfte der Aussagen hörten die Vpn, während sie unangenehmen Gerüchen ausgesetzt waren. Wie erwartet war die Zustimmung zu den Slogans, die während des Essens bewertet wurden, deutlich höher als die Zustimmung zu den Slogans, die mit unangenehmen Gerüchen gekoppelt waren.

Staats und Staats (1958) gaben so auf Länder bezogene Adjektive wie „deutsch“ oder „griechisch“ mit positiv (wie „schön“ oder „froh“) oder negativ (wie „bitter“ oder

„böse“) konnotierten Wörtern zusammen vor. Die zunächst neutral konnotierten Länderadjektive wurden durch die Koppelung ebenfalls positiv oder negativ konnotiert.

Ein großer Anwendungsbereich für die Prinzipien der klassischen Konditionierung ist die Werbung. Seit je her wird mit physisch attraktiven Menschen geworben. Dabei werden auch erotische Reize gezielt eingesetzt und prominente Sympathieträger wie Sportler oder Schauspieler als Testimonials präsentiert, da man davon ausgeht, dass das Produkt von der positiven Assoziation profitiert und es zu einer positiveren Bewertung der Produkte sowie einer höheren Kaufbereitschaft kommt.

1.2 Operantes Konditionieren

1.2.1 Der Problemkäfig von Thorndike

Während Pawlow in Russland seine Konditionierungsversuche mit Hunden durchführte, experimentierte zeitgleich der Amerikaner Edward Lee Thorndike (s. Abbildung 10) v. a. mit Katzen (von diesen Versuchen erhielt Pawlow Kenntnis).

Thorndike, der stark von Charles Darwin beeinflusst war, wollte den Ursprung „des geistigen Lebens“ des Menschen im tierischen Verhalten näher untersuchen:


Abbildung 10: Edward Lee Thorndike (1874–1949).

Die Vielschichtigkeit des Lernens beim Menschen wird am Ende am besten verstanden werden, wenn wir ihr zunächst aus dem Wege gehen und statt dessen lieber das Verhalten der niederen Tiere untersuchen, während sie lernen, bestimmten Situationen auf andere, gewinnbringende Weise zu begegnen. (Thorndike, 1913, zit. nach Amsel & Rashotte, 1977, S. 85)

Für seine Tierversuche entwickelte er den Problemkäfig (die Puzzlebox, s. Abbildung 11), bei der ein hungriges Tier in einen Käfig gesetzt wird und einen Mechanismus erfolgreich bedienen muss, um an das außerhalb des Käfigs befindliche Futter zu kommen. Zum Beispiel mussten Katzen oder Hunde einen Hebel betätigen oder an einer Schlinge ziehen. Hühner wiederum mussten erfolgreich den Weg aus einem Labyrinth finden, um an Futter zu gelangen. Dieser Problemkäfig war der Prototyp für ähnliche Vorrichtungen der aus den Forschungen Thorndikes hervorgegangenen behavioristischen Forschungsrichtung. Typischerweise brauchten die Tiere längere Zeit, um den Mechanismus herauszufinden. Zunächst rannten sie ziellos herum, probierten verschiedene Verhaltensweisen („Versuch und Irrtum“), bevor sie zufällig den richtigen


Abbildung 11: Thorndikes Puzzlebox: Die Katzen mussten einen Mechanismus bedienen, der ein Gewicht entfernte und dadurch die Tür öffnete, um an ihr Futter zu gelangen (aus Zimbardo & Gerrig, 2008, S. 206).

Mechanismus entdeckten. Wurde das Tier dann ein zweites Mal in den Käfig eingesperrt, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es die richtige Verhaltensweise schneller herausfindet. Nach ein paar Durchgängen hatten die Tiere gelernt, die Tür zum Käfig zu öffnen.

Thorndike verstand Lernen ähnlich wie Pawlow als Lernen von Assoziationen, wobei bei Pawlow die Assoziation von konditioniertem und unkonditioniertem Stimulus zu lernen war und bei Thorndike eine Reiz-Reaktions-Verbindung (Stimulus-Response-Koppelung). Während die Hunde bei Pawlow nichts tun müssen, um belohnt zu werden, müssen die Tiere bei Thorndike aktiv eine bestimmte Handlung setzen. Man spricht deshalb auch von instrumentellem Lernen, weil die Aktivität des Tieres das Instrument zur Erreichung eines bestimmten Zieles ist. Basierend auf den Ergebnissen seiner Forschung formulierte Thorndike das Gesetz des relativen Effektes: Handlungen, die „angenehme“ Folgen haben, werden in Zukunft wieder durchgeführt, Handlungen, die unangenehme Folgen haben, werden unterlassen. Unter „angenehmen“ Folgen verstand Thorndike „befriedigende“ Zustände, die von den Lebewesen angestrebt werden, wie den Zustand der Sättigung.

1.2.2 Der Behaviorismus

Als Begründer des Behaviorismus gilt der Amerikaner John Broadus Watson (s. Abbildung 12), der zunächst mit Tieren neurophysiologisch arbeitete und 1908–1920 eine Professur an der Johns Hopkins Universität in Baltimore innehatte. Nach seiner wissenschaftlichen Tätigkeit (als verheirateter Mann musste er die Universität wegen einer Affäre mit seiner Assistentin Rosalie Rayner verlassen) arbeitete er als Werbepsychologe und gab Erziehungsratgeber heraus.


Abbildung 12: John B. Watson (1878–1958).

Die Ziele des Behaviorismus skizzierte er folgendermaßen:

Psychology as the behaviorist views it is a purely objective experimental branch of natural science. Its theoretical goal is the prediction and control of behavior. Introspection forms no essential part of its method, nor is the scientific value of its data dependent upon the readiness with which they lend themselves in terms of consciousness. The behaviorist, in his efforts to get a unitary scheme of animal response, recognizes no dividing line between man and brute. (Watson, 1913, S. 248)

Watson wandte sich entschieden gegen die Methode der Introspektion, die er als unfruchtbar ansah. Er bekannte offen, mit dem Begriff des Bewusstseins nichts anfangen zu können, und hatte daher wie alle Behavioristen auch keine Probleme damit, Gesetzmäßigkeiten aus dem Tierversuch auf den Menschen zu übertragen. Für das aus seiner Sicht nicht zugängliche kognitive Innenleben des Menschen interessierte er sich nicht. Im Zentrum seines Interesses standen Reiz-Reaktions-Verbindungen, d. h. die Frage, welche Reize welches Verhalten bedingen. Allein mittels der behavioristischen Methode könnte es der Psychologie gelingen, als Naturwissenschaft anerkannt zu werden. Das Endziel wäre die Elimination sämtlichen psychologischen Vokabulars und seine Ersetzung durch physikalisch-chemische Begriffe:

This suggested elimination of states of consciousness as proper objects of investigation in themselves will remove the barrier from psychology which exists between it and the other sciences. The findings of psychology become the functional correlates of structure and lend themselves to explanation in physico-chemical terms. (Watson, 1913, S. 253)

In seinem berühmten Experiment mit dem „kleinen Albert“, einem elf Monate alten Kleinkind, wendete Watson die Prinzipien der klassischen Konditionierung auf die unkonditionierte Reaktion der Furcht an (Watson & Rayner, 1920). Es gelang ihm, bei Albert die Reaktion der Furcht beim Anblick von Ratten, die anfangs keine Furchtreaktion ausgelöst hatten, zu erzeugen. Die Angst generalisierte dann schnell auf Kaninchen, Hunde und pelzähnliche Objekte wie den Bart des Nikolaus.

Das grausame Experiment veranschaulicht eindrucksvoll, welchen starken Einfluss ein inhumanes mechanistisches Menschenbild auf die Behandlung von Menschen hat. So war es bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts üblich, dass Neugeborene bei Operationen überhaupt nicht oder zu schwach narkotisiert wurden, da man davon ausging, dass diese noch keine Schmerzen empfinden können. Das behavioristische Weltbild des Menschen als „unbeschriebenes Blatt“ (tabula rasa), der alles (auch Emotionen) noch erlernen müsse und beliebig geformt werden könne, hat dazu entscheidend beigetragen (Hall & Anand, 2014).

Auch gegenwärtig wird noch zur Konditionierung von Angst geforscht, wenn auch unter humaneren Bedingungen. In einer Studie von Dunsmoor, Mitroff und LaBar (2009) konnte gezeigt werden, dass die Generalisierung der Angst nicht nur von der Ähnlichkeit mit dem angstauslösenden Stimulus abhängt. Den Vpn3 wurden Gesichter einer Person (der Gesichtsausdruck variierte in der Ängstlichkeit) am Bildschirm präsentiert, wobei auf die Vorgabe des einen Gesichts (CS+) zu 60 % ein milder Elektroschock am Handgelenk4 folgte, auf die Vorgabe des anderen Gesichts (CS–) aber nie. Nach der Konditionierung generalisierte die Angst, gemessen über den Hautwiderstand (Skin Conductance Response), auf alle Gesichter (s. Abbildung 13). Das interessante war aber, dass der Ausdruck des Gesichts die Angst mit beeinflusste. Die Angst generalisierte eher in Richtung des sehr ängstlichen Gesichts (Abbildung 13 linker Teil, das Gesicht ganz rechts) und weniger in Richtung des neutralen Gesichts (Abbildung 13 rechter Teil, das Gesicht ganz links). Die Reaktion auf das neutrale Gesicht ist nach der Konditionierung noch immer schwächer als die Reaktion auf den hemmenden Reiz (sehr ängstliches Gesicht, auf das nie ein Stromschlag gefolgt war, Abbildung 13 ganz rechts). Offenbar bewirkt die Assoziation der Angst ausdrückenden Bilder, dass man bei der Konfrontation mit solchen Bildern leichter lernt, selbst Angst zu haben.


Abbildung 13: Ergebnisse der Studie von Dunsmoor et al. (2009).

Eine ähnliche Asymmetrie des Generalisierungsgradienten besteht, wenn die Lautstärke von Tönen mit Angst gekoppelt wird (die Generalisierung verläuft eher in Richtung lauter Töne), während Generalisierungsgradienten für Tonhöhen weitgehend symmetrisch verlaufen (s. das oben erwähnte Experiment von Siegel et al., 1968).

1.2.3 Die Arbeiten von Skinner zum Operanten Konditionieren

Die von Thorndike und Watson begründete behavioristische Tradition wurde von Burrhus Frederic Skinner (1904–1990) weiter entfaltet und zu ihrem Höhepunkt gebracht (s. Abbildung 14). Skinner, der als einer der bekanntesten und einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts gilt,5 war ab 1948 als Professor in Harvard tätig.


Abbildung 14: Burrhus Frederic Skinner (1904–1990) (aus Zimbardo & Gerrig, 2004).

Skinner war radikaler Behaviorist: „All we need to know in order to describe and explain behavior is this: actions followed by good outcomes are likely to recur, and actions followed by bad outcomes are less likely to recur“ (Skinner, 1953). Einhergehend mit seinem Behaviorismus vertrat er ein durch und durch deterministisches Weltbild. Das Verhalten ist für ihn einerseits durch die Gene und andererseits v. a. durch Umwelterfahrungen bestimmt, wie in folgendem Zitat zum Ausdruck kommt: „Does a poete create, originate, initiate the thing called a poem, or is his behavior merely the product of his genetic and environmental histories?“ (Skinner, 1972a, S. 34). Konsequenterweise schließt er auch am Ende seiner Ausführungen: „And now my labor is over. I have had my lecture. I have no sense of fatherhood. If my genetic and personal histories had been different, I should have come into possession of a different lecture“ (ebd., S. 35).

Originalität oder Urheberschaft kann nach Skinner ein Mensch genauso wenig wie die Gans, die goldene Eier legt, für sich beanspruchen, das wäre für ihn eine wundersame Erklärung, die der ähnelt, dass Gott die Erde aus dem Nichts geschaffen hat. Für Skinner ist es aber inkonsequent, nach Darwin den Glauben an die Schaffung der Erde durch Gott verbannt zu haben, aber noch immer Kreativität für Dichter wie Shakespeare zu reklamieren. Aus diesen Bemerkungen ersieht man abermals sehr schön, welche zerstörerischen Konsequenzen für das menschliche Selbstverständnis ein derartig naiv vorgetragener Determinismus haben kann. Die Parallelen zum gegenwärtigen Paradigma der Neurowissenschaften sind offensichtlich.

Die wichtigsten Begriffe seiner Theorie der operanten Konditionierung sind Reize und Verhalten. Beim Verhalten unterscheidet er Reflexe und Operanten. Reflexe sind Verhaltensweisen, die unwillkürlich von bestimmten Reizen ausgelöst werden (das Zusammenzucken nach einem Knall, der Lidschlussreflex oder der Pupillenreflex). Operanten sind beliebige Verhaltensweisen, die willkürlich begonnen und beendet werden können (wie sprechen, gehen etc.).

Bei den Reizen interessiert sich Skinner im Unterschied zu Pawlow für diejenigen, die einem Verhalten folgen. Dabei kann man Reize, die die Reaktionsstärke eines Verhaltens erhöhen, von Reizen, die die Stärke eines Verhaltens verringern, unterscheiden. Verstärker sind Reize, die die Reaktionsstärke eines Verhaltens erhöhen. Den Begriff des Verstärkers hat Skinner von Pawlow übernommen, dessen Schriften er Ende der 1920er-Jahre gelesen hatte: „I got the word from Pawlow and feel that it has a distinctive advantage over ‚reward‘ by identifying the effect of a consequence of behavior in strengthening the behavior – that is, making the behavior more likely to occur again“ (zit. nach Bjork, 1997, S. 99). Strafreize sind Reize, die die Stärke eines Verhaltens verringern. Reize, die keinerlei Einfluss auf die Stärke des Verhaltens haben, heißen neutrale Reize. Die Reaktionsstärke zeigt sich in der Verhaltenshäufigkeit, in der Reaktionszeit, in der Schnelligkeit bzw. Intensität der Ausführung des Verhaltens und in seiner Extinktionsresistenz. Je öfter ein Verhalten verstärkt wird, desto häufiger wird es ausgeführt, desto geringer ist die Latenzzeit bis zu seiner Ausführung, desto schneller und intensiver wird es ausgeführt und umso schwerer lässt es sich löschen (umso mehr nichtverstärkte Verhaltensweisen werden durchgeführt).

Skinner interessiert sich v. a. für die Häufigkeit des Verhaltens und möchte die se beeinflussen. Nach der Theorie des Operanten Konditionierens (oder Operanten Lernens) hängt das Ausmaß der Verhaltenshäufigkeit weitgehend von der Menge bzw. Qualität der Verstärker und Strafreize ab. Das gilt für Skinner sowohl für das Verhalten von Versuchstieren im Labor als auch für Menschen (s. die Experimente von Skinner zum Verbalen Konditionieren).

Vergleicht man klassisches mit operantem Konditionieren, handelt es sich bei ersterem um ein Lernen von regelhaften Beziehungen zwischen Reizen (Verbindungen zwischen konditioniertem und unkonditioniertem Stimulus, die angeborene Reaktionen auslösen), die nicht vom eigenen Verhalten abhängig sind. Demgegenüber kann das Lebewesen beim operanten Konditionieren durch sein Verhalten bestimmte Konsequenzen bewirken. Es lernt, welche Konsequenzen das eigene Verhalten unter bestimmten Stimulusbedingungen hat. Hierbei kann auch von einer Dreifach-Kontingenz gesprochen werden, weil der Zusammenhang zwischen einem Verhalten (V) in Anwesenheit eines diskriminativen Hinweisreizes (R) und den positiven oder negativen Konsequenzen des Verhaltens gelernt wird. Dazu zwei Beispiele: Eine Ratte lernt, dass ein Hebeldruck (V) in einem bestimmten Käfig (R) dazu führt, dass sie Futter (K) bekommt. Ein Kind lernt, dass Schreien (V) im Bett (R) dazu führt, dass die Mutter kommt (K).

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9783846355916
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