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Roboter helfen alten Menschen

Japan hat – mehr noch als Deutschland – ein Problem mit der Bevölkerungsentwicklung. Es gibt mehr alte als junge Menschen. Das schafft Probleme in der Altenpflege und in der Landwirtschaft. Niemand ist da, der die Ernte einholt. Für die Alten ist es irgendwann zu beschwerlich. Was tun? Technikverliebt, wie die Japaner sind, setzen sie bei der Lösung lieber auf Roboter als auf die Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte.32 So unterstützt ein speziell angefertigter Roboteranzug, der über der Kleidung getragen wird, die alte Bäuerin beim Pflücken des Obstes. Federn, Griffe und Stützapparate, die in den Roboteranzug integriert sind, helfen bei der mühsamen Arbeit.33 Auch digital gesteuerte Traktoren werden in der japanischen Landwirtschaft vermehrt eingesetzt. Selbst in der japanischen Altenpflege setzt man auf die digitalen Helfer.34 Sie sollen den Pflegebedürftigen heben, waschen und füttern, aber auch melden, wenn er hingefallen ist. Ohne die digitalen Roboter wird die große Gruppe der hochbetagten Japaner in Zukunft nicht zu versorgen sein.

Zukunftsprobleme gibt es auch in den Vereinigten Staaten. Anders als in dem rund 9800 Kilometer entfernten Japan, wo man eine gesündere Esskultur pflegt, hat man in den USA große Probleme mit Diabetes. Softdrinks, Fast Food und der hohe Konsum an Zucker haben Diabetes zur Volkskrankheit werden lassen. Ein Milliardengeschäft. Und so verwundert es nicht, dass Google in die Pharmaindustrie eingestiegen ist. Unter dem Namen Verily Life Science entwickeln die Suchmaschinenoptimierer gemeinsam mit dem Konzern Sanofi eine Kontaktlinse, die den Blutzucker über die Augenflüssigkeit misst. Doch Google wäre nicht Google, wenn das Unternehmen nicht vorhätte, die Gesundheitsvorsorge schlichtweg zu revolutionieren. Sie wollen – wie immer – Pioniere sein. So basteln die klügsten Köpfe von Google an einem digitalen Armband, das jederzeit den Gesundheitszustand des Trägers wiedergibt. Gearbeitet wird in den Google-Laboren auch an winzigen Nanopartikeln, die in den Körper geschleust werden und dort auf Krankheitssuche gehen sollen.35

Moonshots

Google X ist, seitdem es als Forschungsabteilung der Holding Alphabet Inc. unterwegs ist, wie ein Spürhund auf der Suche nach neuen Ideen jenseits der Suchmaschine. Die deutschstämmige Google-X-Topmanagerin Obi Felten lud nicht zufällig 200 Teilnehmer ins Berliner Humboldt Carré, um über nichts anderes zu diskutieren als über verrückte Ideen für die Zukunft.36 Moonshots nennen sie diese Ideen bei Google. »Warum«, so fragte der Spanier Rodrigo García González auf der Veranstaltung, »können wir Wasserflaschen nicht essen?« Schließlich brauche es 700 Jahre, ehe so eine Flasche zerfalle. Es wäre doch viel besser, wenn Wasserflaschen aus essbarem Material wären … und schon schluckte er gleich die kleine wabbelige Kugel hinunter, die er zuvor in der Hand gehalten hatte. Die Kugel besteht aus Kalziumchlorid und Seetang, die das Wasser umschließt.37 Zwar ist diese Idee, die auf Biologie und nicht auf einer Zahlenfolge beruht, noch nicht marktreif, aber wenn sie es wird, kommen die Null und die Eins wieder ins Spiel. Denn Marketing oder Vertrieb ohne Internet ist in Zukunft undenkbar.

Die italienische Physikerin Vittoria Colizza versucht hingegen ein Frühwarnsystem für Epidemien zu entwickeln. Ihre Idee ist ohne digitale Vernetzung nicht umsetzbar. Dabei beruht dieses Frühwarnsystem nicht auf Rückmeldungen von Ärzten, die mitteilen, wo eine Epidemie ausgebrochen ist, sondern die Kranken melden ihre Krankheit selbst – per Handy. Die Zahlen sind dadurch wesentlich genauer. Colizza kombiniert sodann die Daten des Krankheitsverlaufs der jeweiligen Epidemie mit Bevölkerungszahlen, Kommunikationsdaten und Mobilitätsbewegungen.38 Big Data lässt grüßen. So lassen sich die Brutstätten und Verbreitungsgebiete genauer, schneller und früher identifizieren – egal wo auf der Welt sie sich gerade zusammenbrauen. Eine Überlebensfrage, gerade bei Epidemien wie Ebola.

Doch es muss nicht immer das große Ganze sein, das durch die Digitaltechnik gerettet wird, manchmal sind es auch die kleinen Dinge des Lebens, die sich bald sehr verändern werden. Telefonieren etwa.

Wer meint, ein iPhone, in einer extrem stoßsicheren Schutzhülle mit verrücktem Design gewandet, sei der letzte Schrei, liegt einfach falsch. Wer das glaubt, hatte einfach noch nicht das Glück, sich über die neuesten Zukunftstrends auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas auf den neusten Stand zu bringen. Dort redet man nicht über das nächste Jahr, sondern über die Trends der nächsten zehn Jahre, das Jahr 2028 fest im Blick. Es geht um Wearables, die organische Verbindung von Technik und Mensch. Dazu gehören z. B. Armbänder, die es möglich machen, Telefonate in Zukunft mit dem eigenen Zeigefinger im Ohr zu führen.39 Sieht lustig aus, so als ob der Zuhörende in seinem Ohr bohren würde; doch der Empfang ist glasklar. Auf der CES wird auch über fliegende Hotels gesprochen, die Anbieter wie Airbnb, bei denen Privatleute ihre Wohnung zu günstigen Preisen für Übernachtungen anbieten, und Uber, bei dem jeder sein Auto für Taxifahrten anmelden kann, überflüssig machen. Jene computergesteuerten, fahrerlosen Transportsysteme sind Hotel, Flugzeug und Auto in einem.40 Sie machen das Reisen angenehmer, weil wir nicht dauernd umsteigen müssen – vom Auto ins Flugzeug und von dort ins Taxi –, um in unser Hotel zu kommen. Wir bleiben einfach da, wo wir sind. Wenn wir das Gefährt betreten haben, fliegt es uns nach Australien, ohne dass wir auf engen Sitzen wie auf der Hühnerstange das Ende des Flugs herbeisehnen. In dem fliegenden Hotel können wir uns bewegen wie bei uns zu Hause: arbeiten, Musik hören, im Internet surfen. Das Tollste dabei ist: Das Reisen soll auch noch um ein Vielfaches günstiger werden als bisher!41

Künstliche Intelligenz

Wer gegen wen konkurriert, ist in Las Vegas unschwer zu erkennen. So sitzen die Chinesen beim Thema künstliche Intelligenz (KI), einem der heißesten Zukunftstrends, den Amerikanern im Nacken. Ingenieure konstruieren und programmieren Computer so, dass sie selbstlernend sind, daher die Bezeichnung künstliche Intelligenz. Diese Software frisst das Wissen nur so in sich hinein, speichert Daten in bislang ungeahntem Ausmaß. Spracherkennung und Übersetzung, Bilderkennung und gigantische Rechenoperationen gehören bereits dazu.

Die technische Singularität, jener Zeitpunkt also, bei dem die künstliche Intelligenz ohne Zutun des Menschen Eigenes erschafft, scheint vor der Tür zu stehen. Im vergangenen Jahr stoppte Facebook ein Experiment, bei dem ein Computer eine eigene Sprache geschaffen hatte, die die technischen Ingenieure nicht mehr verstanden.42 Zwei Bots namens Alice und Bob entwickelten während des Experiments eine Geheimsprache, um miteinander zu kommunizieren.43 Eingegeben hatten die Ingenieure ursprünglich englische Wörter. Ein Intelligenzquotient von 1000 und mehr, versichern die Ingenieure, sei möglich. Bei uns Menschen hingegen gelten jene mit einem Intelligenzquotienten von 130 bereits als hochbegabt.44

Allerdings können Menschen auf rationaler Ebene etwas, was künstliche Intelligenz nicht kann: Beispiele generalisieren oder Rückschlüsse ziehen. Auch auf der emotionalen Ebene ist der Mensch der Maschine noch immer weitaus überlegen; hier kann künstliche Intelligenz bislang nur durch Beobachtung der menschlichen Körpersprache lernen, einen Menschen zu »lesen«. Mit anderen Worten: Bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz ist noch eine Menge Luft nach oben.

Die Erwartungen an die künstliche Intelligenz sind bei den Chinesen hoch. Und so hat die Regierung in Beijing 1,5 Milliarden Dollar in KI investiert.45 Zwar hat Amerika noch die Nase vorn, doch die Chinesen betrachten die Entwicklung – ganz im Sinne von Buddha und Konfuzius – eher wie ein Marathonläufer. Am Ende siegt der, der den längsten Atem hat. Die Chinesen setzen darauf, dass bei einer Bevölkerungszahl von 1,4 Milliarden Menschen der Pool an Talenten am Ende einfach größer ist als in Amerika und sie sich durch eigene Anstrengungen und durch Kooperationen mit führenden amerikanischen Firmen wie Google oder Microsoft weiter nach vorne schieben können.

Künstliche Intelligenz wird zwar von Menschen erschaffen, oft aber als Konkurrenz zu unserer eigenen Intelligenz empfunden. Viele Menschen sorgen sich. Aber nicht alle. Raymond Kurzweil, Director of Engineering bei Google, ist von ihr fasziniert und sieht ihre Chancen. Menschen wie er begreifen künstliche Intelligenz als Bewusstseinserweiterung.46 Mensch und Maschine sollen dank implantierter Chips in Zusammenarbeit unser Bewusstsein erweitern, uns besser rechnen, mühelos andere Sprachen sprechen oder bei Behinderung unterstützende Geräte mit Gedanken steuern lassen.47 Denn in Zukunft soll es für uns möglich sein, mithilfe von künstlicher Intelligenz unsere eigene Intelligenz zu steigern – ohne zu lernen. Was so klingt, als ob der Traum aller Schüler und Studenten nun endlich wahr werden würde, wird fleißig erforscht, vor allem sind hier Facebook, Google und Microsoft aktiv. Sie haben das Geld, um die besten Forscher an Bord zu holen. Mit milliardenschweren Budgets statten sie die Labore so gut aus, dass ein engagierter Wissenschaftler einfach nicht mehr Nein sagen kann. Von den elitären Arbeitsbedingungen ganz zu schweigen. Es ist daher kein Geheimnis: In der KI-Forschung sagen nicht mehr die Universitäten, wo es langgeht, sondern Google & Co.48

Warum erzählen wir Ihnen das alles? Weil wir Ihnen zeigen wollen, dass die digitalen Entwicklungen unumkehrbar sind und Sie als Unternehmer diese Entwicklungen im Auge behalten und sich immer wieder fragen sollten, ob die eigene Geschäftsstrategie und die Art und Weise Ihrer Unternehmensführung noch aktuell sind. Machen Sie es nicht so wie viele Unternehmen in der Schweiz. Laut einer Studie der Hochschule für Wirtschaft Zürich hat jedes zweite Unternehmen keine Digitalstrategie,49 vor allem die kleinen Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern haben Nachholbedarf.50 Angesichts der rasanten digitalen Entwicklungen sprechen die Forscher nicht zu Unrecht von einem Dinosaurier-Verhalten.51 Damit nicht auch Sie das Schicksal der Dinosaurier ereilt, die bekanntlich ausgestorben sind, sollten Sie das digitale Abenteuer anpacken! Ergreifen Sie die Chancen, die Ihnen die digitale Welt eröffnet! Das gilt für neue Produkte und Dienstleistungen, die Sie Ihren Kunden zukünftig anbieten werden. Das gilt aber auch für radikal neue Geschäftsideen, die Sie als Manager zum Erfolg führen werden. Vor allem aber werden Sie Ihr Unternehmen und die Mitarbeiter, die mit Ihnen Seite an Seite für den Geschäftserfolg kämpfen, anders führen müssen. Wie Sie Ihren Führungsstil an das digitale Zeitalter anpassen, erfahren Sie in den folgenden Kapiteln.

Wenn Sie das Unternehmen von Ihren Eltern übernommen haben, sollten Sie ebenfalls weiterlesen. Auch dann, wenn Sie vielleicht ein Start-up gegründet haben, das einer digitalen Geschäftsidee entsprungen ist, und nun meinen, dass Führungsfragen in solchen von Anfang an digital ausgerichteten Unternehmen eher nebensächlich seien, legen wir Ihnen ganz besonders dringend ans Herz weiterzulesen. Wir denken dabei besonders an Jungunternehmer, die mit Mitte zwanzig zwar Investoren überzeugen können, aber keinerlei Erfahrung darin haben, Teams zu führen. Selbst Unternehmen, die horizontal organisiert sind, also nahezu ohne hierarchische Strukturen auskommen, gelangen irgendwann an ihre Grenze, nämlich dann, wenn sie wachsen. Oder spätestens dann, wenn sie konsolidieren. Und dieser Punkt kommt immer irgendwann. Dann ist Führung gefragt. Plötzlich sind klassische Führungsthemen aktuell. Denn die Führung entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens! Vor allem in digitalisierten Zeiten. Dazu gehört auch, dass der Wertekompass, die Grundlage des eigenen Führungsstils, klar definiert ist. Welche Werte dieser Kompass berücksichtigt, erfahren Sie in diesem Buch.

DIANNA YAU:

»Facebook hat eine einzigartige Unternehmenskultur«


(Copyright: Dianna Yau)

Dianna Yau, Program Product Manager bei Facebook in San Francisco, entwickelt Produkte, die die nächsten vier Milliarden Menschen in den Emerging Markets ans Internet anbinden. Bevor sie zu Facebook kam, war sie für Strategie und Skalierung verschiedener Technologieunternehmen verantwortlich: für IBMs Enterprise-Produkte für Kunden weltweit, für Consumer Technologies für den brasilianischen Markt von Rocket Internet und für digitale Werbeprodukte für Googles kleine und mittlere Kunden.

Über ihren normalen Job hinaus baut sie Start-up-Ökosysteme auf und hat die letzten vier Jahre damit verbracht, in Sachen Emerging Markets zu reisen, Start-ups zu betreuen und Brücken zwischen Technologiezentren auf sechs Kontinenten zu bauen.

Florian: Dianna, was machst du so an einem ganz normalen Arbeitstag bei Facebook?

Dianna: Die Frage bekomme ich oft gestellt und meine Antwort lautet dann immer: Es gibt keinen normalen Tag, keine normale Woche in einer solchen Firma! Wenn ich allerdings charakterisieren soll, was dort einzigartig ist, könnte ich dir eine Menge erzählen. Jeden Tag steuern wir beispielsweise etwas dazu bei, vier Milliarden Menschen miteinander zu verbinden. Das ist unsere große Mission, an die ich glaube und für die ich auch wirklich brenne! Für meine Arbeit in unserem Connectivity Space bedeutet das, ständig neue innovative Technologien und Ideen zu entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen.

Florian: Gibt es dennoch irgendwelche Schwerpunkte in deinem Arbeitstag?

Dianna: Ja, es gibt drei Sachen, die meinen Tag charakterisieren: Erstens, ich muss vielen Menschen im Unternehmen erklären, worum es in den vielen Meetings ging. Die wollen auf dem Laufenden sein. In den Meetings wird nämlich eine Menge experimentiert und besprochen. Daher fühlt sich das für mich auch immer noch so an, als ob ich in einem Start-up arbeiten würde. Dabei muss man wissen: Das meiste, was wir entwickeln, sind reine Hypothesen, also datengetriebene Analysen. Die sind Teil der DNA von Facebook.

Zweitens: Wir sind eine sehr kollaborative Organisation, also egal, was wir tun, wir arbeiten teamübergreifend. Das macht die Arbeit manchmal etwas schwierig, weil du nicht nur vom Business Development ein Okay brauchst, sondern von vielen anderen Stakeholdern, bevor du den nächsten Schritt gehen kannst. Trotzdem sage ich: Es ist eine der kollaborativsten Umgebungen, in denen ich je gearbeitet habe! Ein Beispiel: Als ich mein erstes Projekt bei Facebook in Angriff genommen hatte, das im Übrigen nicht technisch ausgerichtet war, habe ich zufällig einem Technikmanager davon erzählt; er war total begeistert und bot mir sofort seine Hilfe an! So etwas passiert ständig bei Facebook. Du erzählst jemandem von deinem Projekt, der ist begeistert und will irgendwie bei der Realisierung helfen. Die Leute bei Facebook bieten dir ständig Hilfe, Kontakte oder Ressourcen an. Das ist ziemlich einzigartig! In anderen Firmen, in denen ich früher gearbeitet habe, haben die Leute sehr isoliert gearbeitet.

Das Dritte, was meinen Tag auszeichnet, ist die Mission, die wir bei Facebook verfolgen. Unser Arbeitstag wird sehr stark von dieser Mission gesteuert, das heißt, wir reden täglich darüber, wie wir es schaffen, vier Milliarden Menschen miteinander zu vernetzen. Vieles davon hat mit technischen Innovationen zu tun, aber es geht weit über das rein Technische hinaus. Diese Fokussierung auf die Mission, Menschen miteinander zu verbinden, ist ziemlich einzigartig. Andere Organisationen sprechen über ihre Einnahmen und wissen nicht einmal, welches Ziel sie erreichen wollen, bei Facebook hingegen steht die Mission im Mittelpunkt. Das sind die drei wichtigsten Eckpunkte, die unsere Unternehmenskultur charakterisieren.

Florian: Du hast gesagt, dass es wirklich herausfordernd sein kann, in einem sehr kollaborativen Raum zu arbeiten. Du brauchst in deiner Arbeit viele Rückmeldungen aus den unterschiedlichsten Teams, beispielsweise vom Legal Department. Von außen sieht das immer so aus, als ob ihr alles ganz schnell umsetzt, aber von dir höre ich nun, wie aufwendig die internen Prozesse sind. Wie schafft ihr es, dass dennoch alles so reibungslos und so schnell funktioniert?

Dianna: Das hängt mit der Kultur der Zusammenarbeit bei Facebook zusammen. Die Teams arbeiten gern zusammen, und da es Spaß macht, geht es auch schneller. In anderen Unternehmen gibt es zwar auch die Aufforderung, dass die Teams zusammenarbeiten sollen, das geschieht aber nur sehr zögerlich, weil es keine Kultur der Kollaboration bei denen gibt. Die sehen sich als Konkurrenten. Bei Facebook hingegen gibt es ganz unterschiedliche Personen, die sehr zugänglich für die Zusammenarbeit sind. Und sie erkennen, dass ihre Ziele miteinander verbunden sind, obwohl wir aus verschiedenen Teams kommen – vielleicht ist es das, was es uns ermöglicht, so schnell zu arbeiten. Wenn du eine bestimmte Aufgabe sehr schnell lösen musst, ist es wichtig, dass die anderen dabei mitgehen und dein Projekt zuerst bearbeiten, also die Prioritäten richtig gesetzt werden. Das ist etwas ganz anderes, als andere zu zwingen, etwas zu tun oder ihnen hinterherlaufen zu müssen.

Florian: Vier Milliarden Menschen miteinander zu verbinden, ist eine Aufgabe, die aus meiner Sicht unerreichbar erscheint, wenn man ein solches Projekt startet. Wie macht ihr das, um von dieser Mission nicht erschlagen zu werden?

Dianna: Ja, wir sehen uns das regelmäßig an, um zu verstehen: Wo sind die Gelegenheiten, die uns helfen, eine ausreichend große Bevölkerung zu bewältigen? Ein großer Teil der Menschen, die noch nicht über Facebook verbunden sind, lebt in ländlichen Gebieten, und wir wissen, dass das bisher dort nicht sehr gut funktioniert hat. Das ist dann einer der Bereiche, in denen wir beschlossen haben, in die technische Analyse einzutauchen, um besser über das Problem Bescheid zu wissen. Analytiker helfen uns dabei, ein klares Bild von der Situation zu bekommen, mit der wir es zu tun haben. Vielleicht ist es zu teuer für die Menschen auf dem Land oder sie haben nicht die Infrastruktur in der Nähe. Die systematische Analyse der Daten gibt uns darauf Antwort. Als Nächstes legen wir dann eine realistische Zahl als Ziel fest. Ein Teil unserer Abteilung kümmert sich dann um die ländlichen Gebiete. Es sind vielleicht 60 Prozent der Bevölkerung weltweit, die noch nicht verbunden sind. Eine kleinere Gruppe kümmert sich um die städtischen Gebiete, die etwa 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, die ebenfalls nicht verbunden sind.

Florian: Wenn die Mission weniger ehrgeizig wäre, würde das deine Arbeit verändern?

Dianna: Wenn wir in Richtung Mond schießen, wissen wir, dass wir mindestens in den Sternen landen. Das heißt, wenn wir uns ein so ambitioniertes Ziel setzen, kommen wir zumindest weiter, als wenn wir uns mit einem realistischeren, aber kleineren Ziel zufriedengäben. Deshalb denken wir bei Facebook lieber erst einmal groß, vor allem in Anbetracht der Ressourcen und der Position, die wir haben. Die Idee besteht nicht unbedingt darin, die vier Milliarden alleine zu erreichen. Wenn wir vier Millionen erreichen, hat das einen Multiplikatoreffekt in der gesamten Branche. Einen Dominoeffekt zu erzeugen, ist genauso wirkungsvoll, wenn nicht sogar noch wirkungsvoller, als es selbst zu tun. Dieses langfristige Ziel brechen wir dann weiter runter und fragen uns: Sind es eine Million pro Jahr? Nicht unbedingt. Weil es exponentiell wächst, also langsam beginnt und dann ziemlich schnell wächst. So gehen wir vor.

Florian: Was können andere Unternehmen von euch lernen?

Dianna: Facebook hat eine »Hacking-Kultur«. Das ist die Prämisse, auf der die Unternehmenskultur aufgebaut ist. Die Idee von »Hack« bei Facebook ist: Menschen zu befähigen, Probleme zu lösen. Während andere Unternehmen Menschen dazu drängen, Lösungen auszuführen. Das sind wirklich zwei unterschiedliche Dinge.

Florian: Kannst du das noch etwas genauer beschreiben?

Dianna: Ja, wenn wir ein Problem haben, dann können fünf oder zehn Menschen völlig unterschiedliche Ideen haben, wie das Problem gelöst werden könnte. In großen Unternehmen aber wird jeder gezwungen, den gleichen Weg zu gehen. Dadurch hat man dann nicht so viel Innovation und »Out-of-the-box-Denken«. Ich denke, diese Art Lösungen zu finden, ist wirklich sehr besonders an der Facebook-Kultur. Wir haben »Hackathons«, Treffen, die vierteljährlich organisiert werden, wo jeder im Unternehmen dazukommen kann, um Probleme zu lösen. Beispielsweise hatten wir einen Hackathon für das Thema »Internet der Dinge«. Da konnten kritisch denkende Ingenieure innerhalb kürzester Zeit noch mehr experimentieren als sonst und neue Leute treffen und mit denen gemeinsam an Dingen arbeiten, die zwar nicht für den Alltag der Ingenieure, aber für das Unternehmen als Ganzes wichtig sind.

Florian: Was können Start-ups von euch lernen?

Dianna: Sie sollten nicht einfach anordnen, sondern ihren Mitarbeitern Raum zum Experimentieren und Ausprobieren geben. Dabei kommen viel bessere Lösungen heraus, weil alle kreativ sind. Zudem haben wir eine sehr datengetriebene Kultur. Wir treffen Entscheidungen mithilfe von Daten. So sind alle Ingenieure dafür verantwortlich, buchstäblich alle Experimente und Erfahrungen zu protokollieren und somit all diese Daten zu sammeln und sie so zu strukturieren. Analysten und Data Scientists werten diese aus, sodass die Matrix uns dann hilft zu entscheiden, ob ein Experiment funktioniert hat, ein Produkt erfolgreich ist, welche Wachstumsraten wir erwarten dürfen. All diese Dinge unterstützen uns bei der Frage zu entscheiden, ob man das Produkt schließlich auf den Markt bringt oder nicht. Die Aufgabe des Product Managers ist es dann, diese Daten in eine Story zu verpacken und sein Team von der gemeinsamen Mission zu überzeugen.

Florian: Würdest du sagen, dass jede Entscheidung bei euch datengetrieben ist?

Dianna: Ja, unbedingt.

Florian: Deutsche Firmen möchten gern auch etwas von diesem speziellen Silicon-Valley-Spirit haben. Sie wollen wissen, warum Unternehmen dort so erfolgreich sind, warum sie so innovativ sind, und sie wollen versuchen, einige dieser Methoden und Ideen auch selbst anzuwenden. Was würdest du ihnen raten?

Dianna: Ich würde sagen: Ihr dürft nicht nur reden, ihr müsst auch umsetzen! Hört sich einfach an, aber es ist doch so: An Neujahr setzen sich viele Menschen das Ziel, Gewicht zu verlieren. Die wenigsten verfolgen dabei ihr Ziel auf lange Sicht. Genau das aber tun wir alle im Silicon Valley. Das macht den Spirit hier aus: Wir bleiben dran!

Florian: Wie viel Anteil hat das Management am Erfolg von Facebook?

Dianna: Einen großen! Es gibt Dinge, die Facebook zu einer tollen Organisation machen, eins davon sind die Manager. In vielen anderen Firmen, in denen ich gearbeitet habe, wurden Menschen zu Managern gemacht, nur weil es der nächste Schritt in der Karriereentwicklung war, nicht weil sie Manager werden wollten. Bei Facebook ist das nicht so. Man kann beispielsweise auf die nächsthöhere Ebene zum Individual Contributor befördert werden oder man kann Manager werden. Wenn man dann feststellt, dass man es doch nicht mag, als Manager zu arbeiten, kann man wieder zu einem Individual Contributor werden – ohne Gehalt oder Titel zu opfern. Die Manager, die wir haben, sind deswegen großartige Manager, weil sie Manager und Leader sein wollen und nicht weil sie dazu gezwungen worden sind.

Florian: Wie sieht denn die Beziehung zwischen Managern und Mitarbeitern bei Facebook aus? Läuft das auch anders als üblich?

Dianna: Ja, die Beziehung ist auch anders, als man es sonst so gewöhnt ist. Die erste Managerin, die mich bei Facebook betreut hat, hat meinen Blick auf das, was ein Manager bei jedem Einzelnen bewirken kann, total verändert. Sie hat mir eine völlig neue Idee davon gegeben, was Führung bedeuten kann. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass ich mein Potenzial wirklich einbringen kann. Bei den Gesprächen ging es nicht nur darum, was ich im Projekt erreichen wollte, sondern darum, wie ich meine Karriere planen sollte und wie die Dinge, die ich im Alltag machte, zu diesem Ziel passten. Diese Art zu führen hat mich sehr beeindruckt. Das ist wirklich schlau, wenn Unternehmen erkennen, dass die Mitarbeiter dann am besten sind, wenn sie leidenschaftlich sind, wenn sie ihre Lebensvision mit dem, was sie in ihrer täglichen Arbeit tun, verbinden können. Denn wenn sie das nicht können, arbeiten sie nicht so hart, sie sind nicht so motiviert. Wenn dich Manager aber immer wieder fragen, was du leidenschaftlich liebst, und das mit dem verbinden, was du tust, dann bekommen die Mitarbeiter ungeheuren Schwung! So kannst du sie dazu bringen, tolle Sachen zu erreichen. Sie denken dann auch viel tiefer nach und übernehmen nicht eine bereits existierende Lösung, weil es halt leichter ist.

Bei Google war es genau das Gleiche. Unser Manager coachte uns dabei, wie wir mit Kunden umgehen sollten. Wir haben Rollenspiele gemacht, um ganz konkret den Umgang mit den Kunden zu trainieren. Eine Unterstützung, die dir normale Manager nicht geben. Das ist genau das, was die hochleistungsfähigen Teams bei Facebook entstehen lässt. Niemand würgt dir irgendeine Lösung rein, die du dann einfach abspulen musst. Das schafft Unlust. Das hat keinen Spirit. Aber so arbeiten leider immer noch ganz viele Firmen.

Florian: Hört sich danach an, als ob die Arbeitswelt im Silicon Valley wirklich anders tickt.

Dianna: Ja, das ist auch so. Ich gebe dir noch ein Beispiel: Zu dieser Mission von Facebook, Menschen miteinander zu verbinden, fallen den Mitarbeitern immer wieder neue Ideen ein. Sie erfinden immer wieder neue Sachen. Das hat gar kein Ende. Das machen die einfach so und nicht weil sie durch die Führungsebene dazu getrieben werden. Wir fokussieren zwar alle ein gemeinsames Ziel, aber es gibt keinen Druck, bei der Lösung einen bestimmten Weg zu gehen. Bei Facebook überlässt man es den Mitarbeitern selbst. Man vertraut ihnen, weil man weiß, dass man die richtigen Leute eingestellt hat. Und die Führungskräfte verstehen ihre Rolle daher ganz anders als üblich. Sie sind dafür da, diesen Teams zu helfen, sodass die Teams bestmöglich performen. Sie haben zudem die Aufgabe, sicherzustellen, dass das, was sie tun, tatsächlich mit dem übereinstimmt, was bei Facebook Ziel ist. Die Manager tun noch mehr. Sie helfen, wenn Mitarbeiter Blockaden haben, diese zu entfernen. Sie stiften für das Team externe Partnerschaften, um das Produkt wachsen zu lassen. Stell dir das mal bei anderen Unternehmen vor! Nur weil wir so anders arbeiten, schaffen wir diese Ziele. Die Größenordnungen sind in der Tat einzigartig. Das ist es, was die Menschen beeindruckt.

Florian: Aber Facebook hat auch das Geld, um die besten Leute an Bord zu holen. Facebook kann tatsächlich beim Personal sehr wählerisch sein, wenn es um neue Teammitglieder geht. Klar, der Vergleich hinkt, aber wenn du Start-ups oder mittelständische Unternehmen betrachtest, die haben eine ganz andere Ausgangsbasis. Sie haben in der Regel nicht das Geld, um die besten Leute zu bezahlen. Wie kann man jetzt als Start-up im Anfangs- und Wachstumsstadium trotzdem seine Mission so konsequent verfolgen, wie ihr das bei Facebook macht?

Dianna: Dazu braucht es nur eins: gute Führung. Führungskräfte müssen in der Lage sein, die Mitarbeiter richtig für die Lösung eines Problems zu begeistern. Ich nenne mal ein Beispiel: Meine Mitbewohnerin hat nach ihrem Abschluss am MIT direkt bei Google angefangen! Dann wurde sie von einer Headhunterin angesprochen, sich doch mal mit der CEO von einem Start-up zu unterhalten, sie wären sehr an ihr interessiert. Nun, sie ist von Google zu diesem kleinen Start-up gewechselt. Was glaubst du, wie der Geschäftsführer des kleinen Start-up-Unternehmens es geschafft hat, sie von einem weltbekannten Konzern abzuwerben?

Ganz einfach: Er hat gezeigt, dass sie eine extrem wichtige Rolle spielen kann, um die Vision des Start-ups zu realisieren; das hat sie mehr motiviert, als weiterhin nur eine Nebenrolle bei Google zu spielen. Sie wollte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, ein Problem zu lösen, das sie persönlich interessierte. Ich kenne eine Menge Leute, die die großen Tech-Unternehmen wie Google und Facebook verlassen haben, weil sie sich dort wie ein kleines Rädchen in einem riesengroßen Getriebe fühlten. In einem Start-up hingegen haben sie das Gefühl, als ob ihnen das Produkt gehören würde, dass sie wirklich Einfluss haben und bei jedem aufregenden Entwicklungsschritt dabei sind! Das ist für einige Leute einfach spannender! Das ist also eine ganz andere Art, wie du Leute dazu bringen kannst, sich deinem Start-up anzuschließen. Gib ihnen einfach eine Menge Verantwortung, um sie zu begeistern!

Florian: Klingt schon fast zu einfach.

Dianna: Tja, so kann man ein Stück Silicon Valley in sein Unternehmen bringen.

Florian: Denkst du, dass Unternehmen Hierarchien brauchen, um gut zu funktionieren?

Dianna: Unternehmen müssen genauer unterscheiden, was zu viel ist und was ausreichend ist, um Struktur zu schaffen und Chaos zu vermeiden. Zum Beispiel gibt es bei Facebook nicht dieses typische Besessensein von Positionen und Titeln. Wenn man bei uns als Produktmanager eingestellt wird, gibt es keinen Senior Produktmanager. Das macht viel aus, weil beide, sowohl der junge Mitarbeiter als auch der Produktmanager, der vorher als CEO bei anderen Unternehmen war, gleichwertig sind. Diese flachen Hierarchien helfen dabei, dass jeder Produktmanager eigene Entscheidungen treffen kann und nicht erst einen Senior Produktmanager fragen muss. Beide haben den gleichen Titel und dieselbe Funktion, also kann jeder selbst entscheiden. Das ist besser fürs Unternehmen!

2 391,09 ₽
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9783956238123
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