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Exkurs 4

Die Phosphor- und Stickstoffbilanz im Schweizer Futterbau: Geringe Effizienz und Nachhaltigkeit

Stickstoff (N) und Phosphor (P) sind Hauptnährstoffe der Pflanzen. Sie sind ausschlaggebend für den erzielbaren Pflanzenertrag im Futterbau. Wird jedoch mehr N oder P gedüngt als die Pflanzen aufnehmen können, gelangen diese Stoffe in die Umwelt und werden zu potenziellen Schadstoffen. Heute werden Dünger zwar effizienter und stärker nach Pflanzenbedarf eingesetzt als noch vor 20 Jahren. Trotz Verbesserungen sind die Bilanzen aber noch bei weitem nicht ausgeglichen. 2012 resultierten im Durchschnitt immer noch jährliche Überschüsse von rund 100 kg Stickstoff pro Hektare gedüngtem Wiesland, die Phosphorüberschüsse betrugen gut 3 kg pro Hektare, und dies, obwohl ein Grossteil der Böden bereits genügend mit P versorgt ist oder P auf Vorrat aufweist. Dabei ist das nicht unerhebliche Boden-Nährstoff-Nachlieferungsvermögen (Exkurs 3) noch gar nicht berücksichtigt.

In der Schweiz trägt der Hofdünger am meisten zum gedüngten Stickstoff und Phosphor bei. 2012 stammten 71 Prozent des Düngerstickstoffs von Hofdüngern, beim Phosphordünger waren es 78 Prozent. Dabei stammte beim P und N rund drei Viertel vom Rindvieh, aus der Schweinehaltung stammten 11 Prozent des N und 16 Prozent des P. 25 Prozent des Stickstoff- und 17 Prozent des Phosphordüngereintrags geht auf den Einsatz von Mineraldüngern zurück. In den 1990er Jahren ging die mineralische Stickstoffdüngung um einen Drittel zurück, seit 1997 stagniert sie.

Im Hinbick auf den Gesamteintrag auf Landwirtschaftsflächen stammen etwas mehr als 50 Prozent des Stickstoffs der insgesamt rund 250000 Tonnen (2012) aus Hofdünger, rund ein Fünftel aus mineralischem Dünger, die Leguminosen trugen 14 Prozent zum N-Input bei, die Deposition aus der Luft rund 10 Prozent (Abb. 10). Insgesamt kommt heute deutlich mehr Stickstoff über den Futtermittelimport in die Schweiz (54000 t/J) als über sämtliche Mineraldüngereinfuhren (44000 t N, 2013) (AGROSCOPE 2015, unveröff.).

Verwertet werden von den Pflanzen nur 155000 Tonnen N. Rund 90000 Tonnen N, das sind 36 Prozent des Stickstoffeintrages beziehungsweise rund 100 kg N/ha LN/Jahr, gehen also verloren: Rund 55000 Tonnen davon entweichen gasförmig als Ammoniak, Stickoxide und Lachgas und belasten die Luft, das Klima und zahlreiche Ökosysteme durch Eutrophierung und Säureeintrag (Abb. 73); 35000 Tonnen gelangen ins Grund- und Oberflächengewässer (Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre). Etwa 85 Prozent dieses N-Umsatzes betrifft das Wiesland, nur rund 15 Prozent den Ackerbau.

Beim Phosphor stammen aktuell von den rund 28000 Tonnen, die jährlich über Dünger im Landwirtschaftsland ausgebracht werden, gut 20000 Tonnen aus Hofdünger, wovon gut 6000 Tonnen aus importierten Futtermitteln stammen. Dazu kommen rund 6000 Tonnen aus Handelsdünger. Die Deposition von P aus der Luft ist gering und wird auf knapp 500 Tonnen geschätzt. Damit werden den Landwirtschaftsböden netto jährlich rund 12000 Tonnen P zugeführt. Der Entzug durch tierische und pflanzliche Produkte beträgt dagegen nur gut 8000 Tonnen. Beim Phosphor betreffen rund 80 Prozent des Umsatzes das Wiesland.

Der P-Überschuss beträgt damit jährlich in der Schweizer Landwirtschaft zwischen 3000 und 4000 Tonnen, das sind rund 4 kg P pro Hektare Landwirtschaftliche Nutzfläche, was angesichts der erwähnten bereits vorhandenen Vorräte im Boden auch beim Phosphor eine beträchtliche permanente Überdüngung und eine Verschwendung nicht erneuerbarer Ressourcen darstellt. Mit einem effizienteren P-Management könnte die Schweiz seit vielen Jahren auf jegliche P-Importe verzichten, ohne Ertragseinbussen.

Quellen: BFS 2014; BOSSHARD et al. 2010


Abb. 10. Herkunft des Stickstoffeintrages auf die Landwirtschaftsflächen der Schweiz. Prozentuale Anteile, 2012. Insgesamt betrug der Input 250000 Tonnen Stickstoff. Von den Pflanzen verwertet werden dagegen nur rund 155000 Tonnen, gut 90000 Tonnen gehen jährlich verloren. Datenquelle BFS 2014.

2.2.3 Temperatur und Höhenlage

Das Wachstumsvermögen der Wiesenpflanzen ist stark wärmeabhängig. Deshalb hängen die Ertragsfähigkeit ebenso wie die Verbreitung der einzelnen Wiesenpflanzenarten wesentlich von der Höhenlage, aber auch von lokalklimatischen Eigenschaften eines Standortes ab (z. B. Exposition). Pro 100 m Höhendifferenz nimmt die durchschnittliche Temperatur um rund 0,5 °C ab. Gleichzeitig geht die Länge der Vegetations- und Wachstumsperiode zurück. Umgekehrt beschleunigen höhere Temperaturen – sofern sie noch im physiologisch günstigen Bereich liegen – das Wachstum der Pflanzen (Abb. 11).

Da verschiedene Pflanzenarten unterschiedlich auf die Temperaturverhältnisse reagieren, hat die Jahres- und Sommertemperatur einen grossen Einfluss auf die botanische Zusammensetzung der Wiesen: Die am intensivsten nutzbaren Gräser sind auf milde Lagen mit hohen Jahrestemperaturen angewiesen. Bei sehr intensiver Nutzung sind das Englische und Italienische Raygras bestandesbildend und für gute Erträge ausschlaggebend. Die beiden Arten werden nur in der kollinen und, auf guten Standorten, der unteren und mittleren montanen Stufe bestandesbildend (Ertragsanteil > 20 %), das heisst bis rund 800 m ü. M., das Italienische Raygras meist nur bis 600 m und nur bei genügend und ausgeglichenen Niederschlägen. Regionen und Standorte, wo diese beiden Grasarten vorherrschen können, bezeichnet man als raygrasfähig. Raygrasfähige Lagen sind deutlich intensiver nutzbar als nicht raygrasfähige. Die Beurteilung der Raygrasfähigkeit ist deshalb ein wichtiges Kriterium bei der Planung der optimalen Nutzungsintensität und der differenzierten Wiesennutzung – nicht nur in Mitteleuropa, sondern mit globaler Gültigkeit (PFADENHAUER und KLÖTZLI 2014).

Ähnlich bedeutsam für die Ausbildung von Wiesentypen in der Schweiz ist das relativ hohe Wärmebedürfnis des Fromental, in Deutschland Glatthafer genannt. Fromental ist bei wenig intensiver Nutzung bis in die obere montane Stufe eines der konkurrenzfähigsten Gräser und damit oft bestandesbildend. Zudem ermöglicht es einen höheren Biomassezuwachs als die meisten anderen Gräser. Ab etwa 1000 m ü. M. kann sich das Fromental temperaturbedingt nicht mehr halten und wird vom Goldhafer als bestandesbildende Art abgelöst, welcher für ein gutes Wachstum deutlich tiefere Temperaturen erträgt. Goldhafer ist zwar auch in den unteren Lagen regelmässig in wenig intensiv genutzten Wiesen vorhanden, jedoch ist die Grasart gegenüber dem Fromental und anderen Gräsern weniger konkurrenzfähig und wird deshalb kaum je bestandesbildend.


Abb. 11. Temperaturabhängigkeit von Photosynthese und Atmung, welche hauptsächlich für das Pflanzenwachstum verantwortlich sind. Das Temperatur-Wachstumsoptimum während des Tages (Topt bezogen auf die Nettophotosynthese) liegt für viele Wiesengräser Mitteleuropas zwischen 17 und 21 °C, wobei zwischen den einzelnen Arten deutliche Unterschiede bestehen (Quelle: LACHER 2001). Stark wüchsige Gräser wie Italienisches oder Englisches Raygras oder das Fromental haben relativ hohe Temperaturoptima. Mit zunehmender Höhenlage treten sie deshalb zugunsten von weniger wüchsigen, aber an tiefere Temperaturen angepassten Gräser zurück. Während der Nacht findet nur Atmung und keine Photosynthese statt. Je tiefer die Nachttemperaturen, desto weniger Energie veratmet die Pflanze.

Exkurs 5

Einfluss der Höhenlage auf den Ertrag und die Futterqualität von Wiesen

Mit zunehmender Höhenlage geht die maximal mögliche Nutzungsintensität und das Ertragsmaximum von Wiesen zurück. Inwieweit das der Fall ist, zeigt Abbildung 12 (grüne Kurven). Bei gedüngten Wiesen nimmt in der Schweiz der Ertrag im Durchschnitt um 4 bis 6 Prozent pro 100 Höhenmeter ab, das sind zwischen 0,2 (DIETL 1986; THOMET et al. 1989) und 0,4 t TS/ha (MOSIMANN 2005) pro 100 Höhenmeter oder, auf die Milchproduktion umgerechnet, um etwa 350 bis 700 kg Milch/ha (WINCKLER et al. 2012). Ungenügende oder übermässige Wasserverfügbarkeit, schattige Lagen und andere Standortfaktoren, die sich nicht oder nur begrenzt beeinflussen lassen, können die Ertragsfähigkeit eines Wiesenbestandes innerhalb der klimatischen Grenzen weiter einschränken.

Bei ungedüngten Wiesentypen ist der Ertrag dagegen weniger von der Höhenlage abhängig als von anderen Standortbedingungen, vor allem der Nährstoffverfügbarkeit (THOMET et al. 1989). Der ungedüngte Wiesentyp mit einem der höchsten TS-Erträge liegt in der subalpinen Stufe: die früher oft als Wildheumähder genutzten, meist ausserordentlich artenund blütenreichen subalpinen Hochgrasfluren (eigene Untersuchungen, unveröff.).

Generell nimmt der Gehalt an Eiweiss und Energie ebenso wie die Verdaulichkeit des Futters bei ungedüngten Wiesentypen mit zunehmender Höhenlage auf vergleichbarer geologischer Unterlage deutlich zu. Ein Beispiel sind die ausgedehnten ungedüngten, halbschürigen oder einschürigen Futterwiesen zwischen 1900 und 2200 m ü. M. auf der rechten Talseite des Schanfigg (Kanton Graubünden), also in der oberen subalpinen und unteren alpinen Stufe (Abb. 13). Das nährstoffreiche, gut verdauliche Heu dieser sehr arten- und blumenreichen Wiesen wird bis heute für die Fütterung des Milchviehs auch während der Laktation eingesetzt, genau wie das Futter der intensiv genutzten Wiesen in den tieferen Lagen um die Dörfer.

Die für das Wachstum und die Konkurrenzverhältnisse wichtige Temperatur ist für die Verbreitung nicht nur einzelner Arten, sondern auch der verschiedenen Wiesentypen ein ausschlaggebender Faktor (Kap. 5.5).


Abb. 12. Ertragspotenzial von Wiesland in Abhängigkeit der Nutzungsintensität (Horizontalachse) und der Höhenlage (grüne Kurven A-D). Mit zunehmender Höhenlage nimmt die Nutzungsintensität, welche einen maximalen Ertrag ermöglicht, ab. So sind in den tieferen Lagen (kollin, bis ca. 600 m ü.M., Kurve D) mit einer sehr intensiven Nutzung hohe Erträge möglich, da hier die intensiv nutzbaren Grasarten geeignete Wachstumsbedingungen vorfinden. In der alpinen Stufe (Kurve A) dagegen ist schon eine mittelintensive Nutzung nicht mehr möglich, ohne dass der Pflanzenbestand degeneriert (s. Kap. 5.5). Blau und rosa stellen schematisch den Anteil der wichtigsten Faktoren der Ertragsbildung bei zunehmender Nutzungsintensität unter der Bedingung konstanter Wasserverfügbarkeit dar. Im extensiven, das heisst ungedüngten Bereich hängt der Ertrag lediglich von der Bodenstruktur/Bodenart, der Artenzusammensetzung und der Artenvielfalt ab. Bei zunehmender Nutzungsintensität nimmt die Bedeutung dieser Faktoren ab, und der Ertrag wird zunehmend durch das Düngungsniveau definiert.


Abb. 13. Ausgedehnte, blumen- und artenreiche Heuwiesen prägen die untere alpine Stufe im mittleren Schanfigg ob St. Peter und Peist (Kanton Graubünden). Bereits kleine Standortunterschiede führen zu unterschiedlichen Wiesentypen – links im Bild eine magere Goldhaferwiese auf basischer Unterlage, rechts ein artenreicher, relativ nährstoffreicher Borstgrasrasen mit Arnika auf saurer Unterlage. Obwohl ungedüngt und nur halbschürig bis einschürig genutzt, liefern diese Wiesen Heu mit relativ hohem Eiweissund Energiegehalt. Das Futter wird zusammen mit demjenigen aus den Intensivwiesen im Tal den laktierenden Milchkühen verfüttert.

2.3 Die biotischen Umweltfaktoren

Bei den biotischen Faktoren ist zunächst zu unterscheiden zwischen nicht-anthropogenen («natürlichen») und antrhopogenen. Die anthropogenen, also menschgemachten Faktoren werden hier als Kulturfaktoren oder schlicht «Bewirtschaftung» bezeichnet (Abb. 6). Die wichtigsten (nicht-anthropogenen) biotischen Naturfaktoren umfassen die biologische Bodenaktivität (z.B. Bakterien, Würmer, Mäuse usw.), Symbiosepartner von Wiesenpflanzen (z. B. Nährstoffe erschliessende Mykorrhiza-Pilze, Stickstoff fixierende Knöllchenbakterien, bestäubende Insekten), Konsumenten (Pflanzen oder Ausscheidungen von Pflanzen fressende Tiere) und Destruenten (z.B. Pilze, die absterbende Pflanzenteile abbauen).

Ein wichtiger biotischer Faktor sind auch die vorhandenen Wiesenpflanzen selber. Die Arten und Ökotypen, die in Naturwiesen und -weiden vorkommen, entwickeln sich in aller Regel aus dem Samenvorrat einer Gegend von selbst. Sie können aber durch eingebrachte, züchterisch veränderte Pflanzenarten ergänzt werden. Das gezielte Einbringen von Arten oder Sorten gehört nicht zum Naturfutterbau. Wird es regelmässig praktiziert, um die Ertragsfähigkeit aufrechtzuerhalten, geht die Naturwiese in eine Kunstwiese über (Abb. 3).


Abb. 14. Standort- und Bewirtschaftungsvielfalt resultiert in einer entsprechenden Vielfalt an Wiesentypen. Die Karte zeigt einen Ausschnitt aus der Wiesenkartierung aus dem Gebiet der Aufnahme in der vorhergehenden Abbildung. Die prägendsten Faktoren sind in diesem Fall der Wasserhaushalt und der Säuregehalt (pH) des Bodens, die je nach Unterlage und Topographie oft sehr kleinflächig ändern. Aber auch die Bewirtschaftung hat zu diesem Mosaik beigetragen, insbesondere die (teils weit zurückliegende) stellenweise Mistdüngung und die Mahdzeitpunkte. Die abgebildete Wiesenkartierung mit zusammenfassenden Einheiten diente als Basis für die Nutzungsplanung und zur Festlegung von Biodiversitäts-Förderbeiträgen. Die Breite der Abbildung entspricht etwa 1,5 km. Quelle: trifolium/Ö+L, 2007.

2.3.1 Schädlinge und Krankheiten

Unter den meisten der genannten biotischen Faktoren gibt es als Schädlinge oder Krankheiten bezeichnete Organismen, welche den Pflanzenbestand in unerwünschter Weise verändern oder schädigen und den Ertrag stark reduzieren können. In der Regel sind es nur diese Schädlinge, die unter der Kategorie der biotischen Umweltfaktoren ins Bewusstsein treten, während die übrigen Organismen ihre für die Artenzusammensetzung und Ertragsfähigkeit eines Wieslandbestandes teils ausschlaggebende positive Rolle meist im Verborgenen ausüben und wenig beachtet werden (Abb. 15). Entsprechend gibt es vor allem über die Schädlinge und Krankheiten in Futterwiesen eine umfangreiche Literatur. Eine zusammenfassende Übersicht über einige wichtige Schadorganismen und Problempflanzen geben beispielsweise DIETL und LEHMANN (2004).

Die meisten Schadorganismen schädigen nur einzelne Pflanzenarten, was im Wiesland dank der Pflanzenartenvielfalt meist nicht stark ins Gewicht fällt und nicht wie bei einer Ackerkultur einen Totalausfall der Ernte verursachen kann. Zu den verbreitet auftretenden und wirtschaftlich bedeutsamen tierischen Schädlingen des Wieslandes zählen nur wenige Arten. Dazu gehören insbesondere Wühl- und Feldmäuse, Wildschweine sowie Engerlinge. Ihr Wirken ist nicht auf einzelne Pflanzenarten beschränkt. Entsprechend können sie in extremen Fällen die Pflanzendecke einer Wiese vorübergehend weitgehend zerstören.

Hartnäckige unerwünschte Effekte können auch von einzelnen Pflanzenarten ausgehen. Dazu zählen in der Schweiz besonders die Blacke und der Klappertopf (Kap. 7.5.7). Im übrigen kann fast jede Wiesenpflanzenart bei übermässigem Auftreten eine unerwünschte Bestandesentwicklung, verminderte Futterqualität oder eine Ertragsreduktion zur Folge haben, bis hin zu Giftwirkungen, die im Extremfall für Raufutterverzehrer tödlich sein können (Details s. Kap. 3.3.2). Es gehört zu den besonderen Herausforderungen des Futterbaus, durch angepasste Nutzung und allenfalls Pflegemassnahmen solche Einseitigkeiten in der Artenzusammensetzung zu verhindern und gleichzeitig die erwünschten Futterpflanzen in ausgewogener Zusammensetzung besonders zu fördern (Kap. 3.3).

2.3.2 Artenvielfalt und weitere biotische Faktoren als Grundlage für den Ertrag

Während Schädlinge und Kranheiten als unerwünschte biotische Faktoren sofort ins Bewusstsein treten, wird leicht übersehen, dass die positven Wirkungen der biotischen Faktoren viel wichtiger sind und auf vielschichtige Weise nichts weniger als die Voraussetzung für einen regelmässigen und guten Ertrag des Wieslandes sind. So erschliessen Mykorrhizapilze schwer verfügbare Nährstoffe für die Pflanzen (Exkurs 3), die Bodenorganismen sorgen für den Boden- und Humusaufbau und schaffen damit die Wachstumsbedingungen der Pflanzen überhaupt; und auch die Pflanzen selber treten untereinander in vielfältige positive Wechselwirkung. Während in der Ökologie lange fast ausschliesslich ihre Konkurrenz untereinander thematisiert worden ist, ist die Tatsache, dass sich die Pflanzen in vielerlei Hinsicht auch positiv beeinflussen, erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten stärker in den Fokus der Forschung getreten. So ermöglichen artenreichere Wiesenbestände unter gleichen Standorts- und Bewirtschaftungsbedingungen höhere Erträge als artenarme. Vor allem im extensiv genutzten Bereich ist dieser Zusammenhang überraschend gross, wie zahlreiche Versuche mittlerweile eindrücklich zeigen können (Abb. 15).


Abb. 15. Artenvielfalt steigert Ertrag: Links: Artenreiche Mischungen mit verschiedenen Gras- und Kleearten (Standardmischungen SM 330 und SM 430) führen zu höheren und stabileren Erträgen als die Ansaat der Hauptkomponenten allein (Englisches Raygras beziehungsweise Weissklee). Verschiedene Pflanzenarten können verschiedene Nischen nutzen und so die vorhandenen Ressourcen besser nutzen, beispielsweise das Sonnenlicht oder den Bodenraum. Bei hoher Nutzungsintensität bringt insbesondere die Kombination von Gräsern und Leguminosen eine Ertragssteigerung. Quelle: HENGARTNER 2011. HNJ = Hauptnutzungsjahr. Rechts: Bei geringer Nutzungsintensität fördert Artenvielfalt generell den Ertrag des Wieslandes: Ein 16-Arten-Gemisch produziert auf gleichem Standort bei gleicher Nutzung durchschnittlich drei Mal mehr oberirdische Biomasse verglichen mit einem 4-Arten-Gemisch. Quelle: TILMAN et al. 2006.

2.4 Wiesland und Biodiversität
2.4.1 Bedeutung des mitteleuropäischen Wieslandes für die Biodiversität

Für mehr als 2000 Pflanzen- und für ein Vielfaches an Tierarten ist das mitteleuropäische Wiesland Lebensraum (Korneck und Sukopp 1988). In vielen Regionen unterhalb der Waldgrenze ist mehr als die Hälfte der Pflanzenarten auf eine standortgemässe Wieslandnutzung angewiesen und kommt nur dank ihr vor (eigene Auswertung aus verschiedenen Vernetzungsprojekten im Kanton Zürich). Im Vergleich dazu ist der andere flächenmässig dominante Lebensraum, der Wald, deutlich artenärmer. Gemäss einer umfangreichen Stichprobe des Biodiversitätsmonitoring Schweiz finden sich auf 10 m2 im Wald durchschnittlich nur rund die Hälfte bis zwei Drittel so viele Arten wie im Wiesland, und dies, obwohl anteilsmässig ein grosser Teil der Stichproben intensiv genutztes, artenarmes Wiesland umfasste (STÖCKLIN et al. 2007, Abb. 16).

Aussagekräftiger als Stichprobenvergleiche auf Kleinflächen sind flächendeckende Kartierungen. In einem über mehrere Jahre intensiv untersuchten repräsentativen Landschaftsausschnitt von 3 ha in der Ostschweiz mit hälftig Wald und Wiesland auf etwa 800 m ü. M. kamen von den 315 festgestellten Pflanzenarten 213 im – extensiv bis intensiv genutzten – Wiesland vor, dagegen nur 90 im Wald einschliesslich Waldrand (unpubl. eigene Daten). Der Landschaftsausschnitt umfasste lediglich trockene und wechseltrockene Standorte. Bei einer Ausweitung des Perimeters auf Gebiete mit Feuchtstandorten wie beispielsweise Streuwiesen verschiebt sich das Verhältnis noch mehr zugunsten des Wieslandes.


Abb. 16. Links: Wiesland ist botanisch deutlich artenreicher als Wald: Vergleich der durchschnittlichen Anzahl Gefässpflanzen auf 10 m2 grossen Flächen aus dem Biodiversitätsmonitoring Schweiz, aufgetrennt nach Höhenstufen. Die absoluten Artenzahlen ebenso wie die Unterschiede zwischen Wiesland und Wald nehmen von der kollinen zur subalpinen Stufe zu. In den roten Balken: Prozentangaben der im Wald gefundenen Arten im Vergleich zum Wiesland. Datenquelle: STÖCKLIN et al. 2007 aus www.biodiversitymonitoring.ch. Rechts: Besonders augenfällig ist der Biodiversitätsunterschied zwischen Wald und Wiesland in der montanen und subalpinen Buchenzone der Alpensüdseite. Der abgebildete Buchenwald im Val Grande (I) weist typischerweise keinerlei Unterwuchs auf und besteht grossflächig aus einer Pflanzenart, der Buche. Dieser Standort war vor 70 Jahren eine artenreiche Bergweide mit Dutzenden von Pflanzenarten pro Quadratmeter.

Nicht nur die Artenzahl, auch die Artendichte von artenreichem Wiesland ist ausserordentlich hoch. Auf einem einzigen Quadratmeter können in Mitteleuropa über 60 Pflanzenarten dauerhaft koexistieren (z. B. KLÖTZLI et al. 2010), global im Extremfall bis 89 Arten (Rekordhalter: Bergwiese in Argentinien, WILSON et al. 2012) – eine Zahl, die weltweit von keinem andern Lebensraum erreicht wird (WILSON et al. 2012) und von dem in Mitteleuropa alle anderen verbreiteten Lebensraumtypen wie Wälder, Auen oder Felsfluren mit Ausnahme vereinzelter, seltener Ruderalgesellschaften weit entfernt sind. Pro Pflanzenart rechnet man, so eine ökologische Faustregel, mit 8 bis 10 vorkommenden Tierarten.

Entsprechend ist auch für viele Tiergruppen das Wiesland der weitaus wichtigste Lebensraum in Mitteleuropa. So sind 80 Prozent der 112 in der Schweiz heimischen Heuschreckenarten (SCHNEIDER und WALTER 2001) und 80 Prozent der gut 200 Tagfalterarten auf das offene Kulturland angewiesen, wovon wiederum gut 80 Prozent auf das eigentliche Wiesland spezialisiert beziehungsweise angewiesen sind (LACHAT et al. 2010). Auch bei den Wanzen, Zikaden oder Kleinschmetterlingen kommt ein grosser Teil der Arten ausschliesslich oder vorwiegend im Wiesland vor (LACHAT et al. 2010).

Allerdings treffen all diese Aussagen nur für den extensiver genutzten, artenreicheren Teil des Wieslandes zu. Intensivwiesland weist dagegen nur noch wenige Pflanzenarten auf und gehört zu den botanisch artenärmsten Lebensräumen der Schweiz. Und für die meisten der oben genannten Tierartengruppen bietet Intensivwiesland keinerlei Lebensraum mehr (Kap. 8.2). Damit wird das enorme Spektrum zwischen artenreichem und artenarmem Wiesland deutlich, und es lässt sich bereits erahnen, welchen Einfluss die fast flächendeckende Intensivierung der Wieslandnutzung in den vergangenen 60 Jahren auf die Biodiversität hatte (Kap. 8).

Tatsächlich spielen die artenreicheren, von der landwirtschaftlichen Nutzung geschaffenen und erhaltenen Wiesen und Weiden bei der Sicherung der Artenvielfalt Mitteleuropas eine Schlüsselrolle, während umgekehrt die fast flächendeckende Ausbreitung des intensiv genutzten Wieslandes in den letzten sechs Jahrzehnten einen Hauptfaktor für die Verarmung der Biodiversität in Mitteleuropa darstellt. Dies spiegelt sich auch in der Gefährdungssituation der Biodiversität deutlich wieder. So sind 149 beziehungweise 39 Prozent der Pflanzenarten des extensiver genutzten Wieslandes gefährdet und 18 Prozent (67 Arten) potenziell gefährdet, während bei den Waldpflanzen lediglich 17 Prozent gefährdet und 13 Prozent potenziell gefährdet sind (MOSER et al. 2002). Bei den eigentlichen Fettwiesenarten sind keine gefährdeten Arten darunter.

Wie und warum entsteht Artenvielfalt im Wiesland? Was ist die Voraussetzung für eine hohe Biodiversität? Welche Faktoren fördern die Artenvielfalt, was ist ihr abträglich? Und welche Beziehungen bestehen zwischen Artenvielfalt und landwirtschaftlicher Produktion beziehungsweise Ertrag? Diesen Fragen wird in den folgenden Kapiteln nachgegangen.

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