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1.3 Multifunktionalität: Wiesland dient zu weit mehr als nur zur Futterproduktion

Die Qualität und Quantität, die eine Wiese an Gras und Heu als Futter für Raufutterverzehrer liefert, ist zwar oft der wichtigste Gesichtspunkt, unter welchem Wiesland beurteilt wird. Das Wiesland bietet aber zahlreiche weitere «Ökosystemdienstleistungen», von denen einige zunehmend wichtiger werden (Abb. 5). So werden immer mehr staatliche Beiträge für «gemeinwirtschaftliche Leistungen» wie die Erhaltung beziehungsweise Förderung der Artenvielfalt oder die Landschaftsqualität an solche Eigenschaften beziehungsweise Leistungen des Wieslandes gekoppelt. Viele Eigenschaften ausserhalb der Futtermenge und -qualität wirken sich aber auch auf andere Weise direkt wirtschaftlich auf den Betrieb aus, beispielsweise der Erosionsschutz oder das Saatgutpotenzial von Wiesen. Ein zentrales Argument für die Gewährung von Direktzahlungen im Wiesland ist auch die Offenhaltung der Landschaft.

Die wichtigsten der vielfältigen Leistungen des Wieslandes sind:

– Futterertrag in Bezug auf Menge und Qualität: Aus landwirtschaftlicher Sicht gehören Ertrag und Qualität eng zusammen. Ein hoher Ertrag an qualitativ hochwertigem Futter ist heute im sogenannten Wirtschaftsgrünland die im Vordergrund stehende Funktion des Wieslandes. Die mit dem Wiesenfutter mögliche Milch- und Fleischleistung pro Tier, aber ebenso die ökonomisch wichtige Grösse der Flächenproduktivität, also die Anzahl Liter Milch oder Kilogramm Fleisch, die pro Hektare Wiesland produziert werden können, hängen direkt vom Ertrag und der Qualität des Futters einer Wiese ab (s. Kap. 9). Ein hoher Ertrag ist im Naturfutterbau nur möglich mit einem stabilen, ausgewogenen Pflanzenbestand, bei dem einerseits die ertragsbildenden Arten zugleich die wertvollen Futterpflanzen ausmachen und bei dem andererseits auch die weiteren unentbehrlichen Funktionen wie Resilienz («Stabilität»), Befahrbarkeit usw. erfüllt sind.

Exkurs 2

Wiese – ein altes Wort mit junger Bedeutung

Noch anfangs des 20. Jahrhunderts wurde in der Fachliteratur heftig darüber debattiert, wie der Begriff «Wiese» zu definieren sei und wie er sich von den zahlreichen anderen, teilweise synonym verwendeten Begriffen wie Fluren, Rasen, Spreiten, Matten, oder Grasland abgrenze. Im Bemühen, die verschiedenen Bezeichnungen einzuordnen und das Wiesland begrifflich klar und einheitlich zu fassen, wurden auch immer wieder neue Begriffe kreiert und verschiedene Unterscheidungskriterien festgelegt. So gab es beispielsweise die Aufteilung zwischen «langrasigen grasreichen Wiesen» und «kurzrasigen, kräuterreichen Matten». Der deutsche Pflanzengeograph DRUDE (1890) fasste die verschiedenen Begriffe für das heutige Wiesland unter dem Begriff «Grasflurformation» zusammen. Der Zürcher Vegetationskundler Eduard RÜBEL führte 1930 den Begriff Sempervirentiherbosa ein, mit dem er das Wiesland kennzeichnete – was übersetzt aus dem Lateinischen soviel heisst wie «immergrünes Kräuterland».

Ausführlich mit dem Wiesenbegriff und den damals gebräuchlichen oder vorgeschlagenen Termini und Definitionen befassten sich die beiden weitherum anerkannten Futterbauwissenschafter Friedrich Gottlieb STEBLER und Carl SCHRÖTER, beide ebenfalls in Zürich tätig. Sie definierten 1892 in einem wegweisenden Werk die Wiese als Sammelbegriff über die vielen anderen vorhandenen Bezeichnungen als eine «Pflanzengesellschaft, welche aus… vorwiegend ausdauernden und krautartigen … Landpflanzen inklusive Moose und Flechten sich zusammensetzt und den Boden mit einer mehr oder weniger geschlossenen Narbe überzieht…». Nach dem Kriterium der Nutzung unterteilten sie die Wiesen in die «unberührten Naturwiesen oder Urwiesen», und die bewirtschafteten «Kulturrasen», die sie wiederum differenzierten in Streuewiesen und Futterwiesen, wobei sie unter der letzteren Kategorie gemähte Matten von beweideten Weiden unterschieden. Von späteren Autoren wurde immer wieder auf diese Einteilung Bezug genommen.

Warum sich unter den zahlreichen Begriffen in den vergangenen 100 Jahren das Wort «Wiese» als Oberbegriff für alle Arten von Wiesland durchgesetzt hat, ist unklar. Sicher ist nur, dass «Wiese» auf Mittelhochdeutsch «wise» beziehungsweise Althochdeutsch «wisa» zurückgeht. Die weitere Herkunft ist unsicher. Nach Etymologie-Duden könnte es entweder mit lat. «viridis» (grün) oder mit engl. «ooze» (Schlamm) beziehungsweise «woosy» (feucht) verwandt sein – und damit auch mit dem deutschen Wort «Wasser» (KAUTER 2002).

Gut nachvollziehbar ist dagegen die Herkunft des heute ebenfalls gebräuchlichen Begriffs «Matte». Matte hat nichts mit dem Lateinischen «matta» zu tun – auf welches sich der Begriff Matte im Sinne von Teppich usw. bezieht –, sondern geht auf die indogermanische Wurzel «med» zurück, welche auch im lateinischen «metare» (mähen, ernten, abhauen), im englischen Wort «meadow» oder im deutschen «(nieder)metzeln» und «mähen» enthalten ist. Der Begriff reicht also noch zurück in die Zeiten, in welchen Wiesen mangels schneidender, hochqualitativer Langblattsensen noch nicht gemäht, sondern mit Hausensen kleinflächig abgehauen wurden. Auch das Wort «Heu» geht auf «hauen» zurück (vgl. auch Kap. 6.4).

– Befahrbarkeit und Erosionsschutz: Intensiv genutzte Mähwiesen werden heute miti mmer schlagkräftigeren, grösseren und schwereren Maschinen befahren. Bei einer Neigung des Wieslandes von über 18 Prozent wird die Stabilität des Wasens (Grasnarbe) zu einem ausschlaggebenden Faktor für die Befahrbarkeit und damit für die effiziente und sichere maschinelle Nutzung. Ebenso wichtig ist ein stabiler Wasen für Weiden – vor allem bei nassen oder steilen Verhältnissen. Die Wasenstabilität kommt im Wesentlichen durch die rasenbildenden Grasarten zustande, wobei die stabilisierende Wirkung von Grasart zu Grasart unterschiedlich ist und oft unterschiedliche Ökotypen unterschiedliche Wasenbildungsfähigkeiten aufweisen (z. B. verschiedene Rotschwingel-Typen). Bei einer zu düngerintensiven Nutzung fallen die Rasengräser oft als erste aus, weil ein dichter, hochwüchsiger Pflanzenbestand zu wenig Licht in die unteren Bestandesschichten durchlässt (Kap. 3.3.1). Ausnahmen sind Weiden und Mähweiden mit einer sehr häufigen Nutzung, wodurch der Bestand immer tief bleibt und immer genügend Licht auch in die tieferen Vegetationsschichten einfällt. Wenig intensiv und extensiv genutzte Wiesen weisen meist einen sehr stabilen Wasen auf. Ausnahmen bilden einerseits sehr trockene Standorte, auf denen die Rasengräser keine geschlossene Grasnarbe mehr bilden können, andererseits saure, schattige Standorte, auf denen verschiedene Moosarten die Gräser mehr oder weniger stark verdrängen können.


Abb. 5. Undifferenzierte Wieslandnutzung: Die einheitliche, intensive Nutzung grosser Flächen schafft für die meisten Arten der Wiesenflora und -fauna lebensfeindliche Bedingungen. Auch weitere multifunktionale Leistungen des Wieslandes, die neben der Erhaltung der Biodiversität wichtig sind, beispielsweise hinsichtlich der Ästhetik, können mit einer solchen Nutzungsweise nicht mehr erbracht werden. Toggenburg/CH.

– Resilienz («Stabilität»): Bei Ackerkulturen kann eine Ernte unter extremen Bedingungen ganz oder teilweise ausfallen – auf die Folgekultur hat das kaum Einfluss. Nicht so bei einer Naturwiese: Ein degenerierter Pflanzenbestand – sei es durch Bewirtschaftungsfehler, sei es beispielsweise durch Mäuse- oder Engerlingsschäden oder auch durch eine extreme Trockenheit – kann Jahre brauchen, bis er wieder das alte Niveau von Ertrag und Qualität erreicht. Resilienz, also Robustheit gegenüber Umwelt- und Bewirtschaftungseinflüssen, ist deshalb im Naturfutterbau von grosser Bedeutung.

– Artenvielfalt / Biodiversität: Obwohl in der heutigen Form menschlichen Ursprungs, beherbergt das Wiesland einen Grossteil der heimischen Biodiversität Mitteleuropas (Kap. 2.4.1). Der Beitrag des Wieslandes zur Erhaltung der Biodiversität ist deshalb eine zentrale Funktion. Sie hat in den letzten Jahrzehnten parallel beziehungsweise komplementär zur extremen Verarmung seiner Biodiversität stark an Bedeutung gewonnen. Dabei zählt weniger die schlichte Zahl an Arten – denn auch eine stark gestörte, übernutzte Wiese kann als Folge eines kurzfristigen Auftretens verschiedener Störungszeiger in beschränktem Masse artenreich sein. Wesentlich sind die Kriterien 1) Anzahl Wiesenarten, 2) Anzahl seltenere oder gefährdete Arten und 3) Vorhandensein spezifischer Ökotypen (Vielfalt auf genetischer Ebene).

– Ästhetik: Auch dieses Kriterium nahm weitgehend parallel zum Verschwinden der Blumen- und Strukturvielfalt unserer Wiesen und Weiden einen immer höheren Stellenwert ein. Als besonders schön wird Wiesland in der Regel dann empfunden, wenn es blumenreich, farbig und strukturreich, also zum Beispiel mosaikartig genutzt oder mit Strukturelementen wie Rainen, Einzelbäumen oder Hecken durchsetzt ist (SCHÜPBACH et al. 2009). Aber auch die Artenvielfalt wird ästhetisch direkt positiv beurteilt (LINDE-MANN-MATTHIES et al. 2010). Schliesslich ist auch das Nutzungsmosaik des Wieslandes ein landschaftsästhetisch bedeutsamer Faktor. Seit 2014 können in der Schweiz für besonders blumenreiche Wiesen und für die Aufrechterhaltung eines vielfältigen Nutzungsmosaiks neben den Biodiversitätsförderbeiträgen spezifische Landschaftsqualitätsbeiträge ausbezahlt werden (Schweizerischer Bundesrat 2014). Ein Beispiel für die Förderung des Wiesland-Nutzungsmosaikes und weiterer ästhetischer Qualitäten des Wieslandes beinhaltet das Landschaftsqualitätsprojekt im Kanton Appenzell Ausserr hoden (Appenzell a. Rh. 2014). Die futterbauliche Nutzung ist zudem für die Offenhaltung und damit den Charakter vor allem auch der touristisch genutzten Landschaften ausschlaggebend.

2 Ökologie des Naturwieslandes
2.1 Wiesen als Abbild von Standort und Bewirtschaftung

Ökologisch betrachtet sind Naturwiesen und -weiden Lebensgemeinschaften von höheren Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen, die weitgehend ohne direktes menschliches Zutun (z. B. Ansaat, Pflanzung) am betreffenden Standort vorkommen und deren Zusammensetzung bei angepasster Nutzung über Jahrzehnte weitgehend stabil ist. Die Koexistenz der Vielzahl an Arten ist ein ökologisches Wesensmerkmal des Wieslandes, gleichzeitig ist sie wesentlich für seine Ertragsfähigkeit verantwortlich (Kap. 2.3.2).

Neben den Faktoren, welche alle natürlichen Ökosysteme prägen, wie Klima, Boden, Topographie und am Ort vorhandene Organismen, kommt bei den Naturwiesen – im Gegensatz zu den von menschlicher Nutzung unabhängigen Urwiesen (Abb. 3) – die Bewirtschaftung als ein dominanter Faktor dazu, der zudem unzählige Varianten aufweist.

Einen Überblick über das komplexe Wirkgefüge der Natur- und der Kulturfaktoren mit seinen zahlreichen Einflusskomponenten gibt Abbildung 6. Dabei ist zu bedenken, dass der sichtbare, oberirdische Teil der Wiese nur etwa die Hälfte des Lebensraumes ausmacht. Über viele der Prozesse und Wechselwirkungen, die im Wurzelraum ablaufen, haben wir erst ganz anfängliche Kenntnisse (Kap. 2.6).

Jede Bewirtschaftungsmassnahme beeinflusst das ganze Gefüge der vielfältigen Wechselwirkungen. Und die Folgen vieler Ereignisse oder Eingriffe manifestieren sich oft erst nach Jahren.

Der qualitative und quantitative Ertrag einer Wiese ebenso wie ihre botanische Zusammensetzung ist also das Resultat des Zusammenspiels aller Natur- und Kulturfaktoren. Boden, Klima und Gelände sind dabei die nicht oder nur eingeschränkt beeinflussbaren Faktoren, welche die Ertragsfähigkeit (Ertragspotenzial) eines gegebenen Standortes definieren. Die übrigen Faktoren sind mehr oder weniger direkt oder indirekt durch Nutzungs- und Pflegemassnahmen steuerbar.

2.2 Die abiotischen Umweltfaktoren
2.2.1 Wasserhaushalt

Die Wasserverfügbarkeit im Boden ist für die Pflanzen ganz direkt von vitaler Bedeutung zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensfunktionen. Aber auch indirekt prägt die Wasserverfügbarkeit die Wachstumsbedingungen vielfältig mit. So können viele Nährstoffe von den Pflanzen nur dann aufgenommen werden, wenn sie im Bodenwasser gelöst sind. Wassermangel – auch nur temporär – wirkt sich deshalb auf die Ausprägung einer Wiese ähnlich aus wie Nährstoffmangel. Auch der Umkehrschluss ist richtig: Die Ausbringung von Nährstoffen auf Wiesen, die regelmässig unter Wassermangel leiden, verfehlt den gewünschten Effekt. Abhilfe kann in diesen Fällen eine Bewässerung schaffen. Dies wird in den niederschlagsärmeren Regionen der Zentralalpen zunehmend praktiziert, um das Wiesland weiter intensivieren und mehr Ertrag erzeugen zu können (Kap. 6.10).


Abb. 6. Die wichtigsten Einflussfaktoren, welche die Entwicklung und die Eigenschaften einer Naturwiese prägen. Links «Naturfaktoren», kursiv: durch die Bewirtschaftung und weitere menschliche Aktivitäten wesentlich beeinflussbar. Rechts «Kulturfaktoren», blau: mähwiesenspezifisch, grün: weidespezifisch. Nach BOSSHARD (1999), ergänzt.

Auch zu viel Wasser, das heisst eine Wassersättigung des Bodens über längere Zeit, schränkt die Wuchsbedingungen ein und bestimmt das Vorkommen oder Nichtvorkommen vieler Arten. Hauptsächlich verantwortlich für diesen Effekt ist nicht das Wasser selber, sondern die durch das Wasser bewirkte reduzierte Sauerstoffversorgung des Bodens im Wurzelraum.

2.2.2 Nährstoffe und Düngung

Für Ertrag und Artenzusammensetzung des Wieslandes ist das Nährstoffniveau ein ausschlaggebender Faktor. Die Nährstoffe können von der Pflanze allerdings nur unter der Voraussetzung aufgenommen werden, dass die Wasserverfügbarkeit während der Wachstumszeit in geeignetem Masse sichergestellt ist. Ein ausgewogener Wasserhaushalt ist deshalb für eine gute Nährstoffverfügbarkeit ebenso ausschlaggebend wie die im Boden vorhandenen Nährstoffe.

Während bei Extensivwiesen der jährliche Ertrag lediglich aus den im Boden vorhandenen und durch den Niederschlag eingetragenen Ressourcen gebildet wird (Exkurs 3), wird definitionsgemäss ab einer wenig intensiven Nutzung aktiv Dünger zugeführt. Je nach Betriebsorganisation stammt die Nährstoffzufuhr mehr oder weniger aus geschlossenen betrieblichen Kreisläufen, oder aus einem Import auf den Betrieb, sei es in Form von zugekauftem Dünger (Hofdünger, Kunstdünger) oder von zugekauften Futtermitteln, die über die Verfütterung an die Raufutterverzehrer zu zusätzlichem Hofdünger führen.

Düngung, in welcher Form auch immer, ist – von der Herstellung bis zur Ausbringung – immer mit Kosten verbunden. Jede Düngung benötigt zudem Energie zur Herstellung und zum Ausbringen, und je nach Düngerart werden auch nicht erneuerbare Ressourcen wie Phosphor oder Erdöl verbraucht. Schliesslich hat Düngung in den meisten Fällen unvermeidliche negative Auswirkungen auf die Umwelt, z. B. durch Stickstoffemissionen in die Luft, wie sie bei jedem Einsatz von stickstoffhaltigen Düngern resultieren, oder durch den Eintrag von Düngerfrachten in Oberflächengewässer durch Ab- und Ausschwemmung oder durch Versickerung ins Grundwasser.

Sowohl aus wirtschaftlichen wie ökologischen Gründen ist deshalb ein sehr gezielter Einsatz der Düngung bei der Bewirtschaftung des Wieslandes zentral. Der Hofdünger schliesst dabei den Stoffkreislauf zwischen Wiese und Raufutterverzehrer auf dem Hof. Für seine Effizienz im Hinblick auf die Ertragsbildung, aber ebenso zur Minimierung negativer Umweltwirkungen und von Verlusten, sind einerseits die Aufbereitung (z. B. als Mist/Gülle, mit/ohne Zusätze), andererseits die Ausbringung entscheidend. Bei der Ausbringung sind neben den technischen Möglichkeiten (z.B. Einsatz von Schleppschlauchverteiler) vor allem die Form, der Zeitpunkt und die Menge der Hofdüngergaben zu beachten. Ihre Anpassung an den Standort und den Pflanzenbestand gehört zu den wichtigsten Massnahmen des nachhaltigen Naturfutterbaus und ist für den Ertrag und die botanische Zusammensetzung des Wiesenbestandes einer der Hauptfaktoren (s. Kap. 4.1).

Der Einsatz von Handelsdünger ist im Wiesland der Schweiz und den meisten Teilen Mitteleuropas in aller Regel nicht mehr zu rechtfertigen. Die meisten intensiv genutzten Wieslandböden der Schweiz sind heute vor allem in Regionen mit hohen Tierbeständen als Folge der anhaltenden Futtermittelzufuhr und Gülledüngung im Hinblick auf die Ertragsbildung für Jahrzehnte mit Phosphor gut bis übermässig versorgt (Kap. 6.9.2 und 6.9.3). Der nötige P-Gehalt im Boden, der zur Vermeidung von Ertragseinbussen nötig ist, wurde offenbar lange stark überschätzt (BUWAL 2004; BOSSHARD et al. 2010).

Was den mineralischen Stickstoffdünger (Handelsdünger) anbelangt, ist sein Einsatz im Wiesland in energetischer Hinsicht besonders ineffizient, einerseits weil seine Herstellung sehr viel fossile Energie benötigt (BOSSHARD et al. 2010), andererseits weil im Wiesland vielfältige Möglichkeiten einer Förderung der bakteriellen Stickstofffixierung über Leguminosen bestehen, die je nach Leguminosenanteil bis über 300 kg Reinstickstoff pro Hektare und Jahr fixieren können (Übersicht in KLATT 2008). Je mehr Stickstoff gedüngt wird, desto weniger Stickstoff produzieren die Leguminosen (Abb. 7).

Exkurs 3

Ertrag ohne Düngung: Bedeutung und Effekt der natürlichen Nährstoff-Nachlieferung des Wieslandbodens

Wiesland ist ein Ökosystem, das auch ohne Düngung einen massgeblichen, konstanten Ertrag liefert. Ungedüngte Magerwiesen liefern langfristig Erträge von bis zu 4 Tonnen Trockensubstand (TS) pro ha (DIETL 1986). Wird andererseits die Düngung in langjährig gedüngten Beständen ausgesetzt, geht der Ertrag zwar zurück. Die Höhe dieses Rückgangs hängt aber in hohem Masse von den Standortsbedingungen, insbesondere vom Nährstoff-Nachlieferungsvermögen des Bodens und von den klimatischen Bedingungen, aber auch vom Pflanzenbestand selber ab. In einem 20-jährigen Düngungsversuch auf einem guten Boden im Schweizer Jura nahm der TS-Ertrag von 6 bis 8 t/ha (je nach Düngungsvariante) nach Aufgabe der Düngung in wenigen Jahren auf 3,5 t/ha ab und blieb dann über all die Jahre weitgehend konstant. Im Mittel wurden dann pro Jahr und Hektare 12 kg P2O2, 71 kg K2O und 69 kg N im Erntegut abgeführt (THOMET und KOCH 1993). SCHIEFER (1984) stellte im Rahmen ausgedehnter Aushagerungsversuche in Baden-Württemberg unter günstigen Bedingungen hinsichtlich unter anderem des Nährstoff-Nachlieferungsvermögens des Bodens selbst nach 15 Jahren Aushagerung keinen nennenswerten Rückgang des Ertragsniveaus nach Aufgabe der Düngung fest, während unter anderen Bedingungen ein Ertragsabfall unterschiedlicher Stärke und Geschwindigkeit eintrat (SCHIEFER 1984).

Diese Erkenntnisse stellen in Frage, was bis heute in Lehre und Beratung den Landwirten und Studierenden vermittelt wird und worauf die Nährstoffbilanz und Düngungspraxis in vielen Ländern basiert: dass nämlich die aus einer bewirtschafteten Fläche abgeführten Nährstoffe ersetzt werden müssten, um die Ertragsfähigkeit des Wieslandes erhalten zu können. Dieser Ansatz wird auf Justus von LIEBIG (1840) zurückgeführt.

Zahlreiche Versuche der letzten Jahrzehnte zeigten eindrücklich, dass das Konzept der Düngerbilanz auf der Basis des Nährstoffersatzes zwar der Düngerindustrie regelmässigen Absatz sichert und überhöhte, mit importierten Futtermitteln gefütterte Tierbestände auf den Betrieben ermöglicht, aber nicht sachgemäss ist oder zumindest nur einen Teil der Zusammenhänge beschreibt. Unberücksichtigt bleibt dabei vor allem der wesentliche Faktor des Nährstoff-Nachlieferungsvermögens des Bodens (Abb. 7).

Besonders intensiv mit dem wichtigen Aspekt der Nährstoff-Nachlieferungsvermögen befasste sich SCHELLER (1993), der vor allem auf die Bedeutung und das Potenzial der aktiven Nährstoffmobilisierung durch die Pflanzen und ihre Bedeutung für den nachhaltigen, ressourcenschonenden Landbau aufmerksam machte. Pflanzen sind fähig, mittels Wurzelausscheidungen und mit Hilfe von Symbiosepartnern sich ihre Nährstoffe aus dem Boden aktiv zu erschliessen. Die meisten Böden beinhalten im unverwitterten Gestein und in unteren Bodenhorizonten grosse Mengen der benötigten Nährstoffe, die gemäss den üblichen Nährstoffanalysen jedoch als nicht pflanzenverfügbar gelten. Die Pflanzen geben gemäss SCHELLER bis zu 20 Prozent des in der Photosynthese gebundenen Kohlenstoffes in den Boden ab und zersetzen damit quasi aktiv Glimmer und Feldspäte im Schluffanteil des Bodens, um Nährstoffe wie Kalium und Phosphor sowie Spurenelemente freizusetzen. Inwieweit die aktive Nährstoffmobilisierung zur Versorgung der Pflanzen beitragen kann, hängt nach den Versuchen SCHELLERS entscheidend insbesondere von einer intakten Bodenstruktur und einer guten Durchwurzelung ab.

Bodenverbessernde oder bodenschonende Massnahmen können damit oft mehr zur Verbesserung der Ertragsfähigkeit des Wieslandes beitragen als eine Steigerung der Düngergaben. Durch die immer schwereren Maschinen, die bei der heutigen Wieslandnutzung eingesetzt werden, und die zunehmende Nutzungshäufigkeit geht die Entwicklung jedoch in die gegenteilige Richtung. Gemäss einer Studie aus dem Kanton Luzern wird bereits ein Drittel der Innerschweizer Wiesenböden als derart verdichtet und im Wasserhaushalt gestört eingeschätzt, dass irreversible Ertragsverluste selbst bei hohen Düngergaben zu erwarten seien (Umweltamt Luzern 2013). Aktive Nährstoffmobilisation ist unter solchen Bedingungen stark eingeschränkt oder ganz verhindert.

Auch hinsichtlich der Stickstoffbilanz zeigen neuere Versuche, dass selbst ein sehr hohes Ertragsniveau langfristig bei deutlicher Unterbilanz möglich ist (Abb. 7). Wird zusätzlich der aus der Luft deponierte Stickstoff einbezogen, welcher vor allem aus den Emissionen der Landwirtschaft und in deutlich geringerem Umfang vom motorisierten Verkehr stammt und in vielen Regionen der Schweiz selbst die Normdüngung der Fettwiesen der 1950er Jahre übertrifft (Exkurs 4), ist heute ein Grossteil des intensiver genutzten Wieslandes als überdüngt zu bezeichnen. Dies ist nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern verschwendet nicht erneuerbare Ressourcen und trägt durch die Stickstoffemission über die Luft oder die Auswaschung in die Gewässer zur Beeinträchtigung anderer Ökosysteme, des Trinkwassers und nicht zuletzt auch des Klimas bei.

Die im Boden passiv oder durch den Pflanzenbestand aktiv freigesetzten Nährstoffmengen sind keine vernachlässigbare Grösse. Hochgerechnet auf das Wiesland der Schweiz dürfte beispielsweise jedes Jahr aus den natürlichen bodenverfügbaren Phosphorvorräten zwischen 2000 und 5000 Tonnen P mobilisiert und pflanzenverfügbar gemacht werden. Das entspricht einem Vielfachen der P-Menge, welche die Schweiz jedes Jahr verlässt durch Exporte von Nahrungsmitteln und tierischen Abfällen.

Ein allfälliger Bedarf an Mineraldünger in Wiesland wird mit der Nährstoffbilanz begründet und berechnet. Diese basiert auf dem Prinzip, dass die Menge der Nährstoffe, die der Wiese durch die Ernte entzogen wird, wieder ersetzt werden soll. Die daraus resultierenden Empfehlungen überschätzen aber den tatsächlichen Bedarf des Pflanzenbestandes oft, weil bei den Düngungsplänen die natürliche Nährstoffnachlieferung des Bodens nicht berücksichtigt (Exkurs 3) und der aus der Luft eingetragene Stickstoff unterschätzt oder gar nicht einbezogen wird. Der über die Luft beziehungsweise. den Regen eingetragene Stickstoff, der vor allem aus der Landwirtschaft, aber auch aus Verbrennungsprozessen (Verkehr, Heizungen, Industrie) stammt, beträgt heute in Regionen mit hohen Tierbeständen oft über 60 kg N/ha, was einer Normaldüngung der Fettwiesen der 1950er Jahre entspricht.

In vielen Regionen ist der Einsatz von Handelsdünger heute aber ohnehin kein Thema mehr, weil nämlich zu viele Nährstoffe im Hofdünger anfallen. Grund sind die hohen Futtermittelzukäufe der meisten Landwirtschaftsbetriebe. Die Futtermittelimporte aus dem Ausland haben sich in der Schweiz seit 1990 fast vervierfacht und erreichen heute deutlich über 1 Mio. Tonnen jährlich (Kap. 6.9.3 und Abb. 71).

In den Futterbaugebieten der Schweiz werden heute in Bezug auf den Nährstoffgehalt knapp 20 Prozent des Futters für die Raufutterverzehrer auf die Landwirtschaftsbetriebe importiert (BOSSHARD und SANDERS 2009). Diese Futterimporte führen zu so viel Hofdünger, dass dieser vom Wiesland gar nicht mehr verwertet werden und darüber hinaus zu Schäden am Pflanzenbestand führen kann. Um den Mist und die Gülle los zu werden, wird deshalb in vielen Regionen, vor allem im sogenannten Schweinegürtel (vgl. Abb. 73), auch ohne Zukauf von irgendwelchem Dünger deutlich mehr gedüngt als gemäss Düngungsempfehlungen angezeigt wäre.


Abb. 7. DIEPOLDER und RASCHBACHER (2010) zeigten in einem langjährigen Versuch auf intensiv genutztem, ertragreichem Wiesland, dass auch bei einer stark unterbilanzierten Stickstoffrstoffzufuhr nachhaltig hohe bis sehr hohe Futterqualitäten bei hohen Erträgen in der Grössenordnung von 100 bis 110 t Trockensubstanz (TS) jährlich erzielt werden können. Die Differenz stammt vor allem aus den Leguminosen. Je mehr aber Stickstoff gedüngt wird (Anzahl Gülleiensätze pro Jahr), desto weniger Stickstoff produzieren die Leguminosen selber (kleinere Balken nach unten). Je intensiver die Nutzung (Nutzungsfrequenz), desto grösser fällt die N-Unterbilanz aus, das heisst desto grösser sollte in der Nährstoffbilanz die Differenz zwischen Bedarf und Entzug festgelegt werden.

Der Ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) in der Schweiz kommt dieser Situation «entgegen», indem eine maximal zehnprozentige Überdüngung an Stickstoff und Phosphor auf dem Betrieb zugelassen wird. Wenn Wieslanderträge angenommen werden, die über den tatsächlichen Verhältnissen liegen, kann ein weiterer Spielraum für das Ausbringen überschüssiger Nährstoffe auf dem eigenen Betrieb geschaffen werden.

Trotz der dehnbaren Nährstoffbilanz ist auf vielen Betrieben so viel anfallender Hofdünger vorhanden, dass er nicht mehr vollständig auf den eigenen Flächen ausgebracht werden kann. Die überschüssige Gülle und Mist werden dann an Betriebe abgegeben, welche in ihrer Nährstoffbilanz noch Spielräume haben. Dabei bezahlt nicht etwa der Empfänger der Hofdünger für den wertvollen Rohstoff, sondern der Lieferant für die «Entsorgung». Gemäss Schweizerischer Bundesrat (2009) mussten im Jahre 2004 rund 14 500 Höfe und 2008 bereits fast 17 000 Höfe, das ist fast ein Drittel der tierhaltenden Landwirtschaftsbetriebe, überschüssigen Hofdünger mit einem Gehalt von total etwa 8275 Tonnen N und 2023 Tonnen P abgeben. In einigen Regionen stammt ein Grossteil dieser Überschüsse aus der Schweinehaltung.

Der futtermittelimportbedingte Nährstoffüberhang auf den Landwirtschaftsbetrieben verursacht ökologisch vielseitige Probleme und stellt alles andere als eine ressourceneffiziente Produktion dar. Futterbaulich ist die damit einhergehende Überdüngung des Wieslandes in den futterwüchsigen Regionen der tieferen Lagen jedoch weitgehend unproblematisch, da die hier vorherrschenden Grasarten auch ein zu hohes Nährstoffniveau ertragen. Anders ist die Situation in den höheren Lagen. Hier führen die zu hohen Nährstoffgaben zum Verschwinden wertvoller Futtergräser. Diese hinterlassen Lücken und der Bestand verunkrautet mit futterbaulich minderwertigen Wieslandpflanzen (Kap. 3.3.1). In den Bergregionen sind Tausende von Hektaren an Wiesland heute futterbaulich mehr oder weniger stark degeneriert (eigene Abschätzung aufgrund unpubl. Kartierungen). Trotz beziehungsweise wegen der zu hohen Düngergaben sind ihre Erträge niedriger als sie bei einer bestandesgemässen Nutzung mit angemessenen Düngergaben wären (Abb. 8).


Abb. 8. Während in tieferen Lagen verschiedene Wiesengräser mit einer überhöhten Düngung umgehen können und den Bestand stabil halten, schädigt eine nicht angepasste, zu hohe Düngung den Wiesenbestand in höheren Lagen. Im Bild eine überdüngte Goldhaferwiese im Avers (Kanton Graubünden), die fast nur noch aus futterbaulich minderwertigen Kräutern, hier vor allem Schlangenknöterich, besteht. Da eine stabile Grasnarbe fehlt, wird das Befahren an steileren Lagen verunmöglicht oder sehr gefährlich (Abrutschen der Maschinen). Gleichzeitig steigt die Erosions- und Murengefahr stark an. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden Tausende von Hektaren Wiesland im Schweizer Berggebiet futterbaulich durch Überdüngung entwertet; genauere Zahlen dazu gibt es bisher allerdings nicht.

Die hohen Nährstoffimporte über den Zukauf von Futtermitteln sind auch deshalb problematisch, weil damit die Nährstoffkreisläufe in grossem Stil unterbrochen werden. Die Nährstoffe, die auf den Importbetrieben überschüssig sind und die Umwelt belasten, fehlen gleichzeitig dort, wo die Futtermittel produziert werden und müssen dann mittels mineralischem Kunstdünger den Böden wieder zugeführt werden – ein doppelt ineffizientes und umweltschädliches System (BOSSHARD 2011).

Eine geringe Zufuhr von speziellen Futtermitteln auf den Hof kann allerdings für bestimmte Fütterungsphasen sinnvoll sein (Kap. 9.2). Überschreitet der Anteil von zugekauften, nicht lokal produzierten Futtermitteln aber nährstoffbezogen (nicht gewichtbezogen) 2 bis 5 Prozent des auf einem Wieslandbetrieb selber produzierten Futters, ist dies als nicht nachhaltig zu bezeichnen und widerspricht der Erreichung verschiedener Umweltziele Landwirtschaft UZL (BAFU und BLW 2008; BOSSHARD et al. 2010).


Abb. 9. Zusammenhang zwischen Düngung, Düngungseffizienz und Ertrag. Auch ohne Düngung liefern Wieslandökosysteme langfristig, das heisst nachhaltig einen Ertrag bis zu 4 t/ha TS aus dem natürlichen Nährstoff-Nachlieferungsvermögen des Bodens. Mittels Düngung lässt sich der Ertrag darüber hinaus deutlich steigern. Die Effizienz ist bei tiefen Erträgen am höchsten, danach über einen weiten Bereich weitgehend konstant, und nimmt dann bei einer Überintensivierung wieder ab. Vergleiche auch Abbildung 7.

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