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Es war ohne Zweifel eine Tatsache, dass die technologische Entwicklung in den Ländern des Weltverbundes seit vielen Jahren stagnierte oder gar zurückging. Die von der Weltregierung eingesetzte Militärtechnologie, die meist auf den deutschen Erfindungen des letzten Jahrhunderts basierte, war in den letzten Jahrzehnten kaum weiterentwickelt oder gar durch neue, bahnbrechende Erfindungen ergänzt worden.

Da die Logenbrüder die von ihnen beherrschten Länder kulturell und geistig verkümmern ließen, hatte auch die technologische Entwicklung keine nennenswerten Fortschritte mehr gemacht. Denn wo das allgemeine Credo lediglich Kontrolle und Ausbeutung war, legte man auf die gezielte Förderung von Wissenschaft und Forschung zunehmend weniger Wert.

Es zeigte sich in diesem Kontext, wie enorm wichtig es war, gerade die hochbegabten Teile des Volkes zu fördern und zu vermehren, wie es Artur Tschistokjow tat. Die Logenbrüder hingegen wollten keine Nationen mit starken Kulturen und großen Denkern hervorbringen, sondern waren an einem Völkerbrei aus identitätslosen und geistig niedrig stehenden Sklaven interessiert.

Damit waren sie jedoch auf dem besten Wege, sich selbst ins eigene Fleisch zu schneiden. Die ehemals hochtechnisierten Völker Europas beispielsweise, die in der Vergangenheit immer wieder Wunderwerke der Erfindung hervorgebracht hatten, schwanden heute dahin und ihre geistige Entwicklung war in den letzten Jahrzehnten immer weiter vertrocknet. Artur Tschistokjow hatte sich dagegen geschworen, diesen Zerfall aufzuhalten und das sterbende Europa doch noch wiederzubeleben. Aber dafür musste er diesen grausamen Krieg gewinnen, wovon er im November des Jahres 2051 meilenweit entfernt war.

Der Anführer der Rus und sein Führungsstab hatten den Atombunker am Fuße des Uralgebirges verlassen und waren unter strengster Geheimhaltung nach Kungur gefahren, um sich dort mit einem engen Vertrauten des islamischen Rebellenführers Darian Aref zu treffen. Sie redeten nunmehr seit Stunden mit dem Iraner und wurden sich langsam einig.

„It is very important that we fight together. If Mr. Aref is able to unleash a bigger rebellion in the Iran and the Arabic world it will be good for Russia too”, meinte Wilden.

Der Gast nickte. „I think that we will be able to attack the GCF in the Middle East some day, but we need more weapons to form a revolutionary army, do you understand?”

„Yes! The National Alliance of the Rus is willing to support your fight against the GCF. But we have a lot of problems here in Russia. The enemy comes closer and closer – and our casualties are great!”, bemerkte Tschistokjow.

„Believe me, Mr. Tschistokjow, Millions of young Muslims are waiting for a leader like Darian Aref and the holy war against the World Government, but we don’t have enough weapons”, antwortete der iranische Freischärler.

„Wenn die moslemischen Rebellen die GCF in einigen Regionen des Mittleren Ostens binden, also eine zweite Front aufmachen und ihre Nachschublinien attackieren, dann hat das für uns große Vorteile“, gab einer der anwesenden Generäle zu bedenken.

„Das ist vollkommen richtig, aber wir haben selbst auch nicht unendlich viele Waffen zur Verfügung“, bemerkte Wilden. „Trotzdem kann ein flächendeckender Aufstand der islamischen Welt dem Feind im Nahen Osten das Rückgrat brechen.“

Der Iraner schaute seine Gesprächspartner fragend an, da er nichts von dem Gesprochenen verstanden hatte. Dann lächelte er.

„Do you want to support us?“, fragte er.

Tschistokjow nickte. „Yes! With all we can give! We will send you some weapons at first, and some training officers of the Volksarmee too.”

„Sie wollen den Moslems Ausbildungsoffiziere schicken, Herr Präsident?”, wunderte sich Verteidigungsminister Lossov.

„Ja, zumindest ein paar. Sie sollen die islamischen Milizionäre trainieren, damit sie gegen die GCF eine Chance haben. Diese Orientalen sind zwar heißblütig, aber es mangelt ihnen an Disziplin und Organisation.“

„Es würde unsere Südfront gehörig entlasten, wenn es Aref gelänge, einen Flächenbrand in der islamischen Welt zu entfachen“, betonte Wilden noch einmal.

„So ist es. Das ist eine Chance, die wir nutzen müssen!“, meinte der Anführer der Rus.

„Then I can tell Mr. Aref that the National Alliance of the Rus will support our rebellion, right?”, vergewisserte sich der Unterhändler noch einmal.

“Yes! We are willing to fight together with you against our common enemy“, gelobte Tschistokjow, dem Iraner schließlich die Hand schüttelnd.

Dieser machte sich daraufhin wieder auf den Weg in seine Heimat und der russische Staatschef und seine Getreuen waren froh, einen weiteren Verbündeten zu haben. Darian Aref konnte Großes erreichen, wenn er die Kraft des Islam gegen den gemeinsamen Feind entfesselte. Vielleicht waren die Moslems nicht übermäßig gut ausgebildet und technisiert, doch waren sie zahlreich und voller Hass auf die Weltregierung und die dahinter stehende Macht.

Frank schleuderte eine Handgranate in den Eingang des zerschossenen Ruinenhauses und sprang in Deckung. Sekunden später ließ ein dumpfer Schlag das Gebäude erbeben und die Waräger stürmten vor. Der rauschende Strahl eines Flammenwerfers zischte durch den langen, dunklen Korridor, während Franks Soldaten wie wild auf alles feuerten, was aus den Rauchschwaden heraustaumelte.

„Vorwärts!“, brüllte Kohlhaas in sein Funkgerät und einige seiner Soldaten rannten die Treppen ins obere Stockwerk hinauf, um von einem wütenden Feuerstoß empfangen zu werden. Ein Soldat, der vor Frank die Stufen hochgerast war, torkelte zurück; er riss den General mit sich.

Dieser sah sich nach seinem reglosen Kameraden um, der mitten im Gesicht getroffen worden war und ein letztes Mal zuckte, bevor er sich nicht mehr rührte.

Frank schleuderte eine weitere Handgranate, sprang die Treppe wieder blitzartig herunter, duckte sich. Eine laute Detonation donnerte durch die obere Etage, während die Waräger erneut versuchten, nach oben zu kommen. Es war ein furchtbares Getöse und ehe sie sich versahen, rannten mehrere GCF-Soldaten mit lautem Gebrüll auf sie zu und stachen mit ihren Bajonetten auf sie ein. General Kohlhaas sah eine blitzende Klinge auf seinen Brustpanzer zurasen, wich dem Stoß jedoch in letzter Sekunde aus. Er hatte wieder zu Pistole und Machete gegriffen. Im Gegenzug trieb er seine rasiermesserscharfe Nahkampfwaffe durch die Körperpanzerung eines GCF-Soldaten. Mit einem lauten Schmerzensschrei taumelte dieser zurück und brach zusammen. Hinter ihm wurde sofort der nächste Gegner sichtbar. Frank reagierte reflexartig; er tötete den Mann mit einem Kopfschuss.

Neben Kohlhaas prasselten einige Projektile gegen die Betonwand, doch der General und seine Männer ignorierten den Beschuss und machten die Feinde auf dem Korridor in einem brutalen Hauen und Stechen nieder.

Nach und nach wurde Frank von einer berserkerhaften Raserei ergriffen und schlug mit der Machete um sich, während er gleichzeitig auf Kopfhöhe feuerte.

„Vorwärts, Brüder! Tötet sie alle!“, brüllte er so laut er konnte und schlitzte einen GCF-Soldaten, der aus einem Nebenraum gesprungen war, mit der Machete auf. Der Mann ging zu Boden, als Frank auch schon über ihm stand und ihm mehrfach ins Gesicht schoss. Knurrend sah sich der General um. Dann wischte er sich einige Blutspritzer aus den Augen.

Endlich hatten die schwer gepanzerten Waräger diese Etage in ihre Gewalt gebracht. Mehr und mehr von ihnen kamen die Treppenaufgänge hoch und rangen die überall im Gebäude verschanzten GCF-Soldaten mit Bajonetten, Flammenwerfern und Handgranaten nieder.

General Kohlhaas war heute wieder an vorderster Front mit dabei, um seinen Männern und Landsleuten ein Beispiel an Mut und Tapferkeit zu geben. Die Volksarmee und die deutschen Freiwilligen kämpften nunmehr seit Tagen um Leipzig und versuchten, den Großangriff der Global Control Force mit allen Mitteln abzuwehren.

Mittlerweile hatte der Feind die Innenstadt fast erreicht und brach langsam durch den Abwehrgürtel, den die Verteidiger gelegt hatten. Mit der Rückeroberung dieses strategisch günstig liegenden Gebäudes in der Leipziger Innenstadt, direkt neben einem großen Platz, hatten die Waräger eine Stellung gewonnen, an der sich hervorragend Scharfschützen und schwere Waffen postieren ließen.

„Die kommen mit Panzern!“, schallte es aus dem Komm-Sprechgerät an Franks Kragen. Der General hastete zurück auf die Straße, die mit Schutt und toten Soldaten übersät war.

„Wie weit sind die Tanks noch weg?“, fragte Kohlhaas.

„Ein paar Straßen weiter. Die haben da die Stellungen der Volksarmee mit ihren Geschützen eingeebnet“, erhielt er als Antwort.

„Alle Plasmawerfertrupps hierher!“, befahl Frank. Wenige Minuten später bezogen die Waräger mit den schweren Waffen hinter einigen Trümmerhaufen und Mauerresten Stellung.

„GCF-Infantrie rückt durch Quadrat E-7 vor, General!“

Kohlhaas musterte die kleine Karte auf seinem DC-Stick, er gab ein paar Befehle durch.

„Scharfschützen schießen nur auf die Offiziere und Truppführer! Plasmawerfer nur auf die Panzer! Alle anderen knallen den Rest ab! Verzahnte Feuerlinien! Ihr wisst ja, wie es geht, Kameraden!“

Frank kroch zu einer Gruppe seiner Männer hinter eine eingestürzte Mauer und wartete. Nach etwa einer halben Stunde näherten sich mehrere Panzer, die sofort damit anfingen, die Häuser um sich herum in Stücke zu schießen. Schutt und Trümmer flogen durch die Luft, Häuserfronten stürzten krachend auf die Straßen.

„Wartet noch! Lasst sie kommen!“, gab der General durch.

„Infanterie folgt den Panzern …“, ergänzte einer der Späher.

„Warten, Männer!“

Die Tanks fuhren auf den großen Platz in der Leipziger Innenstadt, den die Waräger, die überall verschanzt waren, in eine Todeszone verwandelt hatten.

„Jetzt!“

Glühende Plasmabälle rasten von einer Sekunde auf die andere in Richtung der Panzer, um sich durch die Außenhüllen der Fahrzeuge zu fressen. Drei der Tanks explodierten, während die anderen weiter vorwärts rollten und ununterbrochen auf die Häuser schossen. Schließlich folgte die GCF-Infanterie, die versuchte, hinter den Panzern oder den überall liegenden Trümmerhaufen Deckung zu finden.

In der Masse der angreifenden Soldaten spritzten plötzlich kleine, blutige Wolken auf, denn die Scharfschützen der Volksarmee hatten damit begonnen, die Truppführer und Offiziere des Gegners gezielt zu töten.

„Verzahnte Feuerlinien!“, gab Frank durch. Augenblicklich donnerten die Sturmgewehre seiner Männer los.

Dutzende GCF-Soldaten, die den großen Platz überqueren wollten, brachen getroffen zusammen, brüllten auf, warfen sich in den Dreck. Derweil explodierten weitere Panzer, die pausenlos von den Plasmawerferschützen unter Feuer genommen wurden.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann waren die Gegner so weit in die von den Warägern errichtete Todeszone hineingelaufen, dass sie von allen Seiten beschossen werden konnten und sich der Gegenangriff in ein Blutbad verwandelte. Überall wurden ganze Schwärme feindlicher Soldaten niedergemäht und die vorrückenden Infanteristen purzelten schreiend und sterbend durcheinander.

Schließlich wandten sich die GCF-Soldaten zur Flucht, Frank befahl seinen Männern, die Verfolgung aufzunehmen. Sämtliche Feindpanzer waren mittlerweile entweder zerstört worden oder zogen sich wieder zurück. Feuernd, schreiend und von Franks bebender Stimme vorwärts getrieben, setzten die Waräger den fliehenden Feinden nach und machten jeden nieder, den sie erwischen konnten.

Sie hetzten die panischen Gegner durch die Gassen, während ihnen einige Trupps deutscher Freiwilliger zu Hilfe kamen und die flüchtenden GCF-Soldaten mit ihren Sturmgewehren unter Feuer nahmen.

Frank und seine Waräger hatten derartige Situationen und Taktiken inzwischen unzählige Mal einstudiert, sie mehr und mehr perfektioniert. Doch dieser kleine Sieg im Herzen von Leipzig war nur ein winziger Ausschnitt aus der großen, erbitterten Abwehrschlacht, die um die sächsische Großstadt entbrannt war.

Die Welt ist eine Holozelle!

Weitere Verbände der Volksarmee waren in Mecklenburg eingetroffen und hatten Rostock nach tagelangen Kämpfen einnehmen können. Ludwig Orthmann und ein Dutzend deutsche Freiwillige aus seinem Dorf waren bei der Offensive dabei gewesen. Sie freuten sich wie die Kinder, als sie unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Straßen der befreiten Hansestadt zogen.

Orthmann konnte es noch immer kaum fassen, dass er seine Heimatstadt nun als freier Mann wiedersehen durfte. Tagelang blieb er in einem Zustand überschwänglicher Euphorie. Doch die Freude währte nur kurz, denn schon näherten sich neue GCF-Verbände von Westen, so dass die Kämpfe bei Güstrow und Bad Doberan unerbittlich weitergingen.

Derartige Siege bedeuteten zudem wenig, denn seit Monaten wogte ein ständiges Hin und Her auf den Schlachtfeldern im Osten Deutschlands. Erobern und Zurückerobern, Woche für Woche das Gleiche, während immer mehr Gefallene die verwüsteten Landschaften bedeckten. Und so war es im Prinzip fast überall, obwohl die immer weiter anwachsenden Heere des Weltverbundes die Volksarmee der Rus allmählich zurückdrängten.

Als der Winter im Dezember über die Nordhalbkugel der Erde hereinbrach, so heftig wie seit langem nicht mehr, da verschaffte er Artur Tschistokjow zumindest eine kurze Ruhepause, denn die feindlichen Streitkräfte mussten sich in Russland nun mühsam durch Eis und Schnee vorkämpfen. In Japan waren die Städte Kunamoto und Fukuoka derweil von der Global Control Force erobert worden, obwohl die japanischen Soldaten, genau wie im ersten Krieg um die Inselgruppe, erneut hartnäckigen Widerstand geleistet hatten. Kagoshima und Nagasaki waren indes von den GCF-Truppen umgangen worden, denn sie waren nur noch verstrahlte Ruinenlandschaften und somit als militärische Angriffsziele uninteressant.

Schließlich setzten die internationalen Truppen auf die Hauptinsel Honshu über, wo sie Millionen fanatische Verteidiger erwarteten. Der brutale Atomschlag gegen Tokio und vor allem die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki hatten die japanische Volksseele wie einen Hexenkessel aufkochen lassen, und nicht, wie es die Logenbrüder erhofft hatten, die Kampfmoral der Ostasiaten gebrochen.

Bald gingen die Invasoren auch bei Fukui an Land und versuchten, sich im Küstengebiet festzusetzen. Tagelang hatten sie sich durch ausgedehnte Graben- und Bunkeranlagen gekämpft, bis sie endlich ein paar Brückenköpfe errichten konnten. Zwar kämpften die Japaner noch immer äußerst tapfer, doch waren sie in der Mandschurei mittlerweile vernichtend geschlagen worden, während ihr Inselreich zugleich von feindlichen Truppen überschwemmt wurde.

Gute Nachrichten kamen allerdings noch vor dem Jahreswechsel aus dem Iran. Während sich die Weltregierung nämlich ganz auf den Krieg gegen Russland und Japan konzentrierte, hatte Rebellenführer Darian Aref mit seinen Milizen die Städte Kerman, Bander Abbas und Chabarhar erobert. Der in Teheran regierende Vasall der Logenbrüder, Sub-Gouverneur Hassan Basari, befand sich inzwischen in arger Bedrängnis, denn große Teile des iranischen Volkes hatten sich auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Inzwischen kontrollierten diese den Süden und Nordosten des Landes und dehnten ihre Macht immer weiter in Richtung Teheran aus.

Darian Aref, der seinen Anhängern eine Synthese zwischen Islam und altpersischer Kultur als neue Philosophie predigte, hatte einen Einfluss gewonnen, der den bei vielen Iranern verhassten Sub-Gouverneur eines Tages zu Fall bringen konnte.

Wieder neigte sich ein Jahr dem Ende zu. Frank und Alf waren für einige Tage nach Ivas gefahren. Hier wollten sie das Weihnachtsfest mit ihren Frauen und Kindern verbringen und die Front für ein paar Tage vergessen. Auch Wilden hatte den Atombunker, der inzwischen sein zweites Zuhause geworden war, verlassen und war nach Litauen zurückgekehrt. Er war mittlerweile, genau wie Frank und Alf, mit den Nerven am Ende und hatte sich trotz aller Warnungen Tschistokjows, der selbst seinen Bunker überhaupt nicht mehr verließ, an die Oberfläche begeben, um noch einmal nach seiner Familie zu sehen.

Erwartungsgemäß verbrachten alle die Weihnachtsfeiertage in gedrückter Stimmung, ständig in Sorge, gleich eine neue Hiobsbotschaft über einbrechende Fronten und Atombombenangriffe zu hören.

Doch noch war alles, zumindest was die weitere Eskalation des Atomkrieges betraf, ruhig geblieben. Die beiden Kriegsparteien hatten es bisher dabei belassen, weiter ihre Armeen gegeneinander anrennen zu lassen und hielten sich mit Nuklearschlägen zurück.

Leipzig und viele andere Städte im Osten Deutschlands wurden noch immer von der GCF belagert, alles stand mehr denn je auf Messers Schneide. Nachschubprobleme und furchtbare Verluste quälten die Volksarmee inzwischen in zunehmendem Maße; es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der zahlenmäßig überlegene Gegner endgültig durchbrach und jeden Widerstand zerschlug.

Nun hatten sich die verfeindeten Soldaten jedoch meist in ihre Stellungen zurückgezogen und ruhten sich für einige Tage aus. Selbst die Weltregierung musste ihren Dienern ab und zu eine Ruhepause zugestehen, obwohl das Weihnachtsfest für ihre führenden Vertreter keinerlei Bedeutung hatte. Es hatte sich jedoch unter den Soldaten eingebürgert, dass man sich in dieser Zeit ausnahmsweise nicht gegenseitig niedermetzelte. Zudem konnte man auch die Soldaten der GCF nicht ununterbrochen kämpfen lassen.

Frank hatte sich diesmal vor allem darauf gefreut, seinen alten Gefährten, den russischen Außenminister, wiederzusehen. Wie lange waren sie durch diesen Krieg voneinander getrennt gewesen!

Der eine stand fast pausenlos an irgendeiner Front, während der andere in einem Atombunker tief unter der Erdoberfläche zusammen mit Artur Tschistokjow die Geschicke des Nationenbundes lenkte. Zudem war Wilden für seinen Chef auch zu so etwas wie einem „psychologischen Berater“ - manche hätten ihn sogar als Therapeut bezeichnet - geworden. Er stand Tschistokjow, dessen Nerven immer mehr unter dem furchtbaren Krieg litten, ständig mit Rat und Tat zur Seite, was manchmal äußerst anstrengend war.

Jetzt war Familie Wilden, inklusive des angeheirateten „Achilles von Weißrussland“, jedoch erst einmal zusammen und versuchte, die Weihnachtstage so schön es ging zu gestalten. Sie waren alle noch nicht tot, wie Alf zynisch bemerkte, und das war immerhin ein Grund zur Freude.

Wilden spazierte mit Frank durch den schneebedeckten Wald, der Ivas wie ein Ring umschloss, und sie plauderten beinahe unbeschwert. Kohlhaas hatte die Vorträge seines Schwiegervaters, die ihm früher nicht selten auf die Nerven gegangen waren, inzwischen regelrecht vermisst. Und der ehemalige Unternehmer aus Westfalen ließ es sich auch diesmal nicht nehmen, seinen jungen Freund ein wenig zu belehren.

„Artur Tschistokjow und seine politische Bewegung sind ein Produkt, eine Ware, die die Menschen kaufen oder auch nicht. Natürlich ist das nicht alles, aber so kann man es sich in gewisser Hinsicht vorstellen“, sagte Wilden.

„Wie meinst du das denn jetzt, Thorsten?“, wunderte sich Frank.

„Ganz einfach! Stell dir einfach vor, dass du einem Fisch, der im Meer schwimmt, ein Glas Meerwasser verkaufen willst. Was würde der Fisch sagen, wenn du ihn ansprichst?“

„Ich verstehe nicht, was du meinst. Keine Ahnung, was der Fisch sagen würde. Vielleicht: „Verschwinde mit deinem Glas Meerwasser! Siehst du denn nicht, dass ich mitten im Meer schwimme und von Millionen Kubikmetern Meerwasser umgeben bin!“, erwiderte Kohlhaas mit einem Achselzucken.

Wilden grinste. „Genau! Genau das würde der Fisch sagen! Er hat doch genug Meerwasser um sich herum und braucht dein Glas mit Sicherheit nicht.“

„Ja, und?“

„Nun stelle dir aber einmal vor, dass eine hohe Welle den Fisch an Land gespült hätte und das arme Tier am Strand liegen würde, mit dem Tode ringend, nach Wasser lechzend“, erklärte der ältere Herr.

„Tja, dann würde der arme Fisch mich wohl anbetteln, ihn in das Glas mit Meerwasser zu stecken, damit er nicht verreckt“, gab Frank zurück.

„Richtig! Du wärst sein Lebensretter. Der Fisch würde alles dafür geben, dass du ihm das lebensnotwendige Meerwasser beschaffst. Verstehst du, was ich damit sagen will?“

„Mehr oder weniger …“, brummte Kohlhaas.

„Artur Tschistokjow, seine Rus und wir alle hätten Millionen Flugblätter verteilen können, jeden Tag Hunderte von Demonstrationen durchführen können, ohne dass irgendwer uns zugehört oder uns gebraucht hätte, wenn es den Leuten weiterhin materiell gut gegangen wäre. Sie hätten uns alle wie der Fisch im Meer behandelt und gesagt: „Egal, ob ihr die besseren Ideale habt oder nicht, uns geht es gut, wir brauchen euch nicht.“

Vor einigen Jahrzehnten war der Wohlstand in Europa noch so groß, dass alle wohlgenährt in ihrer Konsumwelt gelebt haben und es die Masse der Europäer nicht sonderlich interessiert hat, ob sich drohende Schatten am Horizont zusammenbrauten oder nicht. Die Masse denkt nicht und ist auch nicht durch gute Argumente zu überzeugen, so lange es ihr gut geht. Sie musste erst wie der Fisch an Land geschwemmt werden, um Hunger, Leid und Mangel am eigenen Leib zu erfahren. Erst dann benötigte sie einen Retter, dann schrie sie sogar nach einem Retter, und nur so konnte Artur Tschistokjow überhaupt politische Macht erlangen“, dozierte Wilden.

„Da hast du Recht!“, meinte Frank.

„Unsere Feinde haben in der Vergangenheit alle ihre Pläne verwirklichen können, weil die Masse fettgefüttert war. Selbst wenn sie nicht mit der Politik einverstanden war, so hat sie doch nichts dagegen getan. „Uns geht es doch noch gut!“ war früher immer der allgegenwärtige Spruch der Leute. Ich kann mich noch daran erinnern.

Die schweren Wirtschaftskrisen der Vergangenheit waren gleichzeitig unsere Rettung. Die träge, feige Herde wurde vom Schicksal aus ihrer Ignoranz gepeitscht und wir müssen Gott danken, dass er uns die Not geschenkt hat. Nur die Not hat die Leute wachgerüttelt, keine Ideen oder Programme. Allein der leere Magen, die Angst vor Schmerz und Tod, der wachsende Mangel und die Unzufriedenheit haben uns geholfen. Nur wenige Menschen sind wirklich in der Lage, eigenständig zu denken oder machen sich überhaupt die Mühe, es zu tun. Die Masse aber reagiert immer nach Instinkt, niemals nach Vernunft. Wäre ein Artur Tschistokjow zum Beispiel im Jahre 2010 aufgetaucht, so hätten ihn die wohlgenährten Bürger verlacht und niemand hätte auf ihn gehört.

„Verschwinde mit deiner Revolution! Wir wollen fressen, konsumieren und unterhalten werden! Du störst unseren Frieden und unsere Wohlstandsruhe!“, hätte man ihm vorgeworfen und ihn verjagt.

Der Zerfall der Zivilisation, der Zusammenbruch der Sozialsysteme und der Wirtschaft waren Gottesgeschenke. Ohne sie hätte der neue Morgen niemals einen Nährboden gefunden“, sprach der Außenminister.

Frank schwieg. Es gab nichts hinzuzufügen. Sein Freund hatte die Lage richtig analysiert.

Nach dem erholsamen Waldspaziergang mit Wilden und einem leckeren Weihnachtsessen war Frank mit Julia zu Bett gegangen. Er hatte sich trotz aller widrigen Umstände im Hintergrund entspannt gefühlt, als er endlich die Augen geschlossen und friedlich eingeschlafen war. Das änderte sich jedoch rasch, nachdem ihn sein Geist wieder einmal in eine verstörende Traumwelt geführt hatte.

Frank riss die Augen auf und starrte mit fassungslosem Entsetzen in das gleißende, grelle Licht, das in seine Augäpfel stach. Dann blickte er an sich herunter. Er war an einen Stuhl geschnallt worden und direkt vor ihm standen zwei große Fernseher, die sich plötzlich wie von selbst einschalteten.

Der General ruckelte an seinen Fesseln und schrie auf, doch er hatte keine Möglichkeit, sich irgendwie zu befreien. Schließlich erkannte er, wo man ihn gefangen hielt. Es war die Holozelle, in der er vor vielen Jahren so entsetzlich gelitten hatte. Hinter den beiden Fernsehern konnte er die Konturen der hellgrauen Kunstlederpritsche und der Toilette an der Wand erkennen. Er war wieder da, an jenem Ort, der ihn in das Auge des Wahnsinns hatte blicken lassen.

Frank richtete seinen Blick auf die Fernseher vor sich und sah, dass der eine Bildschirm mit dem Gesicht des Weltpräsidenten und der andere mit dem Konterfei Artur Tschistokjows ausgefüllt war. Die Konturen der beiden Männer waren seltsam verzerrt, ihre Gesichter glichen dämonischen Fratzen.

Frank schrie erneut auf, versuchte sich los zu reißen, doch es gelang ihm nicht. Er musste auf dem Stuhl bleiben und zusehen. Indes begannen der Weltpräsident und Tschistokjow zu sprechen, erst ganz leise, dann immer ein wenig lauter.

„Die barbarischen Horden der Weltregierung, die mordend und plündernd durch unsere Heimat ziehen, lassen uns keine Wahl mehr …“, sagte Tschistokjows Fratze.

„Die brutalen Horden des Nationenbundes, die eine Spur des Blutes hinter sich her ziehen …“, sprach das Teufelsgesicht des Weltpräsidenten gleichzeitig.

„Dieser erneute Akt ruchlosen Massenmordes wird von uns nun beantwortet werden müssen …“

„Wir werden diesen erneuten Terrorangriff nicht unbeantwortet lassen …“

„Es wird Zeit, dass wir uns erheben, um den Feind zurück in den Abgrund zu schleudern …“

„Wir müssen uns erheben, um den Feind mit allen Mitteln zu stoppen …“

„Ihr Ziel ist die Vernichtung der freien Welt …“

„Ihr Ziel ist die Vernichtung aller Menschlichkeit …“

„Unsere Truppen werden jetzt keine Gnade mehr kennen …“

„Rache ist jetzt unser oberstes Gebot …“

„Unsere toten Frauen und Kinder …“

„… denn Zerstörung und Leid bringen sie über uns …“

„… werden keine Gefangenen mehr gemacht …“

„… die Schonzeit ist nun vorbei …“

„… müssen wir Gleiches mit Gleichem vergelten …“

„… und Feuer mit Feuer bekämpfen …“

„… heißt es Auge um Auge …“

„… bereiten wir die Gegenoffensive vor …“

„… beginnt unser Großangriff …“

„… bis zum letzten Mann die Front halten …“

„… unter allen Umständen weiterkämpfen …“

„… Frieden ist eine Illusion …“

„… der Glaube an den Sieg …“

„… nur Tschistokjow allein …“

„… einzig der Weltverbund …“

„… einen entschlossenen Gegenschlag …“

„… rücksichtslose Vergeltungsschläge …“

„… müssen jetzt standhalten …“

„… müssen jetzt durchhalten …“

„… müssen jetzt noch härter sein …“

„Gegenfeuer!“

„Sperrfeuer!“

„Trommelfeuer!“

„Abwehrfeuer!“

„Offensive!“

„Gegenoffensive!“

„Erobern!“

„Zurückerobern!“

„Mörder!“

„Vergewaltiger!“

„Bestien!“

„Menschenschinder!“

„Menschenfeinde!“

„Menschheitsvergifter!“

„Rache!“

„Vergeltung!“

„Tod!“

„Vernichtung!“

„Zerstörung!“

Das Gerede der beiden Männer wurde immer lauter und lauter. Irgendwann war es zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen geworden, das fast einem Blöken und Brüllen glich. Frank schrie vor Schmerzen und hatte das Gefühl, als würde ihm gleich der Kopf explodieren, doch die beiden Fratzen redeten immer weiter und der Lärm wurde schließlich unerträglich. Blut floss aus Franks gepeinigten Ohren, während das Getöse schließlich zu einer entsetzlichen Kakophonie wurde. Der General rüttelte in einem Zustand schlimmster Panik immer heftiger an seinen Fesseln, hoffte sich irgendwie befreien zu können, doch es gelang ihm noch immer nicht.

Nach einer Weile, als Frank schon dachte, dass er vor Schmerzen sterben würde, kam ein alter Bekannter aus dem grellen Licht heraus; er ging zu den beiden Fernsehern und schaltete sie aus. Dann stellte er sich vor den Gepeinigten und entblößte seine gelblichen Zähne zu einem bösartigen Grinsen. Für einen Moment sah er Frank tief in die Augen. Dieser starrte mit fassungslosem Schrecken zurück.

„Siehst du, mein Freund, wir haben es endlich geschafft! Jetzt ist die ganze Welt eine einzige, große Holozelle! Nun sind alle Menschen so wie wir!“, sagte Herr Irrsinn und klopfte Frank auf die Schulter.

Die Lage in Japan hatte sich bis Ende März weiter zu Ungunsten Matsumotos gewendet, während sich die Front in Ostdeutschland nicht merklich verschoben hatte. Allerdings stand die ukrainische Front kurz vor dem Zusammenbruch und Kiew war ebenfalls schon fast gefallen. Die fast zehn Monate andauernde Belagerung hatte Hunderttausenden von Soldaten auf beiden Seiten das Leben gekostet und obwohl Artur Tschistokjow die Stadt zu einem gewaltigen Bollwerk hatte ausbauen lassen, war sie so gut wie verloren.

Derweil waren die GCF-Heere bereits bis nach Lubin und Kattowitz in Polen vorgestoßen und hatten den sich zurückziehenden Rus furchtbare Verluste zugefügt. Alfred Bäumer, der an dieser Front mit seinen Warägertrupps noch immer in unermüdlichem Einsatz stand, war inzwischen genau so erschöpft und ausgehungert wie unzählige seiner Kameraden. Langsam drohten die in Ostdeutschland stehenden Truppen der Volksarmee von Westen und Südosten aus eingekesselt zu werden, was einer militärischen Katastrophe gleichkam.

Nirgendwo sah es mehr gut aus, denn die gegnerischen Reserven erschienen unendlich, egal wie viele GCF-Soldaten auf den Schlachtfeldern fielen. Unermüdlich rückten neue Heerscharen, ausgerüstet mit Tausenden von Panzern und Geschützen, in Asien und Europa gegen Tschistokjows und Matsumotos Streitkräfte vor.

Glücklicherweise hatten beide Kriegsparteien in den letzten Monaten wenigstens auf den weiteren Einsatz von Nuklearwaffen verzichtet, so dass zumindest Millionen unschuldige Menschen vor der Vernichtung bewahrt wurden.

Die Propagandamaschinerie des Weltverbundes stand hingegen niemals still und schürte ununterbrochen den Hass gegen den Nationenbund der Rus und Japan, die sich in einem verzweifelten Abwehrkampf befanden.

Mitte Februar 2052 waren weitere Städte Japans von den Invasoren eingenommen worden und langsam schien auch die Rüstungsindustrie Matsumotos am Ende zu sein. Zu viele Fabriken und Produktionskomplexe waren in den letzten Monaten den Bombenangriffen der GCF zum Opfer gefallen. Als der Gegner auch noch die von den Japanern besetzte Insel Sakhalin angriff, um von dort aus nach Hokkaido einzudringen, wurde die Lage noch trostloser.

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
377 стр. 12 иллюстраций
ISBN:
9783957448385
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Правообладатель:
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