Читать книгу: «Tatort Oberbayern», страница 8

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»Beim letztn Mal hat er mir die Tür nicht aufgmacht. Geredet hat er eh nie was mit mir, aber an dem Tag hat er mich mit den Töpfen vor der Tür grad stehnlassn. Sei eigene Mutter.« Wieder liefen die Tränen. »Dabei hab ich gehört, dass er da war. Rumbrülln hab ich ihn hörn, ich weiß ned, mit wem ers ghabt hat. Er hat ja fast mit jedem irgendwann an Streit ghabt, der Lukas. Dann bin ich halt gegangen. Des gute Essn hab ich weggschmissn, des war wie vergift. Und am nächsten Tag war er tot.«

Mit rotunterlaufenen Augen starrte Rosa Adelhofer Katharina an. »Können Sie des verstehn? Was hab ich falsch gmacht, dass sich mein Bub umbringa tut?«

Die Bäuerin weinte und weinte, der Berg Taschentücher auf dem schweren Holztisch kam Katharina unpassend vor. So sollte das nicht sein in einer gemütlichen Bauernküche im Chiemgau, auf einer hundert Jahre alten Holzbank, an einem Tisch, an dem unzählige Hochzeiten und Taufen geplant worden waren, an dem gelacht und gegessen wurde. Es durfte Probleme geben, aber doch nicht solche. Keine Selbstmorde, keine Söhne, die der Mama solchen Kummer machten, dass sie von Weinkrämpfen geschüttelt wurde.

»Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Frau Adelhofer?«

Die alte Frau schnäuzte sich heftig. Danach wirkte sie gefasster. Entschlossenheit lag in ihrem Blick:

»Sagens mir, was passiert ist. Sagens mir, wieso sich der Lukas umbracht hat.«

In den eineinhalb Stunden Fahrt vom Chiemsee nach München philosophierte Katharina über Mütter. Die, die sie gerade näher kennengelernt hatte, ihre eigene, sich selbst. Rosa Adelhofer, die sich für ihre Kinder aufgeopfert hatte – dass es Söhne waren, tat bestimmt sein Übriges. Die stolze bayerische Mama dachte mit Sicherheit nicht an sich selbst, sondern nur an ihre Buben und den Mann. Ihre eigene Mutter war viel selbstständiger gewesen, hatte, auch als sie noch verheiratet war, ihr eigenes Leben gehabt, ihre Freundinnen, ihre leicht esoterischen Interessen, erinnerte sich Katharina schmunzelnd. Aber sie war früher wie heute eine liebevolle, verständnisvolle Mama. Wenn es eng wurde in Katharinas Leben, war ihre Mutter der Fels in der Brandung. Nie würde sie den Nachmittag vor fast acht Jahren vergessen, als sie weinend in der Küche gesessen hatte, schwanger und betrogen von Tobias, Svenjas Vater. Susanne Hartschmidt hatte gefühlt stundenlang Katharinas Kopf gestreichelt, Taschentücher gereicht, zugehört und nicht viel gesagt außer »das versteh ich«, »du Arme«, »komm her, meine Süße.«

Als Katharina gegen Abend gefragt hatte: »Mama, was mach ich denn jetzt?«, hatte ihre großartige Mutter geantwortet:

»Katharinchen, ein Kind ist das Tollste, was es im Leben gibt – egal, von wem es ist. Das schaffst du, ich weiß das. Mich gibt es ja auch noch und Oliver genauso … Es ist aber auch völlig in Ordnung, wenn du es nicht willst. Es ist ja noch früh. Du bist jung, kannst später noch Kinder kriegen. Jetzt gibt’s erst mal Hähnchen mit Pommes, dann schläfst du hier und danach schauen wir weiter. Was meinst du?«

Katharinas vegetarisch lebende Mutter hatte das Lieblingsessen ihrer Tochter zubereitet und offenbar nach dem verzweifelten Anruf sofort eingekauft. Das hatte die nächste Heulattacke ausgelöst, diesmal vor Rührung über diese bedingungslose Liebe. Katharina hatte tatsächlich bei ihrer Mutter übernachtet und sich am nächsten Morgen ein kleines Stückchen besser gefühlt. Im Laufe der nächsten Tage war bei ihr die Überzeugung gewachsen, dass sie das Kind haben wollte.

Was Svenja wohl später über ihre Mutter sagen würde? Sie war noch klein und Mama die Beste auf der Welt. Aber was wäre mit 20: »Du hattest nie Zeit, deine Scheißrecherchen waren wichtiger als ich, seit Jahren gehe ich zur Psychotherapie – wegen dir.« Katharina kannte diese Gedankenschleife, sie holte sie regelmäßig ein. Wie immer in diesen Situationen sagte sie sich, dass sie zwar nicht so viel Zeit hatte wie andere Mütter, aber genauso verständnis- und liebevoll war wie ihre eigene. Das erschien ihr besser, als eine unzufriedene Hausfrau zu sein, die wie eine Klette an ihren Kleinen klebte. Jedenfalls schaffte sie es, wie versprochen um kurz vor 17 Uhr bei ihrer Mutter in Obermenzing zu klingeln. Als die Tür aufging, blickte sie in zwei strahlende Gesichter. »Mama, komm, ich zeig dir, was ich gebaut habe.« Svenja zog Katharina in den Garten des kleinen Reihenhauses. Susanne Hartschmidt hatte gerade noch Zeit, ihrer Tochter eine Kusshand zuzuwerfen. Im Garten hatte Katharinas Mutter extra für Svenja einen Sandkasten eingerichtet. Und darin befand sich eine kleine Flusslandschaft. Von hübschen Steinen eingerahmt hatte Svenja einen Flusslauf gebaut, der in ein größeres Becken mündete. Das Wasser kam aus einem Gartenschlauch und lief an der höchsten Stelle in die Konstruktion hinein. Dass es in dem Becken einfach versickerte, war der ansonsten sehr ökologisch eingestellten Oma Hartschmidt offenbar egal. Noch mehr wunderte sich Katharina über den Einsatz der Steine: »Sind das deine Heilsteine, Mama?«

»Ach, Kind, Svenja hat so lieb gefragt, ich konnte nicht Nein sagen.« Susannes Augen strahlten. Die Heilsteine waren eigentlich verbotenes Terrain, eine falsche Berührung könnte die Heilkraft auslöschen, hatte ihre Mutter stets erklärt. Offenbar galt das nicht für Kinderhände und Gartenschlauchwasser. Katharina liebte ihre Mutter auch für ihre Inkonsequenz. Sie legte den Arm um sie. Gemeinsam beobachteten sie, wie Svenja das Wasser stärker aufdrehte. Ein paar Heilsteine hielten dem Druck nicht stand und die ganze Konstruktion begann, sich in eine wässrige Sandpampe ohne Regulierung zu verwandeln.

»Svenjalein, super. Jetzt dreh das Wasser aus, wir fahren langsam. Oma hat gleich ihren Kurs.«

»Okay, Mama, was essen wir heute Abend? Bei der Oma gab’s Fischstäbchen mit Pommes und Erbsen zu Mittag.« Auch für ihre Enkelin ignorierte Susanne ihre eigenen kulinarischen Vorlieben und kochte das, was Svenja sich bei einem Telefonat am Abend vor dem Omabesuch wünschte. Die merkwürdige Mischung aus Fischstäbchen und Erbsen war eine von Svenjas Leibspeisen.

»Mmh, wie wäre es mit Fleischpflanzl, Kartoffelbrei und Rotkraut?«

Svenja jauchzte begeistert: »Au ja, den Kartoffelbrei machen wir selber, ich zermatsch die Kartoffeln.« Katharina und Susanne grinsten sich an. Svenja war seit jeher eine Feindin von Fertigessen. Als Baby hatte sie Gläschen meist ausgespuckt, selbst gekochten Karotten- oder sonstigen Brei aber in großen Mengen in sich hineingeschaufelt.

»Wie war es am Chiemsee?«, fragte Susanne ihre Tochter, mit der sie weiter Arm in Arm dastand.

»Interessant, Mama, sehr interessant. Würde zu lang dauern, das zu erzählen. Es wird eine spannende Geschichte, die ich schreiben darf. Weißt du, was das Beste an dem Tag heute war?« Susanne schaute ihre Tochter interessiert an.

»Dass ich mal wieder gemerkt habe, was für eine großartige Mutter ich habe.«

»Und ich eine tolle Oma.« Svenja kam mit einer Tüte voller Heilsteine aus ihrem Schlammparadies. Ihre Beine und Arme starrten noch vor nassem Sand, Omas Steine hatte sie alle säuberlich abgespült und eingesammelt.

»Hier, damit deine Kranken alle gesund werden.« Stolz überreichte sie Susanne den Beutel, die ihn gerührt entgegennahm.

»Kinder, das ist mir zu viel Harmonie. Svenja, wasch dich, damit Mamas Auto nicht voller Sand wird, und ab mit euch.«

Nicht ganz so harmonisch verlief die Heimfahrt, Diskussionsthema: Schauen wir heute Abend das Finale von »Germany’s Next Top Model« an? Für Svenja klare Sache, Katharina versuchte noch, andere Köder auszuwerfen wie »DVD-Abend Pippi Langstrumpf« oder »Harry Potter«. Keine Chance.

»Alle in meiner Klasse dürfen, ich will das auch sehen. Und Mama«, Svenja schaute ernst zu Katharina rüber, die kurz den Blick von der Straße wendete und in die mitfühlenden Augen ihrer Tochter blickte. »Du musst dir echt keine Sorgen machen, dass ich Model werden will. Das ist mir viel zu langweilig. Und ich könnte nicht mehr so viel Kartoffelbrei essen, wie ich will.«

Katharina grinste ob der Weitsicht ihrer siebenjährigen Tochter. »Svenjalein, na gut, wir schauen das Finale an. Das heißt aber nicht, dass wir bei der nächsten Staffel bei jeder Folge dabei sind. Abgemacht?«

Svenja seufzte und nuschelte: »Okay.«

Nach einem kurzen Abstecher zum Supermarkt fand sich Katharina in der Küche wieder und formte Fleischpflanzl, während die Kartoffeln vor sich hin kochten und auf ihre Verwandlung in Brei warteten.

»Jippieee, der Papa kommt«, hörte sie plötzlich ihre Tochter. Katharina fuhr es in den Magen. Sie schaltete sofort auf »er ist der Vater deiner Tochter«, und fragte freundlich:

»Ist Tobias auf dem Anrufbeantworter? Wie schön!« Es war schließlich gut, dass er sich um Svenja kümmerte. Nur sie selbst hätte gern so wenig wie möglich mit ihm zu tun.

»Was will er mit dir machen?«

»Er holt mich morgen ab, wir gehen in den Tierpark, danach Burger essen und dann bringt er mich heim.«

»Aha, das heißt, er kommt mittags?«

»Das sollen wir mit ihm ausmachen, ich soll ihn anrufen.« Svenja strahlte und Katharina gelang es, sich mit ihr zu freuen. Auf keinen Fall beabsichtigte sie, ihr das Treffen mit ihrem Papa zu vermiesen. Sie hatte zwar Pläne für das Wochenende gehabt, aber immerhin wollte sich Tobias mit ihr abstimmen.

Dass ihre Beziehung wegen irgendeiner Tussi auseinandergegangen war, tat immer noch weh. Sie lebte mit Svenja ein glückliches Leben, aber die Erinnerung an damals kehrte regelmäßig zurück – meistens, wenn Tobias sich meldete. Seine jämmerliche Vorführung damals, als sie ihn gefragt hatte, für wen das schick verpackte Parfum in seinem Rucksack war. Sie hatte es gefunden, als sie das Fernsehprogramm herausholen wollte.

»Es ist nicht, wie du denkst«, war noch einer der harmloseren Sprüche gewesen. Dass er sich von der Schwangerschaft überfordert fühle – nachdem sie beide sich seit zwei Jahren ein Kind gewünscht hatten –, war schon härter. Dann kam noch: »Du hast doch nie Zeit für mich gehabt, ich finde, dass du auf 50 Prozent hättest reduzieren können. Mein Geld hätte für uns beide gereicht. Du hast mich quasi in die Arme einer anderen getrieben.« Da war es vorbei. Sie hatte ihn angeschrien, er solle gehen und nie wiederkommen. Als er sie überrascht angeschaut hatte und sitzen geblieben war, hatte sie ihm ein paar Sachen in eine Reisetasche gepackt und selbige mitsamt ihm vor die Tür gesetzt. Am nächsten Tag hatte sie das Schloss ihrer Wohnungstür ausgetauscht und vor Svenjas Geburt mit Tobias nur noch einmal gesprochen: als er kam, um seine restlichen Sachen abzuholen. Er hatte einen Versuch zur Versöhnung unternommen, wohl vor allem deshalb, weil seine neue Flamme ihn bereits verlassen hatte. Katharina hatte sich sein Gejammer äußerlich ungerührt angehört und ihn gebeten, zu packen und zu gehen. Anschließend hatte sie zwei Stunden lang Rotz und Wasser geheult. Getröstet hatte sie ein Telefonat mit ihrer Mutter, die ihr erklärte, was für eine starke Frau sie sei und wie großartig sie es finde, dass sie Tobias gegenüber hart geblieben war.

Als Svenja schließlich auf der Welt war, schickte Katharina Tobias eine Karte. Ein paar Tage nach der Geburt kam er mit einer Rassel und einem Blumenstrauß, hielt Svenja ein paar Minuten auf dem Arm, versprach, sich regelmäßig zu melden und natürlich seinen finanziellen Anteil zu leisten, und ging. Als sie ihm sachlich mitteilte, dass sie das alleinige Sorgerecht für Svenja beantragen würde, stimmte er etwas hilflos zu. Ob ihm das irgendwann leidgetan hatte, wusste Katharina nicht. Sie sprachen so gut wie nie miteinander, alle Entscheidungen, was Svenja betraf, traf sie allein. Rat holte sich Katharina bei ihrer Mutter, Birgit oder Oliver. Tobias zahlte aber genug für Svenja, meldete sich regelmäßig und machte seine Sache als Papa gut. Seine Eltern waren ebenso wie ihre Mutter liebevolle Großeltern. Anni und Bernhard Fissler trafen Svenja oft. Katharina hielt sich im Hintergrund, immerhin waren sie trotz allem die Eltern des Mannes, der sie so verletzt hatte. Dass sie Svenja ins Herz geschlossen hatten und sich um sie kümmerten, das rechnete sie ihnen dennoch hoch an.

»Mama?«

»Äh, Svenja, Entschuldigung, was hast du gesagt?«

»Ich will die Kartoffeln zermatschen, nach dem Essen telefonieren wir mit Papa und dann kommt Heidi Klum.«

»Ich sehe, du hast alles im Griff.«

Katharina schüttete die gekochten Kartoffeln in eine Schüssel und gab Svenja den Stampfer. Die stieg routiniert auf ihren Hocker und verarbeitete die Kartoffeln zu Brei.

Eine Stunde später – Svenja hatte drei Fleischpflanzl mit reichlich Kartoffelbrei und Rotkraut verdrückt – war die Küche gemacht, Chips und Limo standen vor dem Fernseher bereit und in einer halben Stunde würde Heidi Klum anfangen, über das Leben, die Figur und das Wesen junger Mädchen zu richten. Vorher gab es noch den Programmpunkt »Papa«. Katharina wählte Tobias’ Nummer und gab das Telefon direkt an Svenja weiter.

»Nein, hier ist nicht Katharina, ich bin’s, Svenja.« Die Kleine strahlte und hörte aufmerksam zu, was ihr Vater ihr zu sagen hatte. »Echt? Für Margarine? Iiih, Margarine mag ich nicht. Mama hat gesagt, du sollst um zwei kommen. Super, ich freu mich, in Hellabrunn gibt’s neue Elefantenbabys. Schauen wir die an? Und danach will ich einen doppelten Cheeseburger. Okay, klar, das verstehe ich. Bis morgen, Papa.«

»Klappt«, informierte Svenja ihre Mutter. »Er denkt sich gerade eine Werbung für Margarine aus, iiih.«

»Das muss es auch geben, Svenjalein«, sagte Katharina und erinnerte sich, wie sie früher abends im Bett gemeinsam mit Tobias Werbespots überlegt hatte – für Schokoladencreme, Glasreiniger, Handcreme – was gerade anfiel. Bei dem Auftrag für Kondomwerbung hatte sie ihn damals davon überzeugt, der richtige Spruch würde ihm gleich einfallen, sie müssten das Produkt nur testen. Falsche Gedanken, Katharinchen, sagte sie zu sich selbst und setzte sich mit einem Glas Rotwein zu Svenja aufs Sofa.

Freitagabend, München Bogenhausen

Freitagabend und kein Date – Jana lag unzufrieden auf ihrer Couch. Missmutig ermahnte sie sich selbst zur Geduld. Es war klar gewesen, dass es nicht so schnell gehen würde. Thomas war am Vorabend Punkt 19 Uhr gekommen. Sie hatte ihm Bier angeboten und selbst Sekt getrunken. Wie sie es geplant hatte, waren sie sich nähergekommen, als sie ihm über sein Smartphone gebeugt die Funktionen erklärte. Anfangs hatten sie sich kichernd entschuldigt, wenn sich ihre Hände, Schultern und Oberschenkel für einen Moment berührten. Nach dem dritten Bier hatte Thomas die Hand nicht weggenommen, als sie aneinanderstießen. Sie hatte ihn vermeintlich überrascht angeschaut und dann hatte er sie geküsst – ein langer, leidenschaftlicher Zungenkuss. Danach lief es, wie sie es kannte und vorausgesehen hatte. Er hatte ihr gesagt, wie schön es gewesen sei, dass er aber verheiratet sei, Kinder habe und sich solch ein Vorfall nicht wiederholen dürfe. Sie solle sich keine falschen Hoffnungen machen. Und Abgang. Was er nicht wusste: Jana hatte ihm mit einer Flirt-Mail eine kleine Schadsoftware geschickt.

Damit war garantiert, dass das gestrige Treffen nicht das letzte war. Sobald er die Mail öffnete, würde sich das Virus ausbreiten. Hilfesuchend würde er sich bei ihr melden.

In besserer Stimmung stand sie auf und ging ins Bad – Sicherheitsblick: Das Gelümmel auf der Couch hatte ihre Haare verdrückt, aber: ein routinierter Griff zum Haarspray und alles saß wieder perfekt.

Mit einem Schokoriegel in der Hand ging sie pfeifend in ihr Arbeitszimmer, öffnete ihren Laptop und begann, eine E-Mail zu schreiben. Schließlich mussten die Zahlungen weitergehen. Es war fest vereinbart. Sie konnte nur hoffen, dass das der anderen Seite klar war.

Samstagnachmittag,
München Haidhausen

Nachdem Svenja am Samstag tatsächlich pünktlich um 2 Uhr mit ihrem Vater Richtung Tierpark entschwunden war, beschloss Katharina, die unerwartete kinderfreie Zeit zu nutzen, um ein bisschen zu arbeiten. Sie setzte sich mit ihrem Laptop auf den Balkon und fand eine Mail von Birgit vor.

»Hallo, Katharina, Montag fange ich mit den Bergwinterrecherchen an, heute habe ich Klamotten dafür gekauft (drei Ekel-Smileys). Ansonsten bin ich noch mal ins Netz. Aber du kannst ganz ruhig bleiben: Die verschlüsselten Adelhofer-Daten sind weiterhin verschlüsselt. Anbei wie versprochen die interessantesten Fotos, die ich außer den Bergbildern noch gefunden habe. Es ist übrigens nur eine kleine Auswahl …«

Im Anhang sah Katharina Fotos ohne Ende. Und weibliche Fans ohne Ende: Robert und knackige Blondinen auf Partys, Robert und leicht bekleidete Mädels am Strand, Robert und Dirndl tragende Fans auf dem Hof seiner Eltern, Robert umringt von Verehrerinnen im Fernsehstudio. Es war zwar eine große Ausbeute, half Katharina aber nicht richtig weiter, genau wie Birgit es vorausgesagt hatte. Sie beschloss, den dritten Adelhofer-Artikel für die kommende Woche zu planen.

Wie schnell das ging, wenn keine Svenja dazwischenquakte, war erstaunlich. Gleichzeitig vermisste sie ihre Tochter und hoffte, dass sie Spaß mit ihrem Papa hatte.

Nachdem sie sogar noch Zeit für eine entspannte Maniküre gefunden hatte, drehte sich Punkt 19 Uhr der Schlüssel im Schloss und Svenja kam hereingestürmt. »Mama, bin wieder da, es war toll, wir waren bei den Elefanten und den Würgeschlangen, ich durfte eine halten, irre. Die war ganz warm, oder, Papa?« Svenja drehte sich zur offenen Wohnungstür, wo Tobias stand und unsicher lächelte. Der gleiche Sonnyboy wie früher, dachte Katharina, schwarze lockige Haare, Lederjacke, teure Jeans, Sneakers.

»Mama, darf ich Papa noch mein Zimmer zeigen? Ich hab extra aufgeräumt.« Svenja strahlte ihre Mutter erwartungsvoll an.

»Klar. Hey, Tobias, komm rein. Willst du noch was trinken?«

»Danke, ein Espresso wäre super.«

Und schon nahm Svenja ihren Vater an die Hand und zog ihn ins Kinderzimmer. Katharina hörte nur ihre Tochter reden und ab und zu ein »spitze«, »aha«, »super« von Tobias.

Sie warf einen kurzen Blick in den Raum und fragte: »Kakao für dich, Svenja?« Ihre Tochter nickte und redete sofort weiter.

Ein paar Minuten später saßen sie zu dritt am Küchentisch.

Auf einem Foto würden wir aussehen wie eine normale Familie, dachte Katharina bitter.

Die Unterhaltung verlief schleppend. Beziehungsweise redete eigentlich nur Svenja. Für Katharina gab es nichts, was sie Tobias erzählen wollte, und vieles, was sie gern fragen würde, war vermintes Terrain.

Als Tobias verkündete: »Ich geh dann«, fragte Svenja sofort: »Gehst du mit mir in den neuen Disney-Film, Papa? Der läuft nächste Woche an.«

Tobias Fissler wuschelte sich durch die Haare – wie immer, wenn er unsicher war. Die Dreierkonstellation in der Wohnung, die früher auch seine gewesen war, stresste offensichtlich nicht nur Katharina.

»Klar. Ich melde mich, sobald ich weiß, wie die nächste Woche aussieht, okay?«

»Supi, Papili.« Svenja strahlte, fiel Tobias zum Abschied um den Hals und verschwand in ihrem Zimmer.

»Was ist denn das? Wie kommst du an dieses Foto? Spionierst du mir nach?« Tobias schaute auf Katharinas Laptop, das geöffnet im Gang neben dem Telefon stand. Sie hatte vor Svenjas Rückkehr noch kurz mit einer aufgelösten Birgit telefoniert und sie beruhigt. Es brachte ihre Freundin fast um den Verstand, dass sie nicht an die verschlüsselten Adelhofer-Daten rankam.

»Äh, dir nachspionieren? Es gibt Spannenderes«, gab Katharina zurück. »Das ist Robert Adelhofer, ich kann nicht sonderlich viel Ähnlichkeit mit dir feststellen.«

Tobias blitzte sie wütend an. »Du weißt genau, dass es nicht um den Typen geht. Woher kennst du sie, hast du Kontakt mit ihr aufgenommen? Was willst du von ihr?«

Katharina schaute auf den Bildschirm. Das Foto zeigte Robert Adelhofer im Vordergrund und dahinter Lukas Adelhofer im Gespräch mit einer jungen Frau.

»Tobias, erklärst du mir bitte, worum es geht? Ich recherchiere über Robert Adelhofer, sonst nichts.«

Tobias’ Wut verrauchte nicht. »Ich wollte zu dir zurück, vergiss das nicht, du wolltest es nicht. Ich rate dir dringend, hör auf, in meiner Vergangenheit herumzuschnüffeln.« Sprach’s und knallte die Haustür hinter sich zu.

Während Katharina noch verdattert auf ihren Computer schaute, kam Svenja aus ihrem Zimmer: »Hat sich der Papa geärgert, Mama?«

In Katharina stieg der altbekannte Zorn auf ihren Ex hoch. Routiniert ließ sie ihn ihre Tochter nicht spüren.

»Er hat das Foto hier gesehen und jemanden verwechselt. Ich habe es ihm erklärt, alles gut.«

Svenja zog beruhigt ab.

Katharina schaute sich das Foto genauer an. Robert Adelhofer – wie auf fast allen Fotos aus Birgits Recherchen – umgeben von vielen, meist jungen Frauen. Er schrieb Autogramme. Hinter ihm Lukas Adelhofer, der sich mit einer Blondine unterhielt. Tobias war offenbar der Meinung, dass ihr Trennungsgrund bei Lukas Adelhofer stand. Optisch passte sie jedenfalls voll ins Klischee des jungen, weiblichen Adelhofer-Fans. Katharina schloss die Datei. Mehr wollte sie im Augenblick nicht wissen. Falls nötig, hätte Birgit schnell herausgefunden, wer die Frau war.

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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812 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783734994944
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