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Читать книгу: «Königin Margot», страница 42

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Dies war der Apparat, den man die spanischen Stiefeln nannte.

Bei der gewöhnlichen peinlichen Frage zwängte man sechs Keile zwischen die zwei Bretter, welche, sich ausdehnend, das Fleisch zerquetschten.

Bei der außerordentlichen Frage schlug man zehn Keile ein, und dann zerquetschten die Bretter nicht nur das Fleisch, sondern machten auch die Knochen krachen.

Als die vorbereitende Operation vorüber war, senkte Meister Caboche die Spitze des Keils zwischen die zwei Bretter. Dann schaute er, seinen Klöpfel in der Hand, auf einem Knie liegend, den Richter an.

»Wollt Ihr sprechen?« fragte dieser.

»Nein,« antwortete Coconnas, obgleich er fühlte, wie der Schweiß auf seiner Stirne perlte und seine Haare sich aus seinem Kopfe sträubten.

»Dann vorwärts,« sprach der Richter, »den ersten Keil.«

Meister Caboche hob seinen mit einem schweren Klöpfel bewaffneten Arm und führte einen gewaltigen Schlag auf den Keil, der einen matten Ton von sich gab.

Die Folterbank zitterte.

Coconnas entschlüpfte keine Klage bei diesem ersten Keile, der gewöhnlich die Entschlossensten seufzen machte.

Mehr noch: der einzige Ausdruck, der auf seinem Gesichte hervortrat, war der eines unsäglichen Erstaunens. Er schaute mit unverwandten Augen Caboche an, welcher, den Arm emporgehoben, halb gegen den Richter zurückgewendet, sich zu einer Verdoppelung anschickte.

»Was war Eure Absicht, als Ihr Euch im Walde verbarget?« fragte der Richter.

»Uns in den Schatten zu setzen,« antwortete Coconnas.

»Vorwärts!« sagte der Richter. Caboche führte einen zweiten Schlag, welcher wie der erste scholl.

Aber Coconnas zuckte nicht mehr als bei dem ersten, und sein Auge schaute fortwährend den Henker mit demselben Ausdrucke an.

Der Richter runzelte die Stirne und murmelte:

»Das ist ein harter Christ; ist der Keil bis an das Ende eingedrungen, Meister?«

Caboche bückte sich, als wollte er es untersuchen. Während er sich aber bückte, sagte er ganz leise zu Coconnas:

»Schreit doch, Unglücklicher!«

Dann sich wieder erhebend, sprach der Henker:

»Bis an das Ende, Herr.«

»Den zweiten Keil eingeschlagen,« versetzte kalt der Richter.

Die drei Worte von Caboche erklärten Coconnas Alles. Der würdige Henker hatteseinem Freunde den größten Dienst geleistet, den ein Henker einem Edelmann leisten kann.

Er ersparte ihm mehr als den Schmerz, er ersparte ihm die Schmach der Geständnisse, indem er ihm zwischen die Beine elastische lederne Keile eintrieb, deren oberer Theil nur mit Holz beschlagen war, statt ihm eichene Keile einzutreiben. Dabei ließ er ihm überdies seine Kraft, um dem Schaffot zu trotzen.

»O! braver, braver Caboche,« murmelte Coconnas, »sey ruhig, ich werde schreien, da Du es mir befiehlst, und wenn Du nicht mit mir zufrieden bist, mußt Du sehr schwieriger Natur seyn.«

Während dieser Zeit hatte Caboche das Ende eines Keils, welcher viel dicker war, als der erste, zwischen die Bretter geschoben.

»Vorwärts,« sagte der Richter.

Bei diesem Worte schlug Caboche, als wäre es seine Aufgabe gewesen, mit einem Streiche den Thurm von Vincennes zu zertrümmern.

»Ah! ah! hu! hu!« schrie Coconnas auf wechselnden Tonarten. »Tausend Donner! Ihr zerbrecht mir die Knochen, nehmt Euch doch in Acht!«

»Ah!« sprach der Richter lächelnd, »der zweite thut seine Wirkung; es wunderte mich auch.«

Coconnas schnaufte, wie der Blasebalg eines Schmiedes.

»Was thatet Ihr also in dem Walde?« wiederholte der Richter.

»Ei, Mordi! ich habe es Euch bereits gesagt, ich genoß die frische Luft.«

»Vorwärts,« sprach der Richter.

»Gesteht,« flüsterte Caboche dem Gefolterten in das Ohr.

»Was?«

»Alles, was Ihr wollt; aber gesteht irgend etwas.«

Und er führte den zweiten Schlag, der an Stärke dem ersten nichts nachgab.

Coconnas schrie, daß er glaubte, er würde sich selbst ersticken.

»Oh! la la!« sagte er sodann, »was wünscht Ihr zu wissen, mein Herr? Auf wessen Befehl ich im Walde war?«

»Ja, mein Herr.«

»Ich war dort auf Befehl des Herrn von Alençon.«

»Schreibt,« sagte der Richter.

»Habe ich ein Verbrechen begangen, indem ich dem König von Navarra eine Falle stellte, so war ich dabei nur ein Werkzeug und gehorchte meinem Herrn.«

Der Schreiber schickte sich an, seine Worte aufzuzeichnen.

»Ah! Du hast mich angezeigt, Bleichgesicht,« murmelte der Leidende, »warte, warte!«

Und er erzählte die Besuche von Franz bei dem König von Navarra, die Zusammenkünfte von Herrn von Mouy mit Herrn von Alençon, die Geschichte von dem rothen Mantel, wobei er aus Erinnerung von Zeit zu Zeit laut schrie und sich neue Hammerschläge, versetzen ließ. Endlich gab er so genaue, so wahrhaftige, so unbestreitbare und schreckliche Aussagen gegen den Herzog von Alençon; er wußte sich so gut den Anschein zu verleihen, als ließe er sich dieselben nur durch die Heftigkeit seiner Schmerzen entreißen; er machte Grimassen, brüllte und beklagte sich auf eine so natürliche Weise, daß der Richter selbst am Ende einen Schrecken darüber bekam, daß er einen Sohn von Frankreich so gewaltig compromittirende Umstände einzutragen haben sollte.

»Schön,« sagte Caboche zu sich selbst, »das ist ein Herr, dem man die Dinge nicht zweimal sagen muß. Mein Jesus! wie wäre es gewesen, hätte ich hölzerne Keile statt lederner genommen.«

Man begnadigte auch Coconnas mit dem letzten Keile der außerordentlichen Folter. Aber ohne diesen zu zählen, hatte er es mit neun andern zu thun gehabt, was hingereicht hätte, seine Beine zu Brei zu zermalmen.

Der Richter machte bei Coconnas die Gnade geltend, die er ihm in Betracht seiner Geständnisse bewilligte, und entfernte sich.

Der Leidende blieb allein mit Caboche.

»Nun,« sagte dieser, »wie geht es, mein edler Herr?«

»Ah, mein Freund, mein braver Freund, mein lieber Caboche,« erwiederte Coconnas, »sey überzeugt, daß ich mein ganzes Leben dankbar für das seyn werde, was Du für mich gethan hast.«

»Pest! Ihr habt Recht, denn wenn man wüßte, was ich für Euch gethan habe, so würde ich Euern Platz auf der Folterbank einnehmen, und man dürfte mich nicht schonen, wie ich Euch geschont habe.«

»Aber wie bist Du auf den geistreichen Gedanken gekommen?«,

»Seht,« sagte Caboche, während er die Beine von Coconnas in blutige Linnen wickelte: »ich wußte, daß Ihr verhaftet waret, ich wußte, daß man Euch den Proceß machte, ich wußte, daß die Königin Catharina Euern Tod wollte; ich errieth, daß man Euch der peinlichen Frage überantworten würde, und nahm hiernach meine Vorsichtsmaßregeln.«

»Auf Gefahr, was daraus entstehen dürfte?«

»Mein Herr,« sagte Caboche, »Ihr seyd der einzige Edelmann, der mir die Hand gegeben hat, und man hat Gedächtniß und Herz, obgleich man Henker ist, und gerade vielleicht weil man Henker ist. Ihr werdet morgen sehen, wie ich mein Geschäft gut verrichte.«

»Morgen?« sagte Coconnas.

»Allerdings, morgen.«

»Was für ein Geschäft?«

Caboche schaute Coconnas verwundert an,

»Wie, was für ein Geschäft? Habt Ihr denn den Urteilsspruch vergessen?«

»Ah, ja, der Spruch, ich hatte ihn vergessen.«

Coconnas hatte ihn nicht vergessen, aber er dachte nicht mehr daran.

Er dachte an die Kapelle, an das unter dem heiligen Tuche verborgene Messer, an Henriette und an die Königin, an die Thüre der Sacristei und an die am Saume des Waldes wartenden Pferde; hieran dachte er, …. an die Freiheit, an den Ritt in frischer Luft, an die Sicherheit jenseits der Grenze von Frankreich.

»Nun handelt es sich darum, Euch geschickt von der Folterbank auf die Tragbahre zu bringen,« sagte Caboche, »Vergeßt nicht, daß Ihr für Jedermann, sogar für meine Knechte, gebrochene Beine habt, und daß Ihr bei jeder Bewegung einen Schrei ausstoßen müßt.«

»Aje!« rief Coconnas, als er die zwei Knechte mit der Tragbahre auf sich zukommen sah.

»Auf, auf, ein wenig Muth!« sprach Caboche, »wenn Ihr jetzt schon schreit, was werdet Ihr hernach erst thun?«

»Mein lieber Caboche,« erwiederte Coconnas, »ich bitte Euch, laßt mich nicht durch Eure schätzenswerten Gehilfen berühren. Sie haben vielleicht keine so leichte Hand, wie Ihr.«

»Stellt die Tragbahre neben die Folterbank,« sprach Caboche.

Die zwei Knechte gehorchten.

Meister Caboche nahm Coconnas in seine Arme, wie er es mit einem Kinde gethan hätte, und legte ihn auf die Tragbahre nieder; aber trotz dieser Behutsamkeit stieß Coconnas furchtbare Schreie aus.

Der brave Kerkermeister erschien nun mit einer Laterne.

»In die Kapelle,« sagte er.

Und die Träger von Coconnas entfernten sich, nachdem dieser Caboche einen zweiten Händedruck gegeben hatte.

Der erste war dem Piemontesen zu ersprießlich gewesen, als daß er hätte ferner den Schwierigen spielen sollen.

XI.
Die Kapelle

Das düstere Geleite schritt im tiefsten Stillschweigen über die zwei Zugbrücken des Thurmes und durch den großen Hof des Schlosses, welcher zu der Kapelle führte, aus deren Fenstern ein bleiches Licht fiel, das die grauen Gesichter der Apostel in rothen Röcken beleuchtete.

Coconnas athmete gierig die Nachtluft ein, obgleich diese ganz mit Regen geschwängert war. Er betrachtete die tiefe Dunkelheit und beglückwünschte sich, daß alle Umstände für seine Flucht und die seines Gefährten günstig waren.

Er bedurfte seiner ganzen Willenskraft, seiner ganzen Klugheit, seiner ganzen Selbstbeherrschung, um nicht von der Tragbahre herabzuspringen, sobald er in der Kapelle angelangt im Chor drei Schritte vom Altar, einen Menschen in einem großen weißen Mantel liegen sah. Es war La Mole.

Die zwei Soldaten, welche die Tragbahre begleiteten, waren an der Thüre stehen geblieben.

»Da man uns die letzte Gnade erweist, uns noch einmal mit einander zu vereinigen,« sprach Coconnas mit schleppender Stimme, »so tragt mich zu meinem Freunde.«

Die Träger hatten keinen Gegenbefehl und machten daher auch keine Schwierigkeit, die Bitte von Coconnas zu erfüllen.

La Mole war düster und bleich. Sein Kopf ruhte an dem Marmor der Mauer; seine schwarzen Haare in reichlichen Schweiß gebadet, der seinem matten Antlitz die Blässe des Elfenbeins verlieh, schienen die Steifheit behalten zu haben, nachdem sie sich auf seinem Haupte gesträubt hatten.

Auf ein Zeichen des Schließers entfernten sich die zwei Knechte, um den Priester zu holen, nach welchem Coconnas verlangte.

Dieß war das verabredete Zeichen. Coconnas folgte ihnen mit ängstlichem Auge. Aber er war nicht der Einzige, der den glühenden Blick auf sie geheftet hatte.

Kaum waren sie verschwunden, als zwei Frauen hinter dem Altar hervorstürzten und in den Chor mit einem Freudenschauer einbrachen, der ihnen vorherging und gleichsam die Luft bewegte, wie ein heißer Hauch dem Sturme vorhergeht

Margarethe eilte auf La Mole zu und schloß ihn in ihre Arme.

La Mole stieß einen furchtbaren Schrei aus, einen von jenen Schreien, wie sie Coconnas in seinem Gefängnisse gehört hatte.

«Mein Gott! was ist Euch denn, La Mole?« sagte Margarethe, voll Schrecken zurückweichend.

La Mole seufzte und drückte seine Hände vor seine Augen, als wollte er Margarethe nicht sehen.

Margarethe war noch mehr erschrocken über dieses Stillschweigen und über diese Geberde, als über den Schmerzensschrei, den La Mole ausgestoßen hatte.

»Oh!« rief sie, »was Hast Du denn? Du bist voll Blut.«

Coconnas, der nach dem Altar gelaufen war, der den Dolch ergriffen hatte, der Henriette bereits umschlungen hielt, wandte sich um.

»Steh’ doch auf,« sagte Margarethe, »ich bitte Dich; Du siehst, der Augenblick ist gekommen.«

Ein furchtbares Lächeln der Traurigkeit zog über die bleichen Lippen von La Mole, der nicht mehr lächeln zu sollen schien.

»Theure Königin,« sprach der junge Mann, »Ihr hattet ohne Catharina und folglich ohne ein Verbrechen gerechnet. Ich habe die Folter ausgestanden und meine Knochen sind gebrochen, mein ganzer Leib ist nur eine Wunde, und die Bewegung, welche ich in diesem Augenblick mache, um meine Lippen auf Eure Stirne zu drücken, verursacht mir Schmerzen, schlimmer als der Tod.«

La Mole drückte wirklich, mit großer Anstrengung und völlig erbleichend, seine Lippen auf die Stirne der Königin.

»Die Folter!« rief Coconnas, »Ich habe sie auch ausgestanden; aber hat der Henker für Dich nicht gethan, was er für mich gethan hat?«

Coconnas erzählte nun Alles.

»Ah,« versetzte La Mole, »das begreift sich, Du hast ihm am Tage unseres Besuches die Hand gegeben; ich aber vergaß, daß alle Menschen Brüder sind, und behandelte ihn mit Verachtung, Gott bestraft mich für meinen Stolz, Gott sey gelobt!«

La Mole faltete die Hände.

Coconnas und die zwei Frauen wechselten einen Blick unsäglichen Schreckens.

»Auf, auf,« sagte der Kerkermeister, der bis jetzt an der Thüre gestanden hatte, um zu horchen, und nun zurückgekommen war, »verliert keine Zeit, lieber Herr von Coconnas; meinen Degenstich, und macht mir das als würdiger Edelmann, denn sie werden kommen.«

Margarethe war zu La Mole niedergekniet, einer von jenen Marmorfiguren ähnlich, welche über ein Grab bei dem Bildnisse dessen sich beugen, welchen dasselbe enthält.

»Vorwärts, Freund,« sagte Coconnas, »Muth gefaßt; ich bin stark, ich trage Dich, ich setze Dich auf Dein Pferd, ich nehme Dich sogar vor mich, wenn Du Dich nicht auf dem Sattel halten kannst, aber laß uns eilig fliehen. Du hörst wohl, was dieser brave Mann sagt: es handelt sich um das Leben.«

La Mole machte eine übermenschliche, eine erhabene Anstrengung und sprach:

»Es ist wahr, es handelt sich um Dein Leben.«

Und er versuchte aufzustehen, Annibal nahm ihn unter den Armen und richtete ihn auf. La Mole gab während dieser Zeit nur eine Art von dumpfem Murren von sich. Aber in dem Augenblick, wo Coconnas ihn losließ, um zu dem Kerkermeister zu gehen, und der Leidende nur noch von den Armen der zwei Frauen unterstützt wurde, verbogen sich seine Beine, er fiel, trotz der Anstrengung der in Thränen zerfließenden Margarethe, wie eine Masse nieder, und der herzzerreißende Schrei, den er nicht länger zurückzuhalten im Stande war, machte die Kapelle von einem düsteren Echo erschallen, welches lange unter den Gewölben vibrirte.

»Ihr seht,« sagte La Mole, mit einem Tone voll Betrübniß, »Ihr seht es, meine Königin, laßt mich also, scheidet von mir mit einem letzten Lebewohl. Ich habe nicht gesprochen, Margarethe, Euer Geheimniß ist in meine Liebe gehüllt geblieben und wird mit mir sterben. Gott befohlen, meine Königin!«

Margarethe umfing, selbst halb leblos, mit ihren Armen diesen reizenden Kopf und drückte einen beinahe frommen Kuß darauf.

»Du, Annibal,« sprach La Mole, »Du, den die Schmerzen verschont haben, Du, der Du jung bist und leben kannst, fliehe, mein Freund, gewähre mir den Trost, Dich in Freiheit zu wissen.«

»Die Stunde geht vorüber,« rief der Kerkermeister, »Vorwärts, beeilt Euch.«

Henriette suchte Annibal sanft fortzuziehen, während Margarethe vor La Mole knieend, mit zerstreuten Haaren und von Thränen überströmten Augen, einer Magdalena glich.

»Fliehe, Annibal,« wiederholte La Mole, »fliehe, gib unsern Feinden nicht das lustige Schauspiel des Todes von zwei Unschuldigen.«

Coconnas drängte Henriette, die ihn nach der Thüre zog, sachte zurück und sprach mit einer so feierlichen Geberde, daß sie beinahe majestätisch wurde:

»Madame, gebt zuerst die fünfhundert Thaler, die Ihr diesem Manne versprochen habt.«

»Hier sind sie,« sagte Henriette,

Dann sich gegen La Mole umwendend und traurig den Kopf schüttelnd, fuhr Coconnas fort:

»Was Dich betrifft, mein guter La Mole, Du thust mir Unrecht, wenn Du nur einen Augenblick glaubst, ich könnte Dich verlassen. Habe ich denn nicht geschworen, mit Dir zu leben und zu sterben? Aber Du leidest zu sehr, mein Freund, und ich verzeihe Dir.«

Und er legte sich entschlossen neben seinem Freunde nieder, neigte sich gegen dessen Haupt und berührte seine Stirne mit den Lippen.

Dann zog er sachte, sachte, wie es eine Mutter für ihr Kind thun würde, den Kopf seines Freundes an sich, der nun an seiner Brust ruhte.

Margarethe war finster; sie hatte den Dolch aufgehoben, der den Händen von Coconnas entfallen war.

»Oh! meine Königin,« sprach la Mole, der ihre Gedanken begriff und die Arme nach ihr ausstreckte, »vergeßt nicht, daß ich sterbe um auch die letzte Ahnung von unserer Liebe zu ersticken.«,

»Aber was kann ich denn für Dich thun,« rief Margarethe voll Verzweiflung, »wenn ich nicht einmal mit Dir sterben darf?«

»Du kannst machen,« sprach La Mole, »Du kannst machen, daß mir der Tod süß seyn und mir gleichsam mit lächelndem Antlitz erscheinen wird.«

Margarethe näherte sich ihm mit gefaltenen Händen, als wollte sie ihm sagen, er möge sprechen.

«Erinnerst Du Dich jenes Abends, Margarethe, an welchem Du im Austausche für mein Leben, das ich Dir anbot, und das ich Dir heute gebe, mir ein heiliges Versprechen leistetest?«

Margarethe bebte.

»Ah! Du erinnerst Dich,« sprach La Mole, »denn Du schauerst.«

»Ja, ja, ich erinnere mich,« erwiederte Margarethe, »und bei meiner Seele, Hyazinth, ich werde dieses Versprechen halten.«

Margarethe streckte von ihrem Platze die Hand nach dem Altar aus, als wollte sie Gott zum zweiten Male zum Zeugen ihres Schwures nehmen.

Das Antlitz von La Mole klärte sich auf, als hätte sich das Gewölbe der Kapelle geöffnet und wäre es ein himmlischer Strahl auf ihn herabgefallen.

»Man kommt, man kommt,« rief der Schließer.

Margarethe stieß einen Schrei aus und stürzte auf La Mole zu. Aber die Furcht, seine Schmerzen zu verdoppeln, hielt sie zitternd vor ihm zurück.

Henriette drückte ihre Lippen auf die Stirne von Coconnas und sprach zu ihm:

»Ich begreife Dich, mein Annibal, und bin stolz auf Dich, Ich weiß wohl, daß Dein Heldenmuth Deinen Tod herbeiführen wird, aber ich liebe Dich wegen Deines Heldenmuthes. Vor Gott werde ich Dich stets mehr als Alles lieben. Und was Margarethe für La Mole zu thun geschworen hat, das schwöre ich Dir, ohne zu wissen was es ist, auch für Dich zu thun.«

Und sie reichte Margarethe ihre Hand.

»Wohl gesprochen; ich danke,« sagte Coconnas.

»Ehe Ihr mich verlaßt, meine Königin,« sprach La Mole, »noch eine letzte Gnade. Gebt mir irgendein Andenken, das ich küssen kann, wenn ich das Schaffot besteige.«

»Oh ja,« rief Margarethe, »sogleich…«

Und sie machte von ihrem Halse ein kleines goldenes Reliquienkästchen los, welches von einer Kette von demselben Metall getragen wurde.

»Sieh hier,« sagte sie, »eine heilige Reliquie, die ich seit meiner Kindheit trage. Meine Mutter hat sie mir um den Hals gehängt, als ich noch ganz klein war und sie mich noch liebte. Sie kommt von unserem Oheim, dem Papst Clemens; ich habe sie nie von mir gegeben. Nimm hin!«

La Mole nahm die Reliquie und küßte sie gierig.

»Man öffnet die Thüre!« rief der Kerkermeister. »Flieht, meine Damen, flieht!«

Die zwei Frauen stürzten hinter den Altar, wo sie verschwanden.

In demselben Augenblick trat der Priester ein.

XII.
Der Platz Saint Jean-en-Grève

Es war sieben Uhr Morgens. Die Menge wartete geräuschvoll auf den Plätzen, in den Straßen, auf den Quais.

Um sechs Uhr Morgens war ein Karren, derselbe, in welchem man die zwei Freunde nach ihrem Duell ohnmächtig in den Louvre zurückgebracht hatte, von Vincennes abgegangen, durchzog langsam die Rue Saint-Antoine, und die Zuschauer auf seinem Wege schienen, obgleich so sehr an einander gedrängt, daß sie sich gegenseitig, beinahe erdrückten, Bildsäulen mit starren Augen und zu Eis verwandeltem Munde zu seyn.

Es wurde in der That an diesem Tage durch die Königin Mutter dem ganzen Volke von Paris ein herzzerreißendes Schauspiel geboten.

In dem Karren, von dem wir gesprochen haben, und der, am Morgen von Vincennes abgegangen, durch die Straßen zog, lehnten sich, auf ein paar Bunden Stroh liegend, zwei junge Leute mit entblößtem Haupte und völlig schwarz gekleidet an einander, Coconnas hielt auf seinem Schooße La Mole, dessen Kopf etwas über den Karren hervorlag, während seine Augen, ohne eine bestimmte Richtung anzunehmen, umher irrten.

Die Menge aber, um einen gierigen Blick bis in den Grund des Wagens zu tauchen, hob sich, drängte sich, stieg auf die Weichsteine und schien zufrieden, wenn es ihr gelungen war, ganz und gar die beiden Körper zu überschauen, welche sich von dem Leiden trennten, um der Zerstörung zuzugehen.

Es hatte sich die Sage verbreitet, La Mole sterbe, ohne auch nur das Geringste von dem, was man ihm zur Last legte, zugestanden zu haben, während man im Gegentheil versicherte, Coconnas habe den Schmerz nicht ertragen können und Alles bekannt.

Man schrie auch von allen Seiten: »Seht! seht den Rothen! dieser hat gesprochen! dieser hat Alles gesagt! er ist ein Feiger und Ursache an dem Tode des Andern. Der Andere ist im Gegentheil ein Braver und hat nichts zugestanden.«

Die zwei jungen Leute hörten wohl, der eine die Lobeserhebungen, der andere die Beleidigungen, womit man ihren Zug zum Tode begleitete. Und während La Mole seinem Freunde die Hände drückte, gab sich eine erhabene Verachtung auf dem Gesichte des Piemontesen kund, der von seinem abscheulichen Karren herab die alberne Menge betrachtete, wie er sie von einem Triumphwagen aus betrachtet haben würde.

Das Unglück hatte sein himmlisches Werk vollbracht, es hatte das Gesicht von Coconnas geadelt, wie der Tod seine Seele vergöttlichen sollte.

»Sind wir bald angelangt?« fragte La Mole. »Ich kann nicht mehr, Freund, ich glaube, ich werde in Ohnmacht fallen.«

»Warte, warte, La Mole, wir kommen vor der Rue Tizon und vor der Rue Cloche-Percée vorüber. Schau’ ein wenig.«

»Oh! hebe mich auf, daß ich noch einmal dieses glückselige Haus sehe.«

Coconnas streckte die Hand auf und berührte die Schulter des Henkers. Er saß vorne auf dem Karren und führte das Pferd.

»Meister,« sagte er zu ihm, »thu’ uns den Gefallen und halte einen Augenblick vor der Rue Tizon an.«

Caboche machte mit dem Kopfe eine bewilligende Geberde und hielt vor der Rue Tizon an.

La Mole erhob sich, unterstützt von Coconnas, mit großer Anstrengung und schaute, das Auge von einer Thräne verschleiert, nach dem kleinen, schweigsamen, stummen, wie ein Grab verschlossenen Hause; ein Seufzer schwellte seine Brust und er murmelte mit leiser Stimme:

»Fahret wohl, Tugend, Liebe, Leben.«

Und er ließ den Kopf wieder auf die Brust sinken.

»Muth gefaßt,« sagte Coconnas, »wir werden vielleicht Alles dieß da oben wieder finden.«

»Glaubst Du?« sprach La Mole.

»Ich glaube es, weil es mir der Priester gesagt hat, und besonders, weil ich es hoffe. Aber werde nicht ohnmächtig, mein Freund. Diese Elenden, welche uns zuschauen, würden über uns lachen.«

Caboche hörte die letzten Worte, peitschte mit einer Hand sein Pferd und reichte mit der anderen Coconnas, ohne daß es Jemand sehen konnte, einen kleinen Schwamm, der mit einer so kräftigen Flüssigkeit geschwängert war, daß La Mole, sobald er daran gerochen und die Schläfe damit gerieben hatte, sich wieder gestärkt und belebt fühlte.

»Ah!« sagte La Mole, »ich erwache wieder.«

Und er küßte die an einer goldenen Kette an seinem Halse hängende Reliquie.

Als man an die Ecke des Quai gelangte und sich um das reizende, von Heinrich II. errichtete, kleine Gebäude wandte, sah man das Schaffot wie eine nackte, blutige Plattform sich erheben. Diese Plattform überragte alle Köpfe.

»Freund,« sprach La Mole, »ich würde gern zuerst sterben.«

Coconnas berührte die Schulter des Henkers zum zweiten Male mit seiner Hand.

»Was gibt es, edler Herr?« fragte dieser, sich umwendend.

»Braver Mann,« sprach Coconnas, »nicht wahr, Du thust mir einen Gefallen? Du hast es mir wenigstens gesagt.«

»Ja, und ich wiederhole es Euch.«

»Mein Freund hier hat mehr gelitten als ich, und besitzt folglich weniger Kraft.«

«Nun?«

»Er sagt mir, er würde zu sehr leiden, wenn er mich zuerst sterben sehen müßte. Ueberdieß, wenn ich zuerst sterben sollte, wäre Niemand da, um ihn auf das Schaffot zu tragen.«

»Gut, gut,« sprach Caboche, mit dem Rücken seiner Hand eine Thräne abwischend, »seyd unbesorgt, man wird thun, was Ihr wünscht.«

»Und mit einem Schlage, nicht wahr?« sagte mit leiser Stimme der Piemontese.

»Mit einem.«

»Wohl, wenn Ihr wieder Kräfte sammeln müßt, so sammelt sie bei mir.«

Der Karren hielt an. Man war an Ort und Stelle. Coconnas setzte seinen Hut auf.

Ein Getöse, dem der Wellen des Meeres ähnlich, drang an die Ohren von La Mole. Er wollte aufstehen, aber die Kräfte fehlten ihm, und Caboche und Coconnas mußten ihn unter den Armen halten.

Der Platz war mit Köpfen gepflastert, die Stufen des Stadthauses schienen ein mit Zuschauern bevölkertes Amphitheater. Aus jedem Fenster schauten belebte Gesichter mit flammenden Blicken hervor.

Als man sah, wie der schöne junge Mann, der sich nicht mehr auf den gebrochenen Beinen halten konnte, im höchsten Grade sich anstrengte, um ohne Unterstützung auf das Schaffot zu gehen, erhob sich ein ungeheures Geschrei wie ein Ruf allgemeiner Verzweiflung. Die Männer brüllten, die Weiber stießen Wehklagen aus.

»Das war einer von den Vortrefflichsten des Hofes,« sagten die Männer, »er sollte nicht auf Saint-Jean-en-Grève, sondern auf dem Pré-aux-Clercs sterben.«28

»Wie schön er ist! wie bleich er ist!« riefen die Frauen. »Der ist es, welcher nicht gesprochen hat.«

»Freund,« sagte La Mole, »ich kann mich nicht mehr halten, trage mich!«

»Warte,« erwiederte Coconnas.

Er machte dem Henker ein Zeichen und dieser ging auf die Seite; dann bückte er sich, nahm La Mole in seine Arme, wie er ein Kind genommen hätte, und stieg, ohne zu wanken, mit seiner Last die Treppe der Plattform hinauf, wo er La Mole unter dem wüthendsten Geschrei und Beifallklatschen der Menge niederlegte.

Coconnas nahm seinen Hut vom Haupte und grüßte.

Dann warf er seinen Hut neben sich auf das Schaffot.

»Schau’ umher,« sagte La Mole, »erblickst Du sie nicht irgendwo?«

Coconnas schaute langsam rings auf dem Platze umher, hielt, an einem Punkte angelangt, an und streckte ohne die Augen abzuwenden seine Hand aus, welche die Schulter seines Freundes berührte.

»Schau’,« sagte er, »schau’ nach dem Fenster jenes kleinen Thurmes.«

Und mit seiner andern Hand zeigte er La Mole das kleine Monument, das noch jetzt, ein Trümmer aus vergangenen Jahrhunderten, zwischen der Rue de la Vannerie und der Rue du Mouton besteht.

Zwei schwarz gekleidete Frauen standen an einander gelehnt nicht unmittelbar am Fenster, sondern etwas rückwärts.

»Ah!« sagte La Mole, »ich fürchtete nur Eines, zu sterben, ohne sie wiederzusehen. Ich habe sie wiedergesehen und kann nun sterben.«

Und die Augen gierig auf das kleine Fenster geheftet, drückte er das Reliquienkästchen an seinen Mund und bedeckte es mit Küssen.

Coconnas begrüßte die zwei Frauen mit aller Anmuth, die er sich in einem Salon gegeben hätte.

Dieses Zeichen erwiedernd, schwangen sie ihre von Thränen durchnäßten Taschentücher.

Caboche berührte mit dem Finger die Schulter von Coconnas und machte ihm ein verständliches Zeichen.

»Ja, ja,« sagte der Piemontese.

Dann sich gegen La Mole umwendend, sprach er: »Umarme mich und stirb gut. Es wird Dir nicht schwer werden, Freund, denn Du bist so muthig.«

»Ah,« entgegnete La Mole, »es wird kein Verdienst von mir seyn, wenn ich gut sterbe, ich leide so sehr.«

Der Priester näherte sich und streckte ein Crucifix gegen La Mole aus, der ihm lächelnd das Reliquienkästchen zeigte, welches er in der Hand hielt.

»Gleichviel,« sagte der Priester, »bittet immerhin denjenigen um Kraft, welcher gelitten hat, was Ihr leiden sollt.«

La Mole küßte die Füße Christi.

»Empfehlt mich zum Gebete den Damen der gebenedeiten Heiligen Jungfrau,« sagte er.

»Beeile Dich, La Mole,« sprach Coconnas, »Du thust mir so wehe, daß ich fühle, wie ich schwach werde.«

»Ich bin bereit,« sprach La Mole.

»Könnt Ihr Euern Kopf gerade halten?« fragte Caboche, indem er sein Schwert hinter dem niederknieenden La Mole richtete.

»Ich hoffe es,« versetzte dieser. »Dann wird Alles gut gehen.«

»Aber Ihr,« sagte La Mole, »Ihr werdet meine Bitte nicht vergessen; dieses Reliquienkästchen wird Euch die Thüre öffnen.«

»Seyd unbesorgt. Doch sucht den Kopf ein wenig gerade zu halten.«

La Mole richtete den Hals auf und sprach, seine Augen nach dem Thürmchen wendend: »Gott befohlen, Margarethe, sey ge…« Er vollendete nicht. Mit einem Schlage seines blitzenden Schwertes machte Caboche das Haupt fallen, und dieses rollte zu den Füßen von Coconnas.

Der Körper streckte sich sachte aus, als wollte er sich niederlegen.

Ein ungeheurer Schrei, eine Zusammenballung von tausend Schreien, erscholl, und Coconnas kam es vor, als hätte er aus allen diesen Frauenstimmen einen Ton gehört, schmerzlicher als alle übrigen.

»Ich danke, mein würdiger Freund, ich danke,« sagte Coconnas und reichte zum dritten Male die Hand dem Henker.

»Mein Sohn,« sprach der Priester zu Coconnas, »habt Ihr Gott nichts anzuvertrauen?«

»Meiner Treue, nein, mein Vater,« erwiederte der Piemontese, »Alles was ich ihm zu sagen hatte, habe ich gestern Euch selbst gesagt.«

Dann, sich gegen Caboche umwendend, sprach er:

»Auf, Henker, mein letzter Freund, noch einen Dienst.«

Und ehe er niederkniete, ließ er über die Menge einen so ruhigen, so heiteren Blick gehen, daß ein Gemurmel der Bewunderung sein Ohr liebkoste und seinen Stolz lächeln machte. Dann drückte er den Kopf seines Freundes zwischen seine Hände, hauchte einen Kuß auf seine blauen Lippen, warf einen letzten Blick nach dem Thürmchen, kniete, diesen vielgeliebten Kopf zwischen den Hunden behaltend, nieder und sprach:

»Nun mir!«

Er hatte diese Worte nicht vollendet, als sein Haupt auf einen Streich von Caboche von seinem Rumpfe flog.

Als dieser Schlag gethan war, erfaßte ein krampfhaftes Zittern den würdigen Mann.

»Es war Zeit, daß es zu Ende ging,« murmelte er. »Armes Kind!«

Und er zog mit Mühe aus den krampfhaft zusammengepressten Händen von La Mole das goldene Reliquienkästchen und warf seinen Mantel auf die traurigen Ueberreste, welche der Karren in seine Wohnung zurückführen sollte.

Das Schauspiel war vorüber, die Menge verlief sich.

28.Saint-Jean-en-Grève war zu jener Zeit der Richtplatz, der Pré-aux-Clercs der Platz, welchen man gewöhnlich für Zweikämpfe wählte. Der Uebers.
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04 декабря 2019
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