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Читать книгу: «Königin Margot», страница 44

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XV.
Die Plattform des Thurmes von Vincennes

Heinrich von Navarra ging allein und träumerisch auf der Terrasse des Thurmes umher; er wußte, daß der Hof in dem Schlosse war, das er hundert Schritte vor sich sah, und sein durchdringendes Auge errieth den sterbenden Karl hinter den Mauern.

Es war ein Wetter von Azur und Gold: ein breiter Sonnenstrahl spiegelte sich in den entfernten Ebenen, während er den Gipfel der auf den Reichthum ihres ersten Laubwerks stolzen Bäume des Waldes mit flüssigem Golde übergoß. Selbst die grauen Steine des Thurmes schienen sich mit der sanften Wärme des Himmels zu schwängern, und wilde Nelken, von dem Hauche des Ostwindes in die Spalten der Mauer getragen, öffneten ihre rothen und gelben Sammetblüthen den Küssen eines lauen Luftzuges.

Aber der Blick von Heinrich verweilte weder bei den grünen Ebenen, noch bei den vom Golde überstrahlten Gipfeln; sein Blick übersprang die zwischenliegenden Räume und heftete sich, glühend von Ehrgeiz, an die Hauptstadt Frankreichs, welche dazu bestimmt war, einst die Hauptstadt der Welt zu werden.

»Paris!« murmelte der König von Navarra, »da liegt Paris, das heißt die Freude, der Triumph, der Ruhm, die Macht und das Glück? Paris, wo der Louvre ist, und der Louvre, wo der Thron ist. Und ein Einziges trennt mich von dem so sehr ersehnten Paris, die Wälle, welche sich an meinen Füßen hinziehen und mit mir meine Feindin einschließen.«

Und seinen Blick von Paris nach Vincennes zurückführend, bemerkte er zu seiner Linken in einem von blühenden Mandelbäumen verschleierten Thälchen einen Mann, auf dessen Panzer hartnäckig ein Sonnenstrahl spielte, ein entflammter Punkt, welcher bei jeder Bewegung dieses Mannes im Raume umhersprang.

Dieser Mann saß auf einem feurigen Rosse und hielt an der Hand ein Pferd, das nicht minder ungeduldig zu seyn schien.

Der König von Navarra heftete seine Augen auf den Reiter und sah ihn sein Schwert aus der Scheide ziehen, die Spitze in sein Sacktuch stecken und dieses Sacktuch wie ein Signal schwingen.

In demselben Augenblick wiederholte sich auf dem Hügel gegenüber ein ähnliches Signal, dann flatterte es rings um das Schloß her wie, ein Gürtel von Sacktüchern.

Es war Herr von Mouy mit seinen Hugenotten. Sie wußten, daß der König im Sterben lag, und hatten sich befürchtend, es könnte etwas gegen Heinrich versucht werden, versammelt, um zur Vertheidigung bereit zu seyn.

Heinrich richtete seine Blicke auf den Reiter, den er zuerst wahrgenommen hatte, beugte sich über das Geländer hinaus, bedeckte sich die Augen mit der Hand, hielt so die Sonnenstrahlen ab, die ihn blendeten, und erkannte den jungen Hugenotten,

»Mouy!« rief er, als ob dieser es hätte hören können.

Und in seiner Freude, sich endlich von Freunden umgeben zu sehen, hob er selbst seinen Hut in die Höhe und ließ seine Schärpe flattern.

Alle die weißen Fähnchen bewegten sich abermals mit einer Lebhaftigkeit welche von ihrer Freude zeugte.

»Ah! sie erwarten mich,« sagte er, »und ich kann nicht zu ihnen kommen, … Warum that ich es nicht, da ich es vielleicht vermochte! … Nun habe ich zu lange gezögert.«

Und er machte ihnen eine Geberde der Verzweiflung, worauf von Mouy mit einem Zeichen antwortete, das wohl bedeuten sollte: »Ich werde warten!«

In diesem Augenblick hörte Heinrich Tritte auf der steinernen Treppe. Er zog sich rasch zurück. Die Hugenotten begriffen die Ursache dieses Rückzuges. Die Schwerter wurden wieder in die Scheide gestoßen und die Taschentücher verschwanden.

Heinrich sah von der Treppe her eine Frau kommen, deren keuchender Athem einen raschen Lauf andeutete, und erkannte, nicht ohne einen geheimen Schrecken, der ihn stets bei ihrem Anblick erfaßte, Catharina von Medicis.

Hinter ihr waren zwei Wachen, welche oben an der Treppe stille standen.

»Oh, oh!« murmelte Heinrich, »es muß etwas Neues, Wichtiges vorgefallen seyn, daß die Königin Mutter mich hier auf der Plattform des Thurmes von Vincennes aufsucht.«

Catharina setzte sich auf eine steinerne Bank und lehnte sich an die Zinne, um Athem zu schöpfen.

Heinrich näherte sich ihr mit seinem freundlichsten Lächeln und fragte:

»Wollt Ihr mich suchen, meine gute Mutter?«

»Ja, mein Herr,« antwortete Catharina, »ich wollte Euch einen letzten Beweis meiner Zuneigung geben. Wir sind einem erhabenen Augenblicke nahe; der König stirbt und will Euch sprechen.«

»Mich?« versetzte Heinrich vor Freude bebend.

»Ja, Euch. Man hat ihm, ich bin es fest überzeugt, gesagt, daß Ihr nicht nur nach dem Throne von Navarra Euch sehnet, sondern daß Euer Streben auch nach dem Throne von Frankreich gerichtet sey.«

»Oh!« rief Heinrich.

»Das ist nicht der Fall, ich weiß es wohl, aber er glaubt es und Niemand zweifelt daran, daß der Unterredung, welche er mit Euch pflegen will, die Absicht zu Grunde liegt, Euch in eine Falle zu locken.«

»Mich.«

»Ja, Karl will, ehe er stirbt, wissen, was er von Euch zu fürchten oder zu hoffen hat, und von Eurer Antwort auf seine Anerbietungen, gebt wohl Acht, hängen die letzten Befehle ab, die er geben wird, das heißt Euer Leben oder Tod.«

»Aber was soll er mir denn anbieten?«

»Was weiß ich? Wahrscheinlich unmögliche Dinge!«

»Habt Ihr keine Ahnung, meine Mutter?«

»Nein, aber ich vermuthe, zum Beispiel…«

Catharina hielt inne.

»Was?«

»Ich vermuthe, daß er, die ehrgeizigen Absichten bei Euch voraussetzend, von denen man ihm gesagt hat, aus Eurem Munde den Beweis von diesem Ehrgeiz erlangen will. Denkt, er versuche Euch, wie man wohl die Schuldigen versucht, um ein Geständniß ohne Folter hervorzurufen. Denkt,« fuhr Catharina, Heinrich fest anschauend, fort, »er trage Euch eine Statthalterschaft, sogar die Regentschaft an.«

Ein unsägliche Freude verbreitete sich in dem Herzen von Heinrich; aber er errieth den Schlag, und diese kräftige, geschmeidige Seele sprang unter dem Angriffe zurück.

»Mir?« sagte er, »die Falle wäre zu plump. Mir die Regentschaft, während Ihr da seyd, während mein Schwager Alençon da ist?«

Catharina kniff sich in die Lippen, um ihre Freude zu verbergen.

»Ihr leistet auf die Regentschaft Verzicht?« fragte sie lebhaft.

»Der König ist todt,« dachte Heinrich, »und sie stellt mir eine Falle.«

Dann antwortete er laut:

»Ich muß zuerst den König von Frankreich hören, denn nach Eurem eigenen Geständnis Madame, ist Alles, was Ihr da sagt, nur eine Voraussetzung.«

»Allerdings,« sprach Catharina, »Ihr könnt Euch aber immerhin über Eure Absichten erklären.«

»Ei, mein Gott!« erwiederte Heinrich in unschuldigem Tone, »da ich keine Ansprüche habe, so habe ich auch keine Absichten.«

»Das heißt nicht antworten,« sagte Catharina, welche fühlte, daß die Zeit drängte, und sich von ihrem Zorne hinreißen ließ, »sprecht Euch auf die eine oder auf die andere Art aus.«

»Ich kann mich nicht über Voraussetzungen aussprechen. Es ist eine so schwierige und besonders so ernste Sache, einen bestimmten Entschluß zu fassen, daß man die Wirklichkeit abwarten muß.«

»Hört, mein Herr,« sagte Catharina, »es ist keine Zeit zu verlieren, und wir verlieren sie in leerem Streite und in gegenseitigen Feinheiten. Spielen wir unser Spiel als König und Königin. Nehmt, Ihr die Regentschaft an, so seyd Ihr todt.«

»Der König lebt,« dachte Heinrich.

Dann sprach er laut und mit festem Tone:

»Madame, Gott hält das Leben der Menschen und der Könige in seinen Händen; er wird mich erleuchten. Man melde Seiner Majestät, ich sey bereit, vor ihm zu erscheinen.«

»Bedenkt es wohl, mein Herr.«

»Seit den zwei Jahren, die ich geächtet bin, seit dem Monat, den ich gefangen gehalten werde,« antwortete Heinrich mit ernstem Tone, »habe ich Zeit gehabt, nachzudenken, und ich habe nachgedacht. Wollt also die Güte haben, zu dem König hinabzugehen und ihm zu sagen, ich folge Euch. Diese zwei Braven,« fügte Heinrich, auf die zwei Soldaten deutend, bei, »werden darüber wachen, daß ich nicht entfliehe. Ueberdies ist dies gar nicht meine Absicht.«

Es lag ein solcher Ausdruck von Festigkeit in den Worten von Heinrich, daß Catharina wohl einsah, alle ihre Versuche, unter welcher Form sie auch verkleidet wären, würden nichts über ihn gewinnen, und sie stieg deshalb in Eile hinab.

Sobald sie verschwunden war, eilte Heinrich an die Brüstung und machte von Mouy ein Zeichen, womit er sagen wollte: »Nähert Euch und haltet Euch auf jedes Ereigniß bereit.«

Von Mouy, welcher abgestiegen war, schwang sich in den Sattel, ritt im Galopp mit dem Handpferde vor und faßte zwei Büchsenschüsse von dem Thurme Posto.

Heinrich dankte ihm mit einer Geberde und ging hinab.

Auf dem ersten Treppenabsatze fand er die zwei Soldaten, welche auf ihn warteten.

Ein doppelter Posten von Schweizern und Chevauxlegers bewachte den Eingang der Höfe, und man mußte durch eine doppelte Reihe von Partisanen schreiten, um in das Schloß zu kommen oder hinaus zu gelangen.

Catharina hatte hier angehalten und wartete.

Sie hieß die zwei Soldaten, welche Heinrich folgten, sich entfernen, legte eine von ihren Händen auf seinen Arm und sprach:

»Dieser Hof hat zwei Thore; an jenem, welches Ihr hinter den Gemächern des Königs seht, erwarten Euch, wenn Ihr die Regentschaft ausschlagt, ein gutes Pferd und die Freiheit: an diesem, durch welches Ihr so eben gegangen, wenn Ihr auf die Stimme des Ehrgeizes hört …Was sagt Ihr?«

»Ich sage, wenn der König mich zum Regenten macht, Madame, so werde ich den Soldaten Befehle geben, nicht Ihr. Ich sage, wenn ich in der Nacht aus dem Schlosse gehe, werden sich alle diese Piken, alle diese Hellebarden, alle diese Musketen vor mir senken.«

»Wahnsinniger!« murmelte Catharina außer sich, »glaube mir, spiele mit Catharina nicht das furchtbare Spiel um Leben und Todt.«

»Warum nicht?« versetzte Heinrich, Catharina fest anschauend, »warum nicht eben so gut mit Euch, als mit jedem Anderen, da ich eben bis jetzt gewonnen habe?«

»Geht also zu dem König hinauf, mein Herr, da Ihr weder glauben noch hören wollt,« sagte Catharina mit einer Hand auf die Treppe deutend, mit der anderen mit einem von den zwei vergifteten Dolchen spielend, welche sie in der historisch gewordenen Scheide von schwarzen Chargin29 trug.

»Geht zuerst hinauf, Madame,« erwiederte Heinrich, »so lange ich nicht Regent bin, gebührt Euch die Ehre des Vortritts.«

Catharina erriet alle seine Absichten, wagte es aber nicht, dagegen zu kämpfen, und ging voraus.

XVI.
Die Regentschaft

Der König fing an ungeduldig zu werden. Er hatte Herrn von Nancey in sein Zimmer rufen lassen und ihm Befehl gegeben, Heinrich zu holen, als dieser erschien.

Karl stieß einen Freudenschrei aus, und Heinrich blieb erschrocken, als ob er sich einer Leiche gegenüber gesehen hätte.

Die zwei Aerzte, welche sich an seiner Seite befanden, entfernten sich; der Priester, der den unglücklichen Fürsten zu einem christlichen Ende ermahnt hatte, zog sich ebenfalls zurück.

Karl IX. war nicht beliebt, und doch weinte man viel in den Vorzimmern. Bei dem Tode der Könige, wie sie auch gewesen seyn mögen, gibt es immer Leute, die etwas verlieren und dieses Etwas unter dem Nachfolger nicht wieder zu finden fürchten.

Diese Trauer, das Schluchzen, die Worte von Catharina, die finstern und majestätischen Zubereitungen bei den letzten Augenblicken eines Königs, der Anblick dieses Königs selbst, welcher von einer Krankheit befallen war, von der die Wissenschaft damals noch kein Beispiel gehabt hatte, brachten auf den noch jungen und folglich für Eindrücke empfänglichen Geist von Heinrich eine so furchtbare Wirkung hervor, daß er, obgleich entschlossen, bei Karl keine neue Unruhe über seinen Zustand zu veranlassen, wie gesagt, unfähig war, das Gefühl des Schreckens zurückzudrängen, das sich auf seinem Gesichte ausprägte, als er den König ganz von Blut triefend erblickte.

Karl lächelte traurig; den Sterbenden entgeht kein Eindruck bei ihrer Umgebung.

»Kommt hierher, Henriot,« sagte er, seinem Schwager die Hand reichend, mit einer Weichheit der Stimme, welche Heinrich bis dahin nie bei ihm wahrgenommen hatte. »Kommt, denn es würde mir wehe thun, Euch nicht zu sehen; ich habe Euch in meinem Leben viel geplagt, mein armer Freund, und glaubt mir, ich mache es mir jetzt zum Vorwurf. Zuweilen habe ich denjenigen, welche Euch verfolgten, die Hände gereicht; aber ein König ist nicht Herr der Ereignisse, und außer meiner Mutter Catharina, außer meinem Bruder Anjou, außer meinem Bruder Alençon, hatte ich über mir während meines Lebens etwas Beengendes, was von dem Tage, wo ich den Tod berühre, aufhört: die Staatsraison.«

»Sire,« stammelte Heinrich,«ich erinnere mich an nichts mehr, als an die Liebe, die ich stets für meinen Schwager hegte, und an die Achtung, welche ich stets für meinen König gehabt habe.«

»Ja, ja, Du hast Recht,« sagte Karl, »und ich bin Dir dankbar, daß Du so sprichst, Henriot; denn Du hast in der That viel gelitten unter meiner Regierung, abgesehen davon, daß während dieser Zeit Deine arme Mutter gestorben ist. Aber Du mußtest sehen, daß man mich oft angetrieben hat. Zuweilen widerstand ich, zuweilen aber auch gab ich aus Ermüdung nach. Doch Du hast es gesagt, wir wollen nicht mehr von der Vergangenheit sprechen, nun da mich die Gegenwart drängt, da mich die Zukunft erschreckt.«

Und diese Worte sprechend, verbarg der arme König sein leichenblasses Gesicht in seinen fleischlosen Händen,

Dann nach kurzem Stillschweigen fuhr er, indem er sein Haupt schüttelte, um diesen traurigen Gedanken daraus zu verjagen, und dabei einen Blutthau um sich regnen ließ, mit leiser Stimme und sich gegen Heinrich vorbeugend fort:

»Man muß den Staat retten, man muß es verhindern, daß er in die Hände von Fanatikern oder Frauen fällt.«

Karl sprach diese Worte, wie gesagt, mit leiser Stimme, und dennoch glaubte er hinter der Tapete des Bettes etwas wie einen dumpfen Ausruf des Zornes zu vernehmen. Vielleicht gestattete eine, ohne daß es Karl selbst wußte, in der Wand angebrachte Oeffnung der Königin Catharina, diese letzte Unterredung zu belauschen.

»Von Frauen?« versetzte der König von Navarra, um eine Erklärung hervorzurufen.

»Ja, Heinrich,« sagte Karl, »meine Mutter will die Regentschaft, bis mein Bruder von Polen zurückkehrt. Aber höre, was ich Dir sage, er wird nicht zurückkommen.«

»Wie! er wird nicht zurückkommen? …« rief Heinrich, dessen Herz in der Stille vor Freude jauchzte.

»Nein, er wird nicht zurückkommen,« fuhr Karl fort, »seine Unterthanen werden ihn nicht gehen lassen.«

»Aber glaubt Ihr nicht, mein Bruder, daß die Königin Mutter ihm zum Voraus geschrieben hat?«

»Allerdings! aber Nancey hat den Courier in Chateau-Thierry aufgefangen und mir den Brief zurückgebracht. Diesem Briefe nach sollte ich sterben, wie sie sagte. Doch ich schrieb auch nach Warschau. Mein Brief, ich bin es fest überzeugt, ist dort angekommen, und mein Bruder wird überwacht seyn. Somit wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Thron erledigt.«

Ein zweites Schauern, noch merklicher als das erste Mal, machte sich in dem Alkoven hörbar.

»Sie ist offenbar da,« sagte Heinrich zu sich selbst, »sie horcht, sie wartet.«

Karl hörte nichts.

»Ich sterbe nun ohne männliche Erben,« fuhr er fort.

Dann hielt er inne: ein süßer Gedanke schien sein Antlitz zu erleuchten, und seine Hand auf die Schulter des Königs von Navarra legend, sprach Karl:

»Ach! erinnerst Du Dich, Henriot, erinnerst Du Dich des armen kleinen Kindes, das ich Dir eines Abends, schlummernd und von einem Engel bewacht, gezeigt habe? Ach! Henriot, sie werden es mir tödten!«

»Oh, Sire!« rief Heinrich, die Augen von Thränen befeuchtet, »ich schwöre Euch vor Gott, daß ich Tag und Nacht über seinem Leben wachen werde. Befehlt, mein König.«

»Ich danke, Henriot, ich danke,« sprach der König mit einem Ergusse, der seinem Charakter sehr ferne war und nur aus der Lage der Dinge hervorgehen konnte. »Ich nehme Dein Wort an. Mache keinen König aus ihm, … glücklicher Weise ist es nicht für den Thron geboren,… sondern einen glücklichen Menschen. Ich hinterlasse ihm ein unabhängiges Vermögen; es besitze den Adel seiner Mutter, den des Herzens. Vielleicht wäre es besser für das Kind, wenn man es für die Kirche bestimmen würde! es dürfte weniger Furcht einflößen. Oh! mir däucht, ich würde, wenn nicht glücklicher, doch ruhiger sterben, hätte ich hier zu meinem Troste die Liebkosungen des Kleinen und das sanfte Gesicht der Mutter.«

»Sire, könnt Ihr sie nicht holen lassen?«

»Die Unglücklichen! sie würden nicht von hier wegkommen. Es ist eine den Königen vorgeschriebene Bedingung: sie dürfen weder nach ihrem Gefallen leben, noch darnach sterben. Aber seitdem ich Dein Versprechen habe, bin ich ruhiger.«

Heinrich dachte nach.

»Ja allerdings, ich habe versprochen, mein König; werde ich aber auch halten können?«

»Was willst Du damit sagen?«

»Ich selbst, werde ich nicht geächtet, mehr noch bedroht seyn, als der Kleine? Denn ich, ich bin ein Mann, und er ist nur ein Kind.«

»Du täuschest Dich,« antwortete Karl, »bin ich einmal todt, so wirst Du stark und mächtig, und dieses wird Dir Kraft und Macht verleihen.«

Bei diesen Worten zog der Sterbende ein Pergament unter seinem Kopfkissen hervor.

»Nimm,« sagte er.

Heinrich durchlief das mit dem königlichen Siegel versehene Blatt.

»Mir die Regentschaft?« fragte er vor Freude erbleichend.

»Ja, Dir die Regentschaft in Erwartung der Rückkehr des Herzogs von Anjou, und da der Herzog aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zurückkehren wird, so verleiht Dir dieses Papier nicht die Regentschaft, sondern den Thron.«

»Mir den Thron?« murmelte Heinrich.

»Ja,« sprach Karl, »Dir, der allein würdig und besonders fähig ist, diese galanten Wüstlinge, diese verlorenen Töchter zu regieren, die von Blut und Thränen leben. Mein Bruder Alençon ist ein Verräther; er wird einVerräther gegen Alle seyn. Laß ihn also in dem Thurme, in welchen ich ihn gesperrt habe. Meine Mutter wird Dich umbringen wollen, verbanne sie. Mein Bruder Anjou wird in den, in vier Monaten, in einem Jahr vielleicht Warschau verlassen und Dir die Gewalt streitig machen; antworte Heinrich durch ein Breve des Papstes. Ich habe diese Sache durch meinen Botschafter, den Herzog von Nevers, unterhandelt, und Du wirst unverzüglich das Breve erhalten.«

»Oh, mein König!«

»Fürchte nur Eines, Heinrich, den Bürgerkrieg. Bleibst Du jedoch bekehrt, so vermeidest Du ihn; denn die Hugenottenpartei hat nur unter der Bedingung Bestand, daß Du Dich an die Spitze derselben stellst, und Herr von Condé besitzt nicht die Kraft, gegen Dich zu kämpfen, Frankreich ist ein Land der Ebenen, Heinrich, folglich ein katholisches Land. Der König von Frankreich muß der König der Katholiken und nicht der der Hugenotten sein; denn der König von Frankreich muß der König der Mehrzahl seyn. Man sagt, ich fühle Gewissensbisse, daß ich die Bartholomäusnacht gemacht habe; Zweifel, ja; Gewissensbisse, nein. Man sagt: ich schwitze das Blut der Hugenotten durch alle Poren. Ich weiß, was ich ausschwitze, Arsenik und nicht Blut.«

»Oh! Sire. was sagt Ihr?«

»Nichts. Soll mein Tod gerächt werden, Henriot, so soll es durch Gott allein geschehen. Sprechen wir hiervon nur noch, um die Ereignisse vorherzusehen, welche die Folgen davon seyn werden. Ich hinterlasse Dir ein gutes Parlament, ein erprobtes Heer. Stütze Dich auf das Parlament und auf das Heer, um Deinen zwei einzigen Feinden, meiner Mutter und dem Herzog von Alençon, zu widerstehen.«

In diesem Augenblick hörte man in der Vorhalle ein dumpfes Geräusch von Waffen und militärischen Befehlen,

»Ich bin todt,« murmelte Heinrich.

»Du fürchtest, Du zögerst?« sagte Karl unruhig.

»Ich!« versetzte Heinrich, »nein, ich fürchte nicht; nein, ich zögere nicht: ich nehme an.«

Karl reichte ihm die Hand. Und da sich in diesem Augenblick seine Amme ihm näherte, einen Trank in der Hand haltend, den sie in dem anstoßenden Zimmer bereitet hatte, ohne darauf Achtung zu geben, daß sich das Geschick von Frankreich drei Schritte von ihr entschied, sprach er:

»Rufe meine Mutter, gute Amme, und sage auch, man möge Herrn von Alençon kommen lassen.«

XVII.
Der König ist todt: es lebe der König!

Catharina und der Herzog von Alençon traten, Beide leichenbleich vor Schrecken und zitternd vor Wuth, ein paar Minuten nachher ein, Catharina wußte, wie es Heinrich errathen, Alles und hatte Franz mit wenigen Worten Alles mitgetheilt. Sie machten einige Schritte und blieben dann wartend stehen.

Heinrich stand oben an dem Bette von Karl.

Der König wußte nicht, was vorgegangen war, und erklärte ihnen seinen Willen.

»Madame,« sagte er zu seiner Mutter, »hätte ich einen Sohn, so würdet Ihr Regentin, oder in Ermangelung von Euch würde es der König von Polen, oder in Ermangelung des Königs von Polen mein Bruder Franz; aber ich habe keinen Sohn, und nach mir gehört der Thron meinem Bruder, dem Herzog von Anjou, welcher abwesend ist. Da er früher oder später erscheinen wird, um diesen Thron zu fordern, so soll er nach meinem Willen nicht einen Menschen an seinem Platze treffen, der durch beinahe gleiche Rechte ihm seine Ansprüche streitig machen könnte und folglich das Königreich Prätendenten-Kriegen preisgeben würde. Darum nehme ich Euch nicht zur Regentin, Madame; denn Ihr hättet zwischen Euren zwei Söhnen zu wählen, was sehr peinlich für Euer Herz wäre. Darum wähle ich nicht meinen Bruder Franz, denn Franz könnte zu, seinem älteren Bruder sagen: »»Ihr hattet einen Thron, warum verließet Ihr denselben?«« – Nein, ich wähle einen Regenten, der die Krone in Verwahrung nehmen kann und sie in seinen Händen und nicht auf seinem Kopf behält. Diesen Regenten, begrüßt ihn, Madame, begrüßt ihn, mein Bruder; dieser Regent ist der König von Navarra.«

Und mit einer Geberde des höchsten Befehles begrüßte er Heinrich mit der Hand.

Catharina und Alençon machten eine Bewegung, welche zwischen einem Nervenzittern und einem Gruße mitten inne stand.

»Nehmt, durchlauchtiger Regent,« sprach Karl zu dem König von Navarra, »hier ist das Pergament, das Euch bis zur Rückkehr des Königs von Polen den Oberbefehl über die Armeen, die Schlüssel des Schatzes, das königliche Recht und die königliche Gewalt verleiht.«

Catharina verschlang Heinrich mit dem Blicke; Franz war so wankend, daß er sich kaum aufrecht zu halten vermochte; aber die Schwäche des Einen und die Festigkeit der Andern zeigten ihm, statt ihn zu beruhigen, die ihn ganz von Nahem bedrohende Gefahr.

Heinrich machte nichtsdestoweniger eine heftige Anstrengung, und seine Furcht überwältigend nahm er die Rolle aus den Händen des Königs, richtete sich in seiner ganzen Höhe auf und heftete auf Catharina und Franz einen Blick, mit dem er wohl sagen wollte:

»Nehmt Euch, in Acht, ich bin Euer Gebieter.«

Catharina begriff diesen Blick,

»Nein, nein, nie!« sagte sie, »nie soll mein Geschlecht das Haupt unter einem fremden Geschlechte beugen; nie soll ein Bourbon in Frankreich regieren, so lange ein Valois übrig bleibt.«

»Meine Mutter, meine Mutter,« rief Karl IX., sich furchtbarer als je in seinem Bette mit den gerötheten Tüchern erhebend, »nehmt Euch in Acht, noch bin ich König, nicht mehr für lange Zeit, ich weiß es wohl, aber es bedarf nicht langer Zeit, um die Mörder und Giftmischer zu bestrafen.«

»Wohl, so gebt diesen Befehl, wenn Ihr es wagt. Ich, ich werde die meinigen geben. Kommt, Franz, kommt!«

Und sie ging, den Herzog von Alençon mit sich ziehend, rasch hinaus.

»Nancey!« rief Karl. »Nancey, herbei, herbei! Ich befehle es, ich will es, verhaftet meine Mutter, verhaftet meinen Bruder, verhaftet…«

Ein Blutstrom schnitt Karl das Wort in dem Augenblick ab, wo der Kapitän der Garden die Thüre öffnete und der König röchelte halb erstickt auf seinem Bette.

Nancey hatte nur seinen Namen gehört. Die Befehle, welche daraus gefolgt waren, hatten sich, minder deutlich ausgesprochen, in der Luft verloren.

»Bewacht die Thüre,« sagte Heinrich, »und laßt Niemand eintreten.«

Nancey verbeugte sich und ging ab.

Heinrich richtete seine Augen wieder auf den leblosen Körper, den man für eine Leiche hätte halten können, würde nicht ein leichter Hauch die Schaumfranse bewegt haben, welche seine Lippen umgab.

Er betrachtete den König lange und sagte dann, mit sich selbst sprechend:

»Das ist der entscheidende Augenblick… soll ich regieren? soll ich leben?«

In derselben Sekunde hob sich der Vorhang des Alkoven, ein bleiches Haupt erschien dahinter und eine Stimme ertönte mitten unter dem Schweigen des Todes, das in dem königlichen Zimmer herrschte.

»Lebt,« sagte diese Stimme.

»René!« rief Heinrich.

»Ja, Sire,«

»Deine Weissagung ist also falsch: ich werde nicht König seyn?« rief Heinrich.

»Ihr werdet es seyn, Sire; aber die Stunde ist noch nicht gekommen.«

»Woher weißt Du das? Sprich! damit ich erkenne, ob ich Dir glauben soll.«

»Hört!«

»Ich höre.«

»Bückt Euch.«

Heinrich bückte sich über den Körper von Karl. René beugte sich ebenfalls. Es trennte sie nur die Breite des Bettes, und die Entfernung wurde noch durch ihre doppelte Bewegung vermindert, Zwischen Beiden lag immer noch ohne Stimme und ohne Bewegung, der Leib des sterbenden Königs.

»Hört,« sagte René, »durch die Königin Mutter hierher bestellt, um Euch zu verderben, will ich lieber Euch dienen, denn ich habe Vertrauen zu Eurem Horoscop, und wenn ich Euch diene, finde ich zugleich in dem, was ich thue, das Interesse meines Leibes und meiner Seele.«

»Und es ist ebenfalls die Königin, die Dir befohlen hat, mir dieses zu sagen?« fragte Heinrich voll Zweifel und Bangigkeit.

»Nein,« sprach René, »aber vernehmt ein Geheimniß.«

Und er neigte sich noch mehr Heinrich ahmte ihn nach, so daß ihre Köpfe sich beinahe berührten.

Diese Unterredung zweier über den Leib eines sterbenden Königs gebeugter Männer hatte etwas so Düsteres, daß sich die Haare des abergläubischen Florentiners auf seinem Haupte sträubten, indeß ein starker Schweiß auf der Stirne von Heinrich perlte.

»Hört,« fuhr René fort, »hört ein Geheimniß, das ich allein kenne, und das ich Euch enthülle, wenn Ihr mir bei diesem Sterbenden schwört, mir den Tod Eurer Mutter zu verzeihen.«

»Ich habe es Euch bereits einmal versprochen,« sagte Heinrich, dessen Gesicht sich merklich verdüsterte.

»Versprochen, aber nicht geschworen,« versetzte René und machte eine Bewegung rückwärts.

»Ich schwöre es Euch,« sprach Heinrich, seine rechte Hand über dem Haupte des Königs ausstreckend.

»Wohl, Sire,« sagte der Florentiner hastig, »der König von Polen kommt.«

»Nein,« erwiederte Heinrich, »der Courier ist durch König Karl aufgehalten worden.«

»Der König Karl hat nur einen auf der Straße nach Chateau-Thierry ausgehalten; aber die Königin Mutter hat in ihrer Vorsicht drei auf verschiedenen Wegen abgeschickt.«

»Oh, wehe mir!« rief Heinrich.

»Ein Bote ist diesen Morgen von Warschau angekommen. Der König reiste hinter ihm ab, ohne daß Jemand daran dachte, sich zu widersetzen; denn in Warschau wußte man noch nichts von der Krankheit des Königs. Der Bote ist Heinrich von Anjou nur um einige Stunden voran.«

»Oh! hätte ich doch wenigstens acht Tage!«

»Ja, aber Ihr habt nicht einmal acht Stunden. Hörtet Ihr das Geräusch der Waffen, die man in Bereitschaft setzt?«

»Ja,«

»Diese Waffen, man hält sie für Euch bereit; sie werden kommen und Euch sogar hier in dem Zimmer des Königs morden.«

»Der König ist noch nicht todt.«

René schaute Karl fest an.

»In zehn Minuten wird er es seyn, Ihr habt also noch zehn Minuten, vielleicht weniger zu leben.«

»Was soll ich thun?«

»Fliehen, ohne eine Minute, ohne eine Secunde zu verlieren.«

»Aber wie dies? Wenn sie im Vorzimmer warten, werden sie mich tödten, sobald ich hinauskomme.«

»Hört, ich wage Alles für Euch. Vergeßt es nie.«

»Seyd unbesorgt.«

»Folgt mir durch diesen geheimen Gang, ich führe Euch bis zu der Schlupfpforte. Dann, um Euch Zeit zu gönnen, gehe ich zu der Königin und melde ihr, Ihr steiget eben hinab. Man wird glauben, Ihr habet diesen geheimen Gang entdeckt und denselben zu Eurer Flucht benutzt. Kommt, kommt!«

Heinrich bückte sich auf Karl hinab, küßte ihn auf die Stirne und sprach:

»Gott befohlen, mein Bruder. Ich werde es nie vergessen, daß es Dein letzter Wunsch war, in mir Deinen Nachfolger zu sehen; ich werde nie vergessen, daß es Dein letzter Wille war, mich zum König zu machen. Stirb im Frieden! Im Namen unserer Brüder verzeihe ich Dir das vergossene Blut!«

»Geschwinde, geschwinde!« sagte René, »er kommt zu sich! flieht, ehe er die Augen öffnet, flieht!«

»Amme,« murmelte Karl, »Amme!«

Heinrich nahm von dem Kopfkissen von Karl das nun unnütze Schwert des sterbenden Königs, steckte das Pergament, welches ihn zum Regenten machte, in seine Brust, küßte Karl zum letzten Male auf die Stirne, wandte sich um das Bett und eilte durch die Oeffnung, die sich wieder hinter ihm schloß.

»Amme!« rief der König mit stärkerer Stimme.

Die gute Frau eilte herbei.

»Nun, was gibt es, mein Charlot?« fragte sie.

»Amme,« sprach der König, das Augenlid geöffnet und das Auge erweitert durch die furchtbare Starrheit des Todes, »es muß etwas vorgefallen seyn, während ich schlief: ich sehe ein großes Licht; ich sehe Gott, unsern Herrn; ich sehe unsern Herrn Jesus; ich sehe die gebenedeite Jungfrau Maria. Sie beten, sie flehen für mich: der Allmächtige verzeiht mir… Er ruft mich! Mein Gott! mein Gott! nimm mich in Deine Barmherzigkeit auf!… Mein Gott! vergiß, daß ich König war, denn ich komme zu Dir ohne Scepter und ohne Krone. Mein Gott! vergiß die Verbrechen des Königs, um Dich nur der Leiden des Menschen zu erinnern. Mein Gott! hier bin ich!«

Und Karl, der während er diese Worte sprach, sich immer mehr erhoben hatte, gleichsam um der Stimme, die ihn rief, entgegenzugehen, stieß nur einen Seufzer aus und fiel starr und unbeweglich in die Arme seiner Amme.

Mittlerweile und während die von Catharina befehligten Soldaten sich in der Flur ausstellten, durch welche Heinrich kommen sollte, folgte dieser, von René geführt, dem geheimen Gange, erreichte die Schlupfpforte, schwang sich auf das Pferd, das seiner harrte, und jagte nach dem Orte, wo er Herrn von Mouy zu finden wußte.

Bei dem Getöse seines Pferdes, dessen Galopp das sonore Pflaster erdröhnen machte, wandten sich plötzlich einige Wachen um und riefen:

»Er flieht! er flieht!«

»Wer flieht?« schrie die Königin Mutter, sich einem Fenster nähernd.

»Der König Heinrich! der König von Navarra!« riefen die Wachen.

29.feines Leder
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04 декабря 2019
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