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Читать книгу: «Die Holländerin», страница 2

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– Sie überschütten mich.

– Kommen Sie von Mailand?

– Ja.

– Sind Sie lange dort gewesen?

– Nein; doch warum fragen Sie mich danach?

– Weil ich bei meiner Durchreise in Mailand einen meiner guten Freunde antraf, einen Arzt, der sich erst kürzlich verheirathet hat. Diesen fragte ich, ob er nicht einen jungen Mann wüßte, der zwei oder drei Sprachen verstände, und da Sie mir sagen, daß Sie Medicin studirt haben, wundere ich mich, daß er Sie nicht kennt, denn er hält sich schon einige Zeit in Mailand auf

– Wie nennt er sich?

– Herr Mametin.

– Der Mann ist mir unbekannt.

– Thut auch nichts zur Sache, da ich Sie kenne. Die Sache ist also abgemacht?

– Ich glaube es wohl.

– Sie wissen nun, wohin Sie gehen.

– Ach, mein Herr, Sie retten mir das Leben!

– Wie kann man in Ihrem Alter verzweifeln wollen! Sie werden Ihre Arbeit haben, das Kind ist verzogen.

– Um so besser!

– A propos!

– Reden Sie.

– Sie gefallen mir außerordentlich, und ich bin erfreut, Ihnen einen Dienst zu leisten, aber —

– Aber?

– Ich bin nicht allein in meinem Hause.

– Haben Sie einen Associé?

– Nein, aber ich habe eine Frau.

– Ich werde alles aufbieten, um Madame Van-Dick zu gefallen.

– Vor allen Dingen richten Sie sich so ein, daß die Ruhe nicht gestört wird.

– Soll geschehen.

– Und wenn meine Frau Sie nicht liebt, so müßten wir uns doch trennen, obgleich es mir viel Vergnügen macht, Sie zu sehen.

– Ich werde alles thun, was sie will.

– Dies ist das Mittel, sich bei ihr beliebt zu machen.

– Halt! dachte Tristan, ich merke, daß Madame Van-Dick für ihren Gatten thut, was dieser für die Umstände: sie unterwirft sich ihm, um ihn zu beherrschen.

Nach dieser kurzen Betrachtung reichte er Herrn Van-Dick beide Hände, welche dieser herzlich drückte.

3

Man denke sich die Freude unseres Freundes! Der Glückswechsel trat nach einem jeden Unglücke mit einer solchen Pünktlichkeit ein, daß er keinen Grund hatte, sich der Verzweiflung preiszugeben, ohne eine Gotteslästerung zu begehen. Die wenigen Worte des Holländers, durch welche seine Lage geändert worden, hatten auch die Natur vor seinen Augen verändert. Tristan fand die Bäume schöner und den Tag strahlender, der Gesang der Vögel, die in dem klaren Aether schwebten, schien ihm melodischer und die Thautropfen, die auf den Grashalmen und Gesträuchen am Wege blitzten, däuchten ihm Diamanten des reinsten Wassers zu sein.

– Ah, Lea, dachte er, Sie glauben, daß ich zu Ihnen zurückkehre! Und Du, meine liebe Frau, Du verheirathest Dich wieder und glaubst vielleicht, ich sterbe vor Gram, wenn ich Deine neue Verbindung erfahre! – O durchaus nicht, es giebt außer Euch noch andere Frauen auf der Erde. Es lebe Gott und die Menschen! Die Welt ist doch schön!

Unser Held empfand eine Freude, sonder Gleichen. Nach einem so abenteuerlichen und bewegten Leben, als er in jüngster Zeit verbracht, mußte ihm die Ruhe, welche ihm in Aussicht stand, wohl enthusiasmieren. Wenn er bedachte, daß er ohne Sorgen, ohne Furcht und ohne Bedauern selbst (denn über seine Frau glaubte er sich getröstet, die seiner Meinung nach des Grämens nicht werth sei, obgleich ihm der Gedanke an die stets das Herz durchschnitt) einem glücklichen Leben entgegenging, daß er künftig in einem bequemen Zimmer, von großen Registern umgeben, ruhig wohnen könne und einer Familie angehöre, welche unter dem Scepter eines ihrer Glieder stets einig sein mußte, so fiel ihm auch nicht im Entferntesten ein, daß das Schicksal die Verwirklichung dieses schönen Traumes hintertreiben könne. Tristan machte schon seine Pläne für die Zukunft: Holland, das er bis zu diesem Augenblicke stets verachtet hatte, schien ihm nun ein reizendes Land zu sein. Alles, was man zum Nachtheile desselben geschrieben und gesprochen, hielt er in diesem Augenblicke für Verläumdung.

Der Holländer, als ob er die einfachste Sache von der Welt abgemacht hätte, stopfte sich ruhig seine Pfeife und zündete sie an, um gänzlich den Schlaf zu vertreiben, der ihm die Augenlider noch schwer machte. Der junge Mann war dergestalt von Neigung und Dankbarkeit zu dem Leinwandhändler durchdrungen, daß er wünschte, es möge irgend Jemand den Herrn Van-Dick in seinem Tabaksvergnügen stören, um ihm bei dieser Gelegenheit seine Dankbarkeit an den Tag legen und diesen Jemand morden zu können.

– Mein bester Herr Van-Dick, sprach er, erlauben Sie mir, daß ich Sie so nennen darf, denn ich fühle mich so zu Ihnen hingezogen, als ob ich Sie schon seit zehn Jahren kenne, seien Sie meines Eifers und meiner vollen Dankbarkeit gewiß.

– Ich glaube Ihnen, mein bester Herr.

– Sehen Sie, ich bin nicht, wie andere Männer; ich schließe selten Freundschaftsbündnisse, aber wenn ich sie schließe, sind sie aufrichtig und fest.

– Um so besser, junger Mann, um so besser! antwortete Herr Van-Dick und blies eine dicke Rauchwolke in die Luft.

– Mit welcher Lust will ich mich der Erziehung Ihres Sohnes unterziehen! Ich liebe ihn jetzt schon, als ob er mein eigenes Kind wäre.

– Um so besser, um so besser!

– Was gedenken Sie aus dem lieben Kleinen zu machen?

– Der Handel, den ich Ihnen so rühmte, ist nur dann angenehm, wenn man ihn betreiben muß, um sich Vermögen zu erwerben. Wenn man aber bereits ein Vermögen besitzt, so verlieren eine Reize unendlich. Da mein Sohn nun bei seiner Großjährigkeit ein Vermögen vorfindet, so möchte ich nicht, daß er wird, was ich bin. Ich will, daß er eine Erziehung genießt, vermöge welcher er im Stande ist, in einem Salon Figur zu machen, ich will, daß er zu einem Zeitvertreib Künstler sein kann, daß er mit einem Worte, wenn auch nicht ein außerordentlicher, doch ein bemerkenswerther Mann werde.

– Das ist wohl gedacht.

– Singen Sie auch?

– Sie werden darüber urtheilen.

– Ich will, daß er zeichne.

– Er wird zeichnen.

– Sie sind ein Universalgenie!

– Wie schon gesagt, besitze ich alle Kenntnisse, die mein Glück gemacht haben würden, wenn ich Vermögen gehabt hätte; das ihres Sohnes werden sie machen, da er einst reich sein wird.

– Erlauben Sie mir, mein Herr, Ihrem Gehalte noch etwas hinzuzufügen.

– Nichts, Herr Van-Dick!

– So schicke ich meinen Sohn in eine Pension.

– Ah, Herr Van-Dick!

– Ich kann Sie nicht aller Ihrer Zeit berauben.

– Sie machen mich aber glücklich, wenn —

– Kurz und bündig – was kann ich thun, um Ihnen einen Gegendienst zu leisten?

– Bewahren Sie mir Ihre Freundschaft, das ist mir der höchste Preis.

– Die haben Sie bereits.

– Dann wünsche ich nichts mehr.

– Nach Belieben, sprach der Holländer und reichte Tristan eine Hand, während die andere aus dem Wagen fuhr und durch Klopfen die Asche aus der Pfeife räumte – nach Belieben, mein Haus ist das Ihrige.

Tristan weinte fast Thränen der Dankbarkeit.

Von diesem Augenblicke an hätte man glauben mögen, daß der Tenor und der Kaufmann sich bereits seit zwanzig Jahren gekannt hätten. Tristan machte jeden Tag merkliche Fortschritte in der Achtung und Freundschaft des Herrn Van-Dick, Während der langen Reise fertigte er Zeichnungen, die der Holländer mit größerem Vergnügen betrachtete, als die kostbaren Bilder, welche seine Zimmer schmückten.

– Reizend, reizend rief Herr Van-Dick, indem er Tristan’s Bleifeder neugierig mit den Augen folgte. Wenn dieser eine Zeichnung begann, so konnte er sich bei den ersten Strichen nicht erklären, wie hieraus ein Bild entstehen könne; trat nun die Landschaft oder die Figur aus dem Chaos der Striche und Schattierungen heraus, dann rief er: Meisterhaft! Bewunderungswürdig!

So passierten sie den Simplon und das Waliserland. Von Villeneuve brachte sie das Dampfboot nach Lausanne, von dort gingen sie nach Neuchatel und Basel und in Straßburg bestiegen sie ein Rheinschiff, das sie nach Rotterdam bringen sollte.

– Holland ist ein schönes Land, sprach Herr Van-Dick; dort werden Sie viel Zeichnungen zu machen haben.

– Soll geschehen.

– Es giebt dort Straßen und Häuser, wie Sie deren nirgend so schön erblicken werden.

– So sind sie gut für das Album der Madame Van-Dick.

– Meine Frau wird Sie anbeten.

– Glauben Sie?

– Ich bin davon überzeugt.

– Dann fürchte ich nichts mehr.

– Nichts auf der Welt.

– Ich muß Ihnen offen bekennen, daß ich nach dem, was Sie mir gesagt haben, zittere, ihr zu mißfallen.

– Ich bürge Ihnen für ihre Freundschaft, denn sie vergöttert die Künstler.

– Singt sie?

– Ich glaube, ja!

– So werde ich Abends mit Madame Van-Dick musiciren.

– Nach Belieben. O mein Haus wird ein wahres Paradies werden!

– Ein Paradies, dessen Gott. Sie sind!

– Mein bester Freund!

– Mein bester Herr Van-Dick!

– Beide gingen Arm in Arm auf der Brücke spazieren. Tristan war der Vertraute, der Unentbehrliche des Herrn Van-Dick geworden, der ihm sein ganzes Leben, von seiner Kindheit bis zu einer Verheirathung erzählt hatte. Ueber diese letzte Epoche war er aber rasch hinweggegangen, er hatte sie nur einfach mit den Worten bezeichnet: »Ich verheirathete mich und seit dieser Zeit bin ich glücklich.«

Die Reise näherte sich indes ihrem Ende.

Eines Morgens um acht Uhr kamen die beiden Freunde zu Thiel an, wo sie frühstückten.

– Diesen Abend sind wir in Amsterdam, sprach Herr Van-Dick, wenn wir uns mit dem Frühstücke beeilen, was ich jedoch für einen Fehler erachte; nehmen wir uns aber Zeit, kommen wir morgen früh dort an. Was meinen Sie?

– Nur Sie haben zu entscheiden, mein bester Herr Van-Dick, denn Sie haben eine Frau, die Sie erwartet.

– Um so mehr Grund, noch ein wenig länger den Junggesellen zu spielen.

– Wie Sie befehlen! Die beiden Männer vollendeten ruhig ihr Frühstück, dann bestellten sie sich drei Plätze in der Diligence und reisten gegen Mittag nach Utrecht ab, wo sie um sieben Uhr ankamen. So gewissenhaft wie sie gefrühstückt, nahmen sie hier das Diner ein.

– Wie werden wir nach Amsterdam kommen? fragte Tristan.

– Per Barke.

– Was nennen Sie eine Barke?

– Eine Art Schiff, das von einem Pferde gezogen wird und ungefähr hundert Personen faßt.

– Und morgen sind wir in Amsterdam?

– Um fünf Uhr Morgens.

Sie reisten ab und waren am andern Tage um besagte Stunde im Hafen von Utrecht.

– Da liegt Amsterdam! sprach Herr Van-Dick mit einer triumphierenden Miene.

– Ich muß gestehen, daß es mir nicht unangenehm ist, diese Stadt näher kennen zu lernen, was ich schon seit langer Zeit gewünscht habe.

– In zwei Stunden werden Sie sie sehen, sprach der Holländer, indem er an das Land stieg.

– Warum nicht sogleich?

– Weil die Thore erst gegen sieben Uhr geöffnet werden.

– Nicht übel! Was beginnen wir bis dahin?

– Ah, es giebt Häuser, die für uns offen sind.

– Wirthshäuser?

– Ja.

– Was machen jene zerlumpten Leute dort?

– Sie warten.

– Auf was?

– Daß die Barke ankomme, um die Koffer der Reisenden zu tragen.

– Die Menschen sehen entsetzlich aus.

– Es sind Juden.

– Man möchte sie für Banditen halten.

– Sie sind es auch.

– Sie bellen wie die Hunde; was verlangen sie?

– Ihre Pakete.

– Wie in Livorno.

– Es ist besser; hier verlangen sie, in Livorno nehmen sie.

– Ganz richtig. Kann man ihnen die Sachen anvertrauen?

– Noch nicht, sie würden dann zwei Stunden Zeit haben, um Sie zu bestehlen; wenn man öffnet, übergiebt man sie ihnen, bis dahin behalten Sie sie bei sich.

– Und wo ist die Höhle, in der sie das Gestohlene verbergen?

– In der Stadt. Ich werde sie Ihnen zeigen, man nennt sie den Judenwinkel.

Unter diesem Gespräche begleitete Herr Van-Dick seine Koffer und überwachte sie mit einem Blick, der durchaus der Ehrlichkeit dessen nicht schmeichelte, der sie auf einem Karren fuhr.

Gegen sieben Uhr wurden die Thore geöffnet und die Menge stürzte heulend in die Straßen der Stadt.

Die Luft war grau und an dem ganzen Himmel von Amsterdam war auch nicht so viel Blaues zu finden, als man nöthig hat, um eine Weste daraus zu fertigen.

– Es ist heute schön, sprach Herr Van-Dick, indem er mit Wollust die Luft des Vaterlandes ein sog.

– Was meinen Sie? fragte Tristan, der glaubte, er habe sich geirrt.

– Ich sage, daß es heute schön ist, antwortete ernsthaft der Kaufmann.

– Teufel, dachte unser Tenor, wie müssen die Tage aussehen, die Herr Van-Dick schlecht findet!

– Jetzt, fuhr der Holländer fort, folgen Sie mir.

Nach diesen Worten bog er in die Utrechter Straße und verfolgte sie bis zur ersten Brücke. Hier wandte er sich rechts. Ohne den Juden, welcher die Sachen fuhr, aus den Augen zu verlieren, klopfte er seinem Begleiter auf die Achsel und sprach:

– Was meinen Sie zu dem Hause, das dort vor uns steht?

– Jenes schöne Haus mit der großen Steintreppe?

– Ja.

– Ein prachtvolles Haus.

– Es ist das unsrige.

– Ich mache Ihnen mein Compliment

– Auch die andere Seite gehört mir, dort liegen die Magazine.

– Ich werde Sie nicht anders mehr als Krösus nennen.

In diesem Augenblicke stieg Herr Van-Dick die Treppe hinauf, die zu der Thür führte und durch einen Balcon, ungefähr vier Fuß von der Erde, mit einer andern Treppe von derselben Form und zu demselben Gebrauche verbunden ward.

Herr Van-Dick klopfte mit starken Schlägen an die Thür.

Eine Frau öffnete.

– Ach, der Herr! rief sie; Madame wird überrascht sein – ich werde es ihr melden.

– Schläft sie noch?

– Ja, Herr.

– So wecke man sie nicht, aber man sorge dafür, daß Punkt elf Uhr das Frühstück bereit sei und gebe diesem Herrn ein Zimmer im zweiten Stockwerk. Wenn Sie schlafen wollen, mein Bester, fuhr Herr Van-Dick fort, geniren Sie sich nicht.

– Was werden Sie thun, mein freundlicher Wirth?

– Ich werde einen Spaziergang durch den Garten machen, mein Journal lesen, meine Pfeife rauchen und das schöne Wetter genießen.

– Erlauben Sie, daß ich Sie begleite?

– Wird mir sehr angenehm sein.

– Nun, dachte Tristan, indem er der rothbackigen, kräftigen Magd folgte, bis auf den weißen Himmel und die schwarzen Straßen scheint Holland ein schönes Land zu sein.

4

Herr Van-Dick zeigte nun unserm Tristan sein ganzes Haus, das, beiläufig gesagt, sehr schön eingerichtet war. Er führte ihn auch in die Magazine, zu denen man über drei Stufen gelangte. Auf der einen Seite grenzten sie an den Prinzen-Kanal, auf der andern an den Garten. Längs dem Garten lief eine Art Corridor hin, der zu dem Bureau führte, das mit Blumen und Vögeln umgeben war.

Waren die Magazine geöffnet, so hielt sich hier der erste Commis auf, von dem der Holländer erzählt hatte.

Der Garten war nicht sehr groß, aber es fanden einige große Bäume darin, deren Laubdach die Strahlen der Sonne jedenfalls verhüllen würden, wenn in Holland die Sonne schiene.

Eine andere Thür, gleichlaufend mit der der Magazine, die sich ebenfalls nach dem Garten zu öffnete, führte in das Haus, das Madame Van-Dick, ihr Sohn und Herr Van-Dick bewohnte und nun auch Tristan bewohnen sollte. Sowohl von der Seite des Kanals als von der des Gartens führte eine Treppe in das erste Stockwerk, das der Herr und die Herrin des Hauses bewohnten. Ein jeder von Beiden hatte ein Zimmer für sich, so daß sie sich nach Belieben trennen oder vereinigen konnten. Neben dem Zimmer der Madame Van-Dick befand sich das des jungen Herrn Van-Dick. Das zweite Stockwerk war für Tristan bestimmt und das dritte bewohnten die Domestiken. Auf demselben Gange, der zu unsers Tenors Zimmer führte, befanden sich zwei andere für besuchende Freunde.

Herr Van-Dick führte Tristan in ein Appartement, zeigte ihm die Einrichtung desselben, öffnete die Fenster und machte ihn auf die Aussicht aufmerksam, die auf der einen Seite nach dem Garten hinausging und auf der andern nach dem Prinzen-Kanal, d. h. nach einer Straße, die an einem ziemlich breiten Kanale hinläuft.

– Hier bietet sich Ihnen stets Zerstreuung, sprach der Kaufmann; Menschen, Barken und Kaufmannsgüter wogen hier in buntem Gedränge.

– Wohin gehen die Kaufmannsgüter?

– Nach allen Weltgegenden. Ein anderes Haus von derselben Wichtigkeit besitze ich auch in Harlem.

– Ein Handlungshaus?

– Allerdings. Da es drei Stunden von hier entfernt ist, dient es mir Sonntags zum Ziele einer Promenade und zum Landhause.

Herr Van-Dick schloß das Fenster. In dem Augenblicke, als er die Treppe wieder hinabsteigen wollte, ließ sich eine Stimme vernehmen, die ihn rief.

– Ah, da kommt mein Sohn! Das Kind warf sich in die Arme des Vaters und grüßte Tristan mit der Verwunderung, mit welcher Kinder unbekannte Personen grüßen, die sie zu grüßen in dem Hause ihres Vaters gezwungen sind.

– Siehst du diesen Herrn? sprach darauf der Holländer zu ihm.

– Ja, Papa.

– Von heute an bleibt er bei uns und von morgen an wirst Du Alles thun, was er Dir sagen wird. Das Kind sah den Vater an, als ob es fragen wollte: warum?

– Weil, antwortete der Papa, dieser Herr mit Deiner Erziehung beauftragt ist.

Die Verwunderung des Knaben verwandelte sich in Schrecken. Tristan bemerkte es und sprach zu ihm:

– Fürchten Sie nichts, mein kleiner Freund, ich bin kein gewöhnlicher Schulmeister, Sie werden mir bald gut sein.

Bei diesen Worten strich er dem Kinde freundschaftlich die blonden Locken. Als es sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, sprach es lebhaft zu Herrn Van-Dick:

– Mama ist aufgestanden, ich werde zu ihr gehen und ihr sagen, daß Du angekommen bist!

– Geh, mein Kind!

Der Knabe lief die Treppe zum ersten Stockwerke hinab, wo man ihn mit kindlicher Unbefangenheit die Thür öffnen hörte.

Eine halbe Stunde später lehnten die beiden Männer in der Brüstung eines Fensters, das vom Erdgeschosse nach dem Garten hinausging, plauderten mit einander und betrachteten die Blumen und Bäume. Madame Van-Dick war herabgestiegen und nachdem sie ihren Mann gesucht hatte, trat sie endlich in den Speisesaal, wo sie ihn erblickte.

Die beiden Männer am Fenster hörten sie nicht kommen, so daß sie sich ihrem Manne näherte und ihn auf die Achsel schlug.

– Fast eine Stunde schon suche ich Sie, sprach sie in einem halb spröden, halb süßen Tone, und wäre Tristan nicht zugegen gewesen, den Madame nachlässig grüßte, hätte man das Süße desselben nicht bemerkt.

– Wir sind da, beste Freundin, wir sind da. Ich sprach so eben mit diesem Herrn über unsern Eduard. Herr Tristan, fuhr er fort, indem er auf unsern Freund deutete, ein junger Mann von großem Verdienst, der sich der Erziehung unsers Sohnes unterziehen will.

Madame Van-Dick grüßte noch einmal den neuen Gast, der sich bei der Schmeichelei des Gatten mit großer Bescheidenheit verbeugte und respectvoll den Gruß der Gattin erwiderte.

– Seit vier Tagen erwarten wir Sie schon, fuhr die Dame zu dem Holländer gewendet fort, wir hatten schon Angst um Sie.

– Ach mein Gott, Madame! sprach Tristan, daran trage ich allein die Schuld, denn ich glaube, daß ich Herrn Van-Dick’s Ankunft verzögert habe. Ich allein bin anzuklagen und, einmal angeklagt, reklamiere ich Ihre Huld und Nachsicht, damit ich nicht mit einer traurigen Empfehlung in dieses Haus trete.

– Sie sind begnadigt, mein Herr, sprach Madame Van-Dick mit einem Lächeln, welches Tristan dafür zu danken schien, daß er die Autorität der Frau errathen.

– Um so mehr, meine Liebe, als der Herr sich mit Dir beschäftigte, fuhr der Kaufmann fort.

– Mit mir?

– Ganz gewiß, denn er bringt Dir ein Album voll Zeichnungen mit, die er auf unserer Reise angefertigt hat.

– Mein Herr, ich bin Ihnen unendlich verbunden! Sie werden mir nach dem Frühstück alle die schönen Sachen zeigen, denn für ermüdete Reisende, wie Sie sind, darf das Frühstück nicht zu spät kommen und ich glaube, es ist bereits serviert.

Madame Van-Dick forderte ihren Gemahl und Tristan auf, Platz zu nehmen, die, nach dem Garten hinausblickend, das Auftragen der Speisen nicht bemerkt hatten.

Euphrasia – wir wollen sie so nennen, da wir ihren Namen wissen – Euphrasia zog die Glocke.

Die dicke Magd erschien.

– Man sage Herrn Wilhelm, sprach die Dame, daß wir bei Tische sitzen!

– A propos, wie geht es dem guten Wilhelm?

– Vollkommen wohl.

Herr Wilhelm erschien.

Tristan erhob sich halb von seinem Platze.

– Mein bester Tristan, sprach Herr Van-Dick, ich stelle Ihnen hier Herrn Wilhelm vor, mein zweites Ich im Hause, Herrn Wilhelm, von dem ich Ihnen bereits erzählt habe.

Tristan grüßte Herrn Wilhelm und setzte sich wieder.

Dann stellte Herr Van-Dick Tristan Herrn Wilhelm vor.

Die beiden Männer grüßten sich abermals.

– Und jetzt, da alle sich kennen, frühstücken wir. Euphrasia, die während dieser Zeit ein gebratenes Huhn zerlegt, ließ nun die Assiette, worin sich die Stücke befanden, circulieren. Während alle aßen, prüfte unser Tenor Euphrasia.

Diese war eine Frau, der, man wußte nicht was fehlte, um sie schön nennen zu können. Ihr Gesicht war ein wenig roth und ein wenig gewöhnlich, aber von einer gewissen bürgerlichen Regelmäßigkeit. Der Blick, für Augenblicke sanft, veränderte sich plötzlich bei der geringsten Aufregung und ward gebieterisch; man sah, daß das Sanfte erkünstelt war. Die Stirn Euphrasia’s war zwar hoch, aber schmal und glänzend, und aus dem ganzen Gesichte derselben leuchtete eine eben nicht anständige Freiheit, Unter ihrer gesunden Haut glaubte man den Lauf und das Leben des Blutes wahrnehmen zu können; ihre Arme waren voll, sogenannte schöne Arme, aber nicht zu verwechseln mit wohlgeformten. Die Hände waren dick und geschickt. Hals und Busen trug Madame Van-Dick fast immer über die Gebühr entblößt, ihre Kleidung war geschmacklos und doch schien sie überzeugt zu sein, daß nichts schöner sei, als sie. Eine angeborene, fast brutale Ueppigkeit, ohne Geist und Anstrich, sprach aus ihrer ganzen Person. Sie mochte ungefähr fünfunddreißig Jahre zählen und mußte für einen gewöhnlichen Mann, der sich täuscht und die Hitze des Blutes für Wärme des Herzens nimmt, immer noch eine wünschenswerthe Frau sein. Euphrasia schien sich selbst am meisten zu gefallen, denn sie sah beständig in den Spiegel, der ihr gegenüber an der Wand hing.

Madame Van-Dick gab sich gern ein wichtiges Ansehen und machte alle Welt glauben, sie sei die Seele des Hauses. Wer sie nicht schön fand, wurde von ihr gehaßt und ihr Haß mußte um so gefährlicher werden, als sie darin ohne Verstand handelte. Bei dem kleinsten Complimente, das man ihr machte, bildete sie sich ein, man mache ihr den Hof, und sagte man ihr über ihre Schönheit, ihre Grazie und ihren Geist die größten Schmeicheleien, Schmeicheleien, die fast an Unverschämtheit grenzten, so erreichte man immer noch nicht die Meinung, die sie von sich selbst hegte. Fügt man diesen Eigenschaften noch eine schauerliche Unwissenheit hinzu, so hat man ein ziemlich treues Bild von Madame Van-Dick.

Wie man sieht, war Euphrasia Van-Dick eine Person, an die ein Mann von etwas mehr als gewöhnlicher Bildung nicht denken konnte.

Schon nach Verlauf von zwei Stunden hatte Tristan von allem, was wir hier angedeutet haben, den Beweis und ein leise ausgestoßenes »Hm!« zeigte an, daß seine Wahrnehmungen nicht zu Euphrasia’s Vortheil bei ihm ausgefallen waren.

An der Seite dieser Dame saß Herr Wilhelm. Dieser junge Mann war eben so kräftig als seine Nachbarin, aber eine enge Halsbinde und ein enger Rock mit engen Aermeln hatten ihn dergestalt eingeschnürt, daß man einen steifern Menschen, wie er repräsentierte, nicht leicht sehen konnte. Herr Wilhelm hatte hellblondes Haar, kaum sichtbare Augenbrauen, hellblaue Augen, rothe Backen und rothe Hände. Eine bemerkenswerthe Dosis Geist schien er nicht zu besitzen, er war aber dabei, wie es in der Regel nicht der Fall zu sein pflegt, nicht anmaßend, und sprach kein Wort. Oft hatte er schon den Mund zum Reden geöffnet und Tristan schien, aus Artigkeit, mit großer Aufmerksamkeit auf das zu warten, was der Commis sagen wollte; aber stets ward Herr Wilhelm durch diese Aufmerksamkeit so verwirrt, daß er, um sich zu beschäftigen, ungeheuere Bissen in den halbgeöffneten Mund schob womöglich noch röther im Gesicht wurde und aussah, als ob er weinen wollte. Um ihn zu beruhigen, warf ihm Euphrasia durch den Spiegel einen Blick zu, der sagen sollte: »Sie sind schön und benehmen sich vortrefflich;« aber vergebens, Wilhelm blieb traurig und consterniert wie ein mageres Frauenzimmer, das mit entblößtem Halse dasitzt und um sich herum runde, volle Achseln gewahrt. Uebrigens schien Wilhelm eine gute Natur zu sein und ein zärtliches Herz voll Illusionen zu haben. Man merkte, daß diese Melancholie, die über eine ganze Person ausgegossen lag, von der großen Masse Blut herrührte, die er in den Wangen und in den Händen hatte, denn das Bestreben, diese gemeinen Körperreize durch einen eleganten Umschlag zu verdecken, war nicht zu verkennen. Um die Röthe seines Gesichtes matter zu machen, trug er eine weiße Halsbinde, die aber so fest angelegt war, daß ihm das Blut in die Wangen stieg, und um weniger plump und sanguinisch zu erscheinen, trug er schwarze Kleider, die aber so eng waren, daß er fast die Hände und Beine nicht bewegen konnte.

Wilhelm hatte zwar eine traurigen Augenblicke, er genoß aber auch seine Stunden des Trostes. Madame Van-Dick liebte ihn und liebte ihn schon seit zwei Jahren. Sie waren eins für das andere geschaffen. Sie, als eine wohlgenährte Dame, war voll Bewunderung für diese kräftige, derbe Natur, und Wilhelm, als ein rother Koloß, liebte diese wohlgemästete Taube, die sich seiner Liebe anvertraute.

Der Tag, an dem Tristan in dem Hause erschien, war übrigens einer der traurigsten in dem Leben Wilhelm’s, denn in dem Neuangekommenen erblickte er das Muster des Mannes, den er vorstellen wollte, aber nicht erreichen konnte. So oft Tristan mit der feinen weißen Hand seinen schwarzen Schnurrbart strich oder in seinem vollen schönen Haar wühlte, welches das bleiche, regelmäßige Gesicht umfloß, so oft fühlte sich der arme Wilhelm von Schmerz und Bewunderung durchdrungen. Die schön gefertigte Kleidung Tristans, die er förmlich studierte, erpreßte dem armen jungen Manne tiefe Seufzer. Da er von Herzen gut war, so zählte er darauf, sich in dem neuen Hausgenossen einen Freund zu erwerben und von ihm die Geheimnisse dieser gefälligen Toilette und dieses einschmeichelnden Benehmens zu erlernen. Deshalb auch konnte Tristan sicher sein, so oft er ein Wort sprach, Wilhelms Gesicht lächelnd und bewundernd zu finden.

Die dritte Person war das Kind, das sich durch etwas Besonderes nicht auszeichnete

Nach dem Frühstücke wurden die Zeichnungen in Augenschein genommen. Als Herr Van-Dick zwei oder drei derselben mit angesehen, – er kannte sie nämlich schon alle – begab er sich in sein Bureau, um nachzusehen, was sich in seiner Abwesenheit ereignet hatte.

Madame Van – Dick saß neben Wilhelm, der kleine Eduard legte seinen Kopf vor seine Mutter und Tristan zeigte diesen drei Personen eine Zeichnung nach der andern, ein Frohndienst, der ihm wenig Vergnügen gewährte, aber dazu dienen sollte, ihn in ein gutes Einverständniß mit allen zu setzen.

Euphrasia war entzückt, Wilhelm wie Euphrasia und Eduard wie Wilhelm.

Nachdem alle Bilder angesehen, ward das Album geschlossen. Wilhelm ging in sein Bureau, Euphrasia schickte sich an, nach ihrem Zimmer zu gehen und Eduard lief hinaus, um zu spielen.

Herr Van-Dick erschien wieder und schlug Tristan vor, die Merkwürdigkeiten der Stadt mit ihm in Augenschein zu nehmen. Die Annahme dieses Vorschlages schien unsern Tenor am meisten in die Gunst Euphrasia’s zu setzen, da er sie von ihrem Manne befreite, denn sie empfahl sich mit einer graziösen Verbeugung und einem äußerst freundlichen Lächeln.

Als Tristan an die Thür kam, traf er Herrn Van-Dick, der mit der Magd in einem Gespräche begriffen war. Wie wir bereits gesagt, war diese ein wohlgenährtes, starkes Mädchen, fast Wilhelms Figur, mit schönen schwarzen Augen, schwarzen Haaren und nervigen Armen, mit einem Worte eine Person, welche man als Statue der Freiheit hätte verwenden können.

Herr Van-Dick verließ die Köchin, als er Tristan bemerkte.

– Ich erwartete Sie! sprach er.

– Hier bin ich. Verzeihung, daß ich Sie warten ließ.

Die beiden Männer verließen das Haus.

Gegen fünf Uhr kamen die Spaziergänger zurück.

Das Mittagessen ging vorüber wie das Frühstück, nur wollte es unserm Tristan scheinen, als ob Wilhelm etwas röther und Euphrasia etwas ruhiger sei.

Nach Tische ward ein Spaziergang durch den Garten gemacht, dann nahm Herr Van-Dick Tristan mit sich.

Euphrasia blieb mit Wilhelm allein.

Tristan plauderte lange, denn er wollte die Unterhaltung der beiden Liebenden nicht stören. Nach einer halben Stunde kehrte er in den Saal zurück. Das Kind ward zu Bette geschickt.

Tristan schützte die Anstrengung der Reise vor und bat um die Erlaubniß, sich zurückziehen zu dürfen, eine Erlaubniß, die man ihm gern bewilligte. Euphrasia fuhr fort, gegen ihren Gast liebenswürdig zu sein und fragte nach, ob ein Zimmer, wie sie befohlen, in Ordnung gebracht sei.

Der Tenor stieg die Treppen hinauf und begab sich in sein Zimmer. Nach den gemachten Erfahrungen fand er das Haus schön und angenehm, er versprach sich ein zufriedenes, gemüthliches Leben mit seinen Bewohnern.

– Madame Van-Dick, dachte er, hält sich für sentimental, schön und geistreich; ich werde ihr sagen, daß ich den Werther verehre, werde über den Schwank lachen und ihr den Beinamen Ninon geben. Herr Wilhelm will stets gut gekleidet erscheinen, ich werde ihm seine Kleider auswählen, ihm Sonntags die Halsbinde anlegen und er wird mich vergöttern. Der kleine Eduard ist wild, ich werde ihm das Ballspiel zeigen und ihn »Guter Mond, du gehst so stille« auf dem Piano spielen lehren. Herrn Van-Dick, der mir der beste Mensch von der Welt zu sein scheint, werde ich in einen ausländischen Correspondenzen helfen und werde, wenn es sein muß, für ihn in das Feuer gehen.

Unter diesen Gedanken legte sich Tristan zu Bette, als es acht Uhr schlug.

Er mochte ungefähr vier Stunden geschlafen haben, als er wieder erwachte. Da bemerkte er, daß er vergessen hatte, das Fenster zu schließen, das in den Garten hinausging, denn der frische Nachtwind zog herein. Er stand auf und näherte sich diesem Fenster. Da war es, als ob er in dem Fenster des ersten Stockwerks, das sich unter dem einigen befand, sprechen hörte. Leise steckte er den Kopf hinaus, und da es sehr finster war und er nicht gesehen werden konnte, lauschte er.

In demselben Augenblicke bemerkte er einen Schatten, der eine Leiter an die Mauer des Hauses legte. Gleich darauf sah er eine Hand aus dem Fenster kommen, welche diese Leiter befestigte.

– Kann ich hinaufsteigen? fragte eine Stimme, in der er die Wilhelms erkannte.

– Ja! antwortete eine andere Stimme, in der er die Euphrasia’s erkannte.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
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Public Domain

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