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Читать книгу: «Die Fünf und Vierzig», страница 54

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Der unglückliche Prinz erlangte weder mehr die Stimme, noch das Gefühl, oder vielmehr, er gab kein Zeichen des Bewußtseins von sich.

Von finsteren Eindrücken heimgesucht, was er am meisten in der Welt befürchtete, wäre der König gern nach Paris zurückgekehrt; doch die Königin Mutter widersetzte sich seiner Abreise, und der Hof war genöthigt, im Schloß zu bleiben.

Die Aerzte kamen in Menge herbei; Miron allein errieth die Ursache des Uebels und beurtheilte seine ernste Bedeutung; doch er war zu sehr Höfling, um nicht die Wahrheit zu verschweigen, besonders nachdem er sich mit den Blicken von Catharina berathen hatte.

Man befragte ihn von allen Seiten, und er antwortete, sicherlich habe der Herzog großen Kummer und heftige Schläge erlitten.

Er compromittirte sich also nicht, was sehr schwierig in solchen Fällen ist.

Als ihn Heinrich III. ersuchte, er möge bejahend oder verneinend die Frage beantworten: »Wird der Herzog leben?«

Da antwortete der Arzt:

»In drei Tagen werde ich es Eurer Majestät sagen.«

»Und was werdet Ihr mir sagen?« fragte Catharina mit leiser Stimme.

»Euch, Madame, das ist etwas Anderes; ich werde ohne Zögern antworten.«

»Was?«

»Eure Majestät befrage mich.«

»An welchem Tage wird mein Sohn todt sein, Miron?«

»Morgen Abend, Madame.«

»So bald!«

»Ah! Madame,« flüsterte der Arzt, »die Dosis war auch gar zu stark.«

»Catharina legte einen Finger auf ihre Lippen, schaute den Sterbenden an, und wiederholte ganz leise ihr unheilvolles Wort:

»Verhängnis!«

Zweiundzwanzigstes Kapitel
Die Hospitaliterinnen

Der Graf hatte eine furchtbare Nacht zugebracht, eine Nacht, welche an das Delirium und den Tod grenzte.

Aber seinen Pflichten getreu erhob er sich, sobald er die Ankunft des Königs verkündigen hörte, und empfing den König am Gitter, wie wir gesehen; doch nachdem er seine Huldigung Seiner Majestät dargebracht, die Königin Mutter begrüßt und dem Admiral die Hand gedrückt hatte, schloß er sich wieder in seinem Zimmer ein, nicht mehr, um zu sterben, sondern um entschieden seinen Plan, den nichts erschüttern konnte, in Ausführung zu bringen.

Gegen elf Uhr Morgens, als nämlich in Folge der gräßlichen Nachricht, die sich verbreitet: der Herzog von Anjou sei auf den Tod getroffen, sich Alles zerstreut hatte, während der König von diesem neuen Ereigniß ganz betäubt blieb, klopfte Henri an die Thüre seines Bruders, der, da er einen Theil der Nacht auf der Landstraße zugebracht, sich in sein Zimmer zurückgezogen hatte.

»Ah! Du bist es,« fragte Joyeuse, halb eingeschlafen: »was gibt es?«

»Ich komme, um Abschied von Euch zu nehmen, mein Bruder,« erwiederte Henri.

»Wie, Abschied… Du willst fort von hier?«

»Ja, ich gehe, mein Bruder, denn ich denke, nichts hält mich hier zurück.«

»Wie, nichts?«

»Allerdings; da die Feste, denen ich Eurem Wunsche nach beiwohnen sollte, nicht stattfinden, so bin ich nun meinen Versprechens entbunden.«

»Ihr täuscht Euch, Henri,« entgegnete der Großadmiral, »ich erlaube Euch ebenso wenig heute abzureisen, als ich es Euch gestern erlaubt hätte.«

»Es sei, mein Bruder, doch dann werde ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in die schmerzliche Nothwendigkeit versetzt sehen, Euren Befehlen ungehorsam zu sein und es an der schuldigen Ehrerbietung gegen Euch mangeln zu lassen; denn von diesem Augenblick an erkläre ich Euch, Anne, daß mich nichts mehr zurückhalten wird, in einen geistlichen Orden einzutreten.«

»Aber die Dispensation, welche von Rom kommen soll?«

»Ich werde sie in einem Kloster erwarten.«

»Wahrhaftig, Ihr seid entschieden ein Narr!« rief Joyeuse, indem er mit einem in seinem Gesichte scharf ausgeprägten Erstaunen aufstand.

»Im Gegentheil, mein theurer und geehrter Bruder, ich bin der Weiseste von Allen, denn ich allein weiß, was ich thue.«

»Henri, Ihr hattet uns einen Monat versprochen.«

»Unmöglich, mein Bruder.«

»Noch acht Tage.«

»Nicht eine Stunde.«

»Aber Du leidest sehr, armes Kind!«

»Im Gegentheil, ich leide nicht mehr, und deshalb sehe ich, daß es für mein Uebel kein Mittel gibt.«

»Aber mein Freund, jene Frau ist doch nicht von Erz: man kann sie erweichen; ich will sie geschmeidig machen.«

»Ihr werdet das Unmögliche nicht thun, Anne; aber ließe sie ich auch erweichen; so würde ich doch nicht mehr einwilligen, sie zu lieben.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Es ist so, mein Bruder.«

»Wie! wenn sie Dich haben wollte, würdest Du sie nicht mehr wollen? Das ist, bei Gott! Wahnsinn!«

»Oh! nein, gewiß nicht,« rief Henri mit einer Bewegung des Abscheus, »zwischen dieser Frau und mir kann nichts mehr bestehen.«

»Was soll das heißen?« fragte Joyeuse erstaunt, »und wer ist denn diese Frau? Laß hören, sprich, Henri, Du weißt, daß wir nie Geheimnisse für einander gehabt haben.«

Henri befürchtete, zu viel gesagt und, indem er sich dem Gefühle, das er geoffenbart, hingegeben, eine Thüre, offen gelassen zu haben, durch welche das Auge seines Bruders bis zu dem furchtbaren Geheimniß dringen könnte, das er in seinem Herzen verschloß. Er verfiel daher in ein entgegengesetztes Extrem und sprach, wie es in solchen Fällen geschieht, um das unkluge Wort, das ihm entschlüpft war, wieder zurückzunehmen, ein noch unklugeres aus.

»Mein Bruder,« sagte er, »dringt nicht weiter in mich, diese Frau wird mir nicht gehören, da sie nun Gott gehört.«

»Thorheiten, Mährchen; diese Frau eine Nonne, sie hat Dich belogen.«

»Nein, mein Bruder, diese Frau hat mich nicht belogen, diese Frau ist Hospitaliterin; sprechen wir also nicht mehr von ihr und ehren wir Alles, was sich in die Arme des Herrn wirft.«

Anne hatte genug Gewalt über sich, um Henri die Freude nicht kundzugeben, welche ihm diese Mittheilung verursachte.

Er fuhr fort:

»Das ist in der That neu, denn Du sprachst nie hiervon.«

»Das ist in der That neu, denn sie hat kürzlich erst den Schleier genommen; doch ich bin dessen gewiß: wie der meinige, so ist auch ihr Entschluß unwiderruflich. Haltet mich nicht zurück, mein Bruder, umarmt mich, da Ihr mich liebt, laßt mich Euch für alle Eure Güte, für alle Eure Geduld, für alle Eure unendliche Liebe für einen armen Wahnsinnigen danken, und Gott befohlen!«

Joyeuse schaute seinem Bruder ins Gesicht; er schaute ihn wie ein Gerührter an, der darauf zählt, seine Rührung werde bei dem Andern die Kraft der Ueberredung unterstützen.

Doch Henri blieb unerschütterlich gegen diese Rührung und antwortete mit seinem traurigen ewigen Lächeln.

Joyeuse umarmte seinen Bruder und ließ ihn gehen.

»Gehe,« sagte er zu sich selbst, »es ist noch nicht Alles vorbei, so große Eile Du auch haben magst, so werde ich Dich doch bald einholen.«

Er suchte den König auf, der, Chicot an seiner Seite, in seinem Bett frühstückte.

»Guten« Morgen! guten Morgen!« sagte Heinrich zu Joyeuse, »es freut mich sehr, Dich zu sehen, Anne, denn ich befürchtete, Du würdest den ganzen Tag liegen bleiben, Träger. Wie geht es meinem Bruder?«

»Ich weiß es nicht, ich komme, um mit Euch von dem meinigen zu sprechen.«

»Von welchem?«

»Von Henri.«

»Will er immer noch Mönch werden?«

»Mehr als je.«

»Er nimmt das Ordensgewand?«

»Ja, Sire.«

»Er hat Recht, mein Sohn.«

»Warum, Sire?«

»Ja, man kommt schnell in den Himmel auf diesem Weg.«

»Oh! Sire,« sagte Chicot zum König, »man kommt noch viel schneller dahin auf dem Weg, den Dein Bruder nimmt.«

»Sire, will mir Eure Majestät eine Frage erlauben?«

»Zwanzig, Joyeuse, ich langweile mich sehr in Château-Thierry, und Deine Fragen werden mich ein wenig zerstreuen.«

»Sire, Ihr kennt alle geistliche Orden des Königreichs?«

»Wie die Wappen, mein Lieber.«

»Wie sind die Hospitaliterinnen?«

»Das ist eine ganz kleine, sehr ausgezeichnete, sehr strenge Gemeinde, bestehend aus zwanzig Stiftsdamen von St. Joseph.«

»Legt man bei ihnen das Gelübde ab?«

»Ja, durch Begünstigung und auf Präsentation der Königin.«

»Ist es eine Unbescheidenheit, wenn ich Euch frage, Sire, wo diese Gemeinde liegt?«

»Nein, sie liegt in der Rue du Chevet-Saint-Landry in der Cité hinter dem Notre-Dame Kloster.«

»In Paris?«

»In Paris.«

»Ich danke, Sire.«

»Doch warum des Teufels fragst Du mich das? sollte Dein Bruder seinen Willen verändert haben und, statt sich zum Kapuziner zu machen, nunmehr Hospitaliterin werden wollen?«

»Nein, Sire, ich würde ihn dann nach dem, was mir Eure Majestät zu sagen die Gnade hatte, nicht so verrückt finden, sondern ich habe den Verdacht, daß ihm von Einer dieser Gemeinde der Kopf verrückt worden ist, und ich möchte folglich diese Eine entdecken und mit ihr sprechen.«

»Bei Gott!« sagte der König mit einer geckenhaften Miene, »ich habe dort vor bald sieben Jahren eine Superiorin gekannt, welche sehr schön war.«

»Nun! Sire, es ist vielleicht noch dieselbe.«

»Ich weiß es nicht; auch ich, Joyeuse, bin seit jener Zeit gleichsam in den geistlichen Stand eingetreten.«

»Sire,« sagte Joyeuse, »ich bitte Euch, gebt mir auf jeden Fall einen Brief an diese Superiorin und einen Urlaub auf zwei Tage.«

»Du verlässest mich!« rief der König, »Du lässest mich ganz allein hier!«

»Undankbarer,« sagte Chicot, die Achseln zuckend, »bin ich nicht da?«

»Meinen Brief, Sire, wenns beliebt,« sprach Joyeuse.

Der König seufzte, schrieb aber dennoch.

»Doch Du hast nur in Paris zu thun?« sagte Heinrich, indem er Joyeuse den Brief zustellte.

»Verzeiht, Sire, ich muß meinen Bruder geleiten, oder wenigstens bewachen.«

»Das ist richtig: gehe also, und komm bald zurück.«

Joyeuse, ließ sich diese Erlaubniß nicht wiederholen; er bestellte geräuschlos seine Pferde und ritt, als er sich versichert hatte, daß Henri schon abgegangen war, im Galopp bis an den Ort seiner Bestimmung.

Ohne die Stiefel auszuziehen ließ sich der junge Mann unmittelbar nach der Rue du Chevet-Saint-Landry führen.

Diese Straße mündete nach der Rue d‘Enfer und der damit parallel laufenden Rue des Marmouzets aus.

Ein schwarzes, ehrwürdiges Haus, hinter dessen Mauern man die Gipfel einiger hohen Bäume erblickte, spärliche, vergitterte Fenster, eine kleine Pforte, dies war das Aeußere des Klosters der Hospitaliterinnen.

Auf den Schlußstein des Bogens über der Pforte hatte ein plumper Handwerksmann mit dem Meißel die lateinischen Worte:

MATRONÆ HOSPITES

eingegraben.

Die Zeit hatte die Inschrift und den Stein ganz zernagt.

Joyeuse ließ seine Pferde in die Rue des Marmouzets führen, aus Furcht, ihre Anwesenheit in der Straße könnte ein zu großes Aufsehen erregen.

Dann klopfte er an das Gitter des Thurmes und sagte, als sich Jemand zeigte:

»Wollt der Frau Superiorin melden, der Herr Herzog von Joyeuse, Großadmiral von Frankreich, wünsche sie im Auftrag des Königs zu sprechen.«

Das Gesicht der Nonne, welche hinter dem Gitter erschienen war, erröthete unter ihrem Schleier, und der Thurm schloß sich wieder.

Fünf Minuten nachher öffnete sich eine Thüre Joyeuse trat in das Sprechzimmer.

Eine schöne Frau von hoher Gestalt machte Joyeuse eine tiefe Verbeugung, welche der Admiral, ein zugleich weltlicher religiöser Mann, erwiederte.

»Madame,« sagte er, »der König weiß, daß Ihr unter die Zahl Eurer Kostgängerinnen eine Person, die ich sprechen muß, aufgenommen habt. Wollt Ihr mir eine Unterredung mit dieser Person verschaffen.«

»Mein Herr, wäre es Euch gefällig, mir den Namen dieser Dame zu sagen?«

»Ich weiß ihn nicht, Madame.«

»Wie sollte ich dann Eurem Wunsche entsprechen?«

»Nichts kann leichter sein. Wen habt Ihr seit einem Monat aufgenommen?«

»Ihr bezeichnet mir diese Person zu bestimmt oder zu wenig,« sagte die Superiorin, »und ich vermöchte Eurem Verlangen nicht Genüge zu leisten.«

»Warum nicht?«

»Weil ich seit einem Monat Niemand aufgenommen habe, außer diesen Morgen.«

»Diesen Morgen?«

»Ja, Herr Herzog, und Ihr begreift, Eure Ankunft zwei Stunden nach der ihrigen gleicht zu sehr einer Verfolgung, als daß ich Euch die Erlaubniß, mit ihr zu sprechen, gewähren könnte.«

»Madame, ich bitte Euch.«

»Unmöglich, mein Herr.«

»Zeigt mir nur diese Dame.«

»Unmöglich, sage ich Euch; Euer Name hat genügt, um Euch die Pforten meines Hauses zu öffnen, doch um mit irgend Jemand, außer mit mir, hier zu sprechen, bedürft Ihr eines Befehle des Königs.«

»Hier ist dieser Befehl, Madame,« erwiederte Joyeuse und überreichte den vom König unterzeichneten Brief.

Die Superiorin las ihn verneigte sich.

»Der Wille Seiner Majestät soll geschehen, selbst wenn er dem Willen Gottes entgegensteht,« sprach sie wandte sich nach dem Hof des Klosters.

»Ihr seht nun, Madame,« sagte Joyeuse, der sie mit aller Höflichkeit zurückhielt, »Ihr seht, daß ich das Recht habe; doch ich befürchte einen Mißbrauch oder einen Irrthum; vielleicht ist diese Dame nicht diejenige, welche ich suche, habt also die Güte, mir zu sagen, wie sie gekommen ist, warum sie gekommen ist und wer sie begleitet hat.«

»Dies Alles ist unnöthig, »Herr Herzog,« entgegnete die Superiorin, »Ihr irrt Euch nicht, die Dame welche erst diesen Morgen angekommen ist, nachdem sie vierzehn Tage auf sich warten ließ, diese Dame, die mir von einer Person empfohlen worden ist, welche alles Ansehen bei mir hat, ist sicherlich diejenige, welche der Herr Herzog von Joyeuse sprechen muß.«

Bei diesen Worten machte die Superiorin dem Herzog eine neue Verbeugung und verschwand.

Nach zehn Minuten kam sie zurück mit einer Hospitaliterin, deren Schleier ganz über ihr Gesicht herabgeschlagen war.

Es war Diana, welche schon das Ordenskleid genommen hatte.

Der Herzog dankte der Superiorin, bot der fremden Dame einen Stuhl, setzte sich selbst, und die Superiorin ging hinaus, indem sie mit ihrer Hand die Thüren des öden, düsteren Sprechzimmers schloß.

»Madame,« sprach Joyeuse, »Ihr seid die Dame der Rue des Augustins, die geheimnißvolle Frau, die mein Bruder, der Herr Graf Du Bouchage, wahnsinnig liebt.«

Die Hospitaliterin neigte den Kopf, um zu antworteten, sprach aber nicht.

Dieses absichtliche Benehmen erschien Joyeuse als eine Unhöflichkeit; zuvor schon nicht sehr gut gegen die Fremde gestimmt, fuhr er fort:

»Ihr konntet nicht denken, Madame, es genüge schön zu sein oder schön zu scheinen, kein Herz unter dieser Schönheit verborgen zu haben, eine beklagenswerthe Leidenschaft in dem Gemüthe eines jungen Mannes meines Namens entstehen zu machen, und eines Tags zu diesem jungen Mann zu sagen: »»Schlimm für Euch, wenn Ihr ein Herz habt, ich habe keines und will keines haben.««

»Das ist es nicht, was ich geantwortet habe, mein Herr, und Ihr seid schlecht unterrichtet,« sprach die Hospitaliterin mit einem so edlen und so rührenden Stimmtone, daß sich der Zorn von Joyeuse einen Augenblick dadurch milderte.

»Die Worte thun nichts zum Sinn, Madame; Ihr habt meinen Bruder zurückgestoßen und in Verzweiflung gebracht.«

»Unschuldiger Weise, mein Herr, denn ich habe stets Herrn Du Bouchage von mir zu entfernen gesucht.«

»Das nennt man den Kunstgriff der Coquetterie, Madame, und der Erfolg bildet den Fehler.«

»Niemand hat das Recht, mich anzuklagen; ich habe keine Schuld; gerathet Ihr gegen mich in Zorn, so werde ich Euch nicht antworten.«

»Oho!« rief Joyeuse, der sich stufenweise erhitzte, »Ihr habt meinen Bruder ins Verderben gestürzt und glaubt Euch mit dieser herausfordernden Majestät rechtfertigen zu können: Nein, nein, der Schritt, den ich thue, muß Euch Licht über meine Absichten geben; ich spreche im Ernste, das schwöre ich Euch, und an dem Zittern meiner Hände und meiner Lippen seht Ihr, daß Ihr guter Beweisgründe bedürfen werdet, um mich zu besänftigen.«

Die Hospitaliterin stand auf und sprach mit derselben Kaltblütigkeit:

»Wenn Ihr gekommen seid, um eine Frau zu beleidigen, so beleidigt mich, mein Herr; wenn Ihr gekommen seid, um mich von meinem Willen abzubringen, so verliert Ihr Eure Zeit. Entfernt Euch.«

»Ah! Ihr seid kein menschliches Geschöpf,« rief Joyeuse außer sich, »Ihr seid ein Dämon.«

»Ich habe gesagt, ich würde nicht mehr antworten; doch das ist nicht genug, und ich gehe.«

Und die Hospitaliterin machte einen Schritt nach der Thüre.

Joyeuse hielt sie zurück.

»Ah! wartet einen Augenblick, ich suche Euch schon zu lange, um Euch so entfliehen zu lassen, und da es mir endlich gelungen ist, Euch zu finden, da mich endlich Eure Unempfindlichkeit in dem Gedanken bestätigt hat, Ihr seid ein höllisches Geschöpf, abgesandt von dem Feinde der Menschen, um meinen Bruder zu verderben, so will ich dieses Gesicht sehen, auf das der Abgrund, seine schwärzesten Drohungen geschrieben hat; ich will das Feuer dieses unseligen Blickes sehen, der die Geister verwirrt. Es ist nun an uns Satan!«

Und während Joyeuse mit einer Hand das Zeichen des Kreuzes in Form einer Teufelsbeschwörung machte, riß er mit der andern den Schleier ab, der das Gesicht der Hospitaliterin bedeckte; doch stumm, unempfindlich; ohne Zorn, ohne Vorwurf, heftete diese ihren sanften reinen Blick auf denjenigen, welcher sie so grausam verletzte, und sprach:

»Oh! Herr Herzog, was Ihr da macht, ist eines Edelmanns unwürdig.«

Joyeuse war im Herzen getroffen, so viel Sanftmuth beschwichtigte seinen Zorn, so viel Schönheit brachte seine Vernunft in Verwirrung.

»Es ist wahr,« sagte er nach man Stillschweigen, »Ihr seid schön, und Henri mußte Euch lieben; doch Gott hat Euch die Schönheit nur gegeben, um sie wie einen Wohlgeruch über ein an das Eure gefesseltes Dasein auszubereiten.«

»Mein Herr, habt Ihr nicht mit Eurem Bruder gesprochen? Oder wenn Ihr mit ihm gesprochen habt, so hielt er es nicht für geeignet, Euch zu seinem Vertrauten zu machen, denn sonnst hätte er Euch erzählt, daß ich gethan habe, was Ihr sagt: ich habe geliebt, ich werde nicht mehr lieben; ich habe gelebt, ich muß sterben.«

Joyeuse hatte unablässig Diana angeschaut. Die Flamme dieser allmächtigen Blicke war bis in die Tiefe seiner Seele eingedrungen, jenen vulkanischen Feuerausbrüchen ähnlich, welche das Erz der Bildsäulen schmelzen, wenn sie nur an ihnen vorüberkommen.

Dieser Strahl hatte alle Materie in dem Herzen des Admirals verzehrt, das reine Gold brodelte darin, und dieses Herz brach aus wie der Tigel unter dem Flusse des Metalls.

»Oh! ja!« sagte er noch einmal mit leiserer Stimme, indeß er fortwährend einen Blick auf sie heftete, worin immer mehr das Feuer des Zornes erlosch, »oh! ja, Henri mußte Euch lieben… Oh! Madame, habt Mitleid, auf den Knieen flehe ich Euch an, liebt meinen Bruder.«

Diana blieb kalt schweigsam.

»Treibt nicht eine Familie bis zum Todeskampf, richtet die Zukunft unseres Geschlechtes nicht zu Grunde, laßt nicht den Einen aus Verzweiflung, die Anderen aus Kummer sterben.«

Diana antwortete nicht und schaute nur fortwährend traurig diesen vor ihr gebeugten Flehenden an.

»Oh!« rief Joyeuse endlich, indem er wüthend eine krampfhaft geballte Faust an sein Herz preßte, »oh! habt Mitleid mit meinem Bruder, habt Mitleid mit mir, ich brenne, dieser Blick versengt mich … Gott befohlen, Madame, Gott befohlen!«

Er erhob sich wie ein Wahnsinniger, riß die Riegel der Thüre des Sprechzimmers auf und entfloh ganz verwirrt bis zu seinen Leuten, welche ihn an der Ecke der Rue d’Enfer erwarteten.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
Seine Hoheit Monseigneur der Herzog von Guise

Am Sonntag, den 10. Juni, ungefähr um elf Uhr, war der ganze Hof in dem Zimmer versammelt, das vor dem Cabinet kam, wo seit seinem Zusammentreffen mit Diana von Méridor der Herzog von Anjou langsam und unglücklich hinstarb.

Weder die Wissenschaft der Aerzte, noch die Verzweiflung seiner Mutter, noch die vom König befohlenen Gebete hatten das unselige Ereigniß zu beschwören vermocht.

Am Morgen des 10. Juni erklärte Miron dem König, es gebe kein Mittel für die Krankheit, und Franz von Anjou würde den Tag nicht überleben.

Der König stellte einen großen Schmerz zur Schau und sprach, indem er sich an die Anwesenden wandte:

»Das gibt unsern Feinden viel Hoffnung.«

Worauf die Königin Mutter erwiederte:

»Unser Schicksal liegt in den Händen Gottes, mein Sohn.«

Chicot, der ganz demüthig und zerknirscht in der Nähe des Königs stand, fügte diesem ganz leise bei:

»Helfen wir Gott, wenn wir können, Sire.«

Nichtsdestoweniger verlor der Kranke gegen halb zwölf Uhr die Farbe das Gesicht; sein bis dahin offener Mund schloß sich; der Blutfluß, der seit einigen Tagen alle Anwesenden erschreckt hatte, wie einst der Blutschweiß von Carl IX. hörte plötzlich auf und alle Extremitäten wurden kalt.

Heinrich saß zu den Häupten seines Bruders.

Catharina hielt neben dem Bett sitzend eine eisige Hand des Sterbenden.

Der Bischof von Château-Thierry und der Cardinal von Joyeuse sprachen Sterbegebete, welche die Anwesenden knieend und mit gefalteten Händen wiederholten.

Gegen Mittag öffnete der Kranke de Augen; die Sonne befreite sich von einer Wolke und übergoß des Bett mit einer goldenen Glorie.

Franz, der bis dahin nicht einen Finger hatte rühren können, und dessen Geist wie die Sonne, welche wieder erschien, verschleiert gewesen war, Franz hob einen Arm mit der Geberde eines erschrockenen Menschen zum Himmel empor.

Er schaute umher, hörte die Gebete, fühlte sein Uebel und seine Schwäche, und errieth seine Lage, vielleicht, weil er schon halb jene finstere und unselige Welt erblickte, wohin gewisse Seelen gehen, nachdem sie die Erde verlassen haben.

Dann stieß er einen Schrei aus, schlug sich mit solcher Gewalt vor die Stirne, daß die ganze Versammlung darob erbebte.

Die Stirne faltend, als ob er in seinem Innere eines der Geheimnisse seines Lebens gelesen hätte, murmelte er:

»Bussy!… Diana!«

Dieses letzte Wort hörte Niemand als Catharina, mit so schwacher Stimme sprach es der Sterbende.

Mit der letzten Sylbe dieses Namens gab Franz seinen Geist auf.

Durch ein seltsames Zusammentreffen verschwand in denselben Augenblick die Sonne, welche das Wappenschild von Frankreich die goldenen Lilien bestrahlte; so daß diese Lilien, einen Augenblick zuvor noch glänzend, ebenso düster wurden als der Azur, den sie vorher mit einem Gestirn schmückten, das nicht minder schimmerte, als das, welches das träumerische Auge am Himmel sucht.

Catharina ließ die Hand ihres Sohnes fallen.

Heinrich III. schauerte und stützte sich zitternd auf die Schulter von Chicot, welcher ebenfalls schauerte, doch wegen der Ehrfurcht, die jeder Christ den Todten schuldig ist.

Miron hielt einen goldenen Kelchdeckel an die Lippen von Franz sprach, nachdem er ihn einige Secunden aufmerksam betrachtet hatte:

»Monseigneur ist todt.«

Wonach sich ein langer Seufzer in den Vorzimmern als Begleitung des Psalmen erhob, den der Cardinal murmelte:

Cedant iniquitates meæ ad vocem deprecationis meæ.

»Todt!« wiederholte der König, der sich in seinem Lehnstuhl bekreuzte, »mein Bruder, mein Bruder!«

»Der einzige Erbe des Thrones von Frankreich,« murmelte Catharina, welche ihren Platz neben dem Todten verlassend, schon zu dem einzigen Sohn, der ihr blieb, zurückgekehrt war.

»Oh!« sprach Heinrich, »dieser Thron von Frankreich ist sehr weit für einen König ohne Nachkommenschaft; die Krone ist sehr weit für ein einziges Haupt… Keine Kinder, keine Erben, wer wird mir in der Regierung folgen.«

Als er diese Worte vollendete, erscholl ein gewaltiger Lärmen auf der Treppe in den Sälen.

Nambu stürzte in das Sterbezimmer meldete:

»Seine Hoheit Monseigneur der Herzog von Guise.«

Bestürzt über diese Antwort auf die Frage, die er an sich selbst gerichtet, erbleichte der König, stand auf und schaute seine Mutter an.

Catharina war noch bleicher als ihr Sohn. Bei der Ankündigung dieses furchtbaren Unglücks, das ein Zufall seinem Geschlechte weissagte, ergriff sie die Hand des Königs und drückte sie, als wollte sie ihm sagen:

»Hier ist die Gefahr… doch befürchtet nichts, denn ich bin bei Euch!«

Der Sohn und die Mutter hatten sich in demselben Schrecken in derselben Drohung begriffen.

Der Herzog trat gefolgt von seinen Kapitänen ein. Er erschien, die Stirne hoch, obgleich seine Augen weder den König, oder das Sterbebett seines Bruders mit einer gewissen Verlegenheit suchten.

Mit jener erhabenen Majestät, die er allein vielleicht in gewissen Augenblicken in seiner so seltsam poetischen Natur fand, hielt Heinrich III. den Herzog durch eine fürstliche Geberde auf, durch die er ihm den königlichen Leichnam auf dem durch den Todeskampf zerkrümpelten Bett zeigte.

Der Herzog beugte sich und fiel langsam auf die Kniee.

Alles um ihn her neigte das Haupt und bog das Knie.

Heinrich III. allein blieb aufrecht bei seiner Mutter stehen, und sein Blick glänzte zum letzten Male vor Stolz.

Chicot erschaute diesen Blick und murmelte ganz leise den andern Vers der Psalmen:

»Dejiciet potentes de sede et exaltabit humiles!«

(Er wird die Mächtigen vom Throne stürzen und die Demüthigen erheben.)

Ende der ersten Abtheilung der Fünf und Vierzig

[Alexander Dumas verspricht binnen Kurzem noch einige Bände zum Schluß der Fünf und Vierzig zu veröffentlichen, welche sogleich in der Übersetzung folgen werden.]

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
951 стр. 2 иллюстрации
Правообладатель:
Public Domain

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