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Читать книгу: «Die Fünf und Vierzig», страница 52

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Achtzehntes Kapitel
Man hat Nachricht von Aurilly

Am andern Tage arbeitete der König im Louvre mit dem Oberintendanten der Finanzen, als man ihm meldete, Herr von Joyeuse der Aeltere sei von Château-Thierry angekommen und erwarte ihn mit einer Botschaft vom Herrn Herzog von Anjou im großen Audienzzimmer.

Der König verließ hastig sein Geschäft und lief zu seinem so theuren Freunde.

Viele Officiere und Höflinge waren im Cabinet versammelt; die Königin Mutter war eingetroffen in Begleitung ihrer Ehrenfräulein, und diese so munteren Fräulein erschienen stets als Sonnen von Trabanten umgeben. Der König reichte Joyeuse seine Hand zum Kusse und ließ einen zufriedenen Blick über die Versammlung schweifen.

In der Ecke der Eingangsthüre, an seinem gewöhnlichen Platz, stand Henri Du Bouchage, der seinen Dienst und seine Pflichten aufs Strengste erfüllte.

Der König dankte ihm und grüßte ihn durch ein freundliches Nicken mit dem Kopf, das Henri durch eine tiefe Verbeugung erwiederte.

Dieses gegenseitige Benehmen machte, daß Joyeuse den Kopf umwandte und seinem Bruder von fern zulächelte, ohne jedoch zu sichtbar zu grüßen, aus Furcht, er könnte die Etiquette verletzen.

»Sire,« sprach Joyeuse, »ich bin zu Eurer Majestät vom Herrn Herzog von Anjou abgesandt, der vor Kurzem von seiner Expedition nach Flandern zurückgekehrt ist.«

»Mein Bruder befindet sich wohl, Herr Admiral?« fragte der König.

»So wohl, Sire, als es der Zustand seines Geistes erlaubt; ich kann jedoch Eurer Majestät nicht verbergen, daß Monseigneur leidend zu sein scheint.«

»Er wird der Zerstreuung bedürfen nach seinem Unstern,« sagte der König, glücklich, die seinem Bruder widerfahrene Niederlage laut auszusprechen, während er ihn zu beklagen schien.

»Ich glaube, ja, Sire.«

»Man hat uns gesagt, Herr Admiral, das Unglück sei grausam gewesen.«

»Sire…«

»Aber durch Euch sei ein großer Theil der Armee gerettet worden; empfangt meinen Dank, Herr Admiral. Der arme Herr von Anjou wünscht uns nicht zu sehen?«

»Sehnsüchtig, Sire…«

»Wir werden ihn auch besuchen. Seid Ihr nicht dieser Ansicht, Madame?« fragte Heinrich, indem er sich an Catharina wandte, deren Herz Alles das litt, was ihr Gesicht hartnäckig verbarg.

»Sire,« antwortete sie, »ich wäre meinem Sohn allein entgegengegangen, doch da Eure Majestät sich mit diesem Vorhaben guter Freundschaft zu verbinden die Gnade hat, so wird diese Reise eine Vergnügenspartie sein.«

»Ihr kommt mit uns, meine Herren,« sagte der König zu den Höflingen, »wir reisen morgen ab, und ich halte in Meaux Nachtlager.«

»Sire, ich werde also Monseigneur diese gute Kunde melden?«

»Nein! Ihr sollt mich nicht so bald verlassen, Herr Admiral, nein! Ich begreife, daß ein Joyeuse von meinem Bruder geliebt und gewünscht wird, aber wir haben deren zwei, Gott sei Dank!… Du Bouchage, Ihr werdet nach Château-Thierry abreisen, wenn es Euch beliebt.«

»Sire,« fragte Henri, »wird es mir gestattet sein, nach Paris zurückzukehren, nachdem ich die Ankunft Eurer Majestät Monseigneur dem Herzog von Anjou gemeldet habe?«

»Ihr könnt das machen, wie Ihr wollt,« antwortete der König.

Henri verbeugte sich und wandte sich der Thüre zu. Zum Glück beobachtete ihn Joyeuse.

»Ihr erlaubt, Sire, daß ich ein Wort zu meinem Bruder sage?« fragte er.

»Thut es. Doch was gibt es?« fragte der König leise.

»Er will eilen, was die Pferde laufen können, um den Auftrag zu besorgen, und ebenso eilen, um zurückzukehren, was wider meine Pläne, Sire, und wider die des Herrn Cardinals ist.«

»Gehe also, gehe und besänftige mir diesen wüthend Verliebten.«

Anne lief seinem Bruder nach und holte ihn in den Vorzimmern ein.

»Nun!« sagte Joyeuse, »Ihr reist mit großer Eile ab, Henri?«

»Ja wohl, mein Bruder.«

»Weil Ihr schnell zurückkommen wollt?«

»Das ist wahr.«

»Ihr gedenkt also nicht einige Zeit in Château-Thierry zu verweilen?«

»So kurz als möglich.«

»Warum dies?«

»Wo man sich belustigt, mein Bruder, ist nicht mein Platz.«

»Im Gegentheil, Henri, weil der Herr Herzog von Anjou dem Hofe Feste geben wird, solltet Ihr in Château-Thierry bleiben.«

»Es ist mir unmöglich, mein Bruder.«

»Wegen Eures Wunsches, Euch zurückzuziehen, wegen Eurer Klosterpläne?«

»Ja, mein Bruder.«

»Ihr habt vom König eine Dispensation verlangt.«

»Wer hat Euch das gesagt?«

»Ich weiß es.«

»Es ist wahr, ich habe dies gethan.«

»Ihr werdet sie nicht erhalten.«

»Warum, mein Bruder?«

»Weil es nicht im Interesse des Königs liegt, sich eines Dieners, wie Ihr seid, zu berauben.«

»Dann wird mein Bruder, der Cardinal thun, was Seine Majestät nicht thun will.«

»Für eine Frau dies Alles!«

»Anne, ich bitte Euch, dringt nicht weiter in mich.«

»Ah! seid unbesorgt, ich werde nicht wieder anfangen; doch kommen wir zum Ziele… Ihr reist nach Château-Thierry ab; wohl! doch statt so hastig zurückzukehren, wie Ihr wolltet, wünschte ich, daß Ihr mich in meiner Wohnung erwartetet; wir haben seit langer Zeit nicht mehr mit einander gelebt, und Ihr begreift, daß es für mich ein Bedürfniß ist, mit Euch zusammen zu sein.«

»Mein Bruder, Ihr geht nach Château-Thierry, um Euch zu belustigen. Mein Bruder, wenn ich in Château-Thierry bleibe, werde ich alle Eure Vergnügungen vergiften.«

»Oh! nein, nein, ich widerstehe, denn ich habe ein, glückliches Temperament, das ganz im Stande ist, Eure Melancholien in Bresche zu schießen.«

»Mein Bruder…«

»Erlaubt mir, Graf,« sprach der Admiral mit gebietendem Tone, »ich vertrete hier unsern Vater und schärfe Euch ein, mich in Château-Thierry zu erwarten; Ihr findet dort meine Wohnung, welche auch die Eurige sein wird. Sie ist im Erdgeschosse und geht auf den Park.«

»Wenn Ihr befehlt, mein Bruder…« sprach Henri mit Resignation.

»Nennt das, wie Ihr wollt, Wunsch oder Befehl, doch erwartet mich.«

»Ich werde gehorchen, mein Bruder.«

»Und ich bin überzeugt, daß Ihr mir deshalb nicht grollen werdet,« fügte Joyeuse bei und schloß seinen Bruder in seine Arme.

Dieser entwand sich etwas erbittert der brüderlicher Umarmung, verlangte seine Pferde, und reiste sogleich nach Château-Thierry ab.

Er eilte mit dem Zorne eines aufgebrachten Menschen, das heißt, er verschlang gleichsam den Raum.

An demselben Abend ritt er vor Einbruch der Nacht den Hügel hinan, auf welchem Château-Thierry, die Marne zu seinen Füßen, liegt.

Sein Name öffnete ihm die Pforten des Schloßes, das der Prinz bewohnte. Doch er brauchte mehr als eine Stunde, um eine Audienz zu erhalten.

Der Prinz, sagten die Einen, sei in seinen Gemächern; er schlafe, sagten die Andern; er mache Musik, vermuthete der Kammerdiener. Doch keiner von den Bedienten konnte eine bestimmte Antwort geben.

Henri beharrte auf seinem Verlangen, den Prinzen zu sehen, um nicht mehr an den Dienst des Königs denken zu müssen und sich wieder seiner ganzen Traurigkeit überlassen zu können.

Auf sein Drängen, da man wußte, daß er und sein Bruder mit dem Herzog sehr vertraut waren, führte man ihn in einen der Salons des ersten Stockes, wo ihn zu empfangen der Prinz endlich einwilligte.

Es verging eine halbe Stunde, die Nacht fiel unmerklich vom Himmel herab.

Der schleppende, schwere Gang des Herzogs von Anjou erscholl in der Gallerie; Henri erkannte ihn und schickte sich zu dem gewöhnlichen Ceremoniel an.

Doch der Prinz, der große Eile zu haben schien, überhob seinen Botschafter rasch dieser Förmlichkeiten, indem er ihn bei der Hand nahm umarmte.

»Guten Tag, Graf,« sagte er, »warum belästigt man Euch damit, daß man Euch zu einem armen Besiegten schickt?«

»Der König schickt mich, Monseigneur, um Euch zu melden, er hege ein großes Verlangen, Eure Hoheit zu sehen, und um sie von ihren Strapazen ausruhen zu lassen, wird sich Seine Majestät zu ihr begeben und spätestens morgen in Château-Thierry eintreffen.«

»Der König wird morgen kommen!« rief Franz mit einer Bewegung der Ungeduld.

Doch er faßte sich rasch und fügte bei:

»Morgen, morgen… es wird wahrhaftig nichts im Schloß, nichts in der Stadt bereit sein, um Seine Majestät zu empfangen.«

Henri verbeugte sich wie ein Mensch, der einen Befehl überbringt, aber nicht den Auftrag hat, ihn zu erläutern, und sprach:

»Die große Eile, mit der Ihre Majestäten Euch zu sehen wünschen, hat ihnen nicht etwaige Verlegenheiten zu denken erlaubt.«

»Nun, nun,« sagte rasch der Prinz, »es ist meine Sache, die Zeit zu verdoppeln, und ich verlasse Euch daher auch, Henri; ich danke Euch für Eure Geschwindigkeit, denn Ihr seid schnell geritten, wie ich sehe, Henri; ruht aus!«

»Eure Hoheit hat mir keine anderen Befehle zu ertheilen?« fragte Henri ehrfurchtsvoll.

»Keine. Legt Euch nieder! Man wird Euch in Eurer Wohnung bedienen, Graf. Ich habe diesen Abend keinen Dienst, ich bin leidend, unruhig, ich habe den Appetit und den Schlaf verloren, wodurch mein Leben, wie Ihr Euch denken könnt, sehr traurig wird. – Ah! wißt Ihr die Neuigkeit?«

»Nein, Monseigneur; welche Neuigkeit?«

»Aurilly ist von den Wölfen gefressen worden.«

»Aurilly!« rief Henri ganz erstaunt.

»Ja wohl, – gefressen! – Das ist seltsam, wie doch Alles, was mir näher steht, schlimm stirbt! Guten Abend, Graf, schlaft wohl.«

Und der Prinz entfernte sich mit raschem Schritt.

Neunzehntes Kapitel
Zweifel

Henri ging hinab und fand, als er die Vorzimmer durchschritt, viele ihm bekannte Officiere, welche herbeiliefen und sich unter allerlei Freundschaftsbezeugungen erboten, ihn in die Wohnung seinen Bruders zu führen, welche an einer der Ecken den Schlosses lag.

Es war die Bibliothek, die der Herzog Joyeuse während seines Aufenthalts in Château-Thierry angewiesen hatte.

Zwei meublirte Salons aus der Zeit von Franz I. standen mit einander in Verbindung und mündeten nach der Bibliothek aus: letzteres Gemach ging auf die Gärten.

In der Bibliothek hatte Joyeuse, ein träger, zugleich kultivierter Geist, sein Bett aufschlagen lassen: streckte er den Arm aus, so berührte er die Wissenschaft, öffnete er die Fenster, so genoß er die Natur; höhere Organisationen bedürfen vollständigerer Genüsse, und die Morgenluft, der Gesang der Vögel oder der Wohlgeruch der Blumen fügten einen neuen Reiz den Trioletten Clement Marots und den Oden Ronsards bei.

Henri beschloß, alle Dinge so zu lassen, wie sie waren; hierzu bestimmte ihn nicht das poetische Sybaritenwesen seines Bruders, sondern im Gegentheil die Sorglosigkeit, und weil es ihm gleichgültig war, ob er sich hier oder anderswo befand.

Doch da der Graf, in welcher Verfassung des Geistes er auch sein mochte, dazu erzogen worden war, daß er nie seine Pflichten gegen den König oder gegen die Prinzen des Hauses Frankreich vernachlässigte, so erkundigte er sich mit der größten Genauigkeit nach dem Theil des Schlosses, den der Prinz seit seiner Rückkehr bewohnte.

Der Zufall schickte in dieser Hinsicht Henri einen vortrefflichen Cicerone; dies war der junge Fähnrich, dessen Indiscretion in dem kleinen Dorfe in Flandern, wo wir unsere Personen einen Augenblick einen Halt machen ließen, dem Prinzen das Geheimniß des Grafen verrieth; dieser Fähnrich hatte den Prinzen seit seiner Rückkehr nicht verlassen und konnte Henri daher vortrefflich unterrichten.

Als der Prinz in Château-Thierry ankam, suchte er vor Allem die Zerstreuung und das Geräusch; er bewohnte die großen Gemächer, empfing Morgens und Abends, hielt bei Tag Hirschjagd im Walde oder ging im Park auf die Beize; doch seit der Kunde von dem Tode von Aurilly, welche dem Prinzen zugekommen war, ohne daß man wußte, auf welchem Wege, hatte sich der Prinz in einen mitten im Parke liegenden Pavillon zurückgezogen; dieser Pavillon, ein für Jedermann, mit Ausnahme der Vertrauten des Prinzen, unzugänglicher Aufenthaltsort war gleichsam unter dem Blätterwerk verloren und erschien kaum über den riesigen Hagenbuchen und durch die dichten Hecken.

In diesen Pavillon hatte sich der Prinz seit zwei Tagen zurückgezogen; diejenigen, welche ihn nicht kannten, sagten, der Kummer, den ihm der Tod von Aurilly verursache, habe ihn bewogen, sich in eine solche Einsamkeit zu versenken; diejenigen; welche ihn kannten, behaupteten, in diesem Pavillon gehe ein schändliches, höllisches Werk vor, das eines Morgens an den Tag kommen werde.

Die eine oder die andere von diesen Annahmen war um so wahrscheinlicher, als der Prinz in Verzweiflung zu sein schien, wenn ihn ein Geschäft oder ein Besuch nach dem Schlosse rief; so daß er, sobald dieser Besuch empfangen oder dieses Geschäft abgemacht war, in seine Einsamkeit zurückkehrte, wo er nur von zwei Kammerdienern bedient wurde, die seit seiner Geburt bei ihm waren.

»Wenn der Prinz in dieser Laune ist,« sagte Henri, »so werden die Feste nicht sehr heiter sein.«

»Sicherlich nicht,« erwiederte der Fähnrich, »Jeder wird Mitleid mit dem Schmerz des Prinzen zu haben wissen, der in seinem Stolze und in seiner Zuneigung getroffen worden ist.«

Henri fuhr fort zu fragen, ohne es zu wollen, und nahm ein seltsames Interesse an diesen Fragen; der Tod von Aurilly, den er bei Hofe gekannt und in Flandern wieder gesehen hatte; die Gleichgültigkeit, mit der ihm der Prinz den Verlust, den er erlitten, mitgetheilt; die Abgeschlossenheit, in der der Prinz, wie man sagte, seit diesem Tode lebte, dies Alles stand für ihn, ohne daß er wußte wie mit dem geheimnißvollen, düsteren Gewebe in Verbindung, mit dem seit einiger Zeit die Ereignisse seines Lebens verflochten waren.

»Und man weiß nicht,« fragte er den Fähnrich, »man weiß nicht, wie dem Prinzen die Nachricht von dem Tode von Aurilly zugekommen ist?«

»Nein.«

»Aber erzählt man sich denn etwas hierüber?«

»Oh! gewiß, Ihr wißt, wahr oder falsch, man erzählt sich immer etwas.«

»Nun, so laßt hören.«

»Der Prinz soll unter den Weiden beim Flusse gejagt und sich von den andern Jägern entfernt haben, denn er thut Alles gleichsam in Sprüngen, er erhitzt sich, läßt sich fortreißen bei der Jagd, wie beim Spiel, wie im Feuer, wie im Schmerz, als man ihn plötzlich mit bestürztem Gesichte zurückkommen sah.

»Die Höflinge fragten, denn sie dachten, es handle sich nur um ein einfaches Jagdabenteuer.

»Er hielt zwei Rollen Gold in der Hand.

»»Begreift Ihr das, meine Herren?« sagte er mit bebender Stimme, »»Aurilly ist todt, Aurilly ist von den Wölfen gefressen worden.««

»Jeder schrie laut auf.

»»Nein,«« sagte der Prinz, »»es ist dem so, oder der Teufel soll mich holen; der arme Lautenspieler war immer mehr ein großer Musiker, als ein guter Reiter; es scheint, sein Pferd ist mit ihm durchgegangen, er ist so in eine Schlucht gestürzt, daß es ihm den Tod brachte; am andern Tage fanden zwei Reisende, welche, an dieser Schlucht vorüberkamen, seinen Leichnam halb von den Wölfen gefressen; zum Beweise, daß die Sache wirklich so gegangen ist, und daß nicht Räuber an dem Allem Schuld haben, dient, daß hier die zwei Rollen Gold sind, welche er bei sich trug und die man getreulich zurückgebracht hat.««

»Da man nun Niemand, diese Rollen hatte bringen sehen,« fuhr der Fähnrich fort, »so vermuthete man, sie seien dem Prinzen von den zwei Reisenden zugestellt worden, die ihm, als sie ihm am Ufer des Flusses begegneten und ihn erkannten, die Kunde von dem Tode von Aurilly eingetheilt hatten.«

»Das ist seltsam,« murmelte Henri.

»Um so seltsamer,« sprach der Fähnrich, »als man, wie man sagt, ist es wahr? ist es eine Erfindung? den Prinzen die kleine Pforte des Parks auf der Seite der Kastanienbäume öffnen und durch diese Pforte etwas wie zwei Schatten hereinkommen sah. Der Prinz hat also zwei Personen, zwei Reisende wahrscheinlich, in den Park eingelassen; seit dieser Zeit ist der Prinz in seinen Pavillon ausgewandert, und wir haben ihn nur flüchtig erblickt.«

»Und Niemand hat die zwei Reisenden gesehen?« fragte Henri.

»Ich,« erwiederte der Fähnrich: »als ich beim Prinzen die Abendparole für die Schloßwache holte, begegnete ich einem Mann, der mir dem Hause Seiner Hoheit fremd zu sein schien; doch ich konnte sein Gesicht nicht sehen, da sich dieser Mann, als er mich erblickte, abwandte die Regenkappe seinen Leibrocks auf seine Augen niedergeschlagen hatte.«

»Die Regenkappe seines Leibrockes, sagt Ihr?«

»Ja, er schien ein flämischer Bauer zu sein, er erinnerte mich, ich weiß nicht warum, an denjenigen, welcher Euch begleitete, als wir uns dort begegneten.«

Henri bebte; diese Bemerkung knüpfte sich für ihn an das dumpfe, aber hartnäckige Interesse an, das ihm diese Geschichte einflößte; auch ihm, der Diana und ihren Gefährten Aurilly anvertraut gesehen hatte, war der Gedanke gekommen, die zwei Reisenden, welche dem Prinzen den Tod des unglücklichen Flötenspielers verkündigt hatten, seien Bekannte von ihm.

Henri schaute den Fähnrich aufmerksam an und fragte dann:

»Und welcher Gedanke kam Euch, mein Herr, als Ihr diesen Mann erkannt zu haben glaubtet?«

»Hört, was ich denke, doch will ich damit nichts bestimmt behaupten. Der Prinz hat ohne Zweifel, seinen Absichten auf Flandern nicht entsagt; er unterhält dem zu Folge Spione; der Mann mit dem wollenen Leibrock ist ein Spion, der auf seiner Reise den Unfall des Musikers erfahren und zwei Nachrichten zu gleicher Zeit überbracht haben wird.«

»Das ist wahrscheinlich,« sagte Henri träumerisch, »was machte aber dieser Mensch, als Ihr ihn sahet?«

»Er ging an der Hecke hin, welche das Blumenbeet begränzt, schritt auf die Treibhäuser zu.«

»Doch Ihr sprachet von zwei Reisenden?«

»Man sagt, man habe zwei Personen herein kommen sehen; doch mir ist nur eine zu Augen gekommen, der Mann mit dem wollenen Rocke.«

»Demnach würde der Mann mit dem wollenen Rock in den Treibhäusern wohnen.«

»Das ist wahrscheinlich.«

»Und diese Treibhäuser haben einen Ausgang?«

»Gegen die Stadt, ja, Graf.«

Henri blieb einige Zeit schweigsam; sein Herz schlug gewaltig; diese für ihn, der bei diesem ganzen Geheimniß ein doppeltes Gesicht zu haben schien, scheinbar gleichgültigen Umstände hatten ein ungeheures Interesse.

Es war mittlerweile Nacht geworden, und die zwei jungen Leute sprachen mit einander ohne Licht in der Wohnung von Joyeuse.

Ermüdet durch die Reise, bedrückt durch die seltsamen Ereignisse, die man ihm erzählt hatte, ohne Kraft gegen die Gemüthsbewegungen, die in ihm entstanden waren, hatte sich der Graf auf das Bett seines Bruders zurückgelegt und tauchte maschinenmäßig seine Blicke in den Azur des Himmels, der mit Diamanten bestirnt zu sein schien.

Der junge Fähnrich saß auf dem Rande des Fensters und überließ sich jener Hingebung des Geistes, jener Poesie der Jugend, jenem das ganze Wesen umschließenden Wohlbehagen, das die balsamische Frische des Abends verleiht.

Ein großen Stillschweigen lagerte sich über dem Park der Stadt; die Lichter zündeten sich allmälig an, die Hunde kläfften in der Ferne in ihren Häusern gegen die Knechte, welche am Abend die Ställe zu schließen hatten.

Plötzlich stand der Fähnrich auf, machte mit der Hand ein Zeichen, um die Aufmerksamkeit des Grafen zu erregen, neigte sich zum Fenster hinaus und rief mit leiser Stimme Henri, der auf dem Bette lag, zu:

»Kommt, kommt!«

»Was denn?« fragte Henri, plötzlich aus seinem Traume erwachend.

»Der Mann, der Mann!«

»Welcher Mann?«

»Der Mann mit dem wollenen Rock, der Spion!«

»Oh! Oh!« machte Henri, indem er vom Bette zum Fenster sprang und sich auf die Schulter des Fähnrichs stützte.

»Seht,« fuhr der Fähnrich fort, »seht Ihr ihn dort? er geht an der Hecke hin; wartet, er wird wieder erscheinen; schaut in den vom Monde beleuchteten Raum; dort ist er, dort ist er.«

»Ja.«

»Sieht er nicht finster aus?«

»Finster, das ist das rechte Wort,« erwiederte Du Bouchage, selbst finster werdend.

»Glaubt Ihr, es sei ein Spion?«

»Ich glaube Nichts und glaube Alles.«

»Seht, er geht vom Pavillon des Prinzen nach den Treibhäusern.«

»Der Pavillon des Prinzen ist also dort?« fragte Du Bouchage, indem er mit dem Finger den Punkt bezeichnete, woher der Fremde zukommen schien.

»Seht jenes Licht, das unter dem Blätterwerk zittert.«

»Nun?«

»Das ist der Speisesaal.«

»Ah!« rief Henri, »hier erscheint er wieder.«

»Ja, er kehrt offenbar zu seinem Gefährten in die Treibhäuser zurück; hört Ihr?«

»Was!«

»Das Geräusch eines Schlüssels, der im Schlosse gedreht wird.«

»Das ist seltsam,« sprach Du Bouchage, »dies Alles kann nur als sehr gewöhnlich erscheinen, und dennoch…«

»Und dennoch schaudert Ihr, nicht wahr?«

»Ja,« sagte der Graf, »doch was ist das wieder?«

Man hörte den Klang einer Glocke.

»Es ist das Signal zum Abendbrod für das Haus des Prinzen; werdet Ihr mit uns zu Nacht speisen, Graf?«

»Nein, ich danke, ich fühle kein Bedürfniß, und wenn der Hunger kommt, so werde ich rufen.«

»Wartet nicht hierauf, Herr Graf, kommt ergötzt Euch in unserer Gesellschaft.«

»Nein, das ist mir unmöglich.«

»Warum?«

»Seine Hoheit hat mir beinahe eingeschärft, daß ich mich in meinem Zimmer bedienen lasse; doch ich halte Euch nicht länger auf.«

»Ich danke, Graf, guten Abend; bewacht wohl unser Gespenst.«

»Oh! ja, dafür stehe ich Euch, wenn nicht,« fügte Henri bei, der zu viel gesagt zu haben befürchtete, »wenn nicht der Schlaf sich meiner bemächtigt, was mir wahrscheinlicher und gesünder vorkommt, als das Bewachen von Spionen und Gespenstern.«

»Gewiß,« sagte der Fähnrich lachend.

Und er verabschiedete sich von Du Bouchage.

Kaum war er aus der Bibliothek weggegangen, als Henri in den Garten eilte.

»Oh!« murmelte er, »es ist Remy, es ist Remy! ich werde ihn in der Finsterniß der Hölle erkennen.«

Und der junge Mann, der seine Kniee unter sich zittern fühlte, drückte seine feuchten Hände auf seine glühende Stirne.

»Mein Gott!« sprach er, »ist es nicht vielmehr eine Ausgeburt meines armen kranken Gehirnes, und steht es nicht geschrieben, daß ich schlafend oder wachend, bei Tag, oder bei Nacht, unablässig die zwei Gestalten wiedersehen werde, die eine so tiefe Furche in mein Leben eingegraben haben? – In der That,« fuhr er fort, wie ein Mensch, der ein Bedürfniß fühlt, sich selbst zu überreden, »warum sollte Remy hier in diesem Schlosse beim Herzog von Anjou sein? Was sollte er hier machen? Welche Verbindung könnte der Herzog von Anjou mit Remy haben? Wie sollte er Diana verlassen haben, er, ihr ewiger Gefährte? Nein, er ist es nicht.«

Dann nach einem Augenblick gewann eine innige, tiefe, instinctartige Ueberzeugung wieder die Oberhand, er murmelte voll Verzweiflung, während er sich an die Wand anlehnte, um nicht zu fallen:

»Er ist es, er ist es!«

Als er diesen unbesiegbaren, alle andere beherrschenden Gedanken vollendete, vernahm er abermals das scharfe Geräusch des Schlosses, und obgleich diesen Geräusch beinahe unmerklich war, faßten es doch seine überreizten Sinne auf.

Ein unbeschreiblicher Schauer durchlief den ganzen Leib den jungen Mannes.

Er horchte abermals.

Es herrschte rings um ihn her ein solches Stillschweigen, daß er sein eigenen Herz schlagen hörte.

Es vergingen einige Minuten, ohne daß er etwas von dem, was er erwartete, erscheinen sah.

In Ermangelung der Augen sagten ihm indessen seine Ohren, daß sich Jemand nahte.

Er hörte den Sand unter Tritten knirschen.

Plötzlich kam es ihm vor, als sähe er an dem düsteren Grunde der Hagebuchen eine noch düsterere Gruppe sich hinbewegen.

»Hier kommt er zurück,« flüsterte Henri, »ist er allein, ist er begleitet?«

Die Gruppe rückte nach der Gegend vor, wo der Mond einen Raum von leerem Terrain versilberte.

In dem Augenblick, wo der Mann mit dem wollenen Rocke in entgegengesetzter Richtung diesen Raum durchschritt, hatte Henri Remy zu erkennen geglaubt.

Diesmal sah Henri zwei Schatten, die sich so deutlich unterschieden, daß man sich nicht täuschen konnte.

Eine tödtliche Kälte stieg bis in sein Herz hinab und schien ihn in Marmor verwandelt zu haben.

Die zwei Schatten gingen rasch, obgleich festen Schrittes; der erste war in einen wollenen Leibrock gekleidet, und der Graf glaubte bei dieser zweiten Erscheinung, wie bei der ersten, Remy zu erkennen.

Völlig in einen großen Männermantel gehüllt, entging der zweite jeder Analyse.

Und dennoch glaubte Henri unter diesem Mantel zu errathen, was Niemand hätte sehen können.

Der junge Mann stieß eine Art von schmerzlichem Stöhnen aus, und sobald die zwei geheimnißvollen Personen hinter den Hagebuchen verschwunden waren, eilte er, von Gebüsch zu Gebüsch schlüpfend, denjenigen nach, welche er erkennen wollte.

»Oh!« murmelte er, während er ihnen folgte, »mein Gott, täusche ich mich nicht, ist es möglich?«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
951 стр. 2 иллюстрации
Правообладатель:
Public Domain

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