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Читать книгу: «Der Wolfsführer», страница 17

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Als Thibault diese feste Sprache hörte, wurde er wieder düster und wild.

»Weißt Du auch, daß das sehr unklug ist, was Du da sagst, Agnelette?«

»Warum, Thibault?« fragte die junge Frau.

»Wir sind hier allein; es ist Nacht, und kein Mensch in der Nähe wagt zu dieser Stunde den Wald zu betreten. Weißt Du auch, Agnelette daß der König nicht vollständiger Herr in seinem Reiche ist, als ich es hier bin?«

»Was wollt Ihr damit sagen, Thibault?«

»Ich will damit sagen, daß ich, nachdem ich Dich gebeten, beschworen und angefleht habe, jetzt zur Drohung übergehen kann.«

»Ihr wollt mir drohen?«

»Ich will damit sagen,« fuhr Thibault, ohne Agnelette anzuhören, fort, »daß Du mit jedem Wort, das Du aussprichst, zu gleicher Zeit meine Liebe zu Dir und meinen Haß gegen ihn reizest; ich will endlich sagen, daß es unklug vom Schafe ist, den Wolf zu reizen, wenn es sich in seiner Gewalt befindet.«

»Als ich Euch aus diesem Wege hier sah,« antwortete Agnelette, da erschrack ich, wie ich Euch gesagt habe, nicht über Eurem Anblick. Als ich jedoch vorhin wieder zu mir kam, da wurde ich einen Augenblick von Angst erfaßt, weil ich unwillkürlich an das dachte, was man sich von Euch erzählt. Aber jetzt könnt Ihr thun, was Ihr wollt, Thibault, so werdet Ihr mich nicht erblassen machen.«

Thibault faßte seinen Kopf mit beiden Händen.

»Sprich nicht so,« sagte er, »denn Du weißt nicht, was der Teufel mir ins Ohr zischt, und wie viel Kraft ich brauche, um seiner Stimme zu widerstehen.«

»Ihr könnt mich tödten,« antwortete Agnelette, »aber ich werde die Schlechtigkeit nicht begehen, die Ihr von mir verlanget; Ihr könnt mich tödten, aber ich werde demjenigen, den ich zum Mann genommen habe, treu bleiben; Ihr könnt mich tödten, aber ich werde sterbend zu Gott flehen, daß er ihm beistehe.«

»Sprich diesen Namen nicht aus, Agnelette; er innere mich nicht an diesen Mann.«

»Bedrohet mich, so lang Ihr wollt, Thibault, denn ich befinde mich in Euren Händen; aber er ist glücklicher Weise fern den Euch, und Ihr besitzet keine Gewalt Über ihn.«

»Wer sagt Dir das, Agnelette? Wer sagt Dir, daß ich nicht vermöge der höllischen Gewalt, die ich besitze und der ich kaum widerstehe, in der Ferne so gut tödten kann wie in der Nähe?«

»Und wenn ich Wittwe wäre, Thibault, würdet Ihr mich dann für so niederträchtig halten, daß ich Eure vom Blut meines Mannes gefärbte Hand annähme?«

»Agnelette,« sagte Thibault, indem er vor ihr niederkniete, »Agnelette, erspare mir ein neues Verbrechen.«

»Das Verbrechen wird von Euch kommen und nicht von mir. Ich kann Euch mein Leben geben, Thibault, aber ich werde Euch meine Ehre nicht geben.«

»O!« brüllte Thibault, »die Liebe geht aus dem Herzen, wenn der Haß darin einzieht. Nimm Dich in Acht, Agnelette! Hab Acht auf Deinen Mann! Der Dämon ist in mir und will aus meinen Mund sprechen. Statt der Tröstungen, die ich den Deiner Liebe verlangte, und die Deine Liebe mir verweigert, werde ich die Tröstungen der Rache haben. Agnelette, halte, es ist noch Zeit, halte meine Hand, welche verflucht, halte meine Hand, welche verdammt, sonst begreifst Du wohl, daß nicht ich es bin, der tödtet, sondern Du, Agnelette, Du sagst nicht zu mir, daß ich nicht sprechen solle. Nun wohl! seien wir denn alle verflucht, Du, er und ich! Agnelette, ich träume, daß Etienne Engoulevent sterbe, und er stirbt eben jetzt.«

Agnelette stieß einen furchtbaren Schrei aus. Dann aber sagte sie, gleich als ob ihre Vernunft gegen diesen Mord aus der Ferne, den sie für unmöglich hielt, protestirte:

»Nein, Ihr sagt das bloß, um mich zu erschrecken, und meine Gebete werden über Eure Verwünschungen obsiegen.«

»So geh denn hin und erfahre, wie der Himmel Deine Gebete erhört. Nur spute Dich, Agnelette wenn Du Deinen Mann noch am Leben treffen willst, denn Du stehst in Gefahr, über einen Leichnam zu stolpern.«

Ueberwältigt durch den Ton der Ueberzeugung, womit der Wolfsführer diese Worte sprach, und hingerissen von einer unwiderstehlichen Bangigkeit, enteilte Agnelette ohne Thibault zu antworten, der auf dem Rand des Grabens stand und seine Hand gegen Preciamont ausstreckte, in der Richtung, welche diese Hand anzuzeigen schien, und verschwand bald an der Biegung einer Straße.

Als sie verschwunden war, stieß Thibault ein Geheul ans, wie ungefähr zehn Wölfe zusammen.

Dann stürzte er in das Dickicht und sagte:

»Ha! jetzt erst bin ich in Wahrheit verflucht!«

XXI
Thibaults letzter Wunsch

Trotz der peinlichen Angst, welche die arme Agnelette nach dem Dorfe trieb, wo sie ihren Mann gelassen hatte, mußte sie, gerade weil sie so schnell lief, von Zeit zu Zeit stehen bleiben. Der Athem ging ihr aus.

In solchen Augenblicken bot sie all ihren Verstand auf, um ihre Ruhe wieder zu gewinnen. Sie sagte zu sich selbst, es sei thöricht, machtlosen Worten, welche von eifersüchtigem Haß eingegeben und vom Winde bereits fortgetragen worden seien, eine solche Bedeutung beizulegen; aber sobald sie Athem geschöpft und wieder einige Kraft gesammelt: hatte, begann sie ihren heftigen Lauf von Neuem, denn sie fühlte, daß es um ihre Ruhe geschehen war, bis sie ihren Mann wieder gesehen hatte.

Obschon sie beinahe eine halbe Stunde lang durch die einsamsten und wildesten Schläge des Waldes zu gehen hatte, so dachte sie doch nicht mehr an die Wölfe, welche der Schrecken sämmtlicher Städte und Dörfer auf zehn Meilen in der Runde waren. Ihre einzige Angst war, sie möchte ihren Mann todt auf dem Wege liegend finden.

Wenn sie dann mit: dem Fuß an einen Stein oder Zweig stieß, so stockte ihr Athen auf einmal, wie wenn sie ihren letzten Seufzer ausgehaucht hätte, eine schneidende Kälte drang bis in ihr Herz, ihre Haare sträubten sich, und ein kalter Schweiß bedeckte ihr Gesicht.

Am Ende des Fußpfades, auf welchem sie dahineilte, und über dem die kreuz und quer stehenden Bäume eine Art von Wölbung bildeten, erblickte sie zuletzt das offene Feld in sanfter, silberner Mondbeleuchtung.

Im Augenblick, wo sie aus der Dunkelheit in die helle Ebene trat, stürzte ein Mann, den sie nicht bemerkt hatte, weil er sich hinter einem Gebüsch des Waldgrabens verborgen gehalten, ihr entgegen und nahm sie in seine Arme.

»Ho ho! gute Frau!« rief er lachend, »wohin so schnell in dieser nächtlichen Stunde?«

Agnelette erkannte ihren Mann.

»Etienne! ach mein lieber, guter Etienne!« rief die junge Frau, indem sie ihre beiden Arme um seinen Hals schlang, »wie bin ich so froh, daß ich Dich wieder habe, und daß ich Dich so wohl und gesund wiedersehe! O Gott sei Lob und Dank gesagt!«

»Meine gute Agnelette, glaubtest Du etwa, der Wolfsführer Thibault habe mich mit Haut und Haar aufgefressen?«

»Ach, sprich diesen Namen nicht aus, lieber Mann; laß uns nach den Häusern zu fliehen!«

»Warum nicht gar?« lachte der junge Rüdenknecht, »dann könntest Du den Gevatterinnen in Preciamont und Vez erzählen, ein Mann tauge zu gar Nichts, nicht einmal um seine Frau zu schützen und zu beruhigen.«

»Du hast Recht, Etienne, aber ich weiß nicht, warum ich, da ich doch so eben den Muth hatte, durch diesen großen, garstigen Wald zu gehen, und da ich jetzt ganz ruhig sein sollte, weil Du bei mir bist, ich weiß nicht, warum ich dennoch vor Angst zittere.«

»Was ist Dir denn zugestoßen? Komm her und erzähle es mir,« sagte Etienne, indem er seine Frau küßte.

Agnelette erzählte seht ihrem Manne, wie sie auf dem Rückweg von Vez nach Preciamont von einem Wolf angefallen worden war, wie Thibault sie aus den Klauen des Thieres gerissen, und was sich dann zwischen ihm und ihr zugetragen hatte.

Engoulevent hörte sie mit der größten Aufmerksamkeit an.

»Höre,« sagte er dann, »ich will Dich zur Großmutter heimbegleiten und dann euch beide recht sorgfältig einschließen, damit kein Unglück geschieht; hernach will ich schnell zu Herrn Jean zurückreiten und ihm den Ort anzeigen, wo Thibault sich aufhält.«

»O nein, nein! rief Agnelette; »Du müßtest ja durch den Wald, und es könnte Dir Etwas zustoßen.«

»Ich werde einen Umweg machen,« sagte Etienne, »und durch; die Täler von Coyolles und von Walue gehen.«

Agnelette schüttelte seufzend den Kopf, bestand aber nicht weiter auf ihrem Verlangen. Sie wußte, daß sie in diesem Punkt Nichts über Engoulevent vermochte, und überdies gedachte sie ihre Bitten zu erneuern, wenn sie einmal zu Hause wäre.

Und in der That wollte der junge Rüdenknecht weiter Nichts als eine einfache Pflicht erfüllen.

Während Agnelette den Holzschuhmacher in diesem Theil des Waldes getroffen hatte, sollte am folgenden Tage just auf der entgegengesetzten Seite eine furchtbare Treibjagd angestellt werden.

Es war somit Etiennes Pflicht, Herrn Jean unverzüglich von dem Ort in Kenntniß zu sehen, wo Agnelette mit dem Wolfsführer zusammengerathen war.

Ohnedies hatte man nicht mehr zu viel Zeit, wenn die Anordnungen zur Treibjagd noch abgeändert werden sollten.

Gleichwohl meinte ohne Zweifel Agnelette, die einen Augenblick geschwiegen hatte, als sie in die Nähe von Preciamont kam, eine hinreichende Anzahl guter Gründe zusammengebracht zu haben, denn sie begann von Neuem zu bitten und zu flehen.

Sie hatte auch wirklich einen vortrefflichen Grund gefunden.

Sie stellte Etienne vor, daß Thibault, trotz seiner Eigenschaft als Währwolf, ihr dennoch kein Leid zugefügt, sondern vielmehr das Leben gerettet; daß er, als er sie in seiner Gewalt gehabt, seine Macht nicht mißbraucht, sondern ihr freie Rückkehr zu ihrem Manne gestattet habe. Wenn er also nach all diesen Vorgängen den Aufenthalt Thibaults seinem Todfeind, dem Baron Jean, anzeigte, so würde er damit nicht mehr eine Pflicht erfüllen, sondern einen Verrath begehen, und die Folge davon wäre, daß Thibault, der diesen Vorrath unfehlbar erfahren müßte, in Zukunft Niemand mehr unter solchen Umständen verschonen würde.

Die junge Frau verfocht Thibaults Sache mit wahrer Beredtsamkeit. Aber bei ihrer Verheirathung mit Engoulevent hatte sie diesem ihre früheren Verhältnisse zu dem Holzschuhmacher ebenso wenig verschwiegen, als jetzt die näheren Umstände ihres letzten Zusammentreffens mit demselben.

Troß des größten Vertrauens zu seiner Frau war Engoulevent der Eifersucht nicht unzugänglich.

Ueberdies bestand zwischen ihm und Thibault ein alter Haß, noch von dem Tage her, wo Engoulevent den Holzschuhmacher selbst auf einem Baum und seinen Spieß im nahen Gebüsch ausfindig gemacht hatte.

Er ließ sich daher von seinem Vorsatz nicht abbringen und setzte, während er den Bitten seiner Frau vollkommen Gehör schenkte, rasch seinen Weg nach Preciamont fort.

Sie kamen unter beständigen Gesprächen, wobei jeder Theil seine Ansicht versucht, bis ans hundert Schritte von den ersten Hecken.

Um Thibaults plötzliche und unvermuthete Einfälle in den Dörfern so gut als möglich abzuwehren, hatten die Bauern nächtliche Patrouillen eingeführt und ähnliche Vorsichtsmaßregeln getroffen, wie in Kriegszeiten.

Etienne und Agnelette waren so eifrig in ihrem Gespräch. daß sie das Wer da der hinter der Hecke lauernden Schildwache überhörten und ruhig gegen das Dorf weiter gingen.

Der Bauer, welcher im Schatten eine Erscheinung bemerkte, der seine Angst eine riesige Gestalt verlieh, und die, ohne auf seinen wiederholten Werda-Ruf zu antworten, auf ihn zugeschritten kam, spannte den Hahn an seiner Flinte.

Als Engoulevent seine Augen aufschlug, bemerkte er auf einmal den blitzartigen Widerschein des Mondlichtes auf dein Flintenlauf.

Während er gut Freund! rief, warf er sich vor Agnelette, umschlang sie mit seinen Armen und deckte sie mit seinem Leibe.

Aber in demselben Augenblick ging der Schuß los, und der arme Etienne fiel seufzend, aber ohne alle weitere Klage, auf das geliebte Weib, das er fest umschlungen hielt.

Die Kugel war ihm durch das Herz gefahren.

Als die Leute von Preciamont durch den Knall herbeigelockt, auf dem Fußpfad, der vom Dorfe in den Wald führt, herankommt, fanden sie Engoulevent todt und Agnelette bewußtlos auf dem Leichnam ihres Mannes liegend.

Man trug die arme Frau in die Hütte ihrer Großmutter.

Aber als sie zum Bewußtsein kam, versank sie in eine Verzweiflung, die an Wahnwitz grenzte.

Nachdem sie einige Tage in starrer Fühllosigkeit dagelegen, steigerte sich der Wahnwitz zur Narrheit.

Sie machte sich Vorwürfe über den Tod ihres Mannes; sie rief ihn mit Namen, sie flehte um Gnade für ihn zu unsichtbaren Geistern, welche sie fortwährend, sogar in den kurzen Augenblicken des Schlummers, die ihr Hirnfieber gestattete, quälten.

Sie sprach Thibaults Namen aus und richtete stehende Bitten an ihn, die allen Anwesenden Thränen entlockten.

Da in Allem, was ihre Narrheit heraussprach, trotz der Zusammenhanglosigkeit der Worte die Thatsachen zum Vorschein kamen, so begriff man, daß der Wolfsführer bei dem unseligen Ereigniß, welches den Tod des armen Etienne herbeigeführt, die Hand im Spiel gehabt hatte.

Man beschuldigte folglich den gemeinsamen Feind, daß er einen Zauber über die unglücklichen zwei jungen Leute geworfen habe, und die Entrüstung über den ehemaligen Holzschuhmacher war dadurch noch gesteigert worden.

Vergebens rief man die Aerzte von Villers-Coterets und von Ferté-Milon herbei, Agnelettes Zustand wurde immer schlimmer, ihre Kräfte schwanden, ihre Stimme wurde nach einigen Tagen schwächer und kürzer, obschon ihr Wahnwitz noch immer gleich heftig blieb, und Alles, selbst das Schweigen der Aerzte, verkündete, daß die arme Agnelette sehr bald ihrem Manne ins Grab nachfolgen werde.

Nur die Stimme der blinden armen Frau konnte das Fieber mildern. Wenn Agnelette ihre Großmutter sprechen hörte, da beruhigte sie sich, ihre starren, verstörten Augen gewannen einen sanften Ausdruck und füllten sich mit Thränen; sie fuhr mit der Hand über ihre Stirne, wie wenn sie einen lästigen Gedanken versagen weilte, und ein wehmüthiges Lächeln zuckte schnell und flüchtig auf ihren Lippen.

Eines Abends, bei Anbruch der Nacht, lag Agnelette in einem nach unruhigeren und peinlicheren Schlaf als gewöhnlich; die von einer kupfernen Lampe schwach beleuchtete Hütte befand sich in einem Halbdunkel; die Großmutter saß vor dem steinernen Herd und bewahrte in ihrer Physioguomie jene Unbeweglichkeit, unter welcher die Wilden und die Bauern ihre lebhaftesten Gemüthsbewegungen verbergen. Von den zwei Frauen, welche Herr Jean dafür bezahlte, daß sie der Wittwe seines Dieners abwarteten, sprach die eine, knieend vor dem Bett, wo Agnelette so blaß und weiß lag, daß man sie ohne die regelmäßige Bewegung ihrer beklommenen Brust bereits für todt gehalten hätte, ihren Rosenkranz; die andere spann still ihren Rocken.

Auf einmal schien die Kranke, die seit einigen Augenblicken von Zeit zu Zeit zusammenfuhr, gegen einen schauerlichen Traum anzukämpfen und stieß einen Angstschrei aus.

Im selben Augenblick flog die Thüre auf. Ein Mann, dessen Kopf von einem Flammenkreis um geben schien, stürzte ins Zimmer herein, sprang bis an Agnelettes Bett, schloß die Sterbende fest in seine Arme, drückte unter Schmerzensrufen seine Lippen auf ihre Stirne, lief dann nach einer Thüre, die ins Freie führte, öffnete sie und verschwand.

Die Erscheinung war so rasch vorübergegangen, daß man an eine Vision der jungen Frau hätte glauben können, die einen unsichtbaren Gegenstand wegzustoßen versuchte und rief:

»Entfernt ihn! Entfernt ihn!«

Aber die beiden Wärterinnen hatten diesen Mann gesehen und Thibault erkannt.

Ferner hörte man ein gewaltiges Geschrei und aus demselben heraus den Namen Thibault.

Dieses Geschrei kam der Hütte Agnelettes immer näher, und bald erschienen die Schreienden auf der Schwelle.

Sie verfolgten den Wolfsführer.

Man hatte Thibault um das Häuschen herum schweifen gesehen, und die Einwohner von Preciamont, die sich, von ihren Schildwachen in Kenntniß gesetzt, mit Gabeln und Stöcken bewaffnet hatten, verfolgten ihn.

Thibault, welcher Agnelettes verzweifelten Zustand kannte, hatte dem Wunsch, sie noch ein einziges Mal zu sehen, nicht zu widerstehen vermocht.

Im Vertrauen auf die Schnelligkeit seiner Beine war er auf alle Gefahren hin durch das Dorf gegangen, hatte die Thüre der Hütte geöffnet und war hineingedrungen, um die Sterbende noch zu sehen.

Die zwei Wärterinnen bezeichneten den Bauern die Thüre, durch welche Thibault hinausgegangen war, und gleich einer Meute, die ihre Fährte wieder auffindet; jagten diese unter drohendem Geschrei hinter ihm her.

Es versteht sich, daß Thibault seinen Feinden entkam und im Walde verschwand.

Aber in Folge der schrecklichen Erschütterung, welche Agnelette durch Thibaults Erscheinung und Berührung erhalten hatte, wurde ihr Zustand so beunrnhigend, daß man noch im Laufe derselben Nacht den Priester holen mußte.

Es war augenscheinlich, daß Agnelette nur noch einige Stunden zu leiden hatte.

Gegen Mitternacht kam der Priester nebst dem Sacristan, welcher das Kreuz, und den Chorknaben, welche das Weihwasser trugen.

Die letzteren knieten am Fuße des Bettes nieder, während der Priester zu den Häupten trat.

Jetzt schien Agnelette durch eine geheimnißvolle Kraft: neu belebt zu werden.

Sie sprach lange Zeit leise mit dem Priester, und da man wohl wußte, daß das arme Kind nicht so lange für sich selbst zu beten hatte, so begriff man, daß sie für einen Andern betete.

Wer war dieser Andere?

Gott, der Priester und sie wußten es allein.

XXII
Der Jahrestag

Als Thibault das Wuthgeschrei der Bauern nicht mehr hinter sich hörte, begann er langsamer zu gehen.

Endlich, als der Wald wieder in seine gewöhnliche Stille versunken war, machte er Halt und setzte sich auf einen Steinhaufen.

Er war so verstört, daß er den Platz, wo er sich befand, erst dann erkannte, als er an diesen Steinen große schwarze Flecke bemerkte, wie wenn sie vom Feuer beleckt worden wären.

Es waren die Steine seines Herdes.

Der Zufall hatte ihn an den Ort geführt, wo die Hütte gestanden, die er noch vor einigen Monaten bewohnt hatte.

Ohne Zweifel stellte der Holzschuhmacher bittere Vergleichungen zwischen dieser ruhigen Vergangenheit und dieser schrecklichen Gegenwart an, denn dicke Thränen rollten über seine Wangen und fielen in die Asche, auf der seine Füße ruhten.

Er hörte auf den Kirchthürmen von Oigny und mehreren andern umliegenden Orten zwölf Uhr schlagen.

Dies war die Stunde, wo der Priester die letzten Gebete der sterbenden Agnelette anhörte.

»Ob« rief Thibault, »verflucht sei der Tag, wo ich mir etwas Anderes wünschte, als das, was der liebe Gott für einen armen Handwerker erreichbar gemacht hat! Verflucht sei der Tag, wo der schwarze Wolf die Macht Böses zu thun an mich verkaufte, denn das Böse, was ich gethan, hat mein Glück nicht nur nicht erhöht, sondern vielmehr auf ewig zerstört.«

Er hörte ein lautes Lachen hinter sich.

Als er sich umdrehte, sah er den schwarzen Wolf selbst im Dunkel der Nacht; heranschleichen, gleich einem Hund, der seinen Herrn wiederfindet.

Er wäre in der Finsterniß beinahe unsichtbar gewesen, wenn seine Augen nicht Flammen geworfen hätten, die ihn beleuchteten.

Er ging um den Herd herum und setzte sich dann dem Holzschuhmacher gegenüber.

»Es wies« sagte er, »Meister Thibault ist nicht zufrieden? Bei den Hörnern Belzebubs, Meister Thibault, Du bist sehr difficil.«

»Wie kann ich zufrieden sein,« antwortete Thibault, »da seit meinem Zusammentreffen mit Euch alle meine Wünsche Nichts als nutzlose Reue mit sich geführt haben? Ich habe Reichthum verlangt und bin jetzt in Verzweiflung über den Verlust des Farnkraut-Daches, unter dessen Schutze ich einst ein schlief, ohne mich wegen des morgenden Tages zu beunruhigen, ohne mich um den Wind und den Regen zu bekümmern, welche die Zweige der großen Eichen peitschten. Ich habe Herrlichkeit verlangt, und die erbärmlichsten Bauern auf der Ebene, die ich einst verachtete, jagen mich jetzt mit Steinwürfen vor sich her. Ich habe Liebe verlangt, und die einzige Frau, die mich geliebt hat und die ich liebe, stirbt in dieser Stunde unter Verwünschungen gegen mich, ohne daß ich mit all der Macht, die Ihr mir verliehen habt, Etwas zu ihrer Hilfe thun konnte.«

»Du mußt nur Dich selbst lieben,« sagte der schwarze Wolf.

»Ja, spotte nur.«

»Ich spotte nicht. Hattest Du nicht, schon ehe ich Dir unter die Augen trat, lüsterne Blicke auf die Güter Deiner Nebenmenschen geworfen?«

»Ei was war es denn auch um einen erbärmlichen Damhirsch, wie ihrer Hunderte in diesem Wald Gras fressen?«

»Du glaubtest nur den Damhirsch zu wünschen, Thibault, aber die Wünsche verketten sich mit einander, wie die Nächte mit den Tagen und die Tage mit den Nächten. Indem Du den Damhirsch wünschtest, wünschtest Du auch die silberne Platte, auf welcher er aufgetragen werden sollte; die silberne Platte zog den Diener nach sich, der sie trägt, und den Küchenmeister, der den Braten zerlegt. Der Ehrgeiz gleicht dem Himmelsgewölbe, es scheint sich am Horizont zu begränzen und es umfaßt die ganze Erde. Du hast Agnelettes Unschuld um der Mühle der Polet willen verschmäht; kaum hättest Du die Mühle besessen, so hättest Du das Hans des Amtmanns Magloire begehrt, und das Haus des Amtmanns Magloire hätte keinen Reiz mehr für Dich gehabt, sobald Du das Schloß des Grafen von Montgobert, wenn auch nur ans der Ferne, gesehen hättest O Du gehörtest durch Deinen Neid schon längst dem gefallenen Engel an, welcher Dein und mein Herr ist; nur hätte es Vielleicht, da es Dir an Verstand fehlte, um das Böse zu wünschen und das Gute daraus zu ziehen, in Deinem Interesse gelegen, ehrlich zu bleiben.«

»Ach ja,« antwortete der Holzschuhmacher, »jetzt erkenne ich die Wahrheit des Sprichworts: Wer Böses will, dem widerfährt Böses; aber kurz und gut, kann ich nicht wieder ehrlich werden?«

Der Wolf schlug ein Hohngelächter auf.

»O mein Junge,« sagte er, »Mit einem einzigen Haar kann der Teufel einen Menschen in die Hölle führen. Hast Du niemals gezählt, wie viel der Teufel von den Deinigen besaß?«

»Nein.«

»Ich kann Dir nicht sagen, wie viele Haare Du auf dem Kopf hast; aber ich kann Dir sagen, wieviele davon Dir bleiben. Ein einziges. Du siehst also, daß die Zeit der Reue vorüber ist.«

»Wenn,« sagte Thibault, »der Teufel einen Menschen um eines einzigen Haares willen verderben kann, warum sollte ihn dann Gott nicht durch ein einziges Haar retten können?«

»Versuch’s.«

»Ohnehin habe ich, als ich diesen Handel mit Euch abschloß, nicht geglaubt, einen Vertrag einzugehen.«

»O daran erkenne ich die Unehrlichkeit der Menschen. Du hast keinen Vertrag eingegangen, indem Du mir Deine Haare gabest, Dummkopf? Seit die Menschen die Taufe erfunden haben, wissen wir nicht mehr, wo wir sie fassen sollen, und deßhalb müssen sie uns für jede Vergünstigung unsererseits einen Theil ihres Körpers überlassen, an welchen wir Hand anlegen können. Du hast uns Deine Haare abgetreten: sie halten fest, Du hast Dich dessen versichert, sie werden uns nicht in den Klauen bleiben. Nein, nein, Du gehörst uns, Thibault, von dem Augenblick an, wo Du aus der Schwelle der Thüre, die hier stand, im Geiste den Gedanken an Betrug und Raub liebgewonnen hast.«

»Also,« rief Thibault voll Muth, indem er aufstand und auf den Boden stampfte, »also werde ich in der andern Welt verloren sein, ohne die Freuden dieser hier genossen zu haben?«

»Du kannst sie noch kennen lernen, Thibault.«

»Wie das?«

»Indem Du kühn den Pfad betrittst, auf welchen Du Dich bloß eingeschmuggelt hast, indem Du mit Entschiedenheit das willst, was Du tückisch annahmest, mit andern Worten, indem Du Dich offen und unumwunden auf unsere Seite stellst.«

»Und was müßte ich dann thun?«

»Meinen Platz einnehmen.«

»Und dann?«

»Meine Macht erwerben; dann wirst Du Nichts mehr zu wünschen haben.«

»Wenn Eure Macht so umfassend ist, wenn sie Euch all die Reichthümer gibt, nach denen es mich gelüsten warum tretet Ihr sie dann ab?«

»Bekümmere Dich nicht um mich. Der Herr, dem ich einen Diener zugeführt habe, wird mich reichlich belohnen.«

»Und werde ich mit Eurem Platz zugleich Eure Gestalt annehmen?«

»Ja, bei Nacht, aber den Tag über wirst Du wieder Mensch werden.«

»Die Nächte sind lang, dunkel und voll von Hinterhalten; ich kann unter der Kugel eines Jägers fallen der mit meiner Pfote in eine Schlinge gerathen; dann fahret wohl, Reichthümer und Herrlichkeit!«

»Nein, denn dieses Fell, das mich umhüllt, ist undurchdringlich für Eisen, Blei und Stahl; so lange es Deinen Leib bedeckt, bist Du nicht bloß unverwundbar, sondern unsterblich; nur ein einziges Mal im Jahr wirst Du, wie alle Währwölfe auf vierundzwanzig Stunden wieder Wolf, und während dieser vierundzwanzig Stunden hast Du den Tod zu fürchten, wie die andern. Es ist heute just ein Jahr, daß wir uns sahen: es war an meinem Unglückstag.«

»Ah! ah!« machte Thibault, »jetzt begreife ich, warum Ihr die Hunde des Herrn Jean so sehr fürchtete.«

»Bei unsern Unterhandlungen mit den Menschen ist uns Lüge verboten, und wir sind gezwungen, ihnen Alles zu sagen. Sie können dann frei an nehmen oder ablehnend.«

»Ihr sprachet von einer großen Macht, die ich erwerben könne. Was ist das für eine Macht?«

»Eine Macht, der selbst der mächtigste König Nichts an die Seite zu stellen hat, weil die königliche Macht immer durch die Grenzen des Menschlichen und Möglichen beschränkt bleibt.«

»Werde ich reich sein?«

»So reich, daß Du den Reichthum zuletzt verachten wirst, denn Du wirst durch die alleinige Kraft Deines Willens nicht bloß das erhalten, was die Menschen durch Gold und Silber erreichen, sondern auch das, was die höheren Wesen durch ihre Beschwörungen erzielen.«

»Ich werde mich an meinen Feinden rächen können?«

»Zu allem Bösen wird Deine Macht unbeschränkt sein«

»Wird das Weib, das ich liebe, mir auch wieder entkommen können?«

»Du wirst Deinesgleichen beherrschen und Weiber nach Belieben haben.«

»Wird Nichts sie meinem Willen entziehen können?«

»Nichts als der Tod, welcher stärker ist als Alles.«

»Und ich werde also bloß an einem einzigen Tag von dreihundert fünfundsechzig den Tod zu fürchten haben?«

»Nur an einem einzigen; an allen andern wird Dir weder Eisen noch Blei noch Stahl, weder Wasser noch Feuer Etwas anhaben können.«

»Und keine Lüge, keine Schlinge steckt hinter Deinen Worten verborgen.«

»Keine, so wahr ich ein ehrlicher Wolf bin.«

»Nun wohl, es sei!« sagte Thibault; »Wolf für vierundzwanzig Stunden und für die ganze übrige Zeit König der Schöpfung Was habe ich zu thun? Ich bin bereit.«

»Brich ein Stechpalmenblatt ab, zerreiße es mit den Zähnen in drei Stücke und wirf dieselben weit von Dir.«

Thibault that, was ihm befohlen war.

Nachdem er das Blatt zerrissen, zerstreute er die Stücke, und nun ließ sich, obschon die Nacht bisher ganz ruhig gewesen war, auf einmal ein Donnerschlag vernehmen, und eine sturmartige Wettersäule entführte diese Stücke in heftigem Wirbel.

»Und nun, Bruder Thibault,« sagte der Wolf, »nimm meinen Platz ein und gut Glück! Wie ich vor einem Jahr, wirst Du jetzt vierundzwanzig Stunden lang Wolf bleiben; suche diese Prüfung ebenso glücklich zu überstehen, wie ich sie mit Deiner Hilfe überstanden habe, dann wirst Du alle meine Versprechungen in Erfüllung gehen sehen. Ich werde indessen den Herrn mit dem Pferdefuß bitten, daß er Dich vor den Hunden des Barons Vez bewahre, denn, auf Teufelsparole, Du interessirst mich wirklich, Freund Thibault.«

Und es war Thibault, als sähe er den schwarzen Wolf groß werden, sich Verlängern, sich auf seine Hinterfüße stellen und in Menschengestalt weggehen, indem er ihm noch mit der Hand zuwinkte.

Wir sagen: es war ihm, als sähe er; denn für einen Augenblick verloren seine Ideen alle Klarheit. Er empfand eine Art von Erstarrung, welche die Thätigkeit des Gedankens lähmte.

Als er dann wieder zu sich kam, war er allein.

Seine Glieder waren in fremden und ungewohnten Formen gefangen.

Kurz, er war in jeder Beziehung dem großen schwarzen Wolf, der so eben noch, mit ihm gesprochen hatte, ähnlich geworden.

Ein einziges weißes Haar in der Gegend des kleinen Gehirns stach in dem dunkeln Pelzwerk grell hervor.

Dieses einzige weiße Haar des Wolfes war das einzige schwarze Haar, das dem Menschen geblieben war.

Dann, und ehe er nach Zeit gehabt hatte, zur Besinnung zu kommen, schien es ihm, als höre er die Büsche sich bewegen und ein dumpfes, ersticktes Gebelle hervorkommen.

Zitternd dachte er an die Meute des Herrn Jean.

In seiner Wolfsgestalt hielt er es für gerathen, seinen Vorgänger nicht nachzuahmen und nicht, wie dieser, zu warten, bis die Meute des Herrn Jean ihm auf den Fersen wäre.

Er dachte, das Gebell, das er gehört hatte, könne von einem Spürhund herkommen, und er beschloß die Loskoppelung nicht abzuwarten.

Er lief Also, wie die Wölfe gewöhnlich thun, geradeaus, und machte dabei die sehr befriedigende Bemerkung, daß er bei seiner Umwandlung die zehnfache Kraft und Elasticität gewonnen hatte.

»Bei den Hörnern des Teufels,« sagte einige Schritte von da Herr Jean zu seinem neuen Rüdenknecht, »Du hältst des Hängeseil immer zu locker, Bursche; Du hast den Spürhund knurren lassen, und so werden wir den Wolf nie wieder in den Wald treiben.«

»Ich will meinen Fehler nicht leugnen, gnädiger Herr,« antwortete der Rüdenknecht; »aber da ich den Wolf gestern Abend hundert Schritte von hier durch kommen sah, so konnte ich unmöglich annehmen, daß er in diesem Schlag über Nacht geblieben sei, und daß wir ihn zwanzig Schritte vor uns hätten.«

»Und Du bist ganz sicher, daß es derselbe ist?«

»Möge das Brod, das ich im Dienste des gnädigen Herrn esse, mir zu Gift werden, wenn dies nicht der schwarze Wolf ist, den wir im vorigen Jahre jagten, als der arme Markotte ertrank.«

»Ich möchte ihn gerne angreifen,« sagte Herr Jean mit einem Seufzer.

»Befehlt, gnädiger Herr, so greifen wir an; aber erlaubet mir die Bemerkung, daß wir noch zwei volle Stunden Nacht vor uns haben, und daß unsere Pferde dann schon vor Tagesanbruch lendenlahm sein werden.«

»Aber wenn wir den Tag abwarten, »Munter so wird die Bestie zehn Stunden weg sein.«

»Zum wenigsten, gnädiger Herz« sagte Munter den Kopf schüttelnd, »zum wenigsten.«

»Dieser elende schwarze Wolf kommt mir gar nicht mehr aus dem Sinn,« fuhr Herr Jean fort, »und ich habe ein solches Verlangen nach seinem Fell, daß ich ganz gewiß krank werde. wenn ich's nicht bekomme.«

»So laßt uns angreifen, gnädiger Herr, und zwar augenblicklich.«

»Du hast: Recht, Munter; hol schnell die Hunde herbei.«

Munter schwang sich auf sein Pferd, das er, um den Wald zu durchstreifen, an einen Baum gebunden hatte.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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Public Domain

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