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Kapitel 2 Das Felsenreich

Kapitel 2

Das Felsenreich

eara wachte auf, als ihr die Sonne warm ins Gesicht schien. Fio´rah stand am Feuer und kochte Tee.

»Ich habe Kleider für euch besorgt. Probier sie an.«

Ceara streckte sich und stand vorsichtig auf, um Daron nicht zu wecken, der etwas im Schlaf murmelte und sich wieder umdrehte. Anschließend probierte sie die Lederhose und das Leinenhemd an, das Fio´rah ihr gebracht hatte. Es passte beinahe perfekt.

»Danke, Fio´rah und vor allem, dass du mir geholfen hast zu fliehen.«.

»Es war mir eine Ehre, aber ich weiß auch, dass du das Gleiche für mich getan hättest.«

Ceara nickte, dann überzog ein spitzbübisches Grinsen ihr Gesicht. »Na ja, der Platz als Königin ist ja jetzt wieder frei, also, wenn du willst …«

Fröhlich lachend schüttelte Fio´rah den Kopf und hunderte silberblonder Zöpfe wirbelten um sie herum. »Nein danke, selbst wenn wir Fiiljas uns mit Menschen einlassen würden, dann wäre Adamath der Letzte, der mir in den Sinn käme.«

»Ich habe dich ja noch nie gefragt, aber hast du eigentlich einen Freund?«, fragte Ceara.

»Natürlich habe ich Freunde«, erwiderte Fio´rah verständnislos. »Daron, du, Alan ...«

Ceara unterbrach sie lächelnd. »Ich meinte, eben etwas mehr, als nur Freundschaft. Einen Mann, mit dem du zusammen sein willst.«

Nun schien Fio´rah zu verstehen, aber dann seufzte sie und schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, wir verbinden uns nicht mit Menschen. Wir Fiiljas sind nur noch eine sehr kleine Gruppe von Frauen. Es gab früher auch männliche Fiiljas, aber an die kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war lange vor meiner Geburt, da wurde unser Volk von Trollen und Menschen beinahe ausgerottet. Nur einige wenige Frauen blieben übrig und als der letzte Mann getötet wurde, bildeten sie die Schwesternschaft und erlernten das Kämpfen. Ich bin eine der Letzten, die geboren wurde.«

»Das ist traurig«, sagte Ceara. »Aber hast du denn nie versucht, mit einem menschlichen Mann zusammenzusein?«

»Nein, das würde nicht funktionieren. Aber es ist auch nicht so schlimm. Wir glauben, dass die Männer in der nächsten Welt auf uns warten.«

»Ja aber«, plötzlich kam Ceara ein erschreckender Gedanke, »dann wird es ja irgendwann keine Fiiljas mehr geben!«

»Da hast du leider Recht.« Sie legte Ceara eine Hand auf den Arm. »Aber wir können sehr alt werden, falls wir nicht ermordet werden.« Ceara war sehr betrübt, aber Fio´rah meinte aufmunternd: »Sei nicht traurig. Wir haben uns vor langer Zeit damit abgefunden.«

Etwas später wachte Daron auf, blinzelte verschlafen, und streckte sich, wobei er das Gesicht verzog. Ihm tat immer noch alles weh.

»Es ist schon spät, ihr hättet mich wecken sollen«, sagte er anklagend, stand etwas steif auf und setzte sich ans Feuer.

»Wir wollten dir noch etwas Schlaf gönnen.« Fio´rah gab ihm eine Schale mit Tee.

»Aber wir müssen weiter.« Er blickte sorgenvoll auf die Sonne, die durch die Bäume schien.

»Und du müsstest dich eigentlich noch ein paar Tage ausruhen«. Fio´rah betrachtete ihn kritisch.

Dem konnte Ceara nur zustimmen, doch Daron schüttelte entschieden den Kopf. »Wir müssen weiterreiten. So lange wir in Huellyn sind, ist es zu gefährlich.«

Das konnten seine Freunde leider nicht bestreiten. So packten sie ihre Sachen zusammen, verwischten die Spuren, und ritten im Schutz des Waldes in Richtung Norden. Immer wieder hörten sie das Geheul von Schattenwölfen und einmal konnten sie sich gerade noch rechtzeitig vor einer Gruppe Soldaten verstecken. Daron erholte sich relativ schnell wieder, er war heilfroh, dem Kerker entkommen zu sein. Am Rande des Nyrmensees umgingen sie die Dörfer, die im Norden Huellyns lagen, ritten das kurze Stück ins Grasland, und erreichten bald das Felsenreich.

»Wir werden die Pferde bald zurücklassen müssen. Je weiter man nördlich kommt, umso felsiger wird es«, sagte Daron eines Tages bedauernd. »Wir können es nicht wagen, über die Straße zu reisen.«

»Wir wissen ja nicht einmal, wo wir hin müssen«, knurrte Alan missmutig.

Nachdem er sich damit abgefunden hatte, dass Ceara und Daron nun ein Paar waren, wollte er unbedingt zurück nach Drago´llaman, um das Höhlenmädchen Nara zu besuchen. Aber das würde, wie es aussah, noch dauern.

»Ich denke, es handelt sich bei der Rune, die in dem Gedicht genannt wird, um einen Platz in den unterirdischen Höhlen, die den gesamten Norden durchziehen. Dort wird Eisen und Silber abgebaut. Wir können es wohl nur versuchen.« Daron blickte nach Norden. »Das Gedicht war ja leider nicht ganz eindeutig.«

Auch Fio´rah hatte sich bereits ihre Gedanken gemacht, wo sie die nächste Rune finden sollten. Wieder einmal wurde ihnen der Verlust von Myrthan schmerzlich bewusst. Vielleicht hätte er ihnen helfen können.

Am Abend lagerten sie im südlichen Teil des Felsenreichs und entzündeten ein rauchloses Feuer. Es war ziemlich warm und blieb lange hell. Ceara und Daron saßen auf einem der hohen Felsen, die das Land bedeckten und hielten gemeinsam Wache. Unter ihnen zupften die Pferde friedlich das spärliche Gras.

»Weißt du noch, das erste Mal, als du hier warst, haben wir nicht weit von hier gelagert.« Daron schlang von hinten seine Arme um sie.

Ceara lehnte den Kopf an ihn. Im Westen ging die Sonne gerade blutrot unter und die Monde begannen langsam aufzugehen. »Es ist ziemlich viel passiert seitdem.«

Daron lachte leise auf. »Ich habe dich wirklich für einen Mann gehalten. Ich weiß gar nicht mehr, wie mir das passieren konnte.« Liebevoll fuhr er ihr durch die langen Haare, welche die Farbe von dunklem Bernstein hatten.

Verträumt drehte Ceara den Kopf zu ihm. »Tja, ich hätte mir damals auch nicht vorstellen können, so mit dir hier zu sitzen.«

Sie schauten beide dem Sonnenuntergang zu und Ceara seufzte irgendwann: »Ich könnte für immer hier sitzen bleiben.«

Stumm drückte Daron ihr einen Kuss auf die Stirn und war einfach nur glücklich, mit ihr hier zu sein.

»Was machen wir eigentlich, wenn wir alle Runen haben und Adamath besiegt ist?«, fragte Ceara plötzlich.

Daron zuckte leicht zusammen. »Darüber sollten wir uns erst Gedanken machen, wenn es soweit ist.«

»Hmm.« Ceara wirkte nicht sehr zufrieden. »Wo würdest du denn gerne leben, wenn es keinen Adamath mehr geben würde?«

»Ich weiß nicht«, murmelte er und blickte zu Boden. Daron wusste nicht, wie viel Zeit ihm noch mit Ceara blieb, bis Norn sein Leben einforderte.

»Also in Drago´llaman hat es mir schon ganz gut gefallen, obwohl es dort wohl auf Dauer ziemlich kalt ist. Myth´allan ist auch wunderschön. Oder die Westküste in Monalyth …«, fuhr sie unbekümmert fort.

»Dann werden dir die nördlichen Hügel von Fearánn gefallen.« Darons Stimme klang ein wenig belegt. »Dort ist es nicht so düster wie im südlichen Teil und es gibt viele Wasserfälle und Seen. Im Nordwesten liegen sehr schöne Buchten mit weißem Sand.«

»Na, dann könnten wir vielleicht dorthin gehen«, erwiderte Ceara gut gelaunt und blickte sich dann mit einer hochgezogenen Augenbraue zu ihm um. »Oder willst du nirgends mit mir zusammen leben?«

Mit einem traurigen Lächeln schüttelte er den Kopf. »Es gibt niemanden, mit dem ich lieber irgendwo leben würde, wo auch immer. Ich weiß nur nicht …«, begann er, brach dann aber ab.

»Was ist denn?«

»Nichts.« Daron nahm sie fest in den Arm. »Lass uns einfach abwarten was kommt und die Zeit genießen, die wir zusammen haben.«

Ein wenig verwundert war Ceara schon. Sie wusste nicht, was er mit seinen Worten ausdrücken wollte, doch sie fragte nicht weiter nach. Daron machte sich oft zu viele Sorgen. Die Nacht war mild und sternenklar. Es herrschte eine so friedliche und magische Stimmung, dass man gar nicht glauben mochte, dass es überhaupt etwas Böses in dieser Welt geben konnte.

Irgendwann kam Bran zu ihnen hinauf. »Ich wollte euch ablösen. Aber so wie ich das sehe, möchtet ihr gar nicht abgelöst werden«, sagte er lächelnd.

Ceara lächelte glücklich zurück. »Eigentlich bin ich schon ein wenig müde, aber diese Nacht ist so wunderschön, dass man sie eigentlich gar nicht mit Schlafen vergeuden möchte.«

Bran setzte sich auf den Felsen. »Auf jeden Fall werde ich jetzt aufpassen. Ihr könnt ja tun, was immer ihr wollt.«

Ceara und Daron nickten, dann standen sie auf. Hand in Hand schlenderten sie über die Felsen und blickten hinauf in den Sternenhimmel. Der Mond im Osten leuchtete silbern auf sie herab, während der im Westen ein eher rötliches Licht abstrahlte.

Plötzlich drückte Daron Ceara ganz fest an sich. »Ich möchte, dass du dich für immer an diesen Moment erinnerst, egal was passiert. Jetzt bin ich glücklich.«

»Natürlich«, sagte sie und blickte ihn verwirrt an. »Was ist denn mit dir?«

»Nichts, aber falls wir einmal getrennt werden, dann sollten wir diese Nacht in uns bewahren.«

»Aber wir lassen uns nicht mehr trennen!«

»Das weiß man nie.« Daron seufzte.

Ceara pikste ihn in die Seite und sagte betont fröhlich: »Du sollst nicht immer alles so negativ sehen.«

Mit bedrücktem Gesichtsausdruck nickte er und gab ihr einen langen Kuss.

Am nächsten Tag kamen sie noch recht gut mit ihren Pferden voran. Doch dann wurde es derart felsig, dass sie absteigen mussten. Alle nahmen ihren Pferden Zaumzeug und Sattel ab und ließen sie frei. Dann kletterten sie über die glatten Felsen und durch tiefe Schluchten. Das ganze Felsenreich wirkte wie ein gigantisches Labyrinth.

»Haben hier früher wirklich Zwerge gelebt?«, fragte Bran schnaufend, als sie mal wieder eine hohe Felswand überwunden hatten.

»Das erzählt man sich zumindest«, bestätigte Fio´rah. »Die vielen Höhlen und Stollen, die den gesamten Norden durchziehen, können fast nur Zwerge gebaut haben. Die Gänge sind sehr niedrig und um an das Silber und Eisen zu kommen, haben Adamaths Leute sie sehr viel höher machen müssen.«

»Und wo sind die Zwerge jetzt hin?« Alan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es wurde jeden Tag wärmer, doch zum Glück wehte hin und wieder eine erfrischende Brise.

»Ich denke, sie sind durch das Weltentor verschwunden, ebenso wie die Elfen«, vermutete Fio´rah und Alan nickte halbwegs befriedigt.

Es war ein mühseliger Weg durch das felsige Land und es schien ihnen, als kämen sie ihrem Ziel kaum näher. Das Schloss, von dem die Felsengänge abzweigen sollten, ragte zwar hoch über dem Land empor, doch irgendwie schien sich die Distanz einfach nicht merklich zu verringern.

An einem warmen Sommerabend saßen alle gemeinsam am Feuer, als plötzlich eine unnatürliche Stille eintrat. Ihnen stellte sich die Gänsehaut auf.

Fio´rah, die sich als Erstes gefangen hatte, löschte rasch das Feuer und schrie: »Versteckt euch!«

Alle hasteten in den Schutz einiger Felsen und schon erschien ein unheilverkündender Schatten am Himmel, kreiste über ihnen, und stieß einen entsetzlichen, lautlosen Schrei aus, der allen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Kurz darauf waren jedoch zum Glück wieder die normalen Geräusche der Abenddämmerung zu hören.

Ceara kauerte kalkweiß unter einem Felsen und zuckte zusammen, als Daron sie in den Arm nahm.

»Der Krăădan ist weg, keine Angst.«

Ceara stand zittrig auf. Die schrecklichen Gefühle, die diese Kreatur schon einmal bei ihr hervorgerufen hatte, waren plötzlich wieder da. Der geflügelte Dämon hatte sie damals in den Schwarzen Bergen verletzt und Ceara war nur knapp mit dem Leben davongekommen. Sie hatte schon lang keine Albträume mehr gehabt, doch in dieser Nacht schoss sie schweißgebadet und mit einem leisen Schrei auf. Sie bemerkte gar nicht, wie Tränen ihre Wangen herunter liefen.

Bran, der neben ihr geschlafen hatte, nahm sie in den Arm.

»Das war nur ein Traum, Ceara.«

Sie nickte, konnte aber nicht aufhören, zu zittern. Auch Daron hatte ihren Schrei gehört und kam von seinem Wachposten heruntergerannt.

»Was hat sie denn?« Erschrocken zog sie zu sich herüber.

»Sie hat nur schlecht geträumt«, meinte Bran und legte sich wieder hin.

Daron streichelte sie und Ceara drückte ihr Gesicht schluchzend an seine Schulter.

»Ist doch nicht so schlimm, alle ist gut.« Immer wieder streichelte er beruhigend über den Kopf. »Was hast du denn geträumt?«

Verzweifelt umarmte sie ihn und sagte unter Tränen: »Ich habe geträumt, dass Adamath dich umbringt. Ich will nicht, dass dir etwas passiert!«

Er runzelte die Stirn. »Es war nur ein Traum. Das kam wahrscheinlich von dem Krăădan. Du weißt doch, dass er Albträume verursacht.«

Endlich beruhigte sich Ceara ein wenig, schauderte aber noch immer beim Gedanken an ihren Traum.

»Ich bin sowieso gleich mit der Wache dran«, sagte sie seufzend. »Einschlafen kann ich ohnehin nicht mehr.« Ceara erhob sich zittrig.

»Warte, ich komme mit!«

Dankbar nahm sie sein Angebot an sie, denn allein wollte sie jetzt nicht sein. Daron blieb den Rest der Nacht bei ihr und nach und nach verblassten die Schrecken des Krăădan.

»Geht´s wieder?«, fragte Daron und streichelte ihr über die Wange.

Ceara nickte und lehnte sich an seine Schulter. »Daron, ich habe damals, als ich das erste Mal bei euch war, Fio´rah etwas von meinem Freund erzählt, der mich betrogen hat.«

»Ja?!« Daron nickte mit gerunzelter Stirn und Ceara fuhr fort.

»Sie fragte mich, ob er mein Seelengefährte gewesen wäre.«

»Ja, bei den Fiiljas heißt es«, erinnerte sich Daron, »dass jeder Menschen eines Tages seinen Seelengefährten treffen kann, den er auch dann nicht verliert, wenn er stirbt und in die nächste Welt geht. Ich finde diesen Gedanken sehr schön.« Nun betrachtete er sie eindringlich und seine unergründlichen dunklen Augen wirkten ein wenig sorgenvoll. »Und, war dieser Mann dein Seelengefährte?«

Ceara schüttelte den Kopf, dann lächelte sie ihn verliebt an. »Nein, ich denke nicht.«

»Das ist gut, denn ich glaube, dass du meine Seelengefährtin bist.« Erleichtert drückte Daron sie an sich.

Mit vor Glück strahlenden Augen, die im Abendlicht weich funkelten, nickte Ceara und war einfach nur froh, dass er wieder bei ihr war.

Nacheinander gingen die Monde unter und der blutrote Aufgang der Sonne versprach einen heißen und schwülen Tag. Nach einem Frühstück aus Beeren und frischem Quellwasser ging es weiter. Der Tag wurde immer drückender und dunkle Gewitterwolken hingen am Himmel. Daron und Fio´rah liefen nebeneinander her und unterhielten sich leise.

»Wenn wir nur wüssten, wo genau die Rune versteckt ist«, meinte Fio´rah seufzend.

Daron wischte sich den Schweiß von der Stirn. » ›Das alte Reich der Zwerge‹, von dem in dem Gedicht die Rede ist, das können doch nur die Zwergenminen sein, oder?«, fragte er hoffnungsvoll.

»Sicher, aber soweit ich weiß, kann man sie nur vom Schloss aus betreten. Die anderen Eingänge wurden wohlweißlich verschlossen«, warf Fio´rah ein.

»Ich weiß, König Assan ist Adamath treu ergeben, aber sein Sohn soll angeblich gegen ihn sein. Ich habe ihn flüchtig kennen gelernt, als ich mich im Felsenreich versteckt habe. Er wäre beinahe von einem Ork getötet worden, doch den habe ich mit dem Bogen erschossen. Also schuldet Prinz Trian mir noch etwas.«

Fio´rah runzelte die Stirn. »Können wir uns wirklich darauf verlassen?«

Daron wirkte unsicher. »Das ist schon einige Sommer her, aber er hat mir damals versprochen, wenn ich Hilfe benötige, würde er sich erkenntlich zeigen.«

»Wo wir gerade von Orks sprechen, je weiter wir nördlich kommen, umso mehr Orks werden unseren Weg kreuzen«, befürchtete die Fiilja.

»Ja, leider.« Durstig nahm Daron einen Schluck aus seinem Trinkschlauch.

Hochkönig Adamath saß mit wütendem Gesicht in seinem Schloss in Huellyn. Sein neues goldenes Schloss hatte er verlassen. Die düsteren Mauern der alten Festung entsprachen eher seiner Stimmung. Noch immer war keine Spur von seiner Verlobten zu finden gewesen. Krethmor war mittlerweile vollkommen wiederhergestellt, bis auf die Brandnarben, die seine linke Gesichtshälfte verunstalteten. Adamath hatte den Zauberer schon vor zwei Tagen zu sich zitiert und wartete nun ungeduldig auf dessen Ankunft.

Die Tür zum Thronsaal schwang auf und ein Wachsoldat kündigte das Erscheinen des Schattenmagiers an. Mit einem donnernden Geräusch sprang Adamath von seinem Thron und eilte mit großen Schritten auf den Zauberer zu.

»Na endlich!«

Krethmor verbeugte sich und fragte mit leicht gereiztem Unterton: »Was wünscht Ihr von mir, Eure Majestät?«

»Meine Verlobte ist noch immer nicht aufgefunden worden.«

Adamath blickte den Zauberer auffordernd an.

»Ich hoffe, Ihr habt bessere Neuigkeiten, was diese Aufrührer betrifft!?«

Krethmors Miene verfinsterte sich noch mehr. »Nein, ich habe Schattenwölfe gesandt und auch der Krăădan fliegt immer wieder über das Land, um sie ausfindig zu machen. Ich weiß nicht, wo sie sich herumtreiben.«

Der König trat mit dem Fuß gegen einen der Stühle, sodass dieser gegen die Wand krachte.

»Wir müssen sie finden«, rief er fiebrig. »Wo können sie sein?«

Ungerührt setzte sich Krethmor auf einen der Stühle. Er hatte nachgedacht. Seitdem er sicher war, dass Myrthan nicht mehr lebte, glaubte er nicht, dass der Rest der Gruppe große Aussicht auf Erfolg hatte, Zepter hin oder her. »Ich denke, sie sind nach Norden aufgebrochen. Myth´allan, Fearánn oder das Felsenreich. Ich habe Schattenwölfe ausgesandt.«

»Das reicht nicht!«, polterte der König los. »Wir werden Dämonenreiter ausschicken. Was glaubt Ihr, wo sie am ehesten sind?«

Betont gleichgültig zuckte der Schattenmagier die Achseln und strich sich bedächtig über den weißen Spitzbart. »In Myth´allan werden wir nicht allzu viel ausrichten können. Ob sich eine Rune in Fearánn befindet, das weiß auch ich nicht. Ich denke, wir sollten im Felsenreich beginnen.«

Adamaths verbitterte Miene hellte sich ein wenig auf. »Die Dämonenreiter können Orks zusammentreiben und für unsere Sache einsetzen. Außerdem werde ich Harakoel nach Wyrrd schicken. Er sitzt ohnehin nur noch selbstgefällig in seiner Residenz herum. Er kennt diese verfluchten Rebellen.«

»Macht das, mein König. Ich werde eine Weile hier bleiben, wenn es Euch recht ist, dann kann ich alles besser überwachen.«

Adamath stimmte zu. Am nächsten Tag sandten der König und der Zauberer den Hauptmann als Boten zu Harakoel. Hauptmann Sigurd war etwa in der Mitte seines Lebens angelangt und obwohl er sich stets sehr bemühte, war er noch nicht so weit in der Gunst des Königs aufgestiegen, wie es ihm gefallen hätte. Er wollte in den Adel erhoben werden und es gierte ihm nach einem Landsitz in Huellyn.

Der Hauptmann fuhr in einer der schnellsten und teuersten Kutschen des Landes, die von vielen Pferden gezogen wurde, hinauf zum Schlossberg, um Harakoel in seinem großen und fürstlich ausgestatteten Haus aufzusuchen. Ein verschreckter Page öffnete die Tür.

»Ich begehre, Harakoel zu sprechen«, verlangte Hauptmann Sigurd in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

Der Page machte eine tiefe Verbeugung und beeilte sich, seinen Herrn zu holen.

Harakoel erschien. Obwohl er mittlerweile ein beträchtliches Vermögen angehäuft hatte, schien es ihm noch immer zu belieben, seine alte ausgewaschene Hose und das fleckige Hemd zu tragen, welches er bereits im Turm von Keradann angehabt hatte. Damals, als Krethmor Myrthan gefangengehalten hatte, war Harakoel der Turmwächter gewesen.

»Guten Tag, Hauptmann«, sagte Harakoel mit einem falschen Lächeln. »Ich hätte Euch gern zu einem Mahl eingeladen, doch leider sind wir gerade fertig.«

Hauptmann Sigurd winkte ab und Harakoel grinste hinterhältig. Selbstverständlich hatte er nicht beabsichtigt, dem Hauptmann etwas zu essen zu geben, dafür war er viel zu geizig. Harakoel führte den Soldaten in einen pompösen Salon. Eine Dienerin war gerade mit Staubwischen beschäftigt.

»Du dummes Geschöpf«, fuhr Harakoel sie an. »Ich sagte doch, du sollst von der rechten Seite anfangen zu wischen!«

Die Dienerin zuckte zusammen und machte sich daran, von der anderen Seite den Staub von den Holzregalen abzuwischen.

»Doch nicht jetzt! Lass uns allein!«

Mit einer verängstigten Verbeugung verschwand die Dienerin. Nun wandte sich Harakoel mit falschem Lächeln dem Hauptmann zu. »Das Personal heutzutage«, sagte er kopfschüttelnd, »die nehmen sich wirklich Sachen heraus!«

Der Hauptmann hob nur die Augenbrauen und sagte mit befehlsgewohnter Stimme: »Hochkönig Adamath befiehlt, dass Ihr ins Felsenreich reist, um die Aufrührer, die unser aller Wohlstand gefährden, zu überführen.«

Harakoel begann zu zucken und rang nach Worten. »Ich … nein … ich kann nicht«, stammelte er mit verzogenem Gesicht, dann hellten sich seine Züge auf.

»Nehmt meinen Leibdiener, er kann für mich gehen.« Harakoel schrie nach einem Pagen. Dieser kam hereingehuscht, nur um sofort wieder zu verschwinden und einen gelangweilt dreinblickenden Mann zu holen. Der Mann stellte sich neben Harakoel und machte ein finsteres Gesicht, während sich der Page in eine Ecke drückte. Er wusste nicht, ob er noch bleiben sollte.

»Er kann ins Felsenreich reisen«, sagte Harakoel erleichtert. Nun begann Harakoel seinen Diener in den Hintern zu treten, was dieser merkwürdigerweise gar nicht zur Kenntnis nahm und nur vor sich hin starrte.

Skeptisch betrachtete Hauptmann Sigurd den großen, hageren Mann. »Der Hochkönig sagte ausdrücklich: Harakoel!«

Harakoel wand sich und begann nun, den kleinen Pagen zu treten. »Nein, nein, nein … er soll gehen! Ich kann hier nicht weg … Ich werde gebraucht!«

Mit einem Achselzucken packte Sigurd Harakoels Diener am Arm. »Gut, ich werde ihn mitnehmen.«

Erleichtert seufzend verbeugte sich Harakoel. »Meine hochachtungsvollsten Grüße an den werten König.« Dann ließ er sich auf einen der mit Samt überzogenen Sessel sinken und nahm eine Schriftrolle in die Hand. Seine Miene verfinsterte sich.

»Page!«, schrie er und der noch immer am Boden liegende Junge erhob sich mühsam. »Hol sofort den Schreiber! Er hat einen Fehler gemacht. Die Ausgaben für das Mehl stehen auf der falschen Seite der Schriftrolle.« Harakoels Züge wurden immer angespannter. »Das darf nicht passieren!«

Der Tag verging und Harakoel war am nächsten Morgen gerade dabei, seinem Schreiber einen Vortrag zu halten, als es an der Tür klopfte. Der Page führte den wutschnaubenden Hochkönig herein.

Harakoel verbeugte sich tief. »Eure Majestät, was für eine Ehre …«

Adamath baute sich in seiner ganzen Größe von zwei Metern auf und blickte den buckligen kleinen Mann mit vor Wut glitzernden Augen an. »Sagte man Euch nicht, ich verlange, dass Ihr ins Felsenreich reist?«

»Ja, ja aber …« In letzter Zeit war er immer damit durchgekommen, all seine Aufgaben und Pflichten an seine Untergebenen weiterzuverteilen. Er saß nur noch faul in seinem Herrenhaus. » ... ich dachte nur, für einen Mann in meiner Stellung geziemt es sich nicht, in ein Land zu reisen, in dem es vor Orks wimmelt!«

»Die Orks unterstehen mir, du Narr, wie alles andere auch!«, schrie der König und Harakoel wurde immer kleiner und buckliger.

»Ähm, aber … ich habe hier wichtige Aufgaben zu erfüllen«, versuchte Harakoel es weiter. »Natürlich würde ich mich gerne dieser ehrenwerten Aufgabe annehmen, doch ich dachte, ich könnte Euch hier besser dienen.« Unterwürfig verbeugte er sich.

Adamath packte Harakoel am Kragen. Der hing nun mit den Füßen zappelnd in der Luft. »Wenn du deinen Hintern weiter in diesem prächtigen Haus wissen willst, dann reise ins Felsenreich – und zwar sofort!« Plötzlich war die Stimme des Königs gefährlich ruhig.

»Natürlich, natürlich, mein Herr«, stammelte er kriecherisch. Als der König ihn wieder auf den Boden ließ, wagte er jedoch zu fragen: »Wäre es wohl möglich, eine Kutsche zu bekommen? Meine sind, äh, momentan nicht verfügbar.«

Missbilligend zog Adamath die Augenbrauen zusammen, nickte dann jedoch. »Nehmt die Kutsche eines der Lords und sagt, ich hätte es befohlen.« Mit donnernden Schritten verließ der Hochkönig den Saal und Harakoel begann auf seinen Schreiber einzutreten.

»Ich muss in das verfluchte Felsenreich – und du bist schuld!«, schrie er.

Der Schreiber machte sich ganz klein und wagte zu fragen: »Warum denn ich?«

»Weil du alles falsch aufschreibst! Ihr seid alle unfähig!«, tobte Harakoel und sein Gesicht verzerrte sich bei jedem Wort.

So reiste Harakoel in einer geliehenen Kutsche und das obwohl er drei eigene besaß am nächsten Tag in Richtung des Schlosses von Wyrrd im Felsenreich. Er wurde von drei Dämonenreitern eskortiert, welche die Orks sammeln sollten.

Der König von Wyrrd, ein weißhaariger, dicklicher Mann im sechzigsten Lebensjahr, empfing Harakoel in seinem Thronsaal. Dieser war sehr viel weniger pompös ausgestattet als der in Huellyn.

»Hattet Ihr eine angenehme Reise?«, fragte König Assan.

Harakoel verzog das Gesicht. »Diese Kutsche war nicht sehr bequem, aber was tut man nicht alles für seinen König. Er hat natürlich mich gesandt, da er nur mir die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen kann, die Rebellen zu überführen, die sich wohl hier herumtreiben.«

König Assan winkte einem Diener. »Bringt reichlich Speisen.«

Sofort begannen Harakoels Augen zu glänzen und als das Festmahl aufgetragen wurde, verschlang er alles so gierig, als hätte er mehrere Tage gehungert. König Assans Sohn, Prinz Trian, dessen Gattin Seora, eine hübsche blonde Frau, und ihr kleiner Sohn Ergon waren ebenfalls anwesend.

»Wer sind denn diese Rebellen?«, fragte Prinz Trian interessiert. Er war Anfang dreißig, hochgewachsen und schlank, mit kurzgeschnittenen, dunkelblonden Haaren.

»Oh, widerliche Geschöpfe. Sie haben den Zauberer Myrthan aus dem Turm von Keradann befreit und nun, nun wollen sie wohl irgendwelche Runen an sich bringen und unseren werten Hochkönig stürzen.«

Für einen Augenblick überzog Prinz Trians Gesicht ein Anflug von Begeisterung, den er jedoch rasch wieder verbarg. Im Gegensatz zu seinem Vater, der um ihren Wohlstand zu sichern, stets König Adamath die Treue gehalten hatte, war Prinz Trian mit den Machenschaften des Hochkönigs alles andere als einverstanden. Doch er hatte bisher nie gewusst, wie er sich gegen Adamath stellen sollte, ohne seine Familie zu gefährden.

»Und was sollen sie ausgerechnet hier wollen?«, fragte der Prinz.

Harakoel trank gierig einen Becher Rotwein und die Reste liefen ihm über das Kinn. »Es könnte sein, dass im Felsenreich eine dieser Runen versteckt ist, die sie suchen. Ich weiß es nicht genau. Mein Diener ist schuld, er hat mich nicht ausreichend informiert.« Harakoels Gesicht zuckte nervös. »Auf jeden Fall sammeln Hochkönig Adamaths Dämonenreiter nun Orks und suchen nach diesen Weltenwanderern und den anderen Aufrührern.«

»Was ist ein Weltenwanderer, Vater?« Der kleine Prinz Ergon blickte seinen Vater mit großen blauen Augen an.

Bevor Prinz Trian jedoch antworten konnte, beugte Harakoel sich zu dem Kleinen hinunter. »Sie sind Abschaum, sie gehören nicht hierher.« Mit seiner feuchten Aussprache befeuchtete er das Gesicht des kleinen Prinzen, der angeekelt den Mund verzog.

König Assan unterhielt sich noch eine Weile mit Harakoel, der immer wieder nervös seine Nase putzte und kurz darauf das Taschentuch ausschüttelte und es zum Trocknen über seinen Stuhl hängte. Seora zog ein angeekeltes Gesicht und wandte den Blick ab.

Als Harakoel mit seiner dritten Portion Wildschweinbraten beschäftigt war, flüsterte Ergon seinem Vater zu: »Ich mag diesen Harakoel nicht, er sondert Schleim ab.«

Nur mühsam konnte sich Prinz Trian das Lachen verbeißen und nickte Ergon grinsend zu.

Später, in seinem Privatgemach, sagte Trian zu seiner hübschen jungen Frau: »Ich werde diese Weltenwanderer suchen und ihnen helfen.«

Seora stieß einen erstickten Schrei aus. »Das ist gefährlich. Wenn das herauskommt, wird König Adamath uns vernichten«, flüsterte sie.

»Aber sonst bleibt alles, wie es ist. Natürlich, uns geht es einigermaßen gut. Denk nur an die vielen unterdrückten Sklaven, die in unseren Minen arbeiten, die Landbevölkerung in Huellyn, und die Orks, gegen die wir uns nicht zur Wehr setzen dürfen, weil sie Adamath unterstehen ― das sind doch alles keine Zustände!« Der Prinz hatte sich richtig in Rage geredet.

Seine Frau legte ihm beruhigend eine schlanke blasse Hand auf den Arm. »Das weiß ich alles. Nur müssen wir auch an unsere Kinder denken!« Seora war wieder schwanger und würde im Winter ihr Kind bekommen.

»Natürlich«, antwortete Trian, nun etwas besonnener. »Aber sie sollen nicht zu Kriechern heranwachsen, wie mein Vater. Er versucht Ergon ohnehin schon viel zu sehr zu beeinflussen.«

»Aber bitte sei vorsichtig und handle nicht unüberlegt«, bat Seora eindringlich.

Prinz Trian versprach es und wanderte in den folgenden Tagen häufig im Schutze der Nacht durchs Felsenreich, um eine Spur der angeblichen Rebellen zu finden.

Die Gesuchten liefen etwa zur selben Zeit, als Harakoel in Wyrrd eintraf, in der Hitze des Tages durch die Felsenlandschaft. Jetzt schien das Schloss zumindest ein wenig näher zu sein. An einem breiten Bach, der sich in ein natürliches Becken ergoss, machten sie Rast und genossen abwechselnd ein Bad in dem kalten, frischen Wasser. In dieser Schwüle war das eine wahre Wohltat. Als sich der Tag langsam dem Ende zuneigte, begannen in der Ferne Blitze vom düsteren Himmel zu zucken.

Alan und Daron hielten gerade gemeinsam Wache. Alan zupfte gelangweilt an einem Busch herum, kniff dann die Augen zusammen, und blickte angestrengt nach Nord-Osten. Er sah einige merkwürdige Bewegungen und lief rasch zu Daron hinüber, der die Umgebung von der anderen Seite aus beobachtete.

»Schau mal bitte. Ich glaube, ich habe etwas gesehen«, rief Alan schon von weitem. Daron beeilte sich aufzustehen, kniff ebenfalls die Augen zusammen und fluchte dann. »Orks – schnell, wir müssen zu den anderen.«

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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585 стр. 10 иллюстраций
ISBN:
9783941963153
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