Читать книгу: «Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis», страница 19

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Das Verlangen nach Alkohol wurde immer stärker. Es brannte ihm schier Löcher in die Eingeweide. Das tat höllisch weh. Doch er nahm sich zusammen und konzentrierte sich auf die Suche nach dem Schließfach. Dort ist es, dachte er. Dort drüben. In Brusthöhe. Er trat vor das Fach und schob den Schlüssel ins Schloss. Er glitt hinein wie ein heißes Messer in einen kalten Butterblock. Nervös öffnete er die Tür.

Der Alu-Koffer glänzte ihm entgegen. Mein Gott, ging es ihm durch den Sinn, wenn die Leute wüssten, dass sich darin ein millionenfacher Tod befindet. Sie würden sich gegenseitig zu Tode trampeln.

Er griff in das Fach. Als seine Finger den Koffer berührten, zuckte er zusammen, als hätte er einen Eisblock angefasst. Er zog den Koffer etwas näher an sich heran. Neben den Verschlüssen befand sich links und rechts die Zahlenkombination. Wenn er sie verstellte … Ein breiter Eisenring schien sich um seine Brust zu legen und rasch enger zu werden. Tut mir leid, Jack, dachte er bedrückt. Ich kann das nicht tun. Du hättest von mir alles verlangen können, aber nicht das. Dazu bin ich nicht imstande. Wo immer du jetzt bist, Blutsbruder, ich hoffe, du kannst mir vergeben, dass ich nicht fähig bin, deinen letzten Willen auszuführen. Ich werde den Koffer zur Polizei bringen. Dir war auch wichtig, dass Nic Orlando ihn nicht bekommt. Nun, wenigstens dafür werde ich sorgen.

Er nahm den Koffer an sich.

Plop!

Der Anwalt spürte einen harten Schlag. Er zuckte erschrocken zusammen und drehte sich unsicher um. Das war doch eben ein Schuss, dachte er verwundert. Und die Kugel hat mich getroffen. Aber ich habe keine Schmerzen. Wieso spüre ich nichts? Wieso tut es überhaupt nicht weh? Nic Orlando und seine Männer eilten auf ihn zu. Craig Travis hatte eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer in der Hand.

Orlando griff nach dem Koffer. »Du hast etwas, das mir gehört«, knurrte er.

Levant wollte den Koffer nicht loslassen. Orlando riss ihn ihm brutal aus der Hand. Levant schwankte. Seine Lider flatterten. Blut rann mit einem Mal aus seinem Mund. Eine jähe Schwäche überkam ihn.

Seine Knie wurden weich wie Melkfett. Orlando sah ihm kalt in die Augen. Er wusste, dass der Anwalt soeben starb, doch das berührte ihn nicht.

Levant lehnte sich an die Wand mit den Schließfächern, und während er daran langsam nach unten glitt, verzog sich Orlandos Gesicht zu einem zufriedenen, triumphierenden Grinsen. Er hatte endlich, was er wollte, was ihm zwanzig Millionen Dollar einbringen würde. Vielleicht sogar mehr. Der Gangsterboss bedeutete seinen Begleitern mit einem knappen Kopfnicken, den Rückzug anzutreten.

Sie wandten sich von Eric Levant ab.

*

»Weg! Weg! Weg!«, rief ich. »FBI!«

Die Leute blieben verdattert stehen. Nur wenige machten uns Platz. Und einige traten uns erst recht in den Weg, obwohl sie es eigentlich nicht wollten.

Andere tänzelten unschlüssig hin und her und wussten nicht, wohin sie ausweichen sollten. Ich sah bei den Schließfächern etwas aufblitzen.

Gelblich rot. Mein Magen wurde zu einem harten Klumpen. Ich wusste, was ich gesehen hatte. Dort vorne hatte jemand geschossen. Mit Sicherheit auf Eric Levant.

Der Schuss war nicht zu hören gewesen. Schalldämpfer!, durchzuckte es mich. Ich riss meine SIG Sauer heraus. Milo folgte meinem Beispiel.

Als die Menschen unsere Dienstwaffen sahen, behinderten sie uns nicht länger. Sie stoben panisch auseinander. Erschrockene Rufe wurden laut.

Furcht glänzte in vielen Augen. Natürlich bemerkten uns auch Nic Orlando und seine Männer. Craig Travis feuerte als erster auf uns.

Orlando, Keeslar und Fahey griffen ebenfalls zu den Waffen. Ein bleihaltiges Gewitter brach los. Wir schossen in vollem Lauf zurück.

Ringsherum ergriffen die Leute schreiend die Flucht oder warfen sich auf den Boden und hofften angstschlotternd, nicht getroffen zu werden.

Nic Orlando beteiligte sich nur kurz an der Schießerei. Dann gab er Fersengeld. Den »geheiligten« Aluminiumkoffer fest gegen die Brust gepresst.

Seine Männer versuchten ihm – rückwärts gehend und immerzu schießend – zu folgen. Travis wurde von einem Treffer an der Schulter herumgerissen und zu Boden geschleudert. Er verlor seine Waffe.

Sie kreiselte über den Boden und blieb so weit von ihm entfernt liegen, dass er sie sich nicht wiederholen konnte. Als Keeslar und Fahey das sahen, kapitulierten sie.

Sie warfen ihre Kanonen weg und streckten die Arme hoch. Ein bullenstarker farbiger Cop eilte uns mit gezogenem Revolver zu Hilfe.

Während er und Milo sich um Travis, Fahey und Keeslar kümmerten – Levant konnte niemand mehr helfen -, setzte ich alles daran, Orlando zu kriegen.

Er versuchte mich so lange mit Kugeln zu stoppen, bis das Magazin seiner Waffe leer war. Dann warf er sie weg und zog einen Revolver, den er hinten im Gürtel stecken hatte.

Ich hielt die SIG Sauer mit beiden Händen, zielte auf ihn. Uns trennten nur wenige Meter. Auf diese Entfernung konnte niemand danebenschießen. Er hatte keine Chance. Doch das wollte er nicht wahrhaben.

»Fallen lassen, Orlando!«, rief ich schneidend.

Ich war innerlich total angespannt. Mein Blut kochte und rauschte in den Ohren. Voll konzentriert beobachtete ich, was der Gangsterboss tat. Nicht die kleinste Kleinigkeit entging mir.

»Das Spiel ist aus, Orlando!«, machte ich ihm klar. »Lassen Sie den Revolver fallen. Zwingen Sie mich nicht, auf Sie zu schießen.«

Er zögerte. War er so verrückt, zu glauben, das Blatt noch wenden zu können? Ich musste damit rechnen.

»Waffe weg!«, verlangte ich. »Und dann stellen Sie den Koffer auf den Boden und treten zwei Schritte zurück!«

Für einen winzigen Augenblick sah es so aus, als würde die Vernunft siegen und er die weiße Fahne hissen. Doch damit wollte er mich nur täuschen.

Ein Mann mit etwas weniger Erfahrung wäre darauf hereingefallen. Ich jedoch nicht. Er tat so, als würde er den Koffer ganz langsam abstellen.

Bestimmt rechnete er damit, dass sich mein Blick auf den glänzenden Aluminiumkoffer heften und ich seine Kanone außer Acht lassen würde.

Aber es gelang ihm nicht, mich auf diese plumpe Weise abzulenken. Mir entging nicht, dass er den Revolverlauf kaum merklich nach oben bewegte und auf mich richtete.

Ich drückte einen Herzschlag früher ab. Getroffen torkelte Orlando zurück. Waffe und Koffer waren ihm auf einmal nicht mehr wichtig.

Er trennte sich von ihnen, starrte fassungslos auf das Loch in seiner Brust und fiel Sekunden später wie ein gefällter Baum um.

*

Die Öffentlichkeit erfuhr nicht, an welcher furchtbaren Katastrophe sie haarscharf vorbeigeschrammt war. Die Nachrichtensperre blieb aufrecht. Das wurde an höchster Stelle entschieden.

Das tödliche Kampfgas Grodin kam wieder dorthin, wohin es gehörte, und Brian Grodin ließ während der nächsten Wochen und Monate in seinem privaten Forschungszentrum das beste Hitech-Sicherheitssystem installieren, das zurzeit auf dem Markt war (mit vierteljährlichen Updates), damit sich ein so folgenschweres Verbrechen nie mehr wiederholen konnte. Der wortgewaltige Staatsanwalt Jerome Dexter bereitete sich fast ein halbes Jahr auf den Prozess vor, und als Nic Orlando und seine Männer dann vor Gericht gestellt wurden, waren alle topfit für einen sehr, sehr langen Zuchthausaufenthalt …

ENDE

Rockerkrieg in Manhattan

Krimi von Thomas West

Der Umfang dieses Buchs entspricht 128 Taschenbuchseiten.

Über dreißig Menschen waren bei einem Brandanschlag auf einen New Yorker Nachtclub gestorben – darunter auch der verdeckt ermittelnde Drogenfahnder Bud Johnstone. Ein Fall für das FBI. Die Agenten Jesse Trevellian, Milo Tucker und ihre Kollegen ermitteln in der Rocker-Szene, da Zeugen Mitglieder der Gang >Firedogs< vom Tatort flüchten gesehen haben wollen. Auch scheint sich zwischen den einzelnen Motorradbanden ein Kleinkrieg zu entwickeln, bei dem es Tote gibt. Doch sind die Rocker-Bosse auch die Drahtzieher? Sicher ist, dass bei den verdeckten Einsätzen des FBI die Gangster immer einen Schritt voraus sind – das bedeutet, es muss irgendwo eine undichte Stelle geben ...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

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1

Cookys Blick wurde glasig, während Bud ihm Feuer gab. Auch ohne sich umzudrehen, hätte Bud sagen können, dass wieder eine Lady mit verdammt kurzem Rock die Treppe herunterstieg. Er drehte sich trotzdem um. Die Frau stolzierte an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Cooky und Bud ließen ihre Augen so lange auf ihren langen Beinen und ihrem wiegenden Hintern ruhen, bis sie unten den schweren roten Vorhang beiseite schob. Das Gewirr aus Stimmen und Technorhythmen schwoll für einen Augenblick an. Dann tauchte die Frau in den Dschungel aus Menschenleibern und Lichtreflexen ein. "Oh Mann", stöhnte Cooky und grinste. Er zog gierig an seiner Selbstgedrehten und lehnte sich zurück an den Feuermelder. Süßer Haschischduft breitete sich in dem schmalen Treppenaufgang aus.

Obwohl es noch nicht lange nach Mitternacht war, platzte das >Studio 13< bereits aus allen Nähten. Mindesten zweitausend Gäste tummelten sich unten im Keller des alten Theaters an der Second Avenue, schätzte Bud. Er ließ sich an der gekalkten Wand auf den Boden rutschen und schloss die Augen. Die halbe Nacht neben einem Feuermelder zu stehen und den dummen Sprüchen eines Halbidioten zu lauschen gehörte zu den wenigen öden Seiten seines Jobs.

Oben, von der Straße, hörte er das dumpfe Grollen schwerer Maschinen. Er fummelte sein Handy aus der Jeansjacke und stieß Cooky gegen den Unterschenkel. Der zog einen Totschläger aus dem Gürtel und begann die Treppe hinaufzusteigen.

Er kam nur zwei Stufen weit. Bud hörte ein metallisches Floppen. Blitzartig sprang er auf die Beine. Gerade noch rechtzeitig, um Cooky aufzufangen, der wie von einer unsichtbaren Faust getroffen herumwirbelte. Etwas Feuchtes klatschte Bud ins Gesicht, und plötzlich war die weiße Wand mit Blutspritzern übersät, und da, wo noch vor zwei Sekunden Cookys linkes Auge war, fehlte ihm jetzt ein Stück seines Gesichtes.

Bud stieß den Körper zur Seite und bückte sich blitzschnell nach seinem Stiefel, wo unter dem Hosenaufschlag sein .38er steckte. Er hatte den Revolver während seines ganzen Einsatzes noch nicht benutzt. Und er ahnte, dass er diesmal nicht mehr dazu kommen würde, ihn zu benutzen.

Er behielt recht. Der vorderste der drei Burschen in Motorradhelmen, die etwa fünf Stufen über ihm standen, riss schon wieder das hässliche, schalldämpferbewehrte Gerät in seinen Fäusten hoch und zog erneut den Abzug durch. Bud wurde nach hinten geschleudert, und rutschte fast bis zum dem roten Vorhang die Treppe hinunter. Etwas explodierte heiß in seiner Brust. Er versuchte, Luft zu holen, aber es war nichts mehr da, wo er hätte hineinatmen können.

Seine letzten Sekunden liefen wie ein Film vor seinem verschwimmenden Blick ab. Er sah, wie einer der drei einen Kanister öffnete und eine Flüssigkeit über die Treppe und über Cookies Leiche ausleerte. Er sah, wie ein anderer einen Streichholz entzündete und dem dritten, dem Schützen, zunickte. Er sah, wie dieser mit seiner Waffe ausholte, und den Feuermelder zertrümmerte. Er sah ihn den Knopf drücken, er sah das Streichholz fallen, er sah die drei Burschen hinter einer aufschießenden Feuerwand die Treppe hinaufrennen.

"Es ist nur ein Film", flüsterte eine Stimme in Buds erlöschendem Gehirn, "du gehörst nicht dazu." Als der Feueralarm aufheulte, verstummte die Stimme. Der Vorhang wurde aufgerissen, Menschen stolperten über ihn, Menschen schrien, und Bud begriff, dass dies alles Wirklichkeit war. Er spürte die Hitze des Feuers an seinen Unterschenkeln. Aus dem Inneren der Disco hörte er noch eine Lautsprecherstimme: "Keine Panik bitte! Zu den Notausgängen! Keine Panik!"

Das Letzte, was Bud mitbekam, waren Hände, die sich um sein Kinn legten und ihn aus den Flammen heraus hinter den Vorhang zerrten. Dann wurde es dunkel um ihn. Und sehr still.

2

Der Moderator gab mit pathetischer Stimme die neusten Hochrechnungen bekannt. Ich stellte das Autoradio lauter. Mr. McKee neben mir beugte sich aufmerksam nach vorn. Aus den Augenwinkeln sah ich ein Lächeln über sein Gesicht huschen - der Mann, zu dessen Wahlparty wir unterwegs waren, lag bei fast fünfzig Prozent: New York City hatte ab heute einen republikanischen Bürgermeister.

"Das konnte man sich ja schon vor drei Stunden ausrechnen", sagte Mr. McKee und sah auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht. "Wahrscheinlich kommen wir gerade rechtzeitig zur großen Champagner-Orgie."

Ich ordnete mich rechts ein und verließ den Broadway. Auf dem Vorplatz des Rathauses herrschte ein Gewimmel wie in der Rushhour, und die City Hall war hell erleuchtet. Alles, was Rang und Namen hatte - oder zu haben glaubte - und republikanisch gesinnt war, schien sich heute Nacht hier die Klinke in die Hand zu geben.

"Ich lasse Sie hier raus, Sir", ich hielt etwa hundert Meter vor dem Haupteingang, "man muss uns nicht unbedingt zusammen sehen."

"Okay, Jesse", er öffnete die Wagentür, "dann schauen Sie sich einfach ein bisschen um. Bei so viel Prominenz werden unsere Freunde aus der Unterwelt auch nicht fehlen wollen." Er stieg aus.

"Wann hat man schon mal Gelegenheit, seine weiße Weste vorzuführen", lachte ich. Wir winkten uns zu, und ich steuerte die Tiefgarage der City Hall an. Das Schicksal meinte es gut mit mir - schon nach zehn Minuten fand ich einen Parkplatz für mein gutes, rotes Stück.

Ich hatte nichts Konkretes vor in der City Hall. Mr. McKee war als offizieller Vertreter des FBI eingeladen und hatte mich gebeten, ihn zu begleiten. Natürlich interessierte ich mich vor allem für die Gäste, deren Namen häufiger in unseren Akten auftauchten, und die Geld genug hatten, sich einen Anwalt zu leisten, der sie vor dem bösen FBI schützte. Einen sah ich gleich in der Empfangshalle: Einen properen Broker, der auch Teilhaber einer Privatbank in der Upper Westside war. Wir hatte ihn in Verdacht, Geldwäsche großen Stils zu organisieren.

Ich klemmte mir meinen Presseausweis ans Revers und mischte mich als John Smith, Reporter eines Lokalblatts aus North Carolina, unter die Gäste. An einer Dixiband vorbei drängte ich mich in den großen Sitzungssaal, den man zum Festsaal umfunktioniert hatte. Überall Konfetti, Luftschlangen, Chips und Erdnüsse auf dem Boden, die Menschen standen in großen Trauben beieinander, zur Stirnfront des Saales hin immer dichter. Hinter einem Gedränge von Reportern und Kamerateams sah ich den frisch modellierten, silbergrauen Lockenkopf unseres neuen Bürgermeisters. Ich verzog mich ans Büfett, das an der langen Seitenwand aufgebaut war. Dabei entdeckte ich einen alten Bekannten von der City Police: Fred Melbourne, leitender Detektiv der Abteilung für Drogenfahndung. Groß und breit stand er neben der Tür. Ich winkte ihm zu. "Verdammt fett geworden", dachte ich und nahm mir vor, mich mit einem vollen Teller zu ihm zu gesellen.

Ich schnappte mir Teller und Gabel, stach nach einer leckeren Schinkenrolle mit Spargel - die letzte ihrer Gattung auf dem Teller - und stieß mit einer fremden Gabel zusammen, deren Besitzer sich dieselbe Schinkenrolle angeln wollte. Überrascht sah ich auf - und schaute in ein Paar grüne Mandelaugen. Sie gehörten einer zierlichen Chinesin mit unverkennbarem amerikanischen Einschlag. In ihrem feinen, schmalen Gesicht lag ein Ausdruck der Entschlossenheit. Ihr schwarzes Haar fiel ihr bis auf die Brüste. Sie hatte sich weit über das Büfett gebeugt, um noch vor mir die Schinkenrolle zu erobern, sodass das tiefe Dekolleté ihres dunkelroten Kleides mir die beiden Kostbarkeiten in ihrer ganzen Pracht enthüllte. Mir stockte für einen Augenblick der Atem.

"Köstlich", sagte ich heiser und zwang meinen Blick zu der einsamen Delikatesse, in der unsere Gabeln steckten, "dieses Schinkenröllchen, meine ich." Ich legte es ihr auf den Teller.

"Ja, wir scheinen einen ähnlichen Geschmack zu haben", sie sprach mit einer rauchigen Altstimme, die ich nicht bei ihr erwartet hätte, und die ich genauso aufregend fand, wie ihre Gesicht und ihre Brüste.

"Mal sehen, ob wir noch mehr Gemeinsamkeiten entdecken", ließ ich meinen Charme spielen und beglückwünschte mich, meinen Chef hierher begleitet zu haben. Die Dame und ich schritten das Büfett ab und luden uns gegenseitig Leckereien auf unsere Teller. Das schien ihr ein ungeheures Vergnügen zu bereiten - selbst als der Bürgermeister längst mit seiner Rede begonnen hatte, lachte sie immer wieder laut auf. Irgendwann trafen wir uns am Ende des Büfetts. Ihr Kleid war hochgeschlitzt und hauteng. "Jennifer Hong", stellte sie sich vor, "sagen Sie Jenny zu mir."

"John Smith", ich deutete auf meinen Presseausweis, "meine Freunde nennen mich Johnny." Wir hatten kaum Zeit, uns mit unseren vollen Tellern zu beschäftigen, soviel hatten wir uns zu erzählen. Der Bürgermeister verbreitete sich mittlerweile noch einmal ausführlich über sein Wahlprogramm. Da ich ihn nicht gewählt hatte, sah ich keinen Grund mich durch eine lange Rede bestrafen zu lassen. An Melbourne vorbei gingen Jenny und ich ins Foyer. Wir plauderten, als würden wir uns schon seit Monaten kennen. "Ich besorg' mal eben was zu trinken", sagte die Lady nach einer halben Stunde und verschwand in einem Nebenraum.

Ich trat an den Eingang zum Festsaal und kriegte ein paar Brocken Regierungsprogramm mit. Der Bürgermeister ereiferte sich gerade über das Thema Sicherheit. "Ich habe versprochen, den Riesenkraken namens Organisierte Kriminalität in unserer Stadt zu bekämpfen, und ich werde es tun! Ich habe versprochen, die Drogenszene in Manhattan auszutrocknen, und ich werde es tun!"

"Bei uns hat er sich nicht beworben, bei euch Fred?", grinste ich meinen alten Kumpel Melbourne an.

Dem schien nicht nach Späßen zumute zu sein. "Dieses Arschloch", brummte er, "die Drecksarbeit überlässt er Leuten, die schlechter bezahlt sind, oder Jesse?"

"John Smith", flüsterte ich und deutete auf meinen Presseausweis, "kannst Johnny zu mir zu sagen." Er runzelte verständnislos die Stirn. Fred war schon immer etwas schwer von Begriff gewesen.

Ein Schatten tauchte neben mir auf und reichte Fred die Hand, die Linke, wie mir gleich auffiel. "Hallo Fred."

"'N' Abend, Darky", Fred wirkte plötzlich irritiert, "das ist ..."

"John Smith", stellte ich mich dem Neuankömmling vor. Er trug ein schwarzes Seidenjackett mit einem schwarzen T-Shirt mit V-Ausschnitt darunter. Unwillkürlich suchte ich mit einem raschen Blick nach einer Farbe in seiner kleinen, fast schmächtigen Erscheinung. Aber nicht nur die Lederhosen, auch die Turnschuhe waren schwarz. Ich musste mir Mühe geben, nicht an die Farbe seiner Unterwäsche zu denken, während ich ihm die Hand entgegenstreckte. Und wieder drückte er sie mit seiner Linken.

"Michael Doorwall", sagte er mit einer sanften, fast melancholischen Stimme. Auch sein Blick hatte etwas Wehmütiges. Die wässrigen, graublauen Augen, der kleine, beleidigt zusammengekniffene Schmollmund, die schütteren, grauen Haare - irgendwie erinnerte er mich an einen jung und erfolglos gebliebenen Erfinder. Oder an einen Schachgroßmeister, der ständig gegen Computer verliert. Jetzt erst bemerkte ich, dass aus dem rechten Ärmel seiner Seidenjacke eine Kunststoffhand hervorlugte.

"Tja", räusperte sich Fred. Die Begegnung schien ihm irgendwie unangenehm zu sein. "Ich glaub, ich hol' mir was zu beißen." Er walzte in Richtung Büfett ab. Doorwall verwickelte mich in einen Small Talk über die Stadt und ihr Chancen unter dem neuen Bürgermeister. Aus den Augenwinkeln sah ich Jenny mit zwei gefüllten Gläsern zurückkommen. Als sie den Schwarzen sah, blieb sie abrupt stehen. Das Lächeln gefror auf ihrem Gesicht. Sie machte kehrt und tauchte im Menschengewimmel unter.

"Entschuldigen Sie mich, Mr. Doorwall", ich versuchte Jenny im Auge zu behalten. Wenn mir diese Perle verloren ging, würde ich mir das nicht verzeihen.

"Aber gerne, Mr. Smith", Doorwall wandte sich Fred zu, der neben dem Büfett stand und aufgeregt in sein Handy bellte. Dann drängte ich mich durch die Leute und hielt Ausschau nach dem schwarzen Haar meiner chinesischen Lady.

"Ein Glück, dass ich Sie finde, Jesse!" Unverhofft stand der Chef neben mir. "Kommen Sie bitte." Er zog mich am Jackenärmel aus dem Gewühl. Ich hätte schreien können vor Enttäuschung. Er führte mich hinter einen überdimensionalen Gummibaum, wo uns niemand zuhören konnte. "Eben erhielt ich eine Nachricht aus der Zentrale. Ganz hier in der Nähe brennt ein Nachtclub. Wahrscheinlich Brandstiftung. Zahlreiche Tote und Verletzte." Er schüttelte sich. "Muss eine scheußliche Sache sein. Einer der Toten ist ein verdeckter Ermittler der City Police. Ich denke, der Fall wird an uns gehen. Ob Sie mal eben vorbeischauen? Mr. Tucker wird auch da sein."

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Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
1312 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783956179587
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Правообладатель:
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