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4. Zwei theoretische Zugänge zur Beziehungswirklichkeit: Personalmanagement und Trinitätslehre

Zur näheren Untersuchung dieser Fragestellungen werden im Folgenden sowohl wirtschaftswissenschaftliche als auch theologische Ansätze betrachtet und unter dem zentralen Bezugspunkt der Beziehungswirklichkeit zusammengeführt. Konkret werden Aspekte der Beziehungswirklichkeit in Theorien des Personalmanagements untersucht (wirtschaftswissenschaftliche Herangehensweise) sowie in der christlichen Trinitätslehre reflektiert (theologische Erarbeitung). Struktur-analoge Korrelationen und Inspirationen zwischen Anthropo-logie und Theo-logie sollen das Ergebnis sein.37 Damit soll auch ein Beitrag zu der Frage geleistet werden, wie Glauben im praktischen Lebensvollzug kommunizierbar gemacht werden kann.

Zunächst soll hierzu die Relevanz von zwischenmenschlichen Beziehungen in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur untersucht werden. Wo kommt „Beziehung“ in den Wirtschaftswissenschaften vor? Im Vorfeld muss hierbei beachtet werden, dass der Begriff der „Beziehung“ in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur mit sehr unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verwendet wird. Sachlich neutral wird hier zum Beispiel von „Kundenbeziehungen“ oder „rechtlichen Beziehungen“ gesprochen. Doch es kommt auch das stärker personal ausgerichtete Verständnis von „sozialen“, „zwischenmenschlichen Beziehungen“ vor. Darüber hinaus finden sich beziehungsrelevante Themen und Sachverhalte unter andersartigen Benennungen, z.B. wenn in der Sprache der BWL von „Mitarbeiterorientierung“, „Unternehmenskultur“, „Betriebsklima“ oder „kooperativem Führungsstil“ die Rede ist.

Die Vielzahl der betriebswirtschaftlichen Begriffe, in denen Aspekte der Beziehungswirklichkeit zum Ausdruck kommen, lässt schon erkennen, dass eine systematische Aufarbeitung der Beziehungsthematik im Bereich der Wirtschaftswissenschaften auf ein zunächst relativ inhomogenes und unübersichtliches Forschungsfeld zu blicken hat. Für die Erarbeitung der Beziehungswirklichkeit im ökonomischen Kontext bietet sich daher eine fokussierte Herangehensweise an. Ein erster Fokus wird im Zuge der vorliegenden Arbeit – wie schon dargestellt – auf den Bereich des Personalmanagements gesetzt. Das Personalmanagement stellt eine zentrale Schnittstelle dar zwischen (möglichen) wirtschaftswissenschaftlichen Impulsen zur Beziehungsrealität und dem theologischen Anspruch zur Gestaltung einer christlich fundierten Beziehungswirklichkeit – gerade durch die Mitarbeiter im christlichen Krankenhaus. Sollen die im Bereich des Personalmanagements relevanten Beziehungsthematiken dargestellt werden, so stellt sich die Frage, was für eine methodische Herangehensweise hierbei gewählt werden kann, um das weite personalwissenschaftliche Feld zumindest in zentralen Punkten zu erfassen und systematisch darzustellen. Hierzu kann eine Herangehensweise hilfreich sein, die anhand eines Durchgangs durch einen aktuellen, systematisch aufgebauten personalwirtschaftlichen Ansatz die verschiedenen Bereiche des Personalmanagements betrachtet und auf ihre beziehungsrelevante Ausprägungen hin untersucht. So können in strukturierter Weise die unterschiedlichen Themengebiete des Personalmanagements auf ihre Beziehungsdimensionen hin befragt werden.38 Der hierbei zu wählende Ansatz muss verschiedene Bedingungen erfüllen: Zunächst soll er, wie schon angedeutet, einen systematischen Zugang zum Forschungsfeld ermöglichen. Eine praktische Ausrichtung und die potentielle Anwendbarkeit auf den Krankenhausbereich sind des Weiteren wünschenswert. Zudem soll der zu wählende Ansatz grundsätzlich offen sein für die Begegnung und inhaltliche Prägung mit der „Strategie Christliches Profil“ – mithin soll also auch die strategische Ausrichtung des Personalmanagements ausreichende Beachtung finden.39

Ein personalwirtschaftliches Modell, das sich unter Beachtung dieser Kriterien anbietet, ist der Ansatz des Strategischen Human Resource Managements (SHRM)40 des Mannheimer Personalwirtschaftsprofessors Walter A. OECHSLER. Mit dem SHRM-Ansatz wird ein aktueller personalwirtschaftlicher Theorieansatz aufgegriffen, der zudem konkret anwendbar ist für den Krankenhausbereich. Stärker als in anderen personalwirtschaftlichen Konzeptionen steht hier der Mensch mit seinen Fertigkeiten und Fähigkeiten als „strategischer Erfolgsfaktor“ im Zentrum der Überlegungen. Ferner berücksichtigt das SHRM die strategische Ausrichtung eines Unternehmens und verbindet strategische, strukturelle und personalwirtschaftliche Aspekte in einer integrativen Gesamtsicht. Es handelt sich hierbei um einen Ansatz aus dem Bereich des Strategischen Managements, das heute „zum dominierenden Problemlösungsansatz in Wissenschaft und Praxis“41 geworden ist. Das strategiegeleitete, ganzheitliche Grundverständnis des SHRM bindet das Personalmanagement in eine unternehmerische Gesamtperspektive ein. Dadurch wird auch die systematische Darstellung beziehungsrelevanter Themen im Bereich der Personalwirtschaft erleichtert und um unternehmensstrategische Aspekte ergänzt. Gleichzeitig zeigt sich der Ansatz des SHRM offen für die im Kontext dieser Arbeit verfolgte theologische Fragestellung. Die Strategieentscheidung, die mit prägend ist für die Ausgestaltung des SHRM, kann für den konkreten Anwendungsbereich des christlichen Krankenhauses gefüllt werden mit der Strategieentscheidung „christliches Profil“. Der SHRM-Ansatz ist also offen für die strategische Ausrichtung eines Krankenhauses auf sein christliches Proprium hin.

In einem weiteren Schritt möchte die vorliegende Arbeit die Beziehungswirklichkeit der im christlichen Krankenhaus arbeitenden Menschen auf ihren theologischen Grund hin beleuchten. Auch für eine solche theologische Erarbeitung wären verschiedenste Wege und Ansätze denkbar, so dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Schwerpunktsetzung notwendig ist. Glückende menschliche Beziehungen gründen nach christlicher Auffassung letztlich in Gott, der in sich selbst gelebte Beziehung ist. Die christliche Gottesvorstellung, die Trinitätslehre, ist Angelpunkt und inhaltlicher Ausgangspunkt menschlicher Beziehungen – auch konkret innerhalb des christlichen Krankenhauses im Umgang mit den Mitarbeitern und der Mitarbeiter untereinander. Um die Rede von der Beziehungswirklichkeit theologisch zu fundieren, bietet sich daher eine trinitätstheologische Reflexion als ein gangbarer Weg an.42 Im dreifaltigen Gott zeigt sich, was Beziehung und Beziehungswirklichkeit im Tiefsten bedeutet. Aktuell verweist gerade auch die Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst BENEDIKT XVI. auf die trinitätstheologische Basis caritativer Diakonie, wenn dort das „Liebestun der Kirche als Ausdruck der trinitarischen Liebe“ (DCE Überschrift 2. Teil, Hervorhebung W.S.) bezeichnet wird. Die innergöttliche trinitarische Beziehungswirklichkeit kann in eine struktur-analoge Verbindung gesetzt werden zur Beziehung Gottes zu den Menschen und zu den Beziehungen der Menschen untereinander. Die Möglichkeit solch einer analogen Verknüpfung betont die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ des II. Vatikanischen Konzils: „Ja, wenn der Herr Jesus zum Vater betet, ‘dass alle eins seien … wie auch wir eins sind’ (Joh 17,20–22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe.“ (GS 24).43 Eindringlich forderte beispielsweise auch Klaus HEMMERLE, die Verbindung zwischen Trinitätstheologie und menschlichem Leben in Beziehung zu vertiefen: „Was hat das Dogma der Trinität mit lebendigen Beziehungen zu tun? Nicht selten begegne ich noch dem Eindruck, das Geheimnis der Trinität wäre das Privileg der Theologen und derer, die sich mit schwierigen Begriffen gut auskennen. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Botschaft von der Trinität eine Grundbotschaft für alle ist. Denn vom dreifaltigen Gott her lässt sich eine Antwort ertasten, wie heute Leben geht. So kann Trinität Leben und trinitarisches Leben Botschaft werden.“44 Die Frage nach der Beziehungswirklichkeit soll in der vorliegenden Arbeit demgemäß trinitätstheologisch vertieft und verortet werden – Hinweise zu einer trinitarisch fundierten Beziehungswirklichkeit sollen das Ergebnis sein.

Diese trinitätstheologische Aufarbeitung der Thematik stellt dabei zugleich eine Neuerung dar, die bisherige Forschungen ergänzen kann. Die Thematik der Beziehungswirklichkeit wird z.B. nicht nur rein christologisch aufgegriffen. Vielmehr steht die trinitarische und damit – mit Blick auf das Wirken des Heiligen Geistes – auch besonders die pneumatologische Prägung der Beziehungswirklichkeit stärker im Vordergrund. Dadurch wird zugleich dem Impuls des II. Vatikanischen Konzils Rechnung getragen, der die Dreifaltigkeit stärker in die Mitte der Theologie rückt: „Der dreifaltige Gott darf nicht länger bloß als Ursprung und Ziel von Kirche und Welt gedeutet werden, auch nicht bloß als Urbild, das wie eine ferne Parallele über Kirche und Welt schwebt. Vielmehr muss das innere Leben des dreifaltigen Gottes in seiner alle kirchlichen, menschlichen und welthaften Vollzüge prägenden und diese in sich einbeziehenden Dynamik offenkundig werden. Die zentrale Frage lautet: Wie lebt Gott sein ureigenes dreifaltiges Leben in allen Geschöpfen, zuhöchst in der Kirche, und das nicht nur vertikal in der Beziehung oben – unten, sondern auch horizontal in der welthaften und in der kirchlichen Interaktion? […] Wie kann die menschliche Gemeinschaft zum Bild und Nachvollzug der Dreifaltigkeit werden?“45

Auch für die trinitätstheologische Erarbeitung der Beziehungswirklichkeit setzt die vorliegende Arbeit einen weiteren Fokus und stützt sich primär auf Schriften eines ausgewählten trinitätstheologischen Autors. Das theologische Werk Joseph RATZINGERS/BENEDIKTS XVI. erscheint hier geeignet – zum einen durchzieht die Beziehungsthematik samt ihrer trinitätstheologischen Implikationen das gesamte Werk RATZINGERS; zum anderen deckt der Bezug auf die Theologie Joseph RATZINGERS zugleich interessante Verbindungen auf zwischen der aktuellen Enzyklika „Deus caritas est“ und zentralen theologischen Leitlinien ihres Autors.46

37 Solche praktisch-theologischen Korrelationen sind unter dem Vorbehalt der struktur-analogen Erarbeitung möglich, die sich stets der bleibenden Unähnlichkeit der Vergleichspunkte gewahr bleibt. Keinesfalls werden aus der Trinitätstheologie direkte Praxisableitungen für die BWL gezogen. Ergänzend und beispielhaft für eine weitere Verknüpfung von Trinitätslehre und Humanwissenschaft sei auf die Korrelation von Trinitätstheologie und Themenzentrierter Interaktion (TZI) verwiesen, die in der Methode der tiefenpsychologisch fundierten Themenzentrierten Interaktion (tf TZI) nach Ruth SEUBERT zum Ausdruck kommt: Ruth SEUBERT, Schülerin der TZI-Begründerin Ruth C. COHN, hat die Themenzentrierte Interaktion in den wissenschaftlichen Zusammenhang der Phänomenologie gestellt und unter dem Einfluss der theologischen Anthropologie und trinitätstheologischen Ontologie von Klaus HEMMERLE und der Existenzanalyse von Victor FRANKL tiefenpsychologisch begründet. Vgl. dazu: SEUBERT, Ruth: Themenzentrierte Interaktion. In: FENGLER, Jörg (Hrsg.): Handbuch der Suchtbehandlung : Beratung – Therapie – Prävention. Landsberg/Lech : ecomed, 2002, S. 546-554; vgl. hierzu auch die Internetpräsenz des von Ruth Seuberth gegründeten „Instituts Simone Weil – Lehrhaus für Psychologie und Spiritualität“ unter „www.lehrhaus.de“ (download 15.05.2010), vgl. zum Strukturmodell der tf TZI auch Fn. 426, S. 174.

38 Im Bereich des deutschsprachigen Personalwissenschaft böten sich hier verschiedene systematisierende und zumeist in Lehrbuchform aufbereitete Darstellungen des Personalmanagements an, wie z.B. bei: DRUMM, Hans Jürgen: Personalwirtschaft. 5. überarb. und erw. Aufl., Berlin : Springer, 2005; JUNG, Hans: Personalwirtschaft. 6. überarb. Aufl., München : Oldenbourg, 2005; OECHSLER, Walter A.: Personal und Arbeit : Grundlagen des Human Resource Management und der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen. 8., grundlegend überarb. Aufl., München, Wien : Oldenbourg, 2006; OLFERT, Klaus (Hrsg.): Personalwirtschaft, 10., völlig überarb. und erw. Aufl., Ludwigshafen : Kiehl, 2003; SCHOLZ, Christian: Personalmanagement. 5. überarb. und erw. Aufl., München : Vahlen, 2000.

39 Des Weiteren könnte sich eine Erarbeitung der Relevanz von Beziehungswirklichkeit in den Wirtschaftwissenschaften auch des gerade im Bereich der NGOs weit verbreiteten St. Galler Management-Konzeptes bedienen (Vgl.: STAEHLE, Wolfgang H.: Management : Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. 8. Aufl. / überarb. von Peter CONRAD ; Jörg SYDOW, München : Vahlen, 1999, S. 41ff). Die als ganzheitlich und systemorientiert zu charakterisierende St. Galler Schule nimmt jedoch weniger konkret die personalwirtschaftliche Praxis in den Blick. Vgl. dazu die Verwendung des St. Galler Management-Konzeptes bei: LOHMANN, David: Das Bielefelder Diakonie- Managementmodell. Gütersloh : Kaiser, 1997, v.a. S. 46-162; RÖHR, Thomas: Personalpolitik aus Sach- und Menschengerechtem : Unternehmensethik aus theologischer Perspektive. Gütersloh : Kaiser, 1998, v.a. S. 170-259; FISCHER, Michael: Theologie und Ökonomie in Unternehmen der Caritas und Diakonie. In: DIENBERG, Thomas; FASEL, Gregor; FISCHER, Michael (Hrsg.): Spiritualität & Management. Münster : LIT Verlag, 2007 (Kirche – Management – Spiritualität Bd. 1), S. 53-100.

40 Vgl.: OECHSLER, Walter A.: Personal und Arbeit; OECHSLER, Walter A.: Unternehmenskultur und Human Ressource Management. In: Bertelsmann Stiftung; Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.): Praxis Unternehmenskultur : Herausforderungen gemeinsam bewältigen, Band 1 Erfolgsfaktor Unternehmenskultur. Gütersloh : Bertelsmann, 2001, S. 81-101.

41 OECHSLER, Walter A.: Unternehmenskultur und Human Ressource Management, S. 82.

42 Vorstellbar wäre beispielsweise aber auch ein dezidiert biblischer, historischer oder empirisch- fundierter Zugang zu Kernpunkten der Beziehungswirklichkeit.

43 Diese Struktur-analoge Korrelation zwischen trinitarischer Beziehungswirklichkeit und der menschlich erfahrbaren Beziehungsrealität steht immer unter dem Vorbehalt der so genannten „Analogieformel“ des IV. Laterankonzils, 1215, „Zwischen Schöpfer und Geschöpf lässt sich keine Ähnlichkeit feststellen, ohne dass eine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“ DH 806.

44 HEMMERLE, Klaus: Leben aus der Einheit : Eine theologische Herausforderung. Freiburg : Herder, 1995, S. 33f. Vgl. zur „humanen Relevanz der Trinitätslehre“ auch: RUHSTORFER, Karlheinz: Humane Relevanz. Zur bleibenden Bedeutung der klassischen Trinitätslehre (Thomas von Aquin) angesichts einer aktuellen Kontroverse. In: Jahrbuch für Religionsphilosophie 3 (2004), S. 45-57.

45 HEINZ, Hanspeter: Variationen zum Thema: ›Trinitarische Einheit‹ : Theologische Aufbrüche im 20. Jahrhundert. In: BÖHNKE, Michael; HEINZ, Hanspeter: Im Gespräch mit dem dreieinen Gott : Elemente einer trinitarischen Theologie. Düsseldorf : Patmos, 1985, S. 334-347, hier, S. 339f.

46 Vgl. zu dieser Autorenwahl ausführlicher in Kap. III.1, S. 115. Alternativ wäre beispielsweise auch Klaus HEMMERLE mit seiner „Trinitarischen Ontologie“ ein weiterer geeigneter Autor, anhand dessen Schriften die Thematik der Beziehungswirklichkeit in ihrem trinitätstheologischen Bezug aufgearbeitet werden könnte. Vgl. v.a.: HEMMERLE, Klaus: Thesen zu einer trinitarischen Ontologie. In: FEITER, Reinhard (Hrsg.): Klaus Hemmerle : Ausgewählte Schriften. Band 2, Unterwegs mit dem dreieinigen Gott, Freiburg : Herder, 1996, S. 124-161; vgl. auch: GRESHAKE, Gisbert: Der dreieine Gott : eine trinitarische Theologie. 4. durchgesehene und erw. Aufl., Freiburg : Herder, 2001, S. 454-464.

5. Zwei Teilaspekte der Beziehungswirklichkeit: Personalität und Communialität

Im Zuge der beziehungstheologisch fundierten Bearbeitung der Thematik „Christliches Krankenhaus“ ist schließlich noch ein wichtiger Gesichtspunkt vorauszuschicken: Die Beziehungs-„wirk“-lichkeit wird grundlegend konstituiert durch zwei sich ergänzende Teil-„wirk“-lichkeiten: Zum einen ist hier der einzelne Mensch von Bedeutung – in individuell ausgelegter Perspektive kommt die Ich-„Wirk“-lichkeit jeder einzelnen Person in den Blick. Zum anderen gehört zur Beziehungswirklichkeit aber auch der Aspekt der Gemeinschaft – in der Berücksichtigung des Gemeinschaftsbezugs zeigt sich die Wir-„Wirk“-lichkeit von Beziehung. Beziehung ist nicht denkbar ohne diese beiden Teil-„wirk“lichkeiten – den Personbezug und den Gemeinschaftsbezug. Es sind Menschen, eigenständige Individuen, die sich mit ihrer je eigenen Person in ein Beziehungsgeflecht einbringen. Die Eigenständigkeit und Individualität jedes einzelnen Menschen mit seiner Würde und seinem Wert ist somit unverzichtbarer Baustein jedes Beziehungsgeschehens. Gleichzeitig enthält die Beziehungswirklichkeit den gemeinschaftlichen Aspekt. Beziehungsrealität schafft Verbindung zwischen den Menschen und stiftet Gemeinschaft. Gerade der Gemeinschaftsbezug christlichen Heilens und Helfens ist ein wichtiger Aspekt für die Propriumsfrage im christlichen Krankenhaus. Theo-logisch fundierte Beziehungswirklichkeit wird immer in die Gemeinschaft (Communio) führen – denn es ist Gottes erklärtes Ziel, „die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heiligen und zu retten“ (LG 9), sondern als Gemeinschaft.

Auf die enge innere Verbundenheit von Beziehungstheologie und Trinitätslehre wurde bereits hingewiesen. Zur Benennung der beiden Teil-„Wirk“-lichkeiten von Beziehung, der Person-Orientierung und der Gemeinschafts-Orientierung, können daher auch Begriffe dienen, die der trinitätstheologischen Reflexion entstammen: Mit den Begriffen der „Personalität“ und der „Communialität“ sollen im Folgenden die beiden konstituierenden Aspekte der Beziehungswirklichkeit bezeichnet werden.47 Die Personalität umschreibt „Selbstsein und Selbstwerden in Beziehung (zu Gott und dem Mitmenschen), in gegenseitigem Empfangen und Schenken“48 und weist damit auch schon hin auf den Beziehungsaspekt der Communialität, der in der „Communio“/„Gemeinschaft“ gründet. „Communio“ kann verstanden werden als „ die in der Gemeinschaft des dreieinen Gottes vorgebildete und in der Teilhabe an seinem Leben gründende personale Gemeinschaft der Menschen mit ihm und den Mitmenschen“49. Personalität und Communialität können als konstituierende Aspekte der Beziehungswirklichkeit in der Erarbeitung der vorliegenden Thematik hilfreich sein: in der wirtschaftswissenschaftlichen Aufarbeitung der Beziehungsthematik erlauben die Wirkelemente der Person-Orientierung und der Gemeinschafts-Orientierung eine strukturierte Aufgliederung der beziehungsrelevanten Ergebnisse.50 Im Zuge der trinitätstheologischen Erarbeitung sind beide Begriffe noch vertiefend zu betrachten und werden schließlich zu wesentlichen Elementen bei der Ausarbeitung einer trinitarisch fundierten Beziehungswirklichkeit.51

Es soll deutlich werden: Personalität und Communialität bilden die beiden unverzichtbaren Wirkelemente der Beziehungswirklichkeit, die miteinander ins Gleichgewicht zu bringen sind – eine ausgewogenen und gleich gewichtete „Verbindung von Personalität und Communialität“52 ist anzustreben. Dominiert einer dieser beiden Teil-Wirk“-lichkeiten zu stark oder geht sogar ein konstituierender Aspekt unter dem Übergewicht seines Gegenparts ganz verloren, so wird eine gelingende Beziehung verunmöglicht. Diese Gefährdung ist von beiden Seiten her denkbar: Zum einen kann eine übersteigerte Betonung des personalen Aspekts in die Vereinzelung führen und Gemeinschaft unmöglich machen. Auf der anderen Seite darf eine überstarke Gemeinschaftsausrichtung nicht die Person des Einzelnen überrollen. Die personale Orientierung als solche muss gewahrt bleiben. In der heutigen gesellschaftlichen Situation ist jedoch stärker der individuelle, personale Aspekt in den Vordergrund getreten: eine steigende Individualisierung und Singularisierung der Gesellschaft, beispielhaft abzulesen an der stetigen Zunahme von Single-Haushalten in Deutschland, lässt den communialen Aspekt der Beziehungswirklichkeit heute tendenziell zurücktreten. Eine stärkere Betonung der gemeinschaftlichen Wirklichkeit von Beziehung scheint auf diesem Hintergrund angebracht – gerade auch in der caritativen Diakonie der Kirche und im christlichen Krankenhaus. Die beiden konstituierenden Elemente von Beziehung – Personalität und Communialität – werden in der weiteren Bearbeitung der Beziehungswirklichkeit im christlichen Krankenhaus immer wieder in den Blick zu nehmen sein.

47 Es wäre hier z.B. auch möglich das Begriffpaar „Individualität“ und „Sozialität“ zu wählen. Um die Überlegungen zur Beziehungswirklichkeit auf die trinitätstheologische Erarbeitung hin zu akzentuieren, bieten sich jedoch die Begriffe „Personalität“ und „Communialität“ an. Vgl. zur praktischtheologischen Erläuterung und zur Verwendung der Begriffe „Personalität“ und „Communialität“ auch: POMPEY, Heinrich: Wie im Himmel so auf Erden : Wenn Liebe göttlich wird ... – Kirche als Ikone der Dreifaltigkeit. In: KLASVOGT, Peter; POMPEY, Heinrich (Hrsg.): Liebe bewegt … und verändert die Welt, S. 387-419

48 GRESHAKE, Gisbert: Person. II. Theologiegeschichtlich u. systematisch-theologisch. In: LThK, 3. Aufl., Bd. 8, Sp. 46-50, hier Sp. 50, Abkürzungen im Original hier von W.S. aufgelöst.

49 DRUMM, Joachim: Communio. I. Systematisch-theologisch. In: LThK, 3. Aufl., Bd. 2, Sp. 1280-1283, hier Sp. 1280, Abkürzungen im Original hier von W.S. aufgelöst.

50 Vgl. Kap. II.4, S. 109ff.

51 Vgl. v.a. Kap. III.5.2, S. 157ff.

52 POMPEY, Heinrich: Das caritative Engagement der Kirche. In: RAUSCHER, Anton (Hrsg.): Handbuch der Katholischen Soziallehre. Berlin : Duncker & Humblot, 2008, S. 707-720, hier S. 710.

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