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I.2 Gliederung der Arbeit

Zunächst wird in Kapitel II neben den Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung der Forschungsstand zu Textquellen in Schulbüchern bzw. im Geschichtsunterricht dargelegt. Dabei werden die Relevanz der Studie begründet, indem der Stellenwert von Geschichtsschulbüchern für historische Lehr-Lern-Prozesse kurz umrissen wird, die Besonderheiten der Untersuchung verdeutlicht und wesentliche Vorarbeiten beschrieben.

Das III. Kapitel widmet sich der Frage, was genau unter „historischem Lernen“ verstanden wird, und legt die damit einhergehenden normativen Gesichtspunkte offen. Der Begriff „Geschichtsbewusstsein“ sowie das theoretische Modell historischen Denkens spielen dabei ebenso eine wesentliche Rolle wie das Kompetenzmodell der Gruppe FUER Geschichtsbewusstsein. Auch wird den Fragen nachgegangen, welche Besonderheiten es beim frühen historischen Lernen in der Primarstufe zu beachten gilt, wie mit Textquellen im Speziellen historisch gelernt werden kann und welche normativen geschichtsdidaktischen Forderungen in Form von Qualitätskriterien an Geschichtsschulbücher als Medien historischen Lernens gestellt werden.

Anschließend werden in Kapitel IV Textquellen und der Umgang mit ihnen im historischen Lernen in den Mittelpunkt gerückt. Nach einer Definition, was genau unter Textquellen verstanden wird, und welche Gattungen unterschieden werden können, werden geschichtstheoretische und geschichtsdidaktische Hintergründe von Quellenarbeit beleuchtet. Fokussiert wird dabei u. a. auf die historische Methode, ihre didaktische Wendung im Geschichtsunterricht sowie Chancen und Herausforderungen im schulischen Umgang mit Textquellen. Auch hier widmet sich ein darauf folgender Abschnitt dem frühen historischen Lernen, indem geschichtsdidaktische Forderungen der letzten 40 Jahre und die Herausforderungen ihrer Umsetzung im Unterrichtsgegenstand „Sachunterricht“ beschrieben werden. Ein zentraler Baustein dieser Arbeit ist der Abschnitt IV.3 „Wie mit schriftlichen Quellen umgehen?“, in welchem auf Auswahlkriterien, standardisierte Fragen bzw. Modelle zur Interpretation, unterschiedliche Aspekte der Quelleninterpretation und einen schematisierten Ablauf von Interpretationsprozessen mit ihrer Zuordnung zu fachspezifischen Anforderungsbereichen der Reproduktion, des Transfers und der Reflexion eingegangen wird.

Kapitel V zielt über die normativen Vorgaben der geschichtsdidaktischen Diskussion zum historischen Lernen hinaus auf die normativen Vorgaben in den österreichischen Curricula und den ministeriellen Richtlinien, die als verbindliche Grundlage für die Zulassung der Geschichtsschulbücher zu betrachten sind und daher für die vorliegende Untersuchung Relevanz besitzen. In allen Verordnungen und Richtlinien lassen sich deutliche Vorgaben hinsichtlich wesentlicher Elemente historischen Lernens finden, wie sich in der (impliziten) Thematisierung des theoretischen Modells historischen Denkens, der fachspezifischen Kompetenzorientierung und Quellenarbeit zeigt.

Das VI. Kapitel dieser Arbeit widmet sich den für die vorliegende Untersuchung aus geschichtsdidaktischer Theoriebildung und Forschung sowie normativen Grundlagen abgeleiteten Analysedimensionen und -kategorien zum historischen Lernen mit Textquellen in Schulbüchern. Nachdem Genese und grundlegende Merkmale von Geschichtsschulbüchern im Allgemeinen bzw. kombinierten Lehrund Arbeitsbüchern im Besonderen sowie Charakteristika geschichtsdidaktischer Schulbuchforschung erläutert wurden, wird das methodische Vorgehen der kategorialen Schulbuchanalyse des vorliegenden Forschungsprojektes von der Erstellung des Untersuchungsinstrumentes, über die Untersuchung bis hin zur Interpretation der Ergebnisse dargestellt. Im daran anschließenden Abschnitt werden die Untersuchungskategorien der Analysedimensionen „Buch“, „Quelle“ und „Aufgabe“ definiert, jeweils Ankerbeispiele angeführt sowie Codierregeln beschrieben und damit offengelegt. Den Gütekriterien empirischer Forschung wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung darüber hinaus damit entsprochen, dass laufende Re-Tests in der Erhebungsphase in Form von Investigator-Triangulationen an ausgewählten Materialbestandteilen durchgeführt sowie eine Intercoderreliabilitätsüberprüfung der meisten Kategorien durch einen weiteren Geschichtsdidaktiker an einem Teil des Untersuchungskorpus vorgenommen wurden. Das methodische Vorgehen der Intercoderreliabilitätsüberprüfung und die Intercoderrealiabilitätswerte werden in einem dafür vorgesehenen Abschnitt erläutert und offengelegt, bevor im letzten Abschnitt des Kapitels das Thema fachspezifische Lernprogression erörtert und Möglichkeiten zur Messung lernprogressiver Elemente in Schulbüchern bzw. ein Modell zur Feststellung von möglichen für fachspezifische Lernprogression förderliche Elementen vorgestellt wird.

Im vorletzten VII. Kapitel der Arbeit werden die Untersuchungsergebnisse zu allen Analysekategorien aus der Primarstufe, der Sekundarstufe I und II und die Ergebnisse im Längsschnitt und Vergleich präsentiert. Dabei wird in der Auswertung neben einer Zusammenfassung der erhobenen Daten auf besondere Ausprägungen und auf besonders häufig vorzufindende Ausprägungen eingegangen. Die Ergebnisse zur Forschungsfrage hinsichtlich der fachspezifischen Lernprogression werden im letzten Abschnitt des Kapitels VII.4 beschrieben.

Kapitel VIII, das letzte Kapitel, beleuchtet zuerst die Limitationen der vorliegenden Untersuchung, bevor die zentralen Befunde der Studie zusammengefasst und deren Implikationen präsentiert werden. Den Abschluss bildet ein Ausblick.

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6 Borries 2008, 166.

7 Vgl. Sauer 2015, 125.

8 Vgl. Mebus/Schreiber 2005.

9 Vgl. Schreiber 2013b, 11 f.

10 Vgl. Körber et al. 2007.

11 Das Kompetenzmodell von FUER Geschichtsbewusstsein ist nicht nur wegen seines profund begründeten theoretischen Konstruktes für diese Untersuchung maßgebend (wie auch in vielen anderen empirischen Untersuchungen), sondern ebenso, weil es für die österreichischen Lehrpläne seit 2008 bzw. 2011 grundlegend ist.

12 Vgl. Abb. 1. Vgl. auch Kapitel V.1.

13 Vgl. BGBl. II Nr. 113/2016, online unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2016/113 (aufgerufen am 14.6.2017).

14 „Semestriert“ bedeutet, dass zu behandelnde historische Themenbereiche und anzubahnende Teilkompetenzen historischen Denkens semesterweise angeführt werden.

15 Vgl. BGBl. II Nr. 219/2016, online unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2016/219 (aufgerufen am 14.6.2017)

16 Vgl. Kapitel III „Dimensionen historischen Lernens“.

17 „Schriftliche Quellen“ werden in der vorliegenden Arbeit synonym mit „Textquellen“ verwendet.

18 Grosch 20146, 74. Siehe auch Sauer 2015, 180.

19 Vgl. dazu auch Günther-Arndt 1988, 195.

20 Schöner/Schreiber 2006, 27.

II. Forschungsstand und Forschungsfragen
II.1 Untersuchungsleitende Forschungsfragen

Trotz eines Aufschwungs der Schulbuchforschung in jüngerer Zeit vor allem in den Bereichen der historischen, geschichtswissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen und international-vergleichenden Schulbuchforschung ist die geschichtsdidaktische Schulbuchforschung noch immer relativ schwach ausgeprägt.21 Dieses Promotionsprojekt steht daher im Zeichen einer fachdidaktischen Schulbuchforschung. Auch wenn es in diesem Feld bereits Arbeiten zur kompetenzorientierten Herangehensweise in der Erforschung von Schulgeschichtsbüchern gibt,22 so besteht nach wie vor ein unzweifelhaftes Desiderat an empirischer Forschung in der fachdidaktischen Schulbuchforschung,23 vor allem für den österreichischen Raum.24 Dies mag erstaunen, da das Geschichtsschulbuch nach wie vor das unumstrittene Leitmedium des Geschichtsunterrichts ist und folglich entscheidenden Einfluss auf die Planung und Gestaltung von Unterricht bzw. insbesondere auf historische Bildung im Klassenzimmer hat. Trotz der Konkurrenz durch neue, digitale Medien – darunter auch Geschichtsschulbücher – finden sich in Österreich 15 unterschiedliche Schulbuchreihen in der Sekundarstufe I, die im Zuge der kostenlosen Bestellung über die sogenannte „Schulbuchaktion“25 intensiv genutzt werden.26 Dabei rückt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung mit Blick auf die weite Verbreitung und häufige Nutzung von Geschichtsschulbüchern im Unterricht ihre Relevanz für historische Lehr-Lern-Prozesse in den Mittelpunkt. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund geboten, dass den Schulbüchern oft mehr Aufmerksamkeit zuteil wird als geschichtsdidaktischen Empfehlungen und Forderungen bzw. den für ihre Approbation als staatliche Lehrmittel zugrundeliegenden normativen Vorgaben in Form der Lehrpläne und weiterer ministerieller Richtlinien.27 Einerseits ist das Schulbuch in der schulischen Unterrichtspraxis ein Lehrbuch für Lehrer*innen und somit das „Drehbuch“ für Unterricht mit Anleitungen für konkrete Unterrichtsumsetzungen, andererseits jedoch auch Lernbuch für Schüler*innen, das durch bestimmte Handlungsaufforderungen Aktivitäten von Lernenden verlangt, die im besten Fall historische Denk- und Lernprozesse initiieren können.28 Lohnend ist es daher zum einen, die Inhalte und Materialien von Geschichtsschulbüchern zu untersuchen, aber auch die Aufgabenstellungen, in denen spezifische Lernmöglichkeiten grundgelegt sind.29

Das Besondere an der geplanten Untersuchung ist, dass es sich nicht um eine exemplarische Analyse einzelner Geschichtsbücher handelt, sondern dass systematisch alle mit dem Schuljahr 2014/15 in Österreich approbierten Schulbücher für die Fächer „Sachunterricht“ (Primarstufe) und „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“ (sowohl Sekundarstufe I als auch Sekundarstufe II) hinsichtlich ihres Einsatzes von schriftlichen Quellen analysiert werden. Zudem wird abseits der allgemeinen fachdidaktischen Anforderungen an Schulgeschichtsbücher – Untersuchungen dazu liegen zumindest für Deutschland mehrfach vor – auch die Berücksichtigung eines fortschreitenden Lernprozesses im Umgang mit Textquellen untersucht. Derartige umfangreiche Untersuchungen, die sich dem Verlauf innerhalb eines Schulsystems in einer auf fachspezifischen Lernlogiken ausgerichteten Herangehensweise widmen (Querschnittsstudie zur fachspezifischen Progression oder Elementarisierung), liegen derzeit im deutschsprachigen Raum nicht vor. Das Forschungsprojekt nahm sich daher im Rahmen einer quantitativen und qualitativen Analyse folgender Fragen an:

1. Inwiefern hat die curricular verankerte fachspezifische Kompetenzorientierung bzw. der aktuelle Stand geschichtsdidaktischer Forschung in Bezug auf den Umgang mit schriftlichen Quellen Eingang in aktuelle österreichische Schulbücher gefunden?

2. Inwiefern findet sich eine für die Entwicklung historischen Denkens förderliche fachspezifische Lernprogression in der Gestaltung von bzw. im Umgang mit schriftlichen Quellen?

Es ist unzweifelhaft, dass die Praxis des Geschichtsunterrichts maßgeblich auch durch die Schulbücher bestimmt wird, und dies nicht nur in den Neuen Mittelschulen, wo teilweise auch ungeprüfte Lehrer*innen unterrichten.30 Dies bedarf letztlich einer empirischen Kontrolle, will die Geschichtsdidaktik nicht im Dunkeln tappen. Empirische Forschung ist somit „konstitutiv für die fachdidaktische Konstruktion schulischer Bildungsprozesse, für ihren konzeptuellen Rahmen wie für ihre adäquate Implementation und Evaluation“31.

Die zu erwartenden Ergebnisse der Untersuchung liefern nicht nur ein erstes Maß die Umsetzung fachspezifischer Kompetenzorientierung in österreichischen Schulbüchern betreffend, sondern besitzen darüber hinaus Relevanz für Lehre und Forschung von der Primarstufe bis zum Ende der Sekundarstufe II in Bezug auf eine domänenspezifische Kompetenzorientierung im Sachunterricht bzw. im Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung sowohl in der Praxis als auch in der Aus- bzw. Fort- und Weiterbildung: In der Arbeit geht es um eine Verbesserung der kompetenzorientierten Quellenarbeit in unterschiedlichsten Bereichen, welche Auswirkungen auf theoretischer und praktischer Ebene haben kann. Außerdem können die Arbeitsergebnisse als Grundlage für weitere Forschungsprojekte im Bereich kompetenzorientierten historischen Lernens respektive für eine weitere Verbesserung von Schulbüchern bzw. den reflektierten Umgang mit ihnen dienen.

II.2 Forschungsstand zu Textquellen in Schulbüchern

Der für die vorliegende Arbeit relevante Forschungsstand zum Umgang mit Textquellen in Schulbüchern, v. a. Geschichtsschulbüchern, ist überschaubar. Es lassen sich zwar insgesamt einige geschichtsdidaktische Schulbuchanalysen ausmachen, die sich allgemeinen Aspekten von Schulbüchern widmen oder inhaltsbezogen ausgerichtet sind,32 allerdings soll an dieser Stelle kein umfassender Überblick über allgemeine geschichtsdidaktische Schulbuchanalysen gegeben werden – hier sind jedenfalls die Arbeiten von Bodo von Borries und Waltraud Schreiber et al. zu nennen33 –, sondern diejenigen näher beleuchtet werden, die exklusiv auf den Umgang mit Textquellen abzielen.

In einer 2013 entstandenen Arbeit an der Universidade do Minho in Braga beschäftigte sich Isabel Afonso u. a. mit Aufgaben zu historischen Quellen aus Geschichtsschulbüchern und den bei 112 Schüler*innen der 10. Schulstufe auftretenden Performanzen historischen Denkens im Rahmen von Quellenanalyse und -auswertung von Quellen zur Bildung im antiken Athen.34 Der Fokus liegt damit also auf der Anbahnung von fachspezifischen Kompetenzen durch Geschichtsschulbücher. In ihrer Untersuchung stellt Afonso fest, dass 15 % der Schüler*innen bei der Interpretation einer Quelle und 16 % bei der Interpretation mehrerer Quellen dazu in der Lage waren, ein umfassendes Verständnis der Quellenbotschaft zu vermitteln und dafür auch fachspezifische Konzepte heranzogen. 27 der 112 Schüler*innen bei Einsatz einer Quelle bzw. 22 Schüler*innen bei Einsatz mehrerer Quellen konnten nur ein anfängliches Verständnis der Quellenbotschaft zeigen und verwendeten kaum historische Konzepte; 13 der 112 Schüler*innen bzw. 22 Schüler*innen im Umgang mit mehreren Quellen gaben gar keine Antwort. 49 % der Schüler*innen bei Einsatz von nur einer Quelle bzw. 45 % der Schüler*innen bei Einsatz mehrerer Quellen zeigten ein angemessenes Verständnis der Quellenbotschaft unter angemessener Verwendung historischer Konzepte.35 Afonso verweist darauf, dass sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich durch Lernaufgaben Fähigkeiten geschult werden müssen, die über die einfache Reproduktion von Informationen hinausgehen, und dass darüber hinaus in diesem Zusammenhang Differenzierungsmöglichkeiten entscheidend sind bzw. dass die multiperspektivische Arbeit mit Quellen eine wesentliche Grundlage historischen Lernens darstellt.36

Speziell zum Umgang mit Textquellen im Rahmen einer explizit geschichtsdidaktisch ausgerichteten kategorialen Geschichtsschulbuchanalyse lassen sich außerdem die Veröffentlichungen von Teilergebnissen der vorliegenden Untersuchung durch den Autor dieser Arbeit nennen. So wurden bereits erste Ergebnisse zum Einsatz von Textquellen in österreichischen Lehrwerken für die Primarstufe vorgestellt, in denen deutlich wurde, dass Textquellen in Sachunterrichtsbüchern im Rahmen des historischen Lernens in der Primarstufe nach wie vor sehr rar sind und diese grosso modo illustrativ eingesetzt werden.37 Mit Fokus auf Perspektivität konnte in einem ausgewählten Untersuchungssample aus dem Korpus der vorliegenden Untersuchung für die Sekundarstufe – zwölf österreichische Geschichtsschulbücher aus drei Reihen, die von der 6. bis zur 12. Schulstufe durchgehend vertreten sind, zu den Untersuchungsabschnitten „Industrialisierung“ und „Zweite Republik Österreich“ – festgestellt werden, dass bei vielen Textquellen essentielle Informationen zu den Quellen, welche eine quellenkritische Herangehensweise erst möglich machen, nur bedingt oder gar nicht mitgeliefert werden, und dem geschichtsdidaktischen Prinzip der Multiperspektivität im Einsatz von Textquellen nur mangelhaft nachgekommen wird. Dies betrifft zum einen das Arrangement von Quellen im Verhältnis zueinander, aber zum anderen auch die geringe Anzahl an Lernaufgaben zu den Quellen insgesamt bzw. diejenigen Aufgabenstellungen, die explizit auf Perspektivität von Quellen abzielen.38

Darüber hinaus findet sich eine 2013 an der Universität Münster entstandene und publizierte Masterarbeit, in der auf kategoriale Weise Textquellen in neun deutschen Geschichtsschulbüchern der Sekundarstufe I in ausgewählten thematischen Kapiteln – römische Geschichte, Absolutismus und Aufklärung sowie Weimarer Republik – untersucht werden.39 Entlang eines deskriptiv-hermeneutischen Verfahrens wurden „Ausschlussindikatoren“ für Gütekriterien festgelegt, um die festgestellten Ausprägungen von Gütekriterien nachvollziehbarer zu gestalten.40 Die Ergebnisse der in dreistufigen Skalen kodierten Gütekriterien machen deutlich, dass besonders in Bezug auf die Kennzeichnung des epistemologischen Unterschieds zwischen Quelle und Darstellung, in Bezug auf „Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit“ sowie „Gelungene Arbeitsaufträge“ einige der Schulbücher optimiert werden sollten, wohingegen „Problemorientierung“ oder „Quellenkundliche Genauigkeit“ für das Sample insgesamt überwiegend positiv bewertet werden.41

Fasst man den Untersuchungsbereich etwas weiter und entfernt sich von geschichtsdidaktischen Schulbuchanalysen, so können mit Blick auf den Umgang mit Textquellen im historischen Lernen v. a. auch empirische Arbeiten zum Umgang von Schüler*innen mit Textquellen (im Unterricht) hervorgehoben werden. Insgesamt kann man aus diesen zahlenmäßig ebenso überschaubaren Studien eine Tendenz herauslesen, dass aus geschichtsdidaktischen Forderungen ableitbare Erwartungen an Ergebnisse schulischer Quellenarbeit bei den Proband*innen nur selten erreicht wurden.

In den Untersuchungen von Helmut Beilner und Martina Langer-Plän wird sichtbar, dass zum einen erhebliche inhaltliche Verständnisschwierigkeiten bei der Zusammenfassung von Quelleninhalten bestehen und zum anderen bei Schüler*innen der Quellenbegriff kaum bekannt ist, Verständnis für die Funktion von Quellen im historischen Erkenntnisprozess nahezu nicht vorhanden ist und in der 6. Schulstufe „alte Texte“ wahrer als heutige betrachtet werden.42 Untersucht wurde neben dem Quellenbegriff der Proband*innen, wie Schüler*innen der 6. und 9. Schulstufe die wichtigsten inhaltlichen Aspekte von auf den jeweiligen Unterrichtskontext abgestimmten Textquellen – Auszug aus Herodots Historien; Schreiben Bismarks an Wilhelm I. – zusammenfassen können, wie sie die zentralen Begriffe im Text verstehen und wie sie die Textinhalte mit historischem Kontextwissen verknüpfen. Dabei wurden die Verhaltensweisen bei der Begegnung mit Textquellen mittels Leitfadeninterviews (16 Schüler*innen der 6. Schulstufe) und schriftlicher Befragung (67 Schüler*innen der 6. Schulstufe und 54 der 9. Schulstufe) untersucht,43 um Hindernisse im Umgang mit Quellen zu identifizieren und daraus begründete Handlungsempfehlungen für den schulischen Unterricht abzuleiten.44 Ungeachtet der Beobachtung einer Steigerung bezüglich der Reflektiertheit des Quellenbegriffs zwischen 6. und 9. Schulstufe, wird im Rahmen der Untersuchung festgestellt, dass konzeptionelle Fehlvorstellungen in der 9. Schulstufe noch immer weit verbreitet sind.45

Birte Wolfrum und Michael Sauer untersuchten anhand eines bereits veröffentlichten Aufgabenbeispiels zur antiken Geschichte (Xenophons Oikonomikos in zwei Textvarianten), wie Schüler*innen der 6. und 11. Schulstufe – 87 bzw. 42 Proband*innen – im Umgang mit Textquellen fachspezifischen Kompetenzanforderungen entsprechen können. Hier stand allerdings weniger der reflektierte Umgang mit einer Textquelle im Fokus der Untersuchung,46 sondern vielmehr das Textverstehen und die Ausprägungen fachspezifischer konzeptioneller Vorstellungen der Schüler*innen zu Perspektivität und Wandel, die entlang von Aufgabenstellungen zu einer Textquelle zutage traten. Dabei sollten die Schüler*innen der 6. Schulstufe in der ersten Stufe (Vorbereitung/Teilstufe des Textverstehens) ungebräuchliche Wörter aus dem Kontext des Textes erklären und die Textstruktur durch Gliedern erfassen, in der zweiten Stufe (Textverstehen) die Autorenaussagen und -begründungen paraphrasieren und in der dritten Stufe (Perspektivierung) eine heutige Perspektive unter dem Aspekt der Veränderung formulieren sowie eine historische Fremdperspektive übernehmen und ausformulieren. In der 11. Schulstufe sollte in Stufe 1 die Textaussage und Begründung durch den Autor wiedergegeben werden, in Stufe 2 der historische Kontext erläutert und in Stufe 3 ein problematisierender Gegenwartsbezug hergestellt werden.47 Auch wenn Sauer/Wolfrum festhalten, dass es bei manchen Aufgaben fraglich ist, ob sie „überhaupt adäquat zu lösen“48 sind, dass Arbeitsaufträge „nicht präzise genug formuliert“49 waren und geforderte Vorkenntnisse zu thematischen Aspekten (Lebensverhältnisse im antiken Sparta und Athen, antiker „Oikos“) bei den Proband*innen zur historischen Kontextualisierung fehlten,50 kommen sie zum Schluss, dass Perspektivierung in der Vergangenheit, Erläuterungen im historischen Kontext und problematisierende Gegenwartsbezüge nur sehr begrenzt gelängen. Offene Aufgabenstellungen, die komplexe Operationen fordern, müssten auch noch in der Sekundarstufe II detaillierter angeleitet und anspruchsvollere Denkoperationen entsprechend trainiert werden.51

Auf der Grundlage der Zielformulierung, dass Schüler*innen den Umgang mit Quellen selbstständig und methodisch reflektiert beherrschen lernen sollen, untersuchte Michael Sauer den Einsatz von Textquellen (neben Bildquellen) im Unterricht in Form von Unterrichtsbeobachtungen (128 Geschichtsstunden) aus der 5. bis zur 13. Schulstufe und mittels Fragebögen zur Quellenarbeit, die von 688 Schüler*innen und 51 Lehrer*innen beantwortet wurden.52 Die Ergebnisse belegen, dass Quellenarbeit, und hier v. a. die Arbeit mit Textquellen, sowohl in der Einschätzung der Lehrpersonen als auch in der beobachteten Praxis einen hohen Stellenwert einnimmt. In 82,4 % der beobachteten Unterrichtsstunden wurden Quellen eingesetzt (häufiger Textquellen – mit 87,7 % – als Bildquellen), die in 46,3 % der Fälle im Schulbuch präsentiert wurden (56,2 % als Kopie).53 Auch die Arbeitsaufträge für Textquellen wurden häufiger aus der Vorlage, u. a. dem Schulbuch, übernommen als für Bildquellen. Dies spiegelt sich auch in der Befragung wider, in der die Bedeutung der Textquellenarbeit insgesamt als hoch eingeschätzt wird. Nach Angaben der Lehrkräfte werden Textquellen zu 52,1 % jede Stunde eingesetzt.54 Sauer sieht v. a. in der methodischen Gestaltung des Textquelleneinsatzes Entwicklungspotenziale, wenn im Rahmen der Untersuchung festgestellt werden konnte, dass ein Drittel der Quellen unkritisch als reiner Informationstext eingesetzt wurde und – entgegen der Angaben von Schüler*innen – das ausdrückliche Einüben bzw. Training von Quellenarbeit sowie die methodische Reflexion derselben nur selten beobachtet werden konnten.55

Darüber hinaus spielen in der vorliegenden Arbeit viele weitere Aspekte von Schulbuchanalysen eine Rolle, die nicht dezidiert auf Textquellen abzielen. Zuvorderst sind die zahlreichen empirischen Untersuchungen von Arbeits- bzw. Lernaufgaben in Geschichtsschulbüchern (und im Geschichtsunterricht) zu nennen, die in den letzten Jahren an verschiedenen Hochschulstandorten entstanden.56 Die Untersuchungen zeigen dabei, dass der inhaltsorientierte Zugang in Schulbuchaufgaben nach wie vor überwiegt und reproduktive Leistungen, die auf die Festigung deklarativer Wissensbestände abzielen, im Mittelpunkt stehen bzw. Reflexionsprozesse eine untergeordnete Rolle spielen.57 Ohne auf all diese Studien hier im Detail einzugehen, sei darauf hingewiesen, dass auf ausgewählte Ergebnisse dieser Arbeiten im Kapitel VI.2 „Analysedimensionen und -kategorien: Das Untersuchungsinstrument“ und im Kapitel VII „Ergebnisse“ referiert wird.

Zu erwähnen sind auch eine an der Universität Münster entstandene und publizierte Masterarbeit zum Aspekt der Lernprogression in Geschichtsschulbüchern, die neun deutschen Geschichtsschulbüchern aus drei Reihen zu den Schulstufen 5 bis 9 unterschiedliche Ausprägungen an „Progressivität“ in den Bereichen „Darstellungsteil/Autorentexte“, „Materialteil“ und „Arbeitsaufträge“ attestiert,58 und eine jüngere Studie von Christoph Bramann und Christoph Kühberger zu Differenzierungsmöglichkeiten in Schulbüchern über Aufgaben und Materialien, in der trotz vermehrter Ansätze zu differenzierenden Zugängen in aktuelleren Geschichtsschulbüchern nur punktuelle Momente der Differenzierung und v. a. Defizite in der Gestaltung diversitätssensibler und unterstützender Lernhilfen in Form von durchdachten Scaffolding-Konzepten festgestellt werden.59 Auf beide Arbeiten wird vorliegenden Band im Kapitel VI.4 „Elemente fachspezifischer Lernprogression“ und im Kapitel VII „Ergebnisse“ Bezug genommen.

Abseits unterschiedlicher über den Umgang mit Textquellen hinausführenden Schulbuchanalysen sollen hier ebenso Studien zum Schulbuchverständnis und Arbeiten zu aus empirischen Forschungsergebnissen abgeleiteten Hinweisen für die Schulbuchkonstruktion erwähnt werden.60

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21 Vgl. Schönemann/Thünemann 2013, 7. Vgl. auch Fuchs/Bock 2018.

22 Vgl. die Meilensteine der Analyse-“Kriterienbündel“ nach Schönemann/Thünemann 2010, 41–43: Bodo von Borries 1980, Jörn Rüsen 1992, Alexandra Binnenkade und Peter Gautschi 2003, Alexander Schöner und Waltraud Schreiber 2006.

23 Vgl. Schreiber 2013a, 42.

24 Vgl. Kühberger 2014b.

25 Vgl. www.schulbuchaktion.at: „Die österreichische Schulbuchaktion ist eine familienpolitische und bildungspolitische Leistung. Als Leistung des Familienlastenausgleichs dient die Schulbuchaktion zur finanziellen Entlastung der Eltern und ist gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur Ausbildung und Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler. Im Rahmen dieser Aktion werden seit 1972 Schülerinnen und Schüler an österreichischen Schulen unentgeltlich mit den notwendigen Unterrichtsmitteln ausgestattet.“ Vgl. auch Kühberger/Windischbauer 2009, 21–23; Vandersitt 2015, 178.

26 Vgl. zur Nutzung Kühberger 2019, 21 oder Sauer 2018b, 411. Vgl. auch Kipman/Kühberger 2019.

27 Vgl. Schönemann/Thünemann, 2010, 104 f. Vgl. allgemein auch Kiper et al. 2010a, S. 156. Vgl. auch Borries 1980, 15.

28 Vgl. zu den Nutzungsmöglichkeiten von Schulbüchern als „Menü“ oder „Drehbuch“ Sauer 2016, 600 f.

29 Vgl. Kapitel VI.2. „Analysedimensionen und -kategorien: Das Untersuchungsinstrument“.

30 Vgl. Becher 20116, 45. Vgl. auch Heuer 20112, 64 f.

31 Günther-Arndt/Sauer 2006, 7.

32 Vgl. zu inhaltsbezogenen Schulbuchanalysen aus Österreich etwa Windischbauer 2006, Kühberger/Mellies 2009, Kühberger 2012a, Bernhard 2013, Mittnik 2017. Vgl. zur Dominanz von inhaltsbezogenen Analysen Schreiber 2013a, 41.

33 Vgl. zu allgemeinen Schulbuchanalysen aus Deutschland z. B. Borries 1980, Borries 2008, Schreiber et al. 2013. Vgl. auch die universitäre Masterarbeit von Uhlmann 2013. Vgl. zu den Grundlagen dieser Analysen maßgebende Arbeiten zu den Analysekriterien: Rüsen 1992; Binnenkade/Gautschi 2003; Schönemann/Thünemann 2010. Auf die einzelnen Arbeiten wird in den Kapiteln III.4. „Historisches Lernen mit Schulbüchern“ und VI. „Analysedimensionen und Kategorien“ näher eingegangen.

34 Vgl. Afonso 2013.

35 Vgl. Afonso 2013, 220 u. 224; Afonso 2014, 161 f. u. 164.; Afonso 2015, 270.

36 Vgl. Afonso 2010, 124 f.

37 Vgl. Buchberger 2018, 152–154. Vgl. auch Kapitel VII.1 „Ergebnisse der Primarstufe“.

38 Vgl. Buchberger 2019. Vgl. auch die Zahlen zu Perspektivität im Rahmen dieser Untersuchung im Kapitel VII „Ergebnisse“.

39 Vgl. Fiebig 2013.

40 Vgl. dazu Fiebig 2013, 235 f. Das Verfahren muss an einigen Stellen als hoch-inferent eingestuft werden, da es stark abhängig von individuellen Beobachtungsmaßstäben ist. (vgl. ebda) Deutlich wird dies z. B. bei folgendem Kriterium aus dem Ratingbogen: „Die Arbeitsaufträge sind klar und präzise formuliert.“ Wenngleich einige der Analysekategorien mit Blick auf deren Operationalisierbarkeit bzw. intersubjektive Nachvollziehbarkeit optimierbar erscheinen, handelt es sich um ein Untersuchungsinstrument, das viele der aus der geschichtsdidaktischen Literatur ableitbaren Gütekriterien berücksichtigt, die auch in der vorliegenden Arbeit zum Einsatz kommen.

41 Vgl. Fiebig 2013, 311.

42 Vgl. Beilner 2002, 95 f.; Beilner 2004, 103. Beilner spricht von „unkritischer Dokumentengläubigkeit“ der Proband*innen der 6. Schulstufe (Ebda). Vgl. auch Langer-Plän 2003, 334.

43 Vgl. Langer-Plän 2003, 323.

44 Vgl. Beilner 2002, 86.

45 Vgl. Langer-Plän 2003, 335 f. Sie konnte 13 von 54 Schüler*innen der 9. Schulstufe mit falschen Erklärungen für den Quellenbegriff und acht mit sowohl richtigen als auch falschen Beispielen identifizieren, während 19 Schüler*innen als Erklärung nur Beispiele nannten. 13 Proband*innen gaben zutreffende Erklärungen ab. Auch andere empirische Ergebnisse lassen erkennen, dass konzeptionelles Wissen im Umgang mit Quellen bei vielen Lernenden der Sekundarstufe sehr basal ausgeprägt ist: Vgl. zur festgestellten Tendenz bei Schüler*innen, historische Quellen unkritisch als Informationen und Zeugnisse der Vergangenheit zu behandeln Afonso 2013, 238. Vgl. auch die fehlende Unterscheidung von Quelle und Darstellung in der Praxis bei Lernenden Martens 2010, 294. Vgl. zur Vorstellung der Objektivität von Quellen bei Lernenden Borries 2005, 71 f.

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9783706560948
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