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2.3 Ernährungstypen

Die klassische und auch einfachste Einteilung nach Ernährungstypen, die sich an den trophischen Stufen orientiert, unterscheidet zwischen Carnivoren (Fleischfressern), Herbivoren (Pflanzenfressern) und Omnivoren (Allesfressern). Auch wenn je nach Tiergruppe (Säugetiere, Vögel etc.) Unterschiede in den Häufigkeiten der Ernährungstypen bestehen und manche Arten nicht eindeutig zugeordnet werden können oder sich in Abhängigkeit von Alter und Saison unterschiedlich verhalten, so ist die Einteilung dennoch ökologisch bedeutsam. Die Nahrungswahl ist wie ein morphologisches oder verhaltensbiologisches Merkmal der Evolution unterworfen. In der Regel liegen ihr spezifisch ausgebildete Verdauungssysteme zugrunde, deren physiologische Möglichkeiten und Einschränkungen weitreichende nahrungsökologische Konsequenzen für die Tiere haben. Deshalb wird oft noch genauer unterteilt: piscivor (fischfressend), insectivor (insektenfressend), granivor (samenoder körnerfressend), folivor (blattfressend), frugivor (fruchtfressend), nectarivor (nektarfressend) und so weiter. Eine konsequente Einteilung richtet sich nach dem quantitativen Anteil verschiedener Nahrungskategorien in der Ernährung. In Verbindung mit der Körpergröße und der Aktivitätszeit (tagaktiv/nachtaktiv) ergibt sich so eine wesentlich feinere Charakterisierung der Nahrungsökologie einer Art, als es die übliche Einteilung nach Gilden (guild; Arten mit ähnlichem Nahrungserwerb) erlaubt (Wilman et al. 2014; mit einer Datenbank von fast allen Vogel- und Säugetierarten). Ist die Nahrung vielfältig, ohne dass eine Kategorie dominiert, so sollte von Generalisten anstelle von Omnivoren gesprochen werden, weil der traditionelle Begriff des Omnivoren verschiedene Kombinationen vereint, die auf unterschiedlich adaptierten Verdauungssystemen beruhen (Pineda-Munoz & Alroy 2014). Allerdings wird die Bezeichnung «Generalist» auch in einer etwas anderen Bedeutungsvariante verwendet (siehe unten). Innerhalb der Herbivoren wird oft noch eine verfeinerte Einteilung angewandt (Kap. 2.5).

Verdauungstechnisch gesehen, ist es einfacher, sich von Fleisch als von Pflanzen zu ernähren, da tierische Zellen keine eigentlichen Zellwände besitzen. Damit ist die Zahl der carnivoren und omnivoren Tierarten viel größer als jene der herbivoren. Aus den höheren Verwandtschaftsgruppen (Kap. 1.2) sind die Knorpelfische, Amphibien sowie die wenigen Arten der Brückenechsen und Krokodile (praktisch) rein carnivor. Unter den Knochenfischen gibt es einige marine, vor allem aber Süßwasser bewohnende Arten (zum Beispiel die Karpfenartigen), die zu einem guten Teil herbivor leben. Auch unter den Echsen (mit Ausnahme der Schlangen) finden sich einige herbivore Gruppen (zum Beispiel Leguane); Schildkröten sind hauptsächlich omnivor. Bei den Vögeln ernähren sich eher größere Arten (vor allem Gänse und Schwäne sowie Straußenartige) von grünen Pflanzenteilen; die meisten herbivoren Vögel sind Körner- und Fruchtfresser (Box 2.4). Insgesamt ist die Nahrung bei Vögeln auch innerhalb einer Art oft sehr vielseitig. Mehr als die Hälfte der Vogelfamilien umfasst deshalb hauptsächlich omnivore Arten, und insgesamt dominiert der Anteil tierischer Nahrung, vor allem dank der vielen Insektenfresser. Auffällig ist zudem die vielfältige Nutzung von Fischen durch Vögel (Abb. 2.12). Bei den Säugetieren ist die Trennung in die Hauptgruppen Carnivore und Herbivore generell schärfer ausgebildet als bei den Vögeln. Mit etwa 90 % der Arten haben die Säugetiere den weitaus größten Anteil an Herbivoren; auch bei ihnen sind kleinere Arten (vorwiegend Nagetiere) eher granivor, während größere bis sehr große Arten sich von Gras, Kräutern, Laub, Zweigen und Wasserpflanzen ernähren können (Kap. 2.4 und 2.5). Mitunter nehmen auch ausgesprochene Herbivoren Fleisch zu sich, wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet, möglicherweise als einfache Form der Proteinaufnahme (Clauss et al. 2016).


Abb. 2.12 Die Nutzung der Ressource Fisch (oder auch von Krebstieren, Mollusken etc.) ermöglicht die Besiedlung aller Meere durch Vögel. In den produktiven Aufquellgebieten (upwelling areas) können einzelne Arten von Meeresvögeln oft hohe Bestandsdichten erreichen und bilden an ihren Brutplätzen auf Inseln die größten Massenansammlungen von Vögeln auf engem Raum. Der akkumulierte stickstoff- und phosphorreiche Kot wurde früher in Form von Guano zu Düngezwecken industriell abgebaut. In Walvis Bay (Namibia) hat man den Kapkormoranen (Phalacrocorax capensis) eigens riesige Brutplattformen errichtet. Als Biodünger erlebt Guano heute wieder eine steigende Nachfrage.

Als (Nahrungs-)Generalisten werden auch Tiere bezeichnet, deren Nahrungsspektrum breit ist, also viele verschiedene Komponenten enthält, unabhängig von den weiter oben definierten Nahrungskategorien. Das Gegenteil sind (Nahrungs-)Spezialisten. Zu einer stringenteren Definition wird etwa die Nutzung des vorhandenen Nahrungsangebots herbeigezogen: Generalisten nutzen das in einem Habitat vorhandene Beuteartenspektrum zufällig, Spezialisten in einer spezifischen Auswahl. Allerdings lässt sich das grundsätzlich nutzbare Angebot gerade bei Prädatoren oft kaum ermitteln. Im Zusammenhang mit unselektiver Nahrungssuche wird auch der Begriff Opportunist gebraucht. Bei Herbivoren, besonders Huftieren, spricht man von selektiv äsenden Arten, wenn sie bestimmte Pflanzen oder Pflanzenteile herausgreifen; das Gegenteil sind unselektive Äser (bulk feeders; Weiteres in Kap. 2.5). Die genannten Bezeichnungen sind deshalb vor allem beim Vergleich verschiedener Arten aus derselben Verwandtschaft oder der gleichen Gilde sinnvoll. Allerdings muss beachtet werden, dass es auch Arten gibt, bei denen einzelne Individuen sich als Nahrungsspezialisten, andere hingegen sich als Generalisten gebärden (Araújo et al. 2010; dieser Aspekt der intraspezifischen Variation wird in Kap. 3.2 besprochen). Abgesehen davon ist es verständlich, dass Spezialisten nicht unter den Omnivoren, sondern bei den Carnivoren oder Herbivoren zu finden sind. Generalisten hingegen müssen nicht zwingend omnivor sein; auch unter Carnivoren oder Herbivoren kann man im Vergleich verschiedener Arten von Generalisten und Spezialisten sprechen. Extreme Spezialisten, die sich von einer einzigen oder nur sehr wenigen Arten ernähren, kommen in den meisten Wirbeltiergruppen vor. Bekannte Beispiele sind unter den Herbivoren etwa der Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca), der zu 99 % von Bambus lebt, oder die Meerechse (Amblyrhynchus cristatus) auf Galapagos, die nur Algen und Tang frisst und sich dabei als einzige Echse aus dem Meer ernährt. Spezialisierte carnivore Arten sind etwa solche, die nur von Termiten oder Ameisen leben, was für verschiedene Gruppen innerhalb der Säugetiere (etwa Erdferkel, Orycteropus afer, und Ameisenbären; Abb. 2.14) und Echsen zutrifft. Ein sehr ungewöhnlicher Fall unter den Vögeln sind die Fettschwalme (Steatornis caripensis), die nachtaktive Fruchtfresser sind und sich teilweise über den Geruch orientieren. Oft geht extreme Spezialisierung mit sehr spezifischen morphologischen Anpassungen einher.

Box 2.4 Frugivorie bei Vögeln

Obwohl Früchte und Nektar pflanzliche Bestandteile sind, unterscheiden sich die Anforderungen an Frugivore und Nectarivore in mancher Hinsicht von jenen an klassische Herbivore. Entsprechend dem Nahrungsangebot sind Frugivore und Nectarivore vor allem in subtropischen und tropischen Breiten zu finden. Früchte werden von den Pflanzen produziert, damit sie gefressen und die in ihnen enthaltenen Samen verbreitet werden; Entsprechendes gilt für Nektar und Pollen. Die Brutzeit der frugivoren Vögel fällt in den Tropen mit der Zeit stärkster Fruchtbildung zusammen. Allerdings sind die meisten dieser Vögel nur als Adulte frugivor (Abb. 2.13); die Nestlinge füttern sie mit Insekten. Früchte enthalten im Allgemeinen einen zu geringen Anteil an Proteinen (Tab. 2.1), um die hohe Wachstumsgeschwindigkeit der Nestlinge zu gewährleisten. Gewisse tropische Früchte mit trockenem Fruchtfleisch bieten jedoch den darauf spezialisierten Vögeln eine relativ protein- und fettreiche Nahrung an (Snow 1976). Einige Arten sind damit total frugivor, das heißt, sie füttern auch die Nestlinge mit Früchten. Die Nestlingsdauer wird aber anders als bei Insektenfressern bei Fruchtnahrung dennoch häufig auf fast das Doppelte verlängert, was besonders prädatorensichere Neststandorte und -konstruktionen verlangt (Stutchbury & Morton 2001).

Für adulte Vögel ist das üppige und meist ganzjährig verfügbare Früchteangebot grundsätzlich eine energetisch lohnende Nahrungsquelle. Dennoch wird sie nicht ihrer Häufigkeit entsprechend genutzt. Dies hat damit zu tun, dass Verdauungsvorgänge innerhalb der Vögel sehr variieren. So besitzen zum Beispiel viele Singvögel – im Gegensatz etwa zu Menschen oder Laborratten – kein Enzym zur Spaltung von Sucrose. Auch sind zur Nutzung kohlenhydratreichen und fettreichen Fruchtfleisches aufgrund unterschiedlicher Assimilationsgeschwindigkeit differenzierte Anpassungen nötig. Weitere Probleme können die in Früchten enthaltenen Sekundärstoffe sowie unausgewogene Mineralgehalte für Frucht- und Nektarfresser verursachen (Levey & Martínez del Río 2001).


Abb. 2.13 Viele der neotropischen Tangaren (hier eine Dreifarbentangare, Tangara seledon) sind als Adulte zu einem Großteil frugivor, füttern die Jungen in der ersten Zeit aber vorwiegend mit Arthropoden.


Abb. 2.14 Der Große Ameisenbär (Myrmecophaga tridactyla) aus den Savannen Südamerikas ist ein spezialisierter Ameisen- und Termitenfresser. Seine röhrenförmige Schnauze ist zahnlos; die Aufnahme der Beute geschieht mithilfe einer langen Zunge.

2.4 Verdauungssysteme

Der Verdauungsapparat (digestive system, feeding apparatus) der meisten Wirbeltiere ist eine komplexe Abfolge von (teilweise gewundenen) engen Schläuchen und weiten Kammern und kann ein Mehrfaches der Körperlänge des Tieres messen. Je schwieriger es ist, die Nährstoffe aus der Nahrung zu extrahieren, desto komplexer ist der Verdauungsapparat aufgebaut. Von den Carnivoren (einfache Trakte) über die Omnivoren zu den Herbivoren (komplizierte Trakte) besteht ein Kontinuum von vorwiegend selbstständiger, enzymatischer Verdauung zu vorwiegend unselbstständiger Verdauung mithilfe symbiotischer Mikroorganismen, die den Nahrungsbrei in Gärkammern fermentieren. Grundsätzlich aber lassen sich im Verdauungsapparat vier Segmente zwischen Mund und After erkennen (Abb. 2.15): Mundhöhle und Pharynx (headgut), Vormagen, bestehend aus Speiseröhre und Magen (foregut), Dünndarm (midgut) und Dickdarm mit Blinddarm (hindgut).

Bereits die Mundregion lässt aufgrund ihrer morphologischen Differenzierung Rückschlüsse auf die Ernährung zu. Vögel besitzen keine echten Zähne und haben damit im Gegensatz zu Säugetieren keine effiziente Möglichkeit, die Nahrung schon im Mundbereich zu zerkleinern. Der Eulenpapagei (Strigops habroptilus) ist diesbezüglich eine Ausnahme; er vermag mit seiner Zunge Pflanzenmaterial zu zerreiben, um nur den Saft aufzunehmen (Kirk et al. 1993). Im Gegensatz zur Schädelform ist bei den Vögeln der Hornschnabel in Anpassung an die Art der Nahrung und ihre Beschaffung über die höheren taxonomischen Gruppen sehr vielfältig differenziert. Aber auch innerhalb einzelner Familien gibt es Beispiele spektakulärer adaptiver Radiation, die eine große Diversität der Schnabelformen (und weiterer, mit der Nahrungssuche zusammenhängender anatomischer Merkmale) hervorgebracht hat. Bekannte Lehrbuchbeispiele sind die Kleidervögel Hawaiis (Pratt 2005) oder die Grundfinken (Geospiza) der Galapagosinseln (Kap. 8.6), aber auch die Vangawürger Madagaskars gehören dazu (Abb. 2.16).


Abb. 2.15 Fünf Grundmodelle des Verdauungsapparats von Wirbeltieren; angegeben ist der Ort der mechanischen Zerkleinerung der Nahrung, der Säuresekretion zur enzymatischen Verdauung sowie der mikrobiellen Fermentation. a: Vögel, b: Carnivoren und Omnivoren, c: Dickdarmfermentierer, d: Vormagenfermentierer ohne Wiederkäuen, e: wiederkäuende Vormagenfermentierer (Abbildung neu gezeichnet nach Barboza et al. 2009).

Die mechanische Bearbeitung der Beute findet bei Vögeln erst im Magen statt. Die Beutegröße ist damit für die meisten Vögel durch ihr Schluckvermögen beschränkt. Greifvögel und andere Arten mit ähnlichem Schnabelbau können jedoch von größerer Beute mundgerechte Stücke wegreißen, und viele Samenfresser vermögen Samenschalen mit dem Schnabel zu knacken. Einige Vögel haben zudem spezielle Verhaltensweisen entwickelt, um an den weichen Inhalt hartschaliger Beute zu gelangen, ohne die unverdaulichen Teile hinunterschlucken zu müssen (Kap. 3.3). In der Regel wird aber auch Nahrung mit harter Schale ganz geschluckt. Eine Besonderheit der meisten Vögel ist die Erweiterung der Speiseröhre (Oesophagus) in einen Kropf (crop), welcher der Speicherung von Nahrung dient, zum Beispiel, wenn diese später den Nestlingen gefüttert werden soll. Die Verdauung setzt aber erst im Magen ein und findet bei carnivoren Arten weitgehend ohne mechanische Unterstützung statt. Die aasfressenden Geier müssen dabei jedoch mit starken Pathogenen zurechtkommen. Bei ihnen hat sich deshalb eine spezielle Gemeinschaft von Darmmikroben entwickelt, die von Bakterien dominiert wird, die für andere Vögel hoch toxische Wirkung haben (Roggenbuck et al. 2014). Zudem weist die genetische Ausstattung von Geiern auf Anpassungen im Immunsystem und bei der Produktion von Verdauungssekreten an die spezielle Ernährungsweise hin (Chung et al. 2015).

Samenfressende Vögel (Finken und andere Singvögel, Hühnervögel) oder pflanzen- und molluskenfressende Wasservögel haben aus dem unteren, muskelbesetzten Magenteil (Ventriculus) hingegen massive Kau- oder Muskelmägen (gizzard) entwickelt, in denen die mechanische Verarbeitung oft mit eigens aufgenommenen Magensteinchen (Gastrolithen) verstärkt wird. Zugleich findet Behandlung mit der Magensäure aus dem Proventriculus statt (Abb. 2.15a). Vögel mit saisonal unterschiedlich harter Nahrung können mit periodischem Abbau und Aufbau der Muskelmagenmasse reagieren. Beispiele solcher phänotypischer Flexibilität sind die Bartmeise (Panurus biarmicus), die zwischen Samen- und Insektennahrung wechselt, Hühnervögel in Reaktion auf unterschiedlichen Fasergehalt oder viele Watvögel, die sich zeitweise an hartschalige Molluskennahrung anpassen müssen (Piersma & Drent 2003; Vézina et al. 2010; Piersma & van Gils 2011). Massenänderungen des Verdauungstrakts laufen oft sehr schnell ab (Starck 1999), was sich Vögel bei größeren Zugleistungen zunutze machen können (Kap. 2.7). Nach ähnlichem Prinzip wie bei den Vögeln konstruierte Kaumägen kommen auch bei gewissen Fischen vor. Massenänderungen des Magens sind auch bei Schlangen mit seltenen, aber großen Mahlzeiten nachgewiesen (Ott & Secor 2007).


Abb. 2.16 Anpassungen in den Schnabelformen von drei Vangawürgern an unterschiedlichen Nahrungserwerb. Links ein Kleibervanga (Hypositta corallirostris), der ähnlich den Kleibern (Sittidae) an den Stämmen aufwärts klettert und Insekten aus Ritzen herauspickt. Der Sichelvanga (Falculea palliata; Mitte) benutzt seinen sichelförmigen Schnabel, um in tieferen Stammlöchern und unter der Rinde nach Insekten zu sondieren. Der Haken-vanga (Vanga curvirostris, rechts) besitzt ähnlich den echten Würgern einen kräftigen Hakenschnabel, mit dem er auch kleinere Wirbeltiere erbeuten kann. Man nimmt an, dass der Vorfahre der heutigen Vangawürger vor knapp 29 Mio. Jahren von Afrika nach Madagaskar eingewandert ist und die Radiation vor gut 24 Mio. Jahren einsetzte (Fuchs et al. 2006).

Säugetiere besitzen Zähne und verfügen damit meistens nicht nur über einen Fang-, sondern auch über einen Kauapparat; nur wenige Gruppen sind sekundär zahnlos geworden (Bartenwale, Kloakentiere und Ameisenbären; Abb. 2.14). Viel stärker als bei den Vögeln haben sich bei den Säugetieren deshalb mit der Bezahnung auch die Schädelformen differenziert. Chemische Unterstützung des Kauens setzt bei Säugetieren bereits in der Mundregion ein, da im Speichel Verdauungsenzyme enthalten sind. Dennoch findet der Großteil der Nahrungsverarbeitung auch bei ihnen im Magenbereich und im Dickdarm statt.

Wie bereits erwähnt, stellt die Verdauung an Carnivore und Omnivore (zum Beispiel Mensch, Schwein) geringere Anforderungen als an Herbivore. Ihr Magen ist generell einfach gebaut und der Dünndarm relativ kurz (Abb. 2.15b). Fermentierung findet erst im Dickdarm statt und ist bei dessen geringer Größe auch relativ unbedeutend. Omnivore mit höherem Anteil pflanzlicher Nahrung, vor allem solche mit saisonaler Herbivorie, verfügen allerdings über stärker entwickelte Dickdärme mit ähnlicher Funktionsweise wie herbivore Dickdarmfermentierer (Hume 2006; s. unten). Grundsätzlich nehmen aber verdauungsphysiologische Anforderungen bei Carnivoren weniger Einfluss auf die Ökologie des Nahrungserwerbs als bei Herbivoren. Für Carnivore liegen die ökologischen Herausforderungen stattdessen beim Erwerb genügender Nahrungsmengen – Aspekte, die vor allem in Kapitel 3 zur Sprache kommen. Deshalb fokussiert der Rest dieses Kapitels auf herbivore Säugetiere mit faserreicher Nahrung.

Verdauungssysteme der Herbivoren

Die speziellen Bedingungen, denen sich Herbivore bei der Ernährung zu stellen haben, sind bereits an mehreren Stellen zur Sprache gekommen. Dazu gehören:

• Pflanzennahrung (abgesehen von Samen, Früchten und Ähnlichem) ist zwar eine häufige Ressource, denn etwa 50 % des organischen Kohlenstoffs der Erde ist in Zellulose gebunden. Diese ist aber nicht einfach zu verdauen, und die Energieausbeute pro Einheit an grüner Pflanzenmasse ist damit gering.

• Die Qualität der Pflanzennahrung kann im Laufe einer Vegetationsperiode sehr stark schwanken. Meist nimmt der Proteingehalt der Pflanzen nach dem Austrieb schnell und erheblich ab; gegen Ende der Vegetationsperiode ist der Nährwert von Nahrungspflanzen oft sehr gering (in gemäßigten Klimazonen im Herbst und Winter, in den Savannen subtropisch-tropischer Gebiete in der fortgeschrittenen Trockenzeit).

• Pflanzen wehren sich mit verschiedenen Mitteln gegen Herbivoren. Gras enthält Einlagerungen von Siliziumkristallen, die beim Kauen abrasiv wirken. Blätter von Dikotylen produzieren sekundäre Pflanzenstoffe, um ihre Verdaulichkeit herabzusetzen.

Wirbeltiere können Zellulose (teilweise auch Hemizellulose) nicht direkt aufschließen, da ihre Zellen keine Zellulase produzieren. Dazu ist die Hilfe von Mikroben (Bakterien, Protozoen, Pilzen) nötig, die im Verdauungssystem unter anaeroben Bedingungen arbeiten und Zellulase bilden. Erst deren Fermentationsprodukte (vor allem kurzkettige und flüchtige Fettsäuren) können von den Herbivoren assimiliert werden. Lignin, ebenfalls ein Faserstoff, ist auch für Mikroben weitgehend unverdaulich. Die Aufschließung von Zellulose und Hemizellulose durch Herbivoren erfordert damit große Fermentationskammern und die Adaptierung des Verdauungssystems auf längere Retentionszeiten. Aus der Größe der Fermentationskammer der verschiedenen Herbivoren lässt sich so die Bedeutung der mikrobiellen Fermentierung für ihre Ernährung ablesen. Grundsätzlich haben sich unabhängig von der Stammesgeschichte mehrfach zwei verschiedene Strategien entwickelt, die sich in der Lage der Fermentationskammer in Bezug auf Magen und Dünndarm unterscheiden:

1. Dickdarmfermentierer (hindgut fermenters): Fermentation findet wie bei Omnivoren im eigentlichen Dickdarm und im Blinddarm statt; diese Därme sind anders als jene der Omnivoren aber stark vergrößert und komplexer gebaut (Abb. 2.15c, 2.17). Man kann zwischen zwei Gruppen unterscheiden (Abb. 2.18):

• Große Arten (>50 kg) fermentieren im eigentlichen Dickdarm (colonic fermenters).

• Kleine Arten (<5 kg) fermentieren eher im Blinddarm (cecal fermenters) und sind häufig kop-rophag, das heißt, sie fressen den eigenen Weichkot und teilweise auch den Faserkot.

2. Vormagenfermentierer (foregut fermenters): Die Fermentation ist in den Bereich des Magens vorverschoben, der sich dafür zu einem stark gekammerten System entwickelt hat. Auch bei den Vormagenfermentierern lassen sich zwei verschiedene Gruppen unterscheiden:

• Wiederkäuer (ruminants; Abb. 2.15e, 2.17, 2.21)

• Nicht wiederkäuende Vormagenfermentierer (Abb. 2.15d, 2.21)

Es ist zu beachten, dass im umgangssprachlichen Deutsch mit «Nichtwiederkäuer» oft die großen Dickdarmfermentierer gemeint sind.

Aufbau und Lage der Fermentationskammern führen zwischen Dickdarm- und Vormagenfermentierern zu Unterschieden bei der Effizienz der enzymatischen Verdauung und der Nutzung des mikrobiellen Proteins. Die chemische Effizienz der Fermentierung von Fasern ist hingegen bei den beiden Strategien ähnlich; Unterschiede beim Energiegewinn ergeben sich aus verschieden langen Retentionszeiten der Nahrung, die mit Kauen und Sortieren der Nahrung nach Partikelgröße zu tun haben. Die Vormagenfermentierer gewinnen bei langer Retentionszeit mehr Energie pro Einheit aufgenommener Nahrung als die Dickdarmfermentierer, sind aber bezüglich der Menge an Nahrung, die pro Zeiteinheit aufgenommen werden kann, stärker limitiert.

Dickdarmfermentierer

Dickdarmfermentierer gleichen in der Funktionsweise des Magens und Dünndarms den Carnivoren und Omnivoren. Die enzymatische Verdauung, das heißt die Assimilation von Proteinen und löslichen Kohlenhydraten, geschieht im Magen und Dünndarm, während Zellulose unverdaut passiert und erst im Dickdarm und/oder Blinddarm fermentiert wird. Bei der enzymatischen Verdauung sind Dickdarmfermentierer gegenüber Vormagenfermentierern im Vorteil, da sie die Assimilationsprodukte direkt nutzen können, während bei Vormagenfermentierern die Assimilation über den Umweg der Mikroben geschieht und durch diese zwischengeschaltete trophische Stufe die Effizienz verringert wird. Die potenziellen Nachteile liegen im Umgang mit dem mikrobiellen Protein. Bei kürzerer Retentionszeit kann Faser weniger gründlich verdaut werden, und es resultiert eine geringere Ausnutzung der Zellulose. Das Protein aus den abgestorbenen Mikroben wäre für den Wirt eine nützliche Quelle von Aminosäuren, doch Dickdarmfermentierer laufen Gefahr, es zu verlieren, weil Aminosäuren nur im Dünndarm aufgenommen werden können, die Fermentationskammern jedoch dahinter liegen. Mit diesen beiden Problemen gehen die kleinen und die großen Arten unterschiedlich um.


Abb. 2.17 Vereinfachtes Schema des Verdauungsapparats von Dickdarmfermentierern (oben; Beispiel Pferd, Equus sp.) und Wiederkäuern (unten; Beispiel Gazelle, Gazella sp.) (Abbildung neu gezeichnet nach MacDonald D., 2001).

Die großen Arten fermentieren hauptsächlich im eigentlichen Dickdarm, wo keine Sortierung nach Partikelgröße stattfindet. Sie erreichen oft im Vergleich zu Wiederkäuern kürzere Retentionszeiten und entsprechend geringere Freisetzung von Fettsäuren aus der Zellulose (Abb. 2.17). Andererseits ist der Prozess bei ihnen weniger energieintensiv und erlaubt dadurch die Aufnahme faserreicherer Nahrung sowie größerer Mengen pro Zeiteinheit. Der Verlust des mikrobiellen Proteins spielt für die großen Arten mit ihrem vergleichsweise niedrigen Grundumsatz keine Rolle. Zu dieser Gruppe gehören Unpaarhufer (Pferde, Nashörner, Tapire), Elefanten, Wombats (grasende Beuteltiere; Abb. 2.19) oder Seekühe.

Für die kleinen Arten mit ihrem relativ höheren Energiebedarf (Kap. 2.1) wären der beschränkte Gewinn an Fettsäuren bei dem einfachen Durchlauf der Zellulose sowie der Verlust des mikrobiellen Proteins nicht tragbar, sodass sie einen Teil ihres Kots zur erneuten Verwertung fressen. Bei den Hasenartigen und einigen anderen Arten ist der Dickdarm mit einem Sortiermechanismus ausgestattet, der den groben Faseranteil aus dem Gemisch aus Flüssigkeit, Nahrungspartikeln und Mikroben aussondert (Björnhag 1994; Abb. 2.18). Das verfeinerte Gemisch wird mit antiperistaltischen Bewegungen zurück in den geräumigen Blinddarm befördert, wo zur Fermentation mehr Zeit zur Verfügung steht, als es im direkten Durchlauf durch den Dickdarm wie bei den großen Arten möglich wäre. Die Reste abgestorbener Mikroben werden im Dickdarm zu einem weichen Kotballen geformt und nach Austritt direkt ab Anus wieder gefressen; dadurch kann das Protein der enzymatischen Verdauung zugeführt werden. Die aussortierten Faserteile ergeben dann den «normalen» Kot in Form von trockenen, harten Bällchen (Abb. 2.27). Diese können zu Beginn der Tagesruhezeit ebenfalls nochmals aufgenommen werden. Den ganz kleinen Dickdarmfermentierern (kleinen Nagetieren) scheint dieser Trennmechanismus zu fehlen, doch können sie offenbar zwischen sehr trockenem Kot und solchem mit höherem Proteinanteil unterscheiden und nehmen dann den letzteren häufiger auf (Hirakawa 2001). Zu den koprophagen Dickdarmfermentierern gehören Hasentiere (Hase, Kaninchen etc.) und manche Nagetiere wie Ratten, Wühlmäuse oder Lemminge, Meerschweinchen (Cavia) und selbst etwas größere Arten wie Nutria (Myocastor coypus) und Wasserschwein (Hydrochaerus hydrochaeris; Hirakawa 2002). Neben einem Lemuren zählen auch verschiedene laubfressende australische Beuteltiere dazu, wobei einige größere Arten, zum Beispiel der Koala (Abb. 2.20), zwar mit Sortiermechanismus ausgestattet sind, aber auf das Kotfressen verzichten können.


Abb. 2.18 Verdauungstrakte eines großen (Savannenelefant, Loxodonta africana, links) und eines kleinen, koprophagen Dickdarmfermentierers (Kaninchen, Oryctolagus cuniculus, rechts) (Abbildung neu gezeichnet nach Stevens C. E. & Hume 1995).


Abb. 2.19 Der Wombat (Vombatus ursinus), ein südaustralisches Beuteltier, ist mit etwa 30 kg so groß, dass er es sich «leisten» kann, Grasfresser zu sein.

Übrigens findet auch bei Vögeln die bei entsprechender Nahrung notwendige Fermentation mit einer Ausnahme (Abb. 2.23) im Blinddarm statt, der in der Regel paarig angelegt ist und bei Arten mit stark faserhaltiger Pflanzennahrung (zum Beispiel Strauß, Struthio, und Raufußhühnern) beachtliche Ausmaße annehmen kann. Gegen den Herbst hin kann die Länge der Blinddärme bei Raufußhühnern auf 75–100 % der Dünndarmlänge anwachsen, womit sie imstande sind, im Winter ausschließlich von Koniferennadeln oder den nadelförmigen Blättern von Ericaceen zu leben. Damit geht ein saisonaler Wechsel in der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft einher (Wienemann et al. 2011). Umgekehrt sind die Blinddärme in vielen carnivoren oder frugivoren Vogelfamilien reduziert oder praktisch ganz verschwunden.

Vormagenfermentierer

Fermentation im Vormagen hat im Vergleich zur Fermentation im Dickdarm den Vorteil, dass das mikrobielle Protein als Quelle essenzieller Aminosäuren und Vitamin B auch ohne Koprophagie zur Verfügung steht. Dafür ist die enzymatische Verdauung weniger effizient, weil sie teilweise durch die Mikroben übernommen wird und dabei die bereits genannten Energieverluste entstehen. Vormagenfermentierer nehmen oft wesentlich längere Retentionszeiten in Kauf, da die Nahrung in einem komplizierten Prozess nur langsam das stark gekammerte Magensystem durchläuft. Dieser Prozess ist bei den Wiederkäuern durch den periodischen Rücktransport von Nahrungsklumpen in den Mund zum intensiven Kauen unterbrochen. In geringem Umfang (wenige Prozent der gewonnenen Energie) schließt sich auch bei den Vormagenfermentierern noch eine zweite Fermentierung im Dickdarmbereich an.

Wiederkäuer haben das Prinzip der Vormagenfermentation durch einen zusätzlichen Sortiermechanismus perfektioniert, der eine extreme Zerkleinerung (und damit Verdauung) der Pflanzennahrung ermöglicht. Bei ihnen ist der Magen in vier Kammern geteilt. Die drei Vormägen, Pansen (rumen), Netzmagen (reticulum) und Blättermagen (omasum) sind eigentlich unterschiedlich differenzierte Teile der Speiseröhre, während der Labmagen (abomasum), der eigentliche Magen, homolog zum einhöhligen Magen vieler anderer Wirbeltiere ist (Abb. 2.15, 2.17). Während der Nahrungsaufnahme wird das weitgehend unzerkaute Pflanzenmaterial im Pansen, der größten der vier Kammern, deponiert. Bei einsetzender Fermentierung sinken die feineren Partikel schneller ab; dies führt im anschließenden Netzmagen zu einer Schichtung nach Partikelgröße. Hier werden die gröberen Partikel aussortiert und in den Pansen zurückbefördert, von wo sie portionenweise, als sogenannter Bolus, zum Wiederkäuen hochgebracht werden; die feineren Partikel aber verlassen den Netzmagen in Richtung des weiteren Verdauungstraktes. So kann Nahrung schnell in größerer Menge aufgenommen und die mechanische Zerkleinerung in Ruhe (meistens liegend; Abb. 2.22) und besser vor Prädatoren geschützt vorgenommen werden. Durch das zweite Kauen werden die Pflanzenteile mechanisch so zerkleinert, dass die Mikroorganismen die Fasern anschließend besser fermentieren können. Die Wiederkäuer erreichen damit, bezogen auf ihre Körpergröße, feinere Partikelgrößen als andere herbivore Säugetiere (Fritz J. et al. 2009). Die Fermentierungsprodukte, kurzkettige Fettsäuren aus Zellulose und Aminosäuren und Ammoniak aus Proteinen, werden vom Wirt zur Energiegewinnung und von den Mikroorganismen teilweise selbst für ihre Vermehrung gebraucht. Im Zuge der Fermentations-Kaskade wird auch Methan produziert und durch Rülpsen an die Umwelt abgegeben (heute sind wiederkäuende Nutztiere die Quelle von etwa 15 % aller Treibhausgase). Der für die Sortierfunktion im Netzmagen unerlässliche hohe Wassergehalt wird durch Speichel in den Vormagen eingebracht und in seinem hinteren Teil (Omasum) dem Nahrungsbrei wieder entzogen. Dann gelangt der Nahrungsbrei ins Abomasum. Dort und im anschließenden Dünndarm findet die enzymatische Verdauung von Fetten, einfachen Zuckern und Aminosäuren statt. Die aus dem Pansen gespülten Mikroben, die hier verdaut werden, sind selber die wesentliche Quelle von Proteinen für die Wiederkäuer.

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