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Daß die Lage der ländlichen Arbeiter und des Kleinbauerntums eine ungünstige, sich mehr und mehr verschlimmernde, der Abhilfe dringend bedürftige sei, wird, trotz der Loblieder auf den glücklichen deutschen Bauersmann, die hier und da noch aus dem Mund gutsituierter Gutsbesitzer und gedankenloser Zeitungsschreiber ertönen, von allen sich ernsthaft mit der Sache Beschäftigenden zugegeben, und die meisten unserer Kammern und Regierungen haben es tatsächlich durch gesetzgeberische Maßregeln verschiedentlicher Art anerkannt. Man hat die Nachteile der Güterzersplitterung durch Zusammenlegung der Äcker zu neutralisieren und durch landwirtschaftliche Vereine usw. einen rationellen Ackerbau und eine verbesserte Viehzucht herbeizuführen gesucht, jedoch ohne den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Der Mangel an Kapital läßt sich durch derartige Auskunftsmittel nicht ersetzen. Die Zusammenlegung der Äcker erleichtert dem Kleinbauer deren Bearbeitung, er bleibt aber immer ein Kleinbauer, der durch die Konkurrenz des Großgrundbesitzers und kapitalistischen Gutspächers allmählich erdrückt werden muß; und was nützen ihm die besten Rezepte für rationelle Bewirtschaftung, wenn er nicht Geld hat, sie zu befolgen? Es ergeht ihm wie einem halbverhungerten, an Blutarmut leidenden Proletarier, dem der Arzt Madeirawein, Roastbeef und ein halb Dutzend Eier pro Tag verschreibt. Auf dem Gebiet der Landwirtschaft nicht minder als auf dem der Industrie herrscht heutzutage die Großproduktion, und so wenig wie die Schulzeschen Pillen das Kleinbürgertum, können diese Palliativmaßregeln das Kleinbauerntum retten. Nicht besser ist es mit den jetzt vielfach, auftauchenden Vorschlägen zur Schaffung eines halbwegs menschenwürdig lebenden Landarbeiterstandes bestellt. Sie laufen, von einem mehr oder weniger dünnen Humanitätsfirnis verhüllt, sämtlich darauf hinaus, die Misere zu verewigen, die Klassenabhängigkeit zu einer permanenten Institution zu erheben. Der »freie« Arbeiter soll in einen seßhaften Leibeigenen verwandelt werden. Der Großgrundbesitzer soll einen Stamm von Tagelöhnern bekommen, die durch ein Häuschen und ein Gärtchen oder Äckerchen an die Scholle gefesselt werden, so daß sie ihm stets zu Diensten sind, seiner Ausbeutung sich nicht entziehen können. Es ist das beiläufig keine neue Idee: Von den englischen Fabrikanten und Kohlengrubenbesitzern ist sie seit Menschenaltern verwirklicht und hat zur abscheulichsten Sklaverei geführt. Frage man die englischen Arbeiter nach den »wohltätigen Wirkungen« des Cottage-Systems – ein Fluch wird die Antwort sein.

Da der Arbeiter von einem solchen »Eigentum« nicht leben und es auch nicht auf dem Rücken forttragen kann, so wird er dadurch an den Grundbesitzer »gebunden«, wird, was die Landarbeiter des östlichen Deutschland bereits sind: Dienstmann, Landsklave. Und das nennt man eine Reform! Durch derartige Vorschläge bekunden unsere Gegner nur, daß sie entweder selbst grenzenlos unwissend sind oder das Publikum für grenzenlos unwissend halten.

Es ist eine Wahrheit, die nur bestreiten kann, wer die Vernunft bestreitet: daß die Wirkung nicht beseitigt werden kann ohne die Ursache. Aus dem Privateigentum am Land ist der Zwillingsgiftbaum des Parzellensystems und Großgrundbesitzes hervorgewachsen. Solange das Privateigentum am Land existiert, wird dieser Giftbaum grünen und blühen und Früchte tragen, zum Sondernutzen einer kleinen Minderheit, zum Verderben der großen Mehrheit des Volkes, zum endgültigen Verderben aller. Jede Bemühung, dem Baum seine giftigen Eigenschaften zu nehmen, ist notwendig eine erfolglose, weil mit seinen Existenzbedingungen im Widerspruch. Hier heißt es: entweder – oder. Entweder das ganze Übel oder eine durchgreifende Kur. Entweder wir lassen sehenden Auges das Verderben sich vollziehen, oder wir rotten das Übel mit der Wurzel aus und entfernen die Ursache, indem wir das Privateigentum am Land aufheben, das Privateigentum durch Gemeineigentum ersetzen.

Das klingt dem ungewohnten Ohr gar gräßlich, verliert aber bei Licht betrachtet seine Schrecknisse und erscheint als die einfache Forderung der Gerechtigkeit und Notwendigkeit: der Gerechtigkeit, die es verbietet, daß die Mehrheit, daß die Allgemeinheit dem Sonderinteresse einiger wenigen geopfert werde – der Notwendigkeit, welche den Bruch mit den heutigen Eigentumsverhältnissen zum eisernen Gebot der Selbsterhaltung macht.

»Aber Aufhebung des Privateigentums, das ist ja Kommunismus!« Gut, doch wer wird sich vor einem Wort fürchten? Wortfurcht ist noch schlimmer und lächerlicher als Gespensterfurcht. Auf die Sache kommt's an; und daß der Kommunismus nicht bloß bei vielen Völkern in verschiedenen Kulturepochen bestanden und für etwas Selbstverständliches gegolten hat, sondern auch vom Christentum und von vielen der bedeutendsten Denker gefordert wird, das habe ich schon zu Anfang nachgewiesen. Also wozu dieser Schrecken vor einem System, dessen Durchführbarkeit und Nützlichkeit durch die Praxis und dessen »Sittlichkeit« durch den Charakter der Autoritäten, die es befürwortet haben, genügend festgestellt ist?

Doch ich will hier noch einen Gegner des Kommunismus und Sozialismus reden lassen.

»Wenn«, so schreibt der berühmte bürgerliche Ökonom John Stuart Mill in seinen »Prinzipien der politischen Ökonomie«, »wenn die Wahl wäre zwischen dem Kommunismus mit all seinen Chancen (Ungewißheiten) und dem gegenwärtigen Zustand mit all seinen Leiden und Ungerechtigkeiten; wenn die Institution des Privateigentums es als notwendige Folge mit sich brächte, daß das Produkt der Arbeit, wie wir jetzt sehen, in beinahe umgekehrtem Verhältnis zur Arbeit verteilt wird – die größten Anteile an die, welche nie gearbeitet haben, die zweitgrößten an die, deren Arbeit beinahe nur nominell (dem Namen nach, zum Schein) ist, und so in absteigender Linie die Remuneration (Belohnung) immer mehr abnehmend, je härter und unangenehmer die Arbeit wird, bis die ermüdendste und erschöpfendste körperliche Arbeit nicht mit Sicherheit darauf rechnen kann, auch nur des Lebens Notdurft zu verdienen –, wenn zwischen diesem Zustand und dem Kommunismus die Wahl wäre, würden sämtliche großen und kleinen Schwierigkeiten des Kommunismus nur wie Staub in der Waagschale sein.«

Die Wahl ist aber zwischen diesem Zustand und dem Kommunismus; die furchtbaren Ungerechtigkeiten des Privateigentums, gegen welche sich Stuart Mill in diesem berühmt gewordenen Ausspruch wendet, sind nicht bloße Zufälligkeiten, wie Mill vermeint, sondern naturgemäße, notwendige Wirkungen des Grundeigentums selbst, Wirkungen, die nur mit ihrer Ursache, d. i. mit dem Privateigentum selbst verschwinden können. Das Privateigentum, insoweit es nicht rein persönliches Eigentum ist, das heißt: was wir persönlich brauchen und verbrauchen – läßt sich nur denken entweder als tot daliegender wertloser Schatz oder als Mittel zur Ausbeutung der Arbeitskraft anderer. Hätte jeder als Privateigentum gerade so viel, daß er bei vernünftiger Arbeit davon leben könnte, so würde allerdings von einer Ausbeutung der Arbeit anderer nicht die Rede sein können, allein ein solcher Zustand hat niemals existiert, und obgleich die Poeten ihn als das Ideal menschlicher Glückseligkeit empfehlen, so wäre er auch keineswegs wünschenswert; denn die gesonderte Einzelarbeit oder höchstens Familienarbeit kann nur eine sehr niedrige Stufe der Produktion erreichen. Der Traum Jean-Jacques Rousseaus, der aus Ekel vor unserer Afterkultur und vor der Korruption der herrschenden Klassen sich in die Wälder flüchten und die Gesellschaft der wilden Tiere aufsuchen wollte, würde bittere Wahrheit werden. Es ist eigentümlich, freilich auch leicht erklärlich, daß die Menschen, wenn sie die Unerträglichkeit der Gegenwart zu begreifen anfangen, den Blick nicht gleich vorwärts lenken, sondern erst rückwärts in die Vergangenheit, welche sich ihnen in dem rosigen Licht der Überlieferung und der Phantasie zeigt.

Weit mehr als durch ihre vererbten Einrichtungen hemmt uns die Vergangenheit durch die Mythen, in welche sie sich hüllt. Eine so treffliche, untrügliche Lehrerin die Geschichte ist, das heißt die wahrheitsgemäße Schilderung und Erklärung des Geschehens, ein so gefährliches Irrlicht ist die Mythe, jener blendende Nebelschleier, den menschliche Einbildungskraft und Unwissenheit, zum Teil auch absichtlicher Betrug, um die Ereignisse und Zustände der Vergangenheit gewoben haben.

Von allen Irrtümern ist aber wohl der gefährlichste der: daß das Menschengeschlecht früher einmal, sei es im biblischen oder einem sonstigen Paradies, ein glückseliges Dasein geführt habe, das auf die eine oder andere Weise ihm später geraubt worden. Diese Umkehrung der geschichtlichen Entwicklung, dieses Auf-den-Kopf-Stellen der Wirklichkeit macht jeden menschlichen Fortschritt zu einem Rückschritt, beklagt jede Neuerung als eine Verschlechterung und sucht aus der Gegenwart das Heil in der Vergangenheit. Vor uns liegt das Paradies, nicht hinter uns. Die Fata Morgana eines vermeintlich hinter uns liegenden Paradieses verlockt nur in unfruchtbare, dem Wanderer oft den Tod bringende Wüsteneien. Die griechische Mythologie drückt dies schön aus durch die Sage von Epimetheus und Prometheus: Dem rückwärts schauenden Epimetheus verdankt das Menschengeschlecht die Öffnung der Pandorabüchse, aus der alle Übel sich über die Welt ergossen – dem vorwärts schauenden Prometheus verdankt es das himmlische Feuer, das er den Göttern ablistete, um den Menschen Licht und den Hebel der Kultur zu geben. Für dieses Verbrechen gegen die olympischen Götter wurde Prometheus von Jupiter an einen Felsen geschmiedet und den grausamsten Martern überliefert – bekanntlich lieben es die irdischen Götter noch heute, in ähnlicher Weise sich an denen zu rächen, die im Dienst der Menschheit das göttliche Feuer verbreiten.

Doch weiter. Liebig, auf dessen Zeugnis ich mich vorhin berief, zeigt uns in seinen Schriften den richtigen Weg, allerdings ohne sich der Tragweite seines Rates vollkommen bewußt zu sein, denn leider, wie bereits angedeutet ward, zählt er zu jenen Männern der Wissenschaft, die nicht den Mut der Konsequenz haben, weil sie, aus persönlichem Interesse oder aus Furcht vor Kollisionen, den herrschenden Gewalten, den bestehenden Zuständen Rechnung tragen. In den schon zitierten »Chemischen Briefen« schreibt Liebig: »Die regellose Beraubung unserer Wälder führte mit dem Herannahen ihrer Gefahren für den Staat und die Gesellschaft zu einer bewunderungswürdig geordneten Forstwirtschaft. Wäre der Wald in ebensoviel Parzellen geteilt und in ebensoviel törichten Händen wie das Ackerfeld, so würden wir längst kein Holz mehr haben; täglich rückt uns die Gefahr näher, durch die Ausrottung der Chinabäume eines der unschätzbarsten Arzneimittel für die menschliche Gesellschaft zu verlieren, und es bleibt uns nur der Trost, daß mit dem allerletzten Baum die rationelle Kultur derselben beginnen wird, die uns nach einer Reihe von Jahren für immer damit versorgt.«

Wohlan, sollen wir warten, bis wir zum »allerletzten Baum« gelangt sind? Sollen wir die »Not« an uns herankommen lassen und an eine rationelle Kultur erst denken, wenn uns das Feuer auf den Nägeln brennt und infolge des herrschenden Raubbaus eine vollständige Erschöpfung des Bodens mit allgemeiner Hungersnot über die Menschheit hereinbricht? Oder sollen wir die Landwirtschaft ebenso behandeln wie die Forstwirtschaft? In allen halbwegs geordneten Staaten ist man durch die »Not« dazu gedrängt worden, die Forstwirtschaft zur Staatssache zu machen. Entweder sind die Forste direkt Staatseigentum, oder sie werden unter staatlicher Aufsicht bewirtschaftet. Dieselben Gründe, welche zur staatlichen Bewirtschaftung der Forste geführt haben, erheischen nun aber auch die staatliche Bewirtschaftung des Grund und Bodens, ich meine des Agrikulturlandes, und zwar noch mit weit zwingenderer Gewalt, weil die Ernährung des Volks denn doch von weit dringenderer und unmittelbarer Wichtigkeit ist als die Lieferung von Brenn- und Bauholz.

Das Beispiel der Forstwirtschaft ist für das Prinzip entscheidend: Der Staat hat damit anerkannt, daß, wo das Privateigentum und der Privatbetrieb gemeinschädlich ist, das Staatseigentum und der Staatsbetrieb an die Stelle des Privatbetriebs treten muß. Daß diese Notwendigkeit aber für den Grund und Boden vorliegt, kann kein Unbefangener leugnen.

Mit Bezug auf den Grund und Boden hat sich der Staat aber auch schon in positivster Form das oberste Eigentumsrecht gesichert in dem sogenannten Expropriationsrecht. Jedes Stück Land, welches zu öffentlichen Zwecken geheischt wird, muß an den Staat oder die Gemeinde abgelassen werden. Allerdings gegen Entschädigung; was jedoch an der Tatsache nichts ändert, daß der Staat das oberste Verfügungs- und Eigentumsrecht für sich in Anspruch nimmt. Und das von Rechts wegen. Was aber gegen den einen Recht ist, ist auch gegen den anderen, ist gegen jeden Recht. Mit demselben Recht, womit jetzt in Ausnahmefällen die Expropriation durchgeführt wird, kann sie allgemein durchgeführt werden. Damit maßt sich der Staat kein neues Recht an, sondern übt ein ihm bereits gehörendes, von niemand bestrittenes Recht bloß in größerem Umfang aus. Will morgen der Staat sämtliche Grundeigentümer expropriieren, so bedarf er dazu gar keiner Ausdehnung seines Expropriationsrechts; er kann es auf Grund der bestehenden Gesetze tun. Das ist keine revolutionäre, gewaltsame Auslegung der Gesetze. Ich befinde mich in Übereinstimmung mit den konservativen Rechtslehrern. Ein Gewährsmann sei aus vielen herausgegriffen: Savigny, eine der bedeutendsten juristischen Autoritäten, der Gründer der sogenannten »historischen Schule«, während längerer Jahre preußischer Justizminister – gewiß ein Zeuge, dem niemand revolutionäre und kommunistische Tendenzen wird vorwerfen können!

In Savignys »System des heutigen römischen Rechts«, erster Band, Paragraph 56, lesen wir unter dem Titel »Vermögensrecht«:

»Um uns aber das Wesen des Eigentums klarzumachen, müssen wir von folgender allgemeiner Betrachtung ausgehen. Jeder Mensch hat den Beruf zur Herrschaft über die unfreie Natur; denselben Beruf aber muß er ebenso in jedem anderen Menschen anerkennen, und aus dieser gegenseitigen Anerkennung entsteht, bei räumlicher Berührung der Individuen, ein Bedürfnis der Ausgleichung, welches zunächst als ein unbestimmtes erscheint und nur in bestimmter Begrenzung seine Befriedigung finden kann. Diese Befriedigung nun erfolgt, vermittelst der Gemeinschaft im Staat, durch positives Recht. Wenn wir hier dem Staate die Gesamtherrschaft über die unfreie Natur innerhalb seiner Grenzen beilegen, so erscheinen die einzelnen als Teilhaber dieser gemeinsamen Macht, und die Aufgabe besteht darin, eine bestimmte Regel zu finden, nach welcher die Verteilung unter die einzelnen ausgeführt werde. Für eine solche Verteilung gibt es drei Wege, die nur nicht in einem ausschließenden Verhältnis zueinander gedacht werden müssen, sondern vielmehr in gewissem Maße gleichzeitig zur Anwendung kommen können. Wir können diese drei Wege folgendergestalt bezeichnen:

1 Gemeingut und Gemeingenuß,

2 Gemeingut und Privatgenuß,

3 Privatgut und Privatgenuß.«

So Savigny. Mit dürren Worten erklärt er, daß »der Staat die Gesamtherrschaft über die unfreie Natur innerhalb seiner Grenzen« hat und berechtigt ist, je nach dem »Bedürfnis der Ausgleichung« die »Verteilung« dieser Gesamtherrschaft »unter die einzelnen« durchzuführen. Und um ja keinen Zweifel über den Sinn aufkommen zu lassen, zählt Savigny die verschiedenen Formen auf, in denen sich diese »Verteilung unter die einzelnen« vollziehen kann, und stellt dabei bezeichnenderweise, als naturgemäß sich zuerst darbietend, »Gemeingut und Gemeingenuß«, das heißt das gemeinschaftliche kommunistische Grundeigentum, in die vorderste Linie.

Die Berechtigung des Staats, das Privateigentum an Land abzuschaffen, wird, wer der Autoritäten bedarf, einer Autorität wie Savigny gegenüber nicht abstreiten können. »Aber es wäre nicht zweckmäßig, hört das Privateigentum auf, so hört auch der Antrieb zur Arbeit auf; ein jeder arbeitet nur gerade so viel, als er muß, und die Allgemeinheit kommt dabei schlechter weg als jetzt.« Dieser Einwand, der uns häufig gemacht wird, entbehrt jeglicher Begründung, und betrachtet man ihn genau, so stellt sich heraus, daß er seine Spitze nicht gegen uns richtet, sondern gegen die heutige Gesellschaftsform. Die Anschauung, auf der er fußt, ist: Bloß wer Privateigentum hat, arbeitet mit Lust und Liebe, weil er ein Interesse daran hat, die Produktivität seiner Arbeit möglichst zu steigern. Nun hat aber unter den heutigen Eigentumsverhältnissen nur die Minderheit des Volkes Privateigentum; wo der Großgrundbesitz herrscht, ist die landbesitzende Minderheit eine verschwindend kleine; und wo das Parzellensystem herrscht, ist die Mehrheit der Landbesitzenden notorisch so arm, daß sie bloß dem Namen nach Eigentum hat, in Wirklichkeit nur für die Hypothekengläubiger arbeitet. Mit dem anderen Privateigentum verhält es sich nicht anders. Kurz, die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung arbeitet gegenwärtig nicht unter dem Stachel des Privateigentums, sondern zur Bereicherung anderer. Und gerade diese für fremde Rechnung arbeitende Majorität hat fast ausschließlich die landwirtschaftlichen Arbeiten zu verrichten; denn die wirklich besitzende Minorität arbeitet entweder gar nicht oder vergleichsweise sehr wenig. Die Sache steht demnach so, daß in der heutigen Gesellschaft die Arbeit wesentlich auf den Nichtbesitzenden ruht und daß die Besitzenden wesentlich von der Arbeit der Nichtbesitzenden leben; wer arbeitet, hat der Regel nach nicht den Ertrag seiner Arbeit; und wer den Ertrag der Arbeit hat, arbeitet in der Regel nicht. Das ist die Ordnung der Dinge unter der Herrschaft des Privateigentums. Haben wir dagegen Gemeineigentum, so ist ein jeder Eigentümer, wenn auch nicht Sondereigentümer; ein jeder hat folglich ein Interesse, die Produktivität seiner Arbeit möglichst zu steigern, denn er weiß, daß das, was er erarbeitet, ihm selber zugute kommt. Und er hat nicht bloß ein Interesse, selbst tüchtig zu arbeiten, sondern auch darüber zu wachen, daß sein Nachbar es tut, da ihm aus dessen Faulenzerei Schaden erwachsen würde. Also nicht in der heutigen Bourgeoisgesellschaft, sondern umgekehrt in der von uns erstrebten sozialistischen Gesellschaft, welche das Gemeineigentum an Stelle des Privateigentums setzt, hat die Masse des Volks ein direktes, unmittelbares Interesse an möglichst gesteigerter Produktivität der Arbeit.

Dazu kommt, daß für das Gemeineigentum alle Vorteile der modernen Großproduktion in Kraft treten, und zwar mit potenziertester Intensität, erstens, weil der Staat ungleich größere Mittel zur Verfügung hat als der reichste Grundeigentümer; zweitens, weil er die Fähigkeit hat, die Gesamtproduktion des Landes nach einem einheitlichen Plan zu regeln, was heutzutage unmöglich; und drittens endlich, weil er als Ausdruck der Gesamtheit genötigt ist, im Interesse der Gesamtheit zu handeln, wohingegen für den Privatgrundbesitzer, den großen und kleinen, ausschließlich das eigene Sonderinteresse maßgebend ist und das allgemeine Interesse nicht in die Waagschale fällt.

Die Haltlosigkeit des Einwandes, mit dem ich mich soeben beschäftigt, wird von John Stuart Mill ohne weiteres zugegeben [...]

[...] Hierzu nur einige kurze Bemerkungen: Zu so »kräftigen« Anstrengungen wird nach Aufhebung des Privateigentums allerdings kein Mensch »aufgestachelt« werden, daß er sich zu Tode arbeitet, sich »abrackert« – ebensowenig, wie es in der heutigen Gesellschaft noch vorkommt, daß der Sklavenbesitzer seinen Sklaven mit der Peitsche oder einem vorn mit einer eisernen Spitze versehenen Stock oder »Stachel« so lange zur Arbeit zwingt, bis der Gemarterte leblos zu Boden stürzt. Die Peitsche, der »Stachel« im unfigürlichen Sinne sind durch unsere humane Gesetzgebung längst abgeschafft; wir haben bloß noch die moralische Peitsche, den moralischen Stachel, womit die Arbeitgeber Hunderttausende und Millionen von männlichen und weiblichen Lohnsklaven vor die Hörner des Dilemmas treiben: entweder Hungers zu sterben oder sich im Dienste des Kapitals zu Tode zu arbeiten. Dieser Stachel wird in der sozialistisch organisierten Gesellschaft fehlen, aber der edle Wetteifer, das gesteigerte Pflichtgefühl – nicht eitle Sucht nach Bewunderung – der von dem Joch der niederen Selbstsucht befreiten Menschen sind mehr als genügender Ersatz; und erwägen wir ferner, daß der Hebel des Interesses, der jetzt nur auf eine winzige Minorität wirkt, dann (freilich in geläuterter Form, das persönliche Interesse mit dem Gemeininteresse zusammenfallend) auf sämtliche Mitglieder der Gesellschaft wirken, und – nicht minder bedeutendes Moment! – daß die sozialistische Gesellschaft für die Entfaltung der Fähigkeiten eines jeden Gesellschaftsglieds sorgen wird, während die heutige Gesellschaft der Majorität der Menschen die Bildung einfach unmöglich macht, so leuchtet es ein, daß, auch abgesehen von der besseren Organisation der Arbeit im allgemeinen, die persönliche Arbeit der einzelnen Gesellschaftsglieder eine ungleich produktivere sein muß als in der heutigen Gesellschaft. Im dem soeben verlesenen Zitat kommt eine Stelle vor, welche der Aufmerksamkeit unserer Gegner in den Beamtenkreisen ganz besonders zu empfehlen ist – ich meine den Vergleich der Arbeit in der sozialistischen Gesellschaft mit der Arbeit der Beamten im heutigen Staat. Wie Mill richtig hervorhebt, würden bei ersterer alle diejenigen Garantien für tüchtige Leistung vorhanden sein wie jetzt bei letzterer. Diesen Garantien ist aber noch die alle anderen an Gewichtigkeit übertreffende hinzuzufügen, daß der sozialistische Arbeiter oder meinetwegen Gesellschaftsbeamte nicht, gleich dem heutigen Staatsbeamten, ein Rädchen, ein Maschinenteil in einer Maschine, sondern ein selbständiger, in der Gemeinschaft seine Individualität zu vollster Geltung bringender Mensch ist, der das Bewußtsein hat, durch seine Arbeit sein eigenes Wohl mit dem Wohl der Gesamtheit zu fördern. Soviel steht aber unter allen Umständen fest: Ein Staatsbeamter, der die Ergiebigkeit der Arbeit im sozialistischen Gesellschaftsorganismus leugnet, bricht über seine eigene Arbeit und über sich selbst den Stab. Es wäre daher im Interesse der Beamten zu wünschen, daß wenigstens aus ihren Kreisen das Gerede vom kommunistischen Faulenzertum verstumme.

Doch zurück zur Landfrage!

[...] Die Rücksicht auf das allgemeine Interesse und, da das Interesse der einzelnen nicht von dem allgemeinen Interesse zu trennen ist, auch die Rücksicht auf das Interesse der einzelnen – welches nicht zu verwechseln ist mit dem Sonderinteresse einiger Privilegierter, Bevorzugter, deren Interesse dem der Allgemeinheit zuwiderläuft –, also die Rücksicht auf das allgemeine Interesse des Staats und der Staatsbürger ist der Boden, auf den wir uns in der Grundeigentumsfrage stellen, von dem aus wir unsere Schlüsse ziehen und auf dem wir unüberwindlich sind.

Daß dem allgemeinen Interesse das Sonderinteresse unterzuordnen und daß das Wohl des Staats das oberste Gesetz sei – salus rei publicae suprema lex –, das ist ein Axiom so alt wie der Staat, ein Axiom, dessen Richtigkeit niemals bestritten worden ist und das alle Regierungssysteme und Regierungen, von welchen die Geschichte uns Kunde gibt, als obersten Regierungsgrundsatz anerkannt und ausgeübt haben. Freilich, die Auffassungen des Begriffs Staatswohl sind ebenso mannigfaltig und verschiedenartig als die Auffassungen des Begriffs Staat. Das »Staatswohl« – unsere Herrscher nennen es mitunter: »Staatsräson« – stählte die römische Republik in ihrem Verzweiflungskampf gegen die Karthagenienser, als der furchtbare Ruf erdröhnte: Hannibal ante portas! Hannibal vor den Toren! Das »Staatswohl« drückte der Soldateska bei den Proskriptionen und in den Bürgerkriegen der zerfallenden, dem blutigen Schmutz des Kaiserreichs zueilenden Republik den Mordstahl in die Hand. Das »Staatswohl« stampfte aus dem revolutionären Frankreich des vorigen Jahrhunderts Millionen von Streitern für Freiheit und Vaterland und »organisierte den Sieg« der Republik über das verbündete monarchische Europa. Das »Staatswohl« war in des ehrgeizigen Bonaparte Mund, als dieser »geniale« Erzschelm und glänzendste Vertreter des modernen Cäsarentums und Kaiserschwindels die französische Republik erdrosselte; und das »Staatswohl« schützte er vor, als er, um seinem räuberischen Ehrgeiz zu frönen, die halbe Welt ein halbes Menschenalter hindurch mit seiner Blut-und-Eisen-Politik verheerte. Das »Staatswohl« trieb die amerikanischen Südstaaten in den Kampf für die Sklaverei und die Zerreißung der Union; und das »Staatswohl« wappnete die Bürger der amerikanischen Nordstaaten mit Heldensinn und Ausdauer, so daß sie in vierjährigem Ringen nicht erlahmten, aus jeder Niederlage frische Kraft schöpften und nach Anstrengungen, für welche in der neueren Geschichte nur die Nationalerhebung Frankreichs in den Jahren 1792, 93 und 94 ein Seitenstück bildet, der südstaatlichen Rebellen Herr wurden und die amerikanischen Freistaaten von dem Schandfleck der Sklaverei reinigten. Im Namen des »Staatswohls« sanktionierten vor zweiundzwanzig Jahren unsere deutschen Regierungen die Märzrevolution; und im Namen des »Staatswohls« stießen sie ihr, sobald die Gelegenheit günstig, den Dolch in den Rücken und verhängten über das Volk jene reaktionären Knebelgesetze, die, wenn auch zum Teil in etwas modifizierter Gestalt, noch heute auf uns lasten. Genug, es bedarf keiner weiteren Beispiele; jede Regierung, sei sie revolutionär oder reaktionär, republikanisch oder monarchisch, demokratisch oder konservativ, hat theoretisch und praktisch das »Staatswohl« als obersten Leitstern der Politik hingestellt. Nur, daß jede Regierung unter »Staatswohl« etwas anderes versteht. Was Goethe vom Zeitgeist sagt, daß er »der Herren eigener Geist« sei, das gilt auch vom »Staatswohl«; es ist der Herren eigenes Wohl; im Junkerstaat das Wohl der Junker, im Pfaffenstaat das Wohl der Pfaffen, im Bourgeoisstaat das Wohl der Bourgeois. Wir Sozialdemokraten, die wir weder den Junker- noch den Pfaffen-, noch den Bourgeoisstaat wollen, sondern den freien Volksstaat, der auf gleichen Rechten und Pflichten beruht und weder Herrscher noch Beherrschte, weder Ausbeuter noch Ausgebeutete duldet, wir verstehen unter Staatswohl folgerichtig nicht das Wohl der Junker, Pfaffen, Bourgeois, sondern das allgemeine Wohl, das Wohl der Gesamtheit, welches nur die Summe des Wohls aller einzelnen ist.

Obgleich unser »Staatswohl« nun etwas Verschiedenes ist von dem »Staatswohl« derer, die sich gewöhnt haben, den Staat für ihre Privat-, Standes- oder Klassendomäne anzusehen, so verkünden wir durch Erhebung des Staatswohls zum obersten Staatsprinzip doch kein neues Prinzip, sondern wenden nur ein allgemein anerkanntes Prinzip, statt im Interesse einzelner Individuen, im Interesse des Gesamtvolks an. Was speziell das Recht, in die Verhältnisse des Grundeigentums einzugreifen, anbelangt, so ist es von allen Regierungsformen und von allen Klassen geübt worden. Der Adel hat überall das Land zu seinen Gunsten konfisziert und annektiert; die Bourgeoisie hat in der Französischen Revolution das Land konfisziert und in ihrem Sinn verteilt; die monarchischen Regierungen des europäischen Festlands haben durch Abschaffung der Leibeigenschaft die Grund- und Bodenverhältnisse revolutioniert; sogar der russische Zar, der strammste Vertreter des Absolutismus, hat neuerdings diese Revolution in seinem Reiche durchgeführt und damit den Adel teilweise expropriiert; die amerikanische Republik hat durch Abschaffung der Sklaverei und Konfiskation des Grundbesitzes der gegen diese Maßregel sich auflehnenden Sklavenhalter der Südstaaten die Grund- und Bodenverhältnisse revolutioniert. Wie kann man nach solchen großen weltgeschichtlichen Vorgängen die Beschuldigung gegen uns erheben, indem wir in die Grund- und Bodenverhältnisse eingreifen wollten, schlügen wir aller Überlieferung ins Gesicht, forderten Unerhörtes, noch nie Dagewesenes, erstrebten die Zerstörung der Gesellschaft? Wir verlangen nichts weiter – und dies zu verlangen haben wir das Recht und die Pflicht –, als daß der Staat sein bisher nur im Interesse einer herrschenden und bevorzugten Minorität ausgeübtes Recht über Grund und Boden im Interesse der Gesamtheit ausübe. Wir verlangen nur, daß für das Gesamtvolk getan werde, was bisher nur für den Adel, die Dynastien und die Bourgeoisie getan worden ist.

Macht sich der Staat zum Werkzeug der herrschenden Minorität und stemmt er sich in deren Sonderinteresse gegen die vom Gemeininteresse erheischte Reform der Grund- und Bodenverhältnisse, nun, so wird das Notwendiggewordene dennoch zur Wirklichkeit werden. Es ist mit den gesellschaftlichen Vorgängen ähnlich wie mit den Naturvorgängen. Die treibenden Kräfte sind uns bekannt, wenigstens genügend, um die Wirkung im allgemeinen zu berechnen, allein die Einzelheiten der Wirkung entziehen sich der Berechnung.

Wir kennen die Gesetze der staatlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, wie wir die Gesetze der Windströmungen, der Witterung kennen, aber sowenig der kundigste Meteorologe die Witterung des folgenden Tages genau bestimmen kann, weil zu viele, in unendlich verschlungener Wechselbeziehung stehende und darum nicht mit mathematischer Gewißheit zu berechnende Faktoren im Spiel sind, ebensowenig kann der kundigste Sozialpolitiker den Verlauf der Gesellschaftskrise, in der wir jetzt stehen, in allen Einzelheiten vorausbestimmen. Die Logik lehrt uns zwar, nach welchen Gesetzen der Mensch denkt, die Psychologie, nach welchen Gesetzen er empfindet und handelt, allein wir sind nicht imstande, unseren Mitmenschen ins Hirn und ins Herz zu sehen. Ist es doch schon sprichwörtlich schwer, sich selber zu kennen, geschweige denn ein fremdes Individuum oder gar eine Klasse von Individuen. Und inmitten dieser millionenfachen Verschlingungen, Wechselwirkungen des gesellschaftlichen Lebens!

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9783966511858
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