Читать книгу: «Melody - Das Erwachen», страница 3

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Unbeholfen schritt Stuart zu seinem Stuhl.

»Ich weiß nicht genau, wer unsere Vorstellungen präsentieren soll«, fuhr Owen an Melody gewandt fort. »Traditionell wären es Georg und Richard, unsere ausführenden Produzenten, und natürlich Robert, auf dessen Schultern jetzt der Großteil der verantwortlichen Leitung liegt. Es wäre wohl an ihm, dir den Handlungsstrang vorzustellen und den Deal abzuschließen … Aber ich möchte zuvor einräumen, dass es von Anfang an meine Idee war, … und wenn du auf jemanden böse sein willst, sollte das wohl ich sein.« Erwartungsvoll hielt er inne, sah seiner Frau in die Augen und wandte sich dann wieder seiner Tochter zu. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir Familie und Geschäft wirklich voneinander trennen können, wie es wahrscheinlich richtig wäre, aber ich möchte, dass du dauerhaft zur Show zurückkehrst.« Er hob abwehrend seine Hände, als es darauf ein tumultartiges Stimmengewirr aufkam. »Lasst mich doch erst einmal aussprechen! … Du musst wissen, dass wir uns nicht einig waren, als es darum ging, dich zu bitten, wieder zurückzukommen, Melody. Ich denke nicht, dass wir uns mit der Vergangenheit beschäftigten sollten, aber deine Mutter und ich wollen dich zurück. Und wir wollen, dass du das weißt, ehe es hier weitergeht.«

Melody war fassungslos.

Für einen Augenblick herrschte absolute Stille im Konferenzraum.

Es fiel ihr schwer zu verarbeiten, was ihr Vater da gerade angekündigt hatte, und konnte an einigen verblüfften Gesichtern erkennen, dass dies keineswegs dem ursprünglichen Plan entsprang. Es war offensichtlich, dass er ihnen damit einen Strich durch die Rechnung machte und abwarten wollte, wie es sich weiterentwickelte.

Sie holte tief Luft und ließ sie langsam durch ihre leicht gespitzten Lippen heraus, während sie ihre Gedanken sammelte und Gefühle ordnete. Für einen Moment fühlte es sich für sie an, als sei sie einen Marathon gelaufen, so sprachlos machten sie seine Worte. Die ganze Situation verlief nicht so, wie sie sie sich ursprünglich ausgemalt hatte. Sie schloss kurz die Augen und wünschte sich Ryan an ihre Seite. Die Empfindungen, die gerade ihren Körper durchströmten, waren kaum zu verkraften und erstaunten sie. Allein an Ryan zu denken ließ sie lächeln und machte es ihr leichter ihre durcheinander geratenen Gedanken zu sortieren.

»Daddy …« Unbewusst war sie zu dieser Anrede zurückgekehrt, die sie seit ihrem achten oder neunten Lebensjahr nicht mehr gewählt hatte. Sie sah, wie sich seine braunen Augen augenblicklich mit Tränen füllten, legte ihre behandschuhte Hand auf die seinen, die geballt auf dem Tisch lagen. »Du hast mich mehr als überrascht, und ich muss gestehen, dass ich dich und alle hier niedermachen wollte! … Nein, lass' mich bitte ausreden …«, bat sie ihn, als er sich anschickte sie zu unterbrechen. »Zwischen uns ist viel geschehen und es sind neun Jahre vergangen. Ich werde meine Meinung noch einmal ändern … Das ist ja wohl das Vorrecht einer erwachsenen Frau, richtig, Mom?« Sie grinste ihre zustimmend nickende Mutter an. »Also werde ich nicht um den heißen Brei herumreden! Ich verstehe, dass die Show einen Aufschwung braucht. Gut. Ich werde für die ursprünglich vorgeschlagenen zwölf Wochen zurücckommen.« Sie wandte sich an ihre Agentin. »Mir ist klar, dass du um die Details feilschen willst, Maisie, aber das Geld steht augenblicklich im Hintergrund. Das kannst du im Anschluss regeln. Aber, und ich betone das ausdrücklich: Es ist nur für diese zwölf Wochen!« Als sie den Ausdruck ihres Onkels Richard bemerkte, fügte sie hinzu: »Und ich werde zum üblichen Tarif arbeiten …«

»Du bist völlig verrückt, Melody!«, unterbrach Maisie sie sanft. »Du bist eine mehrfach ausgezeichnete Preisträgerin und kannst deine Dienste nicht einfach für eine Seifenoper verschleudern!«

»Du solltest mich besser kennen, meine Liebe.« Melody lächelte ihre langjährige Freundin an. »Natürlich zahle ich dir deine volle Provision«, fügte sie scherzhaft hinzu.

»Es geht nicht um die Provision, Melody«, widersprach ihre Agentin. »Ich habe bei dieser Sache einfach ein schlechtes Gefühl!«

»Ich weiß, dass es dir nicht darum geht. Aber du bekommst sie trotzdem«, erwiderte Melody. »So haben wir es immer gehalten. Außerdem habe ich vorher schon für sehr viel weniger gearbeitet, und ich bin mir sicher, dass ich es wieder tun werde, wenn mich ein Filmdrehbuch richtig anspricht. Aber wenn ich damit dazu beitrage, dass deine beiden wildgewordenen Söhne weiterhin an dieser Privatschule bleiben können, dann soll das so sein. Ich möchte auch dieses Jahr wieder zum Elterntag eingeladen werden, hörst du? Schließlich habe ich jedesmal so viel Spaß dabei …« Sie verstummte und schaute in die Runde. »Und nun genug von diesem Thema! … Maisie und Onkel Richard besprechen die verbleibenden Details. Ich bestehe nicht darauf, die Skripts zu genehmigen. Ihr könnt mich in diesen zwölf Wochen auf jede bekannte, grausame Art und Weise töten, die euch gefällt. Aber ich werde mich nicht überreden lassen auch nur einen Tag länger zu bleiben! … Ich bin andere Verpflichtungen eingegangen und werde niemanden im Stich lassen. Bis zu meinem nächsten Filmdreh ist es eh noch ein Vierteljahr hin. Es scheint also vorbestimmt zu sein.« Sie nahm einen Schluck Wasser zu sich, als die Gespräche um sie herum wiederaufkamen. Dabei waren ihr die hier und da geflüsterten Kommentare nicht entgangen.

»Sie hat ja vielleicht Nerven! Tut so, als wäre sie hier die langersehnte Königin und behauptet, dass ihr Geld nichts bedeutet …«

»Wir könnten noch heute die erforderlichen Korrekturen am Skript vornehmen. Ich gehe jetzt nach Hause, damit Cathrine herkommen kann, damit sie mit den anderen Autoren so schnell wie möglich den Rohentwurf verfassen kann …«

»Owen, Liebes, sei einfach glücklich, dass sie für diese zwölf Wochen zurückkommt. Der Rest, na ja, wir lassen die Zukunft für uns arbeiten ...«

»Ich bestehe aber darauf, dass Melody ihr privates Ankleidezimmer bekommt, jeden Tag ein Mittagessen nach ihren Wünschen und ihr für die Zeit ein Chauffeur zur Verfügung gestellt wird …«, brachte sich Maisie mit Nachdruck ein.

Letztlich war es Veronicas Frage, die Melody schließlich an den Tisch zurückbrachte. »Wo wirst du die drei Monate bleiben, Melody? Ich weiß, dass du hier deine Wohnung aufgegeben hast.«

»Na, das ist doch ganz einfach«, meldete sich Michelle schnell, ehe jemand anders einen Vorschlag machen konnte. »Sie wird natürlich bei uns im Penthouse wohnen. So kann sie auch jeden Tag mit uns fahren …«

Vehement schüttelte Maisie den Kopf. »Das wird sie auf keinen Fall! Definitiv: Nein! … Wir mieten eine Suite und sie bekommt einen Chauffeur für die Hin- und Rückfahrten!«

»Ich glaube nicht, dass wir uns eine Suite und einen Chauffeur leisten können, Mrs. Swanbeck«, unterbrach Richard sie an dieser Stelle. »Zumal im Penthouse mehrere leere Zimmer vorhanden sind.«

»Das ich nicht lache! Sie würden keinem anderen Gast, den Sie mehr als dringend brauchen, dergleichen vorenthalten!«, sträubte sich Maisie, vehement für ihre Klientin argumentierend.

»Nun verstehen Sie doch, …«, versuchte es Richard erneut.

»Nichts da!«, echauffierte sich Maisie. »Seien Sie froh, dass sie ihren Entschluss überhaupt geändert hat! Sie ist eine mehrfache Preisträgerin und kein dahergelaufenes Starlett! Sehen Sie denn nicht, welches Opfer sie zu bringen bereit ist?«

»Wie oft wollen Sie mir das noch auf die Nase binden?«, polterte Richard. »Meinen Sie denn, ich wüsste das nicht?!«

»Dann sollte Ihnen auch bewusst sein, dass es für Melody einen Karriereknick bedeuten kann in dieser Schmierenkomödie mitzuspielen, nicht wahr?« Maisie war aufgesprungen. Sie wandte sich ihrer Mandantin zu. »Ich empfehle dir dringend jetzt mit mir zu gehen!«

»Aber Maisie, sie ist unsere Tochter, und Owen und ich würden uns freuen, wenn sie bei uns wohnen würde, ganz abgesehen von den finanziellen Überlegungen«, bemühte sich Geena, die aufgeheizte Situation zu entschärfen.

Melody hatte genug gehört und bereits selbst eine Lösung gefunden. Alles was es brauchte, war Ryans Zustimmung. »Ich bin euch für das Angebot sehr dankbar, aber ein guter Freund von mir hat hier eine Wohnung, die ich sicher nutzen kann. Und in seiner Tiefgarage steht ein Wagen. Mit dem kann ich jeden Tag hin- und herpendeln.«

»Och, Melody, wir möchten lieber, dass du bei uns bleibst, damit du dich nicht mit der Fahrt herumärgern musst.« Michelle griff nach der Hand ihrer Tochter.

»Wenn die Fahrten für mich zu viel werden sollten, nehme ich einfach ein Taxi. Das ist wirklich kein Problem.« Melody drückte sanft ihre Hand.

»Sagtest du gerade ›guter Freund‹, liebste Melody?«, stellte Geena die Frage, die wohl allen auf der Seele brannte. »Verrätst du uns, wer dieser großzügige Mann ist, der so bereitwillig seine Wohnung mit dir teilt? Ist er verheiratet, ledig … homosexuell? Was werden die Leute nur davon halten, wenn sie das mitbekommen?«

»Geena, wirklich!«, tadelte Leslie seine Frau.

Melody hätte auf diese Bemerkung gar nicht reagiert, wäre da nicht Stuart gewesen, der seinen Mund höhnisch verzog. »Nein, liebste Geena. Auch wenn es dich nicht das Geringste angeht: Er ist nicht verheiratet und ganz gewiss nicht homosexuell«, antwortete sie mit einem vielsagenden Grinsen, das offen ließ, ob sie letzteres selbst in Erfahrung gebracht hatte. »Abgesehen davon ist er der beste Freund, den Maisie und ich uns nur vorstellen können.«

Diesmal unterbrach sie die strenge Stimme ihres Vaters. »Auch ich bin der Meinung, dass es am besten wäre, wenn du bei deiner Mutter und mir bleiben würdest. Es gibt keinen Grund den Klatschtanten mehr als nötig zum Tratschen zu liefern, als unbedingt nötig.«

»Ich werde mit ihm reden. Anschließend lass' ich euch wissen, wo ich solange bleibe«, beharrte Melody. Sie richtete sich an ihre Freundin. »Ich brauche definitiv keinen Fahrer und auch kein eigens für mich gemachtes Mittagessen, Maisie. Ich kann gut mit den anderen in der Cafeteria essen, … oder ich bringe mir jeden Tag einige Sandwiches mit.« Mit einer Geste des stummen Dankes drückte sie die Hand ihrer Agentin, aber auch als Erinnerung daran, dass sie normalerweise niemals darauf bestand irgendeinen Einfluss auf ihre Verträge zu nehmen. Sie hatte immer hart daran gearbeitet, ihr Leben so unkompliziert wie irgend möglich zu gestalten, und wollte, dass es auch weiterhin so blieb. »Das Leben ist zu kurz, um wegen derlei unwichtiger Sachen einen Aufstand zu machen, Maisie. Ich glaube, dass am Ende alles gut wird.«

Sie wunderte sich über sich selbst, als sie plötzlich das Bedürfnis verspürte, mit Ryan über alles zu reden, was heute Morgen passiert war. Er dürfte sicher überrascht sein, wenn man bedenkt, wie aufgebracht ich vor zwei Nächte auf dieses Angebot reagiert habe. Wieder einmal lächelte sie still in sich hinein. Als sie aufstehen wollte, vernahm sie Stuarts Stimme, der sie etwas fragte.

»Geena hatte bereits gefragt. Du bist es einfach übergangen. Darf man erfahren, wer dieser ach so großzügige Freund von dir ist?« Der Spott in seiner Stimme war für jeden unüberhörbar.

Seine Unverschämtheit ließ Veronica durchatmen. Sie fragte sich auch, wer dieser geheimnisvolle Mann war, schaffte es aber ihre Neugierde zu zügeln.

Melody verharrte für einen Moment in ihrer Bewegung, um ihren feinen Wildlederrock an ihren Hüften zu glätten. »Das geht dich zum Teufel nicht das Geringste an, Stuart! Aber damit deine Neugierde gestillt ist: Er heißt Ryan Sutherland! Ich bin mir sicher, dass du seinen Namen schon das eine oder andere Mal gehört hast.« Sein offenstehender Mund zeigte ihr, dass er mit dem Namen durchaus etwas anzufangen wusste. »Wie ich sehe, ist er dir nicht unbekannt, nicht wahr?« Mit einem zufriedenen Lächeln verließ sie den Besprechungsraum.

*

Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, kam lautes Gerede auf.

Es war Geenas Stimme, die am Ende alle um sich herum verstummen ließ. »Ryan Sutherland also … Wow, wer hätte das für möglich gehalten? Unsere kleine Melody hat sich einen der begehrtesten Junggesellen und größten Fische an Land gezogen. Der ist einige Millionen schwer!« Sie machte eine Pause und sog an ihrer Zigarette, die sie sich gerade angezündet hatte. Immer wieder schüttelte sie ungläubig leicht den Kopf. »Ich fass' es nicht.«

Es war Maisie, die auf Geenas krasse Bemerkung antwortete. »Um es etwas zu präzisieren, meine Beste«, lächelte sie böse, »es handelt sich um rund sechshundert Millionen!« Sie machte eine bewusste Pause, wissend, dass alle in ihren Köpfen über Melodys Beziehung zu dem wohlhabenden Finanzier und Produzenten spekulierten. Sie konnte an ihren Gesichtern sehen, wie es in ihnen arbeitete. Bei Owen und Michelle war sie sich sicher, dass es Besorgnis war, ihre Tochter könne ein weiteres Mal verletzt werden, während Richard sich überlegte, welche wirtschaftlichen Vorteile daraus erwachsen würden, wenn dieser wohlhabende Investor zu ihrem strauchelnden TV-Format hinzustieße, wo eine kraftvolle Kapitalspritze doch noch nie geschadet hatte. Georg und Robert hatten offenbar ihre Probleme damit, sich zwischen brüderlichen Sorgen und denen als Produzenten der Show zu entscheiden. Möglicherweise dachten sie an die gleichen Vorteile wie Richard. Nur über das, was Stuart dachte, wagte sie nicht zu spekulieren.

Nur Veronica machte einen glücklichen Eindruck. Sie schien sich darüber zu freuen, dass ihre Schwester sich mit diesem Mann verbunden fühlte. Es war ja allgemein bekannt, dass sie sich nicht irgendwelchen gedankenlosen Affären hingegeben hatte wie so viele andere in ›Hollywood‹.

Es war eindeutig Geenas Ausdruck, der ihr am besten gefiel. Sie schaut drein wie eine Katze, die gerade an der Sahne schlecken will und feststellen muss, dass diese zu Essig geworden ist!, lächelte Maisie in sich hinein.

***


Kapitel 6

Melody nahm sich ein ›Yellow Cab‹ und fuhr direkt zu Ryans Büro im Finanzdistrikt von Manhattan. Schon lange ehe sie ihn zum ersten Mal traf, wusste sie mit seinem Namen etwas anzufangen, wenngleich sie nie ein Bild von ihm gesehen hatte.

Er hatte seine ersten hundert Millionen bereits verdient, als er die Nachfolge seines Vaters übernahm, der in den wohlverdienten vorzeitigen Ruhestand ging, und das erfolgreiche Investmentbanking-Unternehmen global gemacht. Dann hatte er sich entschieden, eine neue Herausforderung zu suchen und sich auf Filmproduktionen zu konzentrieren. Auch in diesem Bereich schien es, als hätte er die Fähigkeit, alles was er anpackte in Gold zu verwandeln. In den letzten sechs Jahren war er die treibende Kraft hinter weltweit unglaublich erfolgreichen Action- und Abenteuerfilmen gewesen. Diesmal lag sein Fokus auf einem anderen Genre, wissend, dass es immer riskant war, unabhängige Filme zu produzieren. Aber er hatte zwei Trümpfe in der Hinterhand: den besten ausländischen Regisseur der Welt und Melody. Oft hatte er ihr gesagt, wie sehr er auf ihre schauspielerischen Fähigkeiten vertraute.

Noch nie zuvor war sie in seinem Büro gewesen, wenngleich sie immer wieder an den beeindruckenden Turm aus Stahl, Glas und Chrom gedacht hatte, den Ryan mit einer eisernen Faust im Samthandschuh zu führen verstand. In dem Gebäude, das eine erstklassige Ecke des Finanzviertels einnahm, waren seine Ostküsten-Unternehmungen untergebracht, während sich seine persönlichen Büros im obersten Stockwerk befanden. Interessiert schaute sie sich um, als sie durch die Lobby schritt und langsam auf einen der sechs Hochgeschwindigkeitslifte zuging. Alles war geschmackvoll dekoriert und es herrschte ein geschäftiges Treiben. Sie registrierte die gedämpften Farbtöne von Pflaume, Grau und Creme und die riesigen Gemälde, die die Wände schmückten.

Als sie in der fünfundvierzigsten Etage den Fahrstuhl verließ, versanken ihre Absätze in einem plüschigen, anthrazitfarbenen Teppich. Eine gut gekleidete Frau, die eine Anstecknadel mit dem Hinweis ›Kundenservice‹ trug, zeigte ihr die Richtung zu Ryans Büro. Auf dem Weg dorthin, empfand Melody mit jedem Schritt mehr Respekt ihm gegenüber – einen Respekt, der nichts mit Geld zu tun hatte.

Bei ihrem ersten Treffen, hatte sie keine Ahnung, wer er war oder dass er über mehr Geld verfügte, als alle Leute im Krankenhaus zusammen – sowohl Patienten als auch Mitarbeiter. Sie hatte sich einer weiteren rekonstruktiven Operation unterziehen müssen, als sie aus Versehen mit ihm zusammengestoßen war. Langsam und offensichtlich unter heftigen Schmerzen war er ihr im Korridor entgegengekommen. Sie erinnerte sich an seine Grimasse, als sie ihn am Arm packte, damit er nicht fiel, nachdem er heftig taumelte. Sie hatte versucht sich bei ihm zu entschuldigen, aber er war mehr mit den Schmerzen beschäftigt die durch seinen Körper jagten, als sie tatsächlich bewusst wahrzunehmen. Ihr war aufgefallen, wie er seine linke Hand gegen seinen Unterleib gepresst hielt, um die Wellen der Schmerzen einigermaßen abzumildern.

Genau diese Schmerzen hatten sie später bewogen ihn in seinem privaten Zimmer aufzusuchen. Mit einem frechen Lächeln und nach einer kleinen Bestechung der diensthabenden Krankenschwester am Tresen des Operationsflügels, hatte sie die kurze Strecke bis zu seinem Krankenzimmer hinter sich gebracht. Später hatte sie oft das Gefühl, dass sich die signierte Ausgabe ihres neuesten Buches, die sie der Nachtschwester geschenkt hatte, definitiv gelohnt hatte.

Aus dem Raum war eine tiefe Stimme gedrungen, als sie zaghaft angeklopft hatte. Es war ein kräftiges, gebieterisches »Herein!«, kein deutlich freundlicheres »Treten Sie ein!«, gewesen und für sie ein klarer Beweis, dass dieser Mann daran gewöhnt war, Menschen zu befehligen und Macht auszuüben.

Behutsam hatte sie es gewagt die Tür zu öffnen und die Umgebung gemustert. Es war eines der teuren, exklusiven Zimmer, die sich im privaten Flügel des Krankenhauses befanden. Eines von denen sie schon gehört hatte, weil andere Patienten immer wieder darüber sprachen.

»Wer sind Sie?!«, hatte Ryan, der aufrecht im Bett saß und von überraschender Größe war, sie prompt mit rauer Stimme gefragt.

Sie lachte in sich hinein, als sie daran dachte, dass sie ihn in diesem Augenblick für einen großen Grizzlybären gehalten hatte – nur dass er blondes Haar und klare blaue Augen aufwies, die sie an das blaue Gewand einer Madonna auf einem Gemälde erinnerten, das ihr im Gedächtnis geblieben war.

»Ich bin diejenige, die heute Morgen im Flur so tollpatschig in Sie hineingelaufen ist … Ich wollte mich nur in aller Form für die Schmerzen entschuldigen, die ich verursacht habe und Sie fast in die Knie zwangen. Ich hasse die Vorstellung, jemandem Schmerzen bereitet zu haben.«

*

Melody brachte sich in die Gegenwart zurück und lächelte die ziemlich streng dreinblickende Frau an, die hinter dem Schreibtisch vor den Flügeltüren saß, die Ryans Namen trugen.

»Guten Morgen. Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Miss …?« Ihre Stimme war so frostig wie ihr Gesicht.

Melody wusste, dass sie diesen bissigen Wachhund nicht so leicht umgehen konnte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie sich fragte, ob eine Bestechung bei ihr ebenso gut funktionieren würde wie bei der Nachtschwester – kam aber zu dem Schluss, dass sie wohl gegen jede Art der Zuwendung immun war.

»Ist Mr. Sutherland schon in seinem Büro. Ich hatte gehofft ihn …« ›hier zu treffen‹, wollte sie eigentlich noch hinzugefügt haben, als sich der Rücken der Frau bereits versteifte und die Raumtemperatur gefühlte fünfzig Grad Fahrenheit in den Keller abrutschte.

»Haben Sie einen Termin, Miss?«, erkundigte sie sich eisig. »Kein Treffen mit Mr. Sutherland ohne vorherige Terminabsprache!«

Erneut sank die Raumtemperatur. Sie stand jetzt kurz vor dem absoluten Nullpunkt.

Melody gab sich selbst die Schuld daran, dass hier niemand etwas von ihrer Freundschaft zu Ryan wusste. Er hatte ihr mehrfach angeboten, ihr sein Büro zu zeigen. Aber um hierher zu kommen, hätte sie zuvor an den Studios vorbeifahren müssen – den Platz, den sie bis heute wie die Pest gemieden hatte. »Wenn Sie ihn bitte stören würden und mitteilen, dass ich hier bin, …« Sie unterbrach sich, um das Namensschild auf dem Tisch der Sekretärin zu lesen, »Mrs. Jones. Ich bin sicher, er wird mich sehen wollen, wenn er Zeit hat. Wir sind befreundet. Sehen sie …« Ihre Stimme versagte, als sie den Ausdruck sah, den ihr die Frau in diesem Augenblick entgegenbrachte. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie versucht, sich umzudrehen und davonzulaufen. Nur der Adrenalinrausch, den sie zuvor verspürt hatte und der noch nicht völlig abgeklungen war, ließ sie auf der Stelle verharren.

»Nun gut«, bestätigte Mrs. Jones unerwartet. Sie nahm den Hörer zur Hand und drückte mit einem Finger der anderen auf eine der zahlreichen Tasten der Telefonanlage, die Melody nicht sehen konnte. »Es tut mir leid Sie stören zu müssen, Mr. Sutherland«, sprach sie eine Sekunde darauf mit leiser Stimme, »aber hier ist eine Dame, eine Miss …« Sie deckte die Muschel des Telefons ab und schaute Melody abwartend an.

»Entschuldigen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Tyrrell, Melody Tyrrell«, gab Melody schnell die gewünschte Auskunft.

»Aha! Die Oscar-Preisträgerin also. Nun gut.« Die Sekretärin sah sie kühl an, ehe sie fortfuhr: »Eine Miss Melody Tyrrell. Sie sagt, dass sie … Mr. Sutherland … Mr. Sutherland? Sind Sie noch da, Sir?!«

Sie und Melody drehten sich überrascht herum, als die rechte Flügeltür geöffnet wurde.

Mit schnellen Schritten kam Ryan auf sie zu und schlang seine starken Arme um ihren schlanken Körper.

Melody war verblüfft über die Gefühle, die seine kraftvolle Umarmung in ihr auslösten. Für Sekundenbruchteile schien sich ihr Atem in ihren Lungen zu verfangen, als sie sich ihren Empfindungen hingab, während er sie so innig an sich presste. Im gleichen Moment nahm sie seinen wunderbaren männlichen Duft war. Es war dasselbe Aftershave, dass er immer trug – und doch schien es in diesem Augenblick ganz anders zu sein. Warum ist es jetzt nur so anders?, fragte sie sich, seinen Geruch tief einatmend.

Ryan löste die Umarmung, trat einen halben Schritt zurück und gewahrte ihre geschlossen Augen und dass sie den Atem einhielt. »Was ist los, Melody?«

Ein weiches, sanftes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie die Luft ganz langsam aus ihren Lungen entweichen ließ. »Es ist alles gut, Ryan … Ich schaffe gerade eine Erinnerung.«

Verwirrt schaute er sie an. »Wovon redest du? Bist du sicher, dass es dir gut geht?«

Melody fühlte sich gezwungen einen Schritt auf ihn zuzumachen, sich zurück in seine Umarmung zu lehnen und ihre Nase erneut in seiner Jacke zu vergraben, um ihn ein weiteres Mal einzuatmen. Sie genoss das Gefühl und seinen Geruch. »Ich habe es einmal in einem Film gesehen, Ryan«, flüsterte sie, während sie langsam einatmete.

»Was? … Was hast du gesehen?«

»Ein junges Mädchen, das davon sprach für sich eine Erinnerung zu schaffen. Mir ist gerade erst bewusst geworden, wovon sie gesprochen hat.«

»Melody, meine Liebe, da komme ich nicht mehr mit ... Ich denke, du musst dich hinsetzen. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass ich dich wohl zu sehr unter Druck gesetzt habe, und vielleicht war das heutige Treffen mehr, als du bewältigen konntest.« Mit ernsthafter Besorgnis schaute er sie an.

»Nein, wirklich, mir geht es gut. Ich möchte mich nur für immer daran erinnern, wie du für mich riechen wirst.« Sie lächelte, als sie den Anflug von Befangenheit auf seinem Gesicht wahrnahm, während er die beeindruckend unterkühlte Mrs. Jones anblickte. »Oh, Ryan, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen … Vielleicht hast du recht. Mir wurde heute bereits gesagt, dass ich ziemlich seltsam handle. Nichts lief so, wie ich es mir vorgestellt habe.«

»Nun, ich bin jedenfalls froh, dass du hierhergekommen bist. Ich muss gestehen, dass ich den größten Teil des Vormittags in meinem Büro gesessen und an dich gedacht habe … Komm rein und erzähl' mir, was passiert ist.« Er legte ihr einen Arm um ihre Schultern und führte sie ins Büro. Sie waren fast drinnen, als er sich umdrehte, um seiner verblüfften Sekretärin zu sagen, sie solle keine Anrufe durchstellen.

Melody lachte, als er die Tür hinter sich schloss. »Mrs. Jones ist perfekt für dich. Ich bin sicher, dass sie dich über alles auf dem Laufenden hält.«

Ryan lächelte schüchtern über ihre genaue Einschätzung. »Sie arbeitete schon für meinen Vater. Es gibt Zeiten, in denen ich das Gefühl nicht loswerde, dass sie weit mehr über meine geschäftlichen Aktivitäten weiß als ich.« Er goss ihr ein Glas Wasser ohne Eis ein und reichte es ihr.

»Offensichtlich ist sie nicht die Einzige, die gewisse Dinge weiß.« Melody hielt das Glas hoch.

Er kannte ihre Vorlieben so gut, dass er nicht mehr fragen musste.

»Und muss eine gute Sekretärin nicht immer mehr als ihr Boss wissen?«, fuhr sie fort. »Schließlich ist sie doch diejenige, die all deine Anrufe und Post bearbeitet. Wer also sollte die Abläufe deines Unternehmens besser kennen? … Vielleicht solltest du sie zu deiner persönlichen Assistentin befördern.

»So habe ich dich ja noch nie erlebt … Ehrlich.« Abwartend schaute er sie an.

Sie wusste, dass er ihr angeboten hatte, sie zum Meeting zu begleiten. Sein verwirrter Gesichtsausdruck ließ sie vermuten, dass er unsicher war, ob er wirklich wissen wollte, was passiert war und sie so verändert hatte.

Für einen Moment rieb sich Ryan die Stelle zwischen den Augen. Es schien, als denke er über etwas nach und sei noch unentschlossen, sie etwas zu fragen. »War Chapman auch dort?«, erkundigte er sich plötzlich.

Sie nickte überrascht. »Ja. Außer Cathrine waren alle da. Er hat aber nicht viel gesagt. Gesprochen hat zumeist mein Vater.« Sie wartete nicht darauf, dass er jetzt etwas erwiderte und fügte direkt hinzu: »Du hattest recht, Ryan.«

*

Ihre Worte durchbrachen sein augenblickliches, vorherrschendes Gedankenwirrwarr. Für einen Moment fühlte er einen heftigen Stich in seinem Herzen. Er wusste, dass seine Tage als altruistischer Freund und Ritter in der glänzenden Rüstung gezählt waren. Er hatte gewusst, dass auch Stuart Chapman der Konferenz beiwohnen würde. In den einsamen Stunden der letzten Nacht hatte er sich eingestehen müssen, dass er den Gedanken hasste, Melody könne Stuart möglicherweise vergeben und zu ihm zurückkehren. Bei Gott, er hasste es diese Eifersucht zugeben zu müssen. Aber genau das war er: eifersüchtig! Er liebte sie von ganzem Herzen, und er wollte sicherstellen, dass es für Chapman keine Chance gab, sie zurückzugewinnen. Als er sie so verändert sah, befürchtete er, dass seine tiefgehende Angst – sein schlimmster Albtraum – vielleicht wahr geworden war.

»Ich bin so froh, dass du vorgeschlagen hast, einen Tag zu warten«, sprach sie weiter. »Ich bin gestern noch durch den Park gelaufen. Es war wirklich schweinekalt, weißt du? … Ich ging stundenlang spazieren gegangen und dachte noch einmal über all das nach, was in meinem Leben seit dem Feuer passiert ist. Und … ich schäme mich fast, das zuzugeben, aber Dr. Smith, … du weißt, er ist mein langjähriger Psychiater, der letztes Jahr in den Ruhestand gegangen ist, die ganze Zeit über recht hatte.« Sie legte eine Pause ein, um einen Schluck Wasser zu trinken. Dabei bemerkte sie den seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht. »Verzeih', Ryan, aber ich scheine heute in einer seltsamen Stimmung zu sein. Ich schweife ab. Ich habe mich heute nicht wie ein verwöhntes kleines Mädchen verhalten, zu dem noch nie jemand ›Nein‹ gesagt hat …« Sie lächelte still. »Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich rebelliert!« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe heute verstanden, dass meine Eltern vom Unfall genauso betroffen waren wie ich, und dass ich einfach keinen Platz in meinem Herzen hatte, um ihnen oder irgendjemandem zu vergeben. Bis heute Morgen war das so.« Sie pausierte, um ihre Beine zu überkreuzen und einen weiteren Schluck Wasser zu sich zu nehmen.

»Und das bedeutet, meine Süße?«, fragte er. »Wirst du die Show machen? Wird alles so weitergehen wie früher?« Er versuchte seine Anspannung und jede Verärgerung aus seiner Stimme zu nehmen, scheiterte aber damit.

»Ja, ich werde die Show machen. Aber nur für diese zwölf Wochen, danach sind sie wieder auf sich allein gestellt ...«

Er fühlte sich gezwungen, sie erneut zu unterbrechen. »Du meinst, sie wollten, dass du länger in der Show auftrittst?«

Melody lächelte und streckte ihre Hand aus, um ihn neben sich auf das Ledersofa zu ziehen. »Mein Vater wollte, dass ich für immer zurückkomme ... Nein, warte eine Sekunde und lass mich ausreden!« Sie schaute ihm stolz in die Augen. »Ich habe Nein gesagt, und dass ich andere Verpflichtungen eingegangen bin … Deinen Film zum Beispiel.«

»Ist der denn für dich eine Verpflichtung?« Wieder konnte er seinen Unmut nicht aus seiner Stimme und seinen Worten heraushalten.

Überrascht sah sie ihn an. »Nein, das bedeutet mir viel mehr als das. Es ist mir wichtig, was du mit diesem Film über unsere sich verändernde Welt sagen willst und wie wir sie so herzlos zerstören …« Sie senkte ihre Augen und blickte auf ihre behandschuhten Hände. »Aber ich … ich … interessiere mich auch für dich. Du bist mir der beste Freund, den ich je hatte. Du weißt so viel mehr über mich als alle anderen.«

»Nicht einmal Stuart Chapman?« Die Worte waren aus seinem Mund, ehe er sie zurückhalten konnte.

»Ich habe Stuart nie erzählt, was ich mit dir geteilt habe. Als ich mit ihm verlobt war, war ich wie ein Kind. Das kann ich jetzt sehen ... Du und ich … Wir haben unsere Gedanken, unsere Hoffnungen und unsere Träume geteilt, um zu versuchen, in dieser Welt etwas zu bewirken.« Sie beugte sich vor, um ihm einen sanften Kuss auf die Wange zu drücken. »Ich möchte mich nicht mit dir streiten. Das ist nicht der Grund, warum ich hergekommen bin.«

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