Читать книгу: «Final Game», страница 3

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Sam blickt zu Neve. Besorgt nimmt sie ihr ein paar Haare zurück.

»Geht’s wieder?« Neve holt tief Luft, setzt ein schweres Lächeln auf und nickt.

»Ja, danke.« Sam schüttelt den Kopf. Neve weiß, dass sie sich bei solchen Attacken für keine Hilfe zu bedanken hat. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit ihrer Frau in jeder Situation zu helfen.

Langsam steht sie vom Boden auf und nimmt Precious Jean aus dem Arm. Ihre Tochter hat sich während der ganzen Zeit kein einziges Mal zu Wort gemeldet, sondern alles stillschweigend beobachtet. Aber kaum, dass sie in Sams Armen ist, strahlt sie ihre Mutter an und schlingt sich um ihren Hals.

Im Gegensatz zu Precious, ist Jean ein unfassbar ruhiges Kind. Manchmal müssen Neve und Sam genauer hinsehen um festzustellen, ob Jean mit offenen Augen schläft oder nicht. Oftmals wandern nur ihre Augen ganz langsam hin und her und nehmen alles um sich herum auf.

Während Precious alles mit ihren Händen anschauen muss und zigtausend Fragen stellt, betrachtet Jean ihr Umfeld ruhig und wissbegierig.

Hin und wieder lachen Sam und Neve bei einem Glas Wein über ihre Kids und fragen sich, ob sie nicht »normale« Kinder haben können. Welche die gleichzeitig aufgeweckt und quirlig sind, aber dennoch ruhig und besonnen. Nein, sie müssen ja unbedingt zwei grundlegende Gegensätze haben, die tatsächlich nicht unterschiedlicher sein können. Und dennoch passen die beiden Kids wie zwei fehlende Puzzleteile in diese Familie, die sie somit vervollständigt.

Sam blickt noch einmal zu ihrer Frau zurück, die mittlerweile etwas aufrechter auf den Stufen sitzt und wieder normal atmet. Nur der Schweiß steht ihr noch auf der Stirn.

»Geht’s? Kann ich dich alleine lassen? Ich muss Jean die Windeln wechseln.« Neve nickt. Sicher schaut sie zu ihrer Frau hoch.

»Natürlich, geh ruhig. Ich werde nur noch ein paar Minuten hier sitzen bleiben.«

»Ok. Du schreist wenn was ist, ja?« Nickend bestätigt die ältere Frau Sams Aussage, obwohl sie diese irgendwie witzig findet. Wie soll sie schreien, wenn sie vor Schmerzen kaum atmen kann?

»Magst du Mommy helfen?«, schickt sie Precious an die Seite ihrer Mutter. Ohne zu antworten, trottet die Maus Sam hinterher, die schon auf dem Weg nach oben ist.

Kaum dass sie alleine ist, schießen Neve Tränen in die Augen. Sie spürt, dass ihr Herz diese Prozedur nicht mehr allzu lange mitmachen wird. Dass sie diesem Körperteil mit der damaligen Stromattacke zu viel zugemutet hat. Irgendwann wird es also einfach versagen. Sicherlich ohne irgendein vorheriges Anzeichen. Wahrscheinlich wird es einfach von einem Schlag zum anderen aussetzen. Und dem Herzen ist es dann egal, ob Neve im Bett liegt und schläft, oder hinter dem Steuer sitzt und mit einem eventuellen Unfall unschuldige Menschen mit in den Tod reißt. Wenn das Herz keinen Bock mehr hat, zeigt es Neve einfach den Mittelfinger und verabschiedet sich.

Aber bis dahin, wird sie sich zusammenreißen und alles in ihrer Macht Stehende tun, um Sam von ihren schwachsinnigen Gedanken abzulenken.

Hässlich, fettes Zebra, Irischer Wolfshund, Chihuahua. All diese Worte kreisen in Neves Kopf herum. Sam findet sich also hässlich? Neve wird ihr schon zeigen wie hässlich sie ist.

Bestärkt in ihren Gedanken und Vorhaben, wischt sie sich hektisch die Tränen weg, schluckt und steht kraftstrotzend von der Treppe auf. Sie streckt sich, nimmt die Schultern zurück und stärkt ihren Brustkorb.

»Solange dieser Klumpen noch vor sich hintrommelt, werde ich mich davon nicht unterkriegen lassen«, spricht sie sich Mut zu und zeigt ihrem Herzen somit selbst den Mittelfinger.

Sie blickt flüchtig die Treppe hinauf und hört die Stimme ihrer Frau. Wie sie Precious das Windeln wechseln erklärt. Wie sie im nächsten Augenblick mit Jean spricht und diese gleich daraufhin zu lachen beginnt.

Für einen kurzen Moment schließt sie die Augen. Sofort hat sie Laura und Jessica vor Augen, wie sie mit Damon und Dylan ihren eigenen Alltag meistern. Dann sieht sie Matt und Jill. Die beiden haben ihre Affäre in der Zwischenzeit öffentlich gemacht und sind jetzt offiziell ein Paar.

Neve findet den Gedanken irgendwie witzig, dass Laura damals schon zweimal von Matt schwanger war und ihr Boss inzwischen vier Kinder mit vier Frauen hat, auch wenn diese Konstellation so eigentlich gar nicht gerechnet werden kann. Dennoch ist Jill bis zum heutigen Tag nicht schwanger geworden. Schwächelt Matt allmählich mit seiner Munition, oder verhüten die beiden etwa?

Bei dem Gedanken schmunzelt Neve mit geschlossenen Augen. Nein, das würde Matt sich nicht antun. Er hat damals auch ständig ungeschützt mit Laura geschlafen, weshalb sollte er sich jetzt bei Jill etwas anziehen? Nein, es muss einen anderen Grund geben. Nur welchen?

Witzig ist es aber auch, dass Matt seinen beiden besten Hunden jeweils ein Mädchen geschenkt hat, während Laura und Jessica mit zwei Jungs kämpfen. Wie unterschiedlich alles doch sein kann.

Jeans quiekendes Lachen reißt Neve aus den Gedanken. Sie öffnet die Augen, blickt erneut die Treppe hinauf und lächelt.

»Familie«, flüstert sie bei ihren vorangegangenen Gedanken und den gegenwärtigen Gefühlen all diesen Menschen gegenüber, die an ihrem Leben teilhaben. Die Hunde sind in all den Jahren mehr als nur ein Rudel geworden. Sie sind ein lebenswichtiger Teil ihrer Seele geworden. Ein Leben ohne die Hunde ist für Neve unvorstellbar geworden. Egal was irgendwelche Statistiken oder Akten über das Rudel und deren Menschen erzählen. Es entspricht nur zur Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte des Rudels wird von Gesetzhütern, Richtern, Senatoren und all diesen hochrangigen Menschen gar nicht gesehen. Sicher, die Five Dogs sind noch immer kriminell aktiv. Sie klauen, zerstören, morden und verkaufen weiterhin Drogen und Waffen. Selbst Neve zieht sich noch immer alle Nase lang in die dunklen Gassen zurück. Aber was das Rudel tatsächlich ausmacht, das sieht kaum jemand.

Eigentlich ist es auch egal. Es ist egal was diese Sesselfurzer sehen und was nicht. Wichtig ist, dass Neve und all die anderen Hunde sehen was das Rudel zusammenhält. Was sie miteinander verbindet und welches Band zwischen ihnen besteht.

»Und dieses Band ist und bleibt unzerstörbar«, flüstert Neve voller Liebe dem Rudel gegenüber.

Mit einem tiefen Atemzug, welcher ihr Herz flüchtig schneller schlagen lässt, wendet sie sich von der Treppe ab und trottet in die Küche.

Round 2

»Meine Güte, wann lernst du das endlich?« Verwundert blickt Neve zur Seite. Sie kann gar nicht so schnell reagieren wie Sam neben ihr an der Arbeitsplatte auftaucht, ihr das Messer aus der Hand nimmt und sie mit einem kräftigen Stoß der Hüfte vom Brettchen stößt.

Sam blickt zu der geschnittenen Banane hinunter und dann zu Neve zurück.

»Verrätst du mir wie Jean das essen soll? Kleine Stücke, Neve und keine Brocken die ein Neufundländer ohne zu kauen herunterschluckt.« Verdattert blickt die ältere Frau zu der geschnittenen Banane hinunter. Ok, die Stücke die sie geschnibbelt hat, sind tatsächlich etwas groß geraten. Vielleicht sind zwei Fingerbreite Scheiben wirklich unbezwingbar für so einen kleinen Kindermund.

»Du bist unmöglich«, lacht Sam und drückt ihrer Frau einen Kuss auf den Mund. Dann beginnt sie Neves Fehler auszubügeln.

»Mama, hilfst du mir mal?« Während sie zusammen mit Neve ihre Schwester in den Kindersitz am Esstisch verfrachtet, bereitet Sam das Frühstück vor. Neve blickt noch einmal flüchtig zu ihr zurück und schürzt die Lippen. Mit einem Mal wird ihr etwas bewusst, was eigentlich schon sehr lange offensichtlich war, sie aber nicht gesehen hat. Seit Sam angefangen hat, sich in Neves Gegenwart nicht mehr wie gewohnt freizügig zu zeigen, mied sie es auch, leichte Kleidung zu tragen wenn sie zur Arbeit ging. Auch heute trägt sie, wie mittlerweile gewohnt, ein dunkelgraues Kostüm mit weißer Bluse. Ihre Haare liegen offen auf ihren Schultern. Diese sind der letzte und einzige Zeuge davon, welch erotische und sexy Frau sie eigentlich ist. Aber irgendwie fing Sam an, den Rest ihrer Präsenz zu verstecken und wie ein graues Mäuschen herumzulaufen.

Neves Augen wandern nachdenklich an dem Hosenanzug entlang. Angestrengt denkt sie nach. Sie glaubt sich zu irren, aber eine Möglichkeit wäre es. Kann es tatsächlich sein, dass sich Sam diesen Anzug eine Nummer größer gekauft hat? Nur um ihre angeblich hässliche Figur zu verbergen? Neve ist sich sicher, dass die Hosen bisher immer stramm am Arsch ihrer Frau klebten und diesen so faszinierend präsentierten wie es nur irgendwie ging. Jetzt allerdings schlabbert diese Hose an Sam herum, als wenn sie nicht wüsste was sie mit dem Körper anstellen soll, der in ihr steckt. Ist Sam tatsächlich so verzweifelt und in ihren eigenen Gedanken gefangen, dass sie ihren Körper wahrhaftig verstecken will?

»Ich gehe eben ins Bad«, murmelt Neve nachdenklich. Auf dem Weg zur Treppe blickt sie noch einmal flüchtig zu Sam zurück. Sie denkt nach und hält die Idee fest, die ihr soeben in den Kopf geschossen ist.

Im Schlafzimmer angekommen, schnappt sie sich ihr Handy und schreibt Laura eine SMS: Ich brauche deine Hilfe, Schwesterherz. Heute Mittag im Cafe gegenüber von R&R? Weil sie weiß, dass Laura selbst im morgendlichen Familienstress ist, steigt sie unter die Dusche und liest sich erst später die empfangene Nachricht durch. Oh oh, was ist passiert? Ich werde da sein.

Zurück am Frühstückstisch, setzt sie sich neben Jean auf den Platz und blickt in die bereitgestellte Schüssel. Sam hat aus ihren Bananen-Bomben kaugerechte Häppchen für Jean geschnitten. Also schnappt sie sich die kleine Gabel und beginnt ihre Tochter zu füttern. Die ersten Happen gehen reibungslos, bis sich plötzlich Jeans Finger um Neves legen und ihr die Gabel aus der Hand nehmen. Zuerst schaut sie das kleine Ding mit der gelben Giraffe akribisch an, schaut dann in die Schüssel und sticht im nächsten Moment ein Stück Banane auf. Neve kann gar nicht so schnell denken wie ihre Glücksgefühle Purzelbäume schlagen. Als Jean die Gabel dann aber auch noch an ihren Mund führt und sich das erste Mal in ihrem Leben das Essen ganz alleine zuführt, drehen Neves Gefühle vollständig durch.

»Sam«, quiekt sie flüsternd, in der Angst Jean mit ihrer kreischenden Stimme so sehr zu erschrecken, dass sie die Gabel fallen lässt und nie wieder versucht selbstständig zu essen, weil sie glaubt einen Fehler gemacht zu haben.

»Ja?« Wirbelnd dreht sich Sam um und lässt fast die Kaffeetasse fallen. Das was Neve an Beherrschung mitgebracht hat, lässt Sam hingegen wie einen Ballon lautstark platzen. Sie quiekt ein freudiges »Jean« und stolpert an den Tisch heran.

Seit Dekaden versuchen die beiden Frauen ihrer Tochter das eigenständige essen beizubringen, aber Jean hat sich nie darauf eingelassen. Sie hat es noch nicht einmal versucht. Sobald sie gecheckt hat, dass Sam oder Neve ihr eine Gabel oder einen Löffel geben wollten, schob sie ihre Hände unter den Tisch und verweigerte jede weitere dieser Handlungen. Dass sie jetzt aber so plötzlich und unkompliziert regelrecht zielsicher die Gabel nimmt und sich wie ein alter Hase das Essen zuführt, ist wie ein Weltwunder.

»Jean mein Schatz, du isst ja«, kreischt Sam wie ein Kleinkind dem sie grade den Schnuller geklaut haben, greift ihrer Tochter unter die Arme und rupft sie aus dem Kinderstuhl. Als wenn sie Biene Maja und den dicken Willie spielen würde, wirbelt Sam ihre Tochter voller Freude in der Luft herum, so dass es Neve mit der Angst bekommt, die Maus könnte ihrer Mutter in der nächsten Sekunde die zermatschte Banane ins Gesicht spucken. Aber Jean bleibt wie eh und je vollkommen beherrscht. Sie grinst lediglich und freut sich an dem Spielchen.

Zufrieden und stolz blickt Neve zu Precious zurück, die ihre Schwester ebenso begeistert beobachtet, wie ihre Mutter. Mit großen Augen schaut sie Neve neugierig an.

»Habe ich das damals auch so gemacht? Einfach die Gabel genommen und gegessen?« Mit einem Schlag vernichtet Precious Neves Freude über Jeans neugewonnene Eigenständigkeit. Ihre Augen werden matt. Gedanklich zieht sie sich in sich zurück, dass sie nur noch soweit präsent ist, dass sie Precious antworten kann. Dennoch könnte sie alleine bei dieser Frage erneut anfangen zu heulen. Stattdessen räuspert sie sich. Sie ruft sich die Erzählungen von Laura und Jessica ins Gedächtnis zurück. Nach ihrer Rückkehr, erzählten die beiden Freundinnen ihr in unzähligen Gesprächen wie es war Precious zu erziehen und aufwachsen zu sehen. Welche Handlungen die kleine Maus zu welchen Zeiten durchgeführt hat.

Dass sie diese ganzen Fortschritte selbst nicht miterlebt hat, sondern nur aus Erzählungen her kennt, lässt Neve einen dicken Kloß im Hals bilden. Tapfer schluckt sie diesen herunter.

»Nein Schatz, du warst ganz anders. Du hast recht früh mit Gabel und Löffel angefangen. Allerdings nicht um damit zu essen, sondern, um das Essen durch die Küche zu schleudern«, beginnt Neve die Erzählung zu wiederholen. Precious kichert bei der Vorstellung daran.

»Alles Mögliche hast du mit dem Besteck angefangen und uns fast in den Wahnsinn getrieben. Du hast mit dem Löffel in der Kürbissuppe herumgeschlagen, Püree auf den Boden geschmissen und Spinat über den Tisch geschmissen, alles. Es hat dir wahnsinnigen Spaß gemacht unsere Küche zu versauen. Wir wissen bis heute nicht wie du das angestellt hast, aber du hast es tatsächlich geschafft dir eine ganze Scheibe Wurst vom Teller zu klauen und bis an die Zimmerdecke zu schleudern. Dort klebte sie ein paar Momente, was du so faszinierend fandest, dass du wie ein Beobachter der auf die Ankunft von Aliens wartet, mit dem Kopf im Nacken nach oben geschaut hast. Natürlich blieb die Wurst dort nicht lange kleben und landete irgendwann mitten in deinem Gesicht. Wir haben uns kringelig gelacht. Du fandest das hingegen nicht so witzig und hast fast den ganzen Tag geheult. Seitdem hast du kaum jemals wieder eine Scheibe Wurst angefasst.« Precious beginnt lauthals zu lachen.

Verzückt über den kleinen Fortschritt ihrer Tochter, blickt Sam strahlend vor Glück zu Precious. Neve schaut sie ebenfalls lächelnd an, bis ihr Blick über den Körper ihrer Frau gleitet. Den Körper den Sam neuerdings so sehr hasst und deswegen versteckt.

Sie beobachtet ihre Frau dabei, wie sie Jean in den Kinderstuhl zurücksetzt, ihr einen Kuss auf den bombastischen Haufen Haare drückt und dem morgendlichen Ablauf weiter nachgeht. Precious lacht hingegen noch ein wenig über ihre eigenen kindlichen Handlungen, bis sie beginnt ihr Frühstück zu essen.

Bevor sich Sam an den Tisch setzt, stellt sie ihren Frauen jeweils noch ein Glas mit Acerolapulver und drei Tropfen D3 hin, daneben zwei Kapseln B12. Sie hat Wochen damit verbracht zu recherchieren welche Vitamine wo und in welcher Form angeboten werden. Medikamente wurden nach und nach aus dem Haushalt verbannt, bis auf Neves Herztabletten. Für die konnte Sam bis heute keinen natürlichen Ersatz finden. Es passt ihr zwar nicht, dass Neve alle Nase lang diese, eigentlich ungesunden Chemiebomben schlucken muss, weiß aber auch, dass es ein notwendiges Übel ist.

Also umgeht sie weiterhin die Lebensmittel- und Pharmaindustrie indem sie aus dem Ausland Vitamine in reiner Substanz bestellt und ihrer Familie täglich verabreicht.

Ihre Gemüsebeete im Garten wachsen und gedeihen prächtig. Sie hat sogar noch ein zweites angelegt, kurz nachdem der Anbau am Haus beendet war. Das Nachbargrundstück wurde von den Frauen aufgekauft, das Haus abgerissen, ein Pool gebaut, Beete angelegt und das eigene Haus mit drei Zimmern erweitert. Jetzt hat deren Haus schon fast dieselbe Größe wie Matts ehemalige Villa. Denn diese verließ er kurz nach der Sache mit Niklas. Er wollte dort nicht mehr leben, wo dieser Verräter sich so heimisch gefühlt hat und Sam regelrecht gefangen hielt. Er wollte einen Neuanfang und fand ihn zusammen mit Jill in der Nähe seiner Kids. Jeder der Hunde braucht nur dreimal umfallen und schon stehen sie vor der Haustür des anderen. Jeder hat sein eigenes Leben, dennoch brauchen sie nur einen erstklassigen Pitch werfen und sind sich somit unfassbar nah.

Nach dem Frühstück verteilt Sam das Mittagessen an ihre Frauen. Precious bekommt wie immer selbstgemachtes Brot und ebenfalls selbstgemachte Müsliriegel mit. Eine Banane rundet das ganze Essen ab. Natürlich darf eine Flasche mit frischen Smoothie nicht fehlen.

Neve erhält ebenfalls diesen Smoothie, bekommt allerdings nur eine Dose mit, in der Walnussstücke, Cashewkerne, getrocknete Aprikosen und Datteln in einem Soja-Joghurt schwimmen. Auch wenn sie dieses Essen wie ein Junkie inhaliert, verrät sie Sam nichts davon, dass sie sich hin und wieder einen saftigen Hot Dog gönnt, oder einen schmierigen Burger vom Schnellrestaurant. Jill hat sie zum Stillschweigen verdonnert, ansonsten würde Neve ihrer Frau ganz hinterhältig erzählen, dass Jill erneut versucht hätte sie zu küssen. Und was Sam dann mit ihr anstellen würde, wissen beide.

Mit Precious im Schlepptau verabschiedet sich Neve von ihrer Frau, die Jean wie jeden Tag mit ins Büro nimmt. Beide Frauen haben ihre jeweiligen Jobs etwas reduziert. Neve nimmt nicht mehr jeden Auftrag beim FBI an und sitzt zum größten Teil nur noch hinter dem Schreibtisch, während Sam fast ausschließlich in der Immobilienfirma arbeitet. In ihrem Büro hat sie eine kleine Ecke für Jean fertiggemacht, weil sie ihren Zwerg noch nicht in einer Krippe abgeben wollte. Es würde ihr dann so vorgekommen, als wenn sie sie abschieben würde. Das konnte und wollte Sam einfach nicht. Und wie es sich bis zum heutigen Tag herausstellte, war es auch kein Fehler. Jean spielt für sich alleine in ihrer Ecke, schläft auf ihren Spielsachen ein und fordert nur selten die Aufmerksamkeit ihrer Mutter ein.

Als Sam eines Tages allerdinge einen Haufen Haare vor ihrem Schreibtisch erblickte, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. An der vorderen Kante des Tisches sah Sam ein paar Haare, die definitiv zu ihrer Tochter gehörten. Aber wie kamen die dorthin?

Langsam erhob sich Sam aus dem Stuhl und spähte über den Rand. Als sie dann ihre Tochter vor dem Tisch stehen sah, fielen ihr die Augen aus dem Kopf. Bis zu diesem Tag versuchte Jean nie zu laufen. Sie robbte nur auf ihrem Arsch von A nach B. Sie schien zu faul zu sein, um ihre Beine zu bewegen. Dass sie damals aber auf ihren eigenen Beinen den Weg von ihrer Spielecke bis zu Sams Schreibtisch ganz alleine und ohne jegliche stützende Hilfe auf sich nahm, ließ Sam an ihrem Verstand verzweifeln. Auf der einen Seite war sie sauer auf sich, dass sie so in ihre Arbeit vertieft war, dass sie Jeans ersten Schritte nicht sah, war auf der anderen aber unfassbar stolz auf den kleinen Hosenscheißer. Sie rief damals ihre Frau an und erzählte ihr quiekend, heulend und lachend was passiert ist. Seitdem nutzt Jean ihre Füße nur hin und wieder. Dann wenn sie Lust hat. Sie kommt ganz nach ihrer Mutter. Sie macht auch nur dann etwas wenn sie es will, oder für richtig hält. Niemand kann sie zu etwas zwingen was sie nicht will. Jean ahmt ihrer Mutter also fleißig nach.

***

Im verabredeten Cafe gegenüber von R&R Immobilien begrüßt Neve am Nachmittag Laura mit dem gewohnten Kuss, setzt sich und erzählt ihr gleich was mit ihrer Frau los ist. Laura prustet ihr fast den Milchkaffee ins Gesicht, weil sie Neve kaum glauben kann.

»Hässlich? Sam findet sich hässlich? Tickt die nicht mehr ganz richtig? Selbst ich habe hin und wieder noch feuchte Träume von ihr«, grinst sie bis zu den Ohren. Sie gackert flüchtig, als Neve sie scharf anschaut. Wenn sie nicht wüsste, dass Laura nur Spaß macht, würde sie das Gesicht ihrer Freundin in den Milchkaffee tunken.

»Ok und wie kann ich dir dabei helfen? Ich meine, klar, ich schiebe gerne eine Nummer mit ihr, um sie für dich weich zu klopfen, aber das muss ich erst mit Jessica klären«, lacht Laura frech. Neve schnaubt wie ein Stier. Wie alt ist Laura nochmal? Achtzehn oder über vierzig? Ist sie etwa nicht zweifache Mutter?

Manchmal kommt es Neve vor, als wenn ihre Freundin in irgendeiner Zeit stehengeblieben ist und das erwachsen werden verpasst hat.

Die Freundinnen reden noch einige Zeit über das aktuelle Problem, bis sich Laura ins Büro zurückzieht und mit der vereinbarten Idee beginnt. Kurz vor Feierabend schickt sie Neve eine E-Mail und verabschiedet sich für den heutigen Tag. Sie wird morgen erfahren ob es geholfen hat, oder nicht.

***

Kaum dass Sam die Kids am Abend ins Bett gebracht hat, gesellt sie sich zu Neve auf die Couch. Keine von ihnen hat bis jetzt ein Wort darüber verloren was am Morgen passiert ist. Es scheint fast so, als wenn es gar nicht geschehen wäre.

»Schatz?«

»Hm?«, murmelt Sam schläfrig und in Neves Armen versunken.

»Kann ich für ein paar Minuten deine Aufmerksamkeit und Konzentration haben? Nur ein paar Minuten, mehr nicht. Ich bräuchte nämlich deine Meinung.« Neves Stimme klingt leise und verhalten. Sie scheint sich mit ihrer eigenen Aussage nicht ganz sicher zu sein.

»Natürlich.« Sam setzt sich aufrecht hin, gähnt, reibt sich die Augen und grinst Neve dann gestärkt an.

»Bin voll und ganz bei dir.« Neve beißt sich flüchtig auf die Unterlippe, nimmt die Fernbedienung des Fernsehers und ruft das Mailprogramm auf. Damit Sam es nicht lesen kann, öffnet sie blitzschnell den Anhang.

»Ich ähm, ich würde ganz gerne deine Meinung zu diesen Frauen wissen. Ich muss eine von ihnen für einen Undercover-Einsatz aussuchen, kann mich aber nicht entscheiden.« Weil sie diese Lüge selbst nicht glaubt, setzt sich Neve aufrechter hin und rutscht von einer Pobacke zur anderen. Sie hofft, dass Sam ihr nicht auf die Schliche kommt und die Lüge schluckt.

»Klar helfe ich dir. Muss ich auf irgendetwas achten? Irgendwelche besonderen Merkmale oder so?« Sam scheint die Lüge tatsächlich zu glauben. Wahrscheinlich aber auch nur, weil sie eigentlich völlig übermüdet ist und schon längst im Bett liegen sollte.

»Ähm nein, nichts Besonderes. Sie soll einfach nur sexy sein. Ein guter Körper, mehr nicht«, spinnt Neve die Lüge weiter. Bestätigend nickt Sam und blickt wissbegierig auf den Fernseher auf dem die erste Frau erscheint. Überrascht blickt Sam zu Neve hinüber.

»Sexy? Ok, wie soll ich das einschätzen können, wenn der Kopf fehlt?« Sam schaut wieder zum Fernseher. Bei dem Bild der Frau, die dort auf der Mattscheibe flimmert, wurde der Kopf herausgeschnitten. Das Bild zeigt nur den Körper. Vom Hals bis zu den Füßen. Angekleidet mit einem Bikini.

Ohne auf Sams Frage einzugehen, schaltet Neve weiter. Insgesamt zwanzig halbnackte Frauenkörper flimmern über den Bildschirm. Hin und wieder blickt Neve verunsichert zu ihrer Frau hinüber. Sie sucht nach irgendwelchen Anzeichen oder Andeutungen, aber da ist nichts. Ihre Frau betrachtet jedes Bild eingehend, bis das nächste auf dem Fernseher auftaucht.

»Und?«, fragt sie nach ein paar Minuten. Sam lehnt sich in die Couch zurück und zieht die Schultern hoch.

»Tja, keine Ahnung. Es ist schwer, denn ich finde sie alle sexy. Ich weiß ja nicht, um was es bei diesem Auftrag geht.«

»Ähm, um einen Stripclub. Ich muss eine Kollegin dort einschleusen und dementsprechend muss sie natürlich auch einen vorzeigbaren Körper haben.« Interessiert hört Sam zu, bis sie zum Fernseher zurückschaut.

»Das waren also alles deine Kolleginnen?«, fragt sie erstaunt. Die gezeigten Frauen wurden in den unterschiedlichsten Lebenslagen fotografiert. Egal ob es laufend oder liegend am Strand war, oder bei irgendwelchen freizügigen Handlungen die auf den Fotos nicht ersichtlich waren.

Als Neve Sams Frage nickend beantwortet, kneift sie die Augen etwas zusammen.

»Hm, ich glaube, ich muss öfters bei dir im Quartier auftauchen, wenn du solch sexy Kolleginnen hast.« Frech grinsend blickt sie zu Neve zurück, die diesen Wink nicht verstanden hat. Denn sie schaut noch immer so nüchtern und konzentriert wie vor ein paar Minuten. Ok, also wird auch Sam sich weiter auf die Aufgabe konzentrieren.

»Ganz ehrlich, Schatz. Ich könnte dir keine spezielle empfehlen. Jede von ihnen würde für diesen Job in Frage kommen. Alle haben einen Körper der perfekt in dieses Milieu passen würde.«

»Ehrlich?«, fragt Neve erstaunt.

»Ja, definitiv. Alle sind sehr sexy. Alles passt und sitzt dort wo es für so eine Lokalität sein sollte. Kein überflüssiges Fett und gut proportioniert.« Neve lehnt sich in die Couch zurück und schaut ihre Frau schon fast fassungslos an.

»Aha«, staunt sie. Dann beugt sie sich vor und richtet die Fernbedienung auf den Fernseher.

»Schauen wir uns die Damen nochmal an. Dieses Mal mit Kopf.« Bestätigend hierzu startet die Präsentation mit der ersten Frau, die ihren Kopf zurückerlangt hat.

»Du könntest mir diese Frau also empfehlen, weil sie sexy ist?«

»Ja.«

»Und diese?« Die nächste vollständige Frau erscheint auf der Bildfläche. Sam nickt.

»Die auch?« Sam bestätigt.

»Und die?« Sam bleibt bei ihrer Aussage.

»Die etwa auch?« Auch hier ändert Sam ihre Meinung nicht.

»Diese also auch?« Sam bleibt dabei.

»Diese Frau ist also auch sexy genug, damit sie in einem Striplokal den Männern den Kopf verdrehen könnte? Sie hat also kein überflüssiges Fett? Auch bei ihr ist alles gut proportioniert?« Kaum erscheint die nächste Frau auf dem Bildschirm schreckt Sam zusammen. Erschüttert starrt sie auf den Fernseher. Ihre Augen werden riesen groß, als sie sich selbst auf dem Bildschirm sieht. Zwischen all den anderen Frauen, hat Laura ein Bild ihrer Freundin eingefügt, welches ein paar Monate nach Jeans Geburt gemacht wurde. Also zu einer Zeit, in der Sam noch ein paar Kilo mehr auf den Rippen hatte wie jetzt.

Sam reißt ihren Kopf zur Seite. Fast geschockt, überrascht und auch irgendwie wütend über diese hinterhältige Aktion ihrer Frau, schaut sie Neve mit großen Augen an. Dann steht sie ruckartig von der Couch auf und trampelt Richtung Treppe.

»Sam.« Neve ruft ihr nach, aber ihre Frau stampft die Treppe hinauf, als wenn sie irgendwelche Termiten wecken will.

»Sam, du bist unglaublich sexy. Das hast du gerade selbst gesagt. Ich kann deine Zweifel verstehen, aber sie sind völlig unbegründet. Wie du selbst gesehen hast, bist du noch immer so erotisch wie … .« Das zuknallen der Schlafzimmertür unterbricht Neve in ihrer Erklärung. Erschöpft und auch irgendwie niedergeschlagen, schnauft sie enttäuscht aus. So hat sie sich das Ganze nicht vorgestellt. Sie dachte eher an einen vollen Erfolg und eine glückliche Frau. Dass sie damit eventuell alles schlimmer gemacht haben könnte, ist ihr bis jetzt nicht in den Sinn gekommen.

Enttäuscht blickt sie zu dem Fernseher zurück. Dass Sam sich selbst nicht auf dem Foto ohne Kopf erkannt hat, deutet eigentlich schon darauf hin, dass sie das Gefühl und den Blick für sich selbst völlig verloren hat und sich falsch einschätzt. Aber wie kann man das ändern? Was könnte Neve tun, um ihrer Frau zu verdeutlichen, dass sie noch immer so unfassbar sexy ist, wie Neve sie kennengelernt hat?

***

Am Morgen öffnet Neve die Augen nur ein ganz kleines Stück. Sie traut sich kaum.

Erst nach zwei Stunden schlich sie ins Schlafzimmer und kroch fast bewegungslos ins Bett. Sam lag dort in ihrem Schlafanzug eingewickelt, die Decke bis zur Nase hochgezogen und schlief. Die beiden tauschten am vergangenen Abend kein Wort mehr miteinander. Nichts. Sam verkroch sich im Schlafzimmer, während Neve unten blieb und sich vor Nervosität die Fingernägel fast bis zu den Knöcheln abknabberte. Wenn Sam das Gespräch mit ihr gesucht hätte, wäre Neve nicht in der Lage gewesen auch nur einen verständlichen Satz zu bewältigen. Sie war sich schon lange nicht mehr so unsicher bei einer Sache die ihre Frau anging. Hat sie mit den Fotos Sam den Kopf gewaschen, oder versteckt sie sich danach sogar noch mehr?

Auch wenn es völlig irrsinnig ist, atmet Neve erleichtert aus, als sie das leere Bett sieht. Die Tür des Badezimmers ist verschlossen. Ein paar Geräusche dringen heraus. Ok, Sam ist wach und im Bad. Dann kann Neve ganz heimlich abhauen. Eine Konfrontation wird zwar unumgänglich sein, aber die kann auch nach dem ersten Kaffee geschehen.

Auf Zehenspitzen schleicht die ältere Frau aus dem Schlafzimmer und dribbelt die Treppe hinunter.

Kaum hat sie nach einiger Zeit die erste Tasse Kaffee geleert, trottet sie die Treppe wieder hinauf. Sie ist gestärkt und bewaffnet. Sie kann Sam also gegenübertreten.

Oben angekommen hört sie ihre Frau allerdings bei Precious im Zimmer. Ok, gut für die Agentin. So kann sie sich wenigstens noch duschen, bevor Sam ihr den Kopf abreißt.

Am Frühstückstisch angekommen, schaut Neve erstaunt. Jean und Precious sitzen vor ihrem Frühstück am Tisch. Aber wo ist Sam?

Verwundert blickt sie um sich, nachdem sie ihre Kids begrüßt hat.

»Wo ist Mommy?«, fragt sie perplex und setzt sich an den Tisch. Mit dem Löffel im Mund, streckt Precious einen Arm aus und zeigt hinter Neve. Die will sich gerade umdrehen, als sie Sam auf sich zukommen hört. Ach so, sie war in der Garage. Deswegen hat Neve sie nicht gesehen.

»Guten Morgen, Schatz«, ertönt Sams Stimme. Erstaunt weiten sich Neves Augen. Schatz? Sam begrüßt sie mit Schatz und bestraft sie nicht mit Ignoranz?

Verdattert dreht sich Neve auf dem Stuhl um und wirft einen verwunderten Blick auf ihre Frau. Bevor sie etwas sagt, was ihre Kinder noch nicht hören sollen, beißt sie sich auf die Lippen, keucht aber hörbar laut. Ihre Augen treten fast aus den Höhlen, als sie ihre Frau erblickt. Langsam wandert ihr Blick von den schwarzen Pumps, über makellos schlanke Beine, über den engen schwarzen Rock, über die weiße Bluse die mit zwei geöffneten Knöpfen faszinierend einladend wirkt, bis zu Sams Haaren die wie immer offen auf ihren Schultern liegen.

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9783742775641
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