Читать книгу: «Anhaltender Schmerz», страница 2

Шрифт:

4

Bianca hatte Robin den Staatsanwalt vorgestellt. Als Eric ging, grinste sie, küsste ihn auf den Mund und schob ihn aus der Tür. Robin pfiff durch die Zähne.

„Was denn? Du und der Staatsanwalt?“

„Ja, ich und der Staatsanwalt. Aber denk jetzt bloß nicht, dass wir deshalb bevorzugt werden. Die meisten Diskussionen mit ihm habe ich über die Arbeit, denn wir sind nicht immer einer Meinung. Er ist ein Mann des Rechts und ich bin eine Frau der Gerechtigkeit.“

Jetzt lachte Robin, denn er verstand.

„Du gehst nicht immer Wege, die ihm gefallen?“

„Schlauer Kerl. Also, welches Motiv scheidet aus?“

„Raub.“

„Warum?“

„Er war nur joggen, der Autoschlüssel steckte noch in seiner Tasche und das Handy wurde auch nicht geklaut. Das macht einen Raubüberfall ziemlich unwahrscheinlich.“

Bianca wischte das Wort weg.

„Krumme Geschäfte kann ich mir auch nicht vorstellen.“

„Warum nicht?“, fragte Robin. „Die stillen Typen sind manchmal schlimme Finger.“

„Er ist nicht in der Kartei, es gibt nichts, was auf Drogen oder sowas hindeutet, also schließe ich das aus.“

„Es gibt noch Rache und Eifersucht.“

„Was machte er beruflich?“

Robin blätterte in der Akte.

„Er war Sportlehrer in einer Berufsschule.“

„Und da trifft man viele junge Damen. Also fahren wir mal in diese Schule. Vielleicht hat er schlechte Noten gegeben oder die Schülerinnen angebaggert. Dann lernst du auch gleich ein bisschen den Rheingau kennen. Wo wohnst du?“

„Ich bin seit einer Woche hier und wohne in einer Ferienwohnung.“

„Oh, dann brauchst du erstmal eine richtige Wohnung, oder?“

„Weißt du etwas?“

„Ich rede heute Abend mal mit meinem Freund. Wir wohnen eh zusammen und vielleicht kannst du seine Wohnung übernehmen. Es sei denn …“

„Wo ist der Haken?“

„Sie ist im selben Haus, in dem wir wohnen.“

„Und wenn ich an der Wand lausche, höre ich, was ihr treibt?“

Jetzt begann Bianca zu lachen und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Robin wusste nicht, was er sagen sollte und wurde rot.

„Du bist echt der Knaller. Es war ja nur eine Idee. Ich will dir nicht unser lautes Sexleben antun.“

Bianca nahm Jacke und Autoschlüssel und lief zur Tür. Dort blieb sie stehen.

„Was ist jetzt? Kommst du mit?“

Robin sprang auf und als sie im Auto saßen, entschuldigte er sich wortreich.

„Mann, es tut mir echt leid. Das ist mir so rausgerutscht. Habe ich es jetzt verkackt?“

Sie sahen sich an und Robin entspannte sich, als er Biancas Lächeln sah.

„Wenn du Lust hast, komm heute Abend vorbei, dann zeigen wir dir die Wohnung.“

„Danke … wirklich, ich bin eigentlich nicht so.“

Sie schwiegen und hielten bald vor der Berufsschule in Geisenheim. Sie stiegen aus und fragten sich nach dem Schulleiter durch.

„Kultz, kommen Sie doch herein. Wie ich höre, geht es um Herrn Bern. Furchtbar, was da passiert ist.“

Bianca stellte sich und Robin vor und sie setzten sich an einen großen Konferenztisch.

„Können Sie uns etwas über Eick Bern berichten?“

„Sie suchen doch nicht etwa das Motiv bei uns, Frau Kommissarin?“

„Herr Kultz, wir stehen noch ganz an Anfang unserer Ermittlungen, wir müssen nun mal allen Möglichkeiten nachgehen.“

„Ich verstehe. Also der Kollege Bern war ein korrekter und sehr beliebter Lehrer. Er hat sich nichts zuschulden komme lassen.“

„Manchmal ist ein Lehrer zu nett“, warf Robin ein und Bianca sah sofort, wie sich der vorher offene Schulleiter verschloss.

„Mein Kollege wollte nur wissen, ob es Schülerinnen gab, die in ihren Lehrer verliebt waren. Er war ja jung und attraktiv.“

„Ich kann es nur nochmal wiederholen, Eick Bern war sehr korrekt und hat nichts getan, wofür man ihn ermorden müsste.“

„Wir möchten jetzt trotzdem mit den Kollegen sprechen, besonders mit den Frauen.“

Bianca hielt seinem Blick stand. Sie dachte: Ist das immer so, dass man sich im Büro eines Schulleiters wie ein Schüler fühlt? Direktor Kultz stand auf und führte die Polizisten widerwillig ins Lehrerzimmer, wo viele Kollegen die Köpfe zusammengesteckt hatten. Eine junge Frau versuchte, ihre Tränen zu verbergen.

„Das sind Frau Verskoff und Herr Hinschler von der Kripo. Wie ihr wisst, wurde unser allseits geschätzter Kollege Bern getötet, ermordet. Das ist grausam und wir müssen helfen, den Täter zu finden.“

Er zeigte in die Runde und trat zurück.

„Wir werden jetzt mit jedem einzeln sprechen“, erklärte Bianca sachlich, „da wir noch keinerlei Hinweise auf das Motiv haben, müssen wir uns ein umfassendes Bild des Opfers machen.“

Zurück im Büro bat Bianca Robin, den Bericht zu tippen, sie selbst ging zu Ferdinand und trat ein, nachdem sie ein Ja vernommen hatte. Der neue Dienststellenleiter trug ein Hemd, eine dunkle Jeans und einen Blazer.

„Oh, du hast dich aber schick gemacht!“

„Die Zeitung war hier, da musste ich mich für das Foto so verkleiden.“

„Du siehst gut aus, schade, dass du mir diesen Ferdinand immer vorenthalten hast.“

„He, du hast einen geschniegelten und gebügelten Staatsanwalt zuhause, drum genieße den Anblick und schweige. Gibt es etwas Neues zu unserem Fall?“

„Leider nicht. Wir waren in der Schule, haben mit den Kollegen und seiner Klasse gesprochen, aber das war alles andere als ergiebig. Er ist sauber. Es muss also ein völlig anderes Motiv geben. Ich bin nur verwirrt wegen der offensichtlichen Brutalität. Egal, was alle sagen: Alles riecht nach Hinrichtung.“

„Dann musst du nochmal mit seiner Frau reden. Vielleicht hat er sie betrogen?“

„Sie ist hochschwanger und bei den beiden ging es in der letzten Zeit nur noch ums Baby.“

„Das kann ihn ja genervt haben und er hat begriffen, dass seine Freiheit nun endgültig vorbei ist. Also rede mit ihr. Es sei denn, er hatte irgendwie Dreck am Stecken, Drogen oder so etwas. Frag sie auch nach Feinden.“

„Das machst du super.“

Bianca grinste.

„Was?“

„Anweisungen geben. Du bist der geborene Chef, mein Freund!“

„So schlimm?“

Ferdinand sah missmutig zu seiner ehemaligen Partnerin.

„Nein, ich meine es ernst.“

„Wie macht sich der Neue?“

„Eifrig, direkt. Alles andere kann ich noch nicht einordnen.“

Ferdinand runzelte die Stirn.

„Was denn anderes?“

„Er hat mir gleich am Anfang erzählt, dass er sich hierher versetzen ließ, um seiner stalkenden Ex-Freundin zu entfliehen. Das fand ich schon sehr ehrlich, aber die Sache scheint ihn doch zu belasten. Per Telefon stalkt sie ihn weiter.“

„Pass ein bisschen auf ihn auf. Das wird schon.“

„Ich gebe mir Mühe.“

Jetzt fiel ihr die Nachricht auf ihrem Handy wieder ein. Sollte sie Ferdinand etwas davon sagen? Seitdem war ihr Telefon stumm geblieben, also war es wohl wirklich nur ein Scherz. Sie seufzte und beschloss, Ferdinand nichts zu erzählen. Nach einer Umarmung lief sie zurück zu Robin, der noch fleißig tippte. Bianca kochte Kaffee und stellte ihm eine Tasse hin.

5

„Nein!“, rief Tiana Bern und weinte ohne Unterlass.

„Frau Bern, bitte beruhigen Sie sich. Wir müssen das alles fragen, denn das Motiv für den Mord ist vollkommen unklar. Bitte denken Sie nochmal nach: Hatte Ihr Mann Feinde? Neider? Gab es Streit mit jemandem?“

Bianca saß im Krankenhaus am Bett der jungen Frau, Robin stellte sich ans Fenster. Jetzt musste die Kommissarin schmunzeln, denn auch Ferdinand hatte immer am Fenster gestanden, wenn sie jemanden befragt hatte.

Tiana schüttelte immer wieder den Kopf, doch sie grübelte, das war zu erkennen. Nein, dachte sie, wenn Eick irgendetwas Böses getan hätte, hätte ich das doch gespürt.

„Wir waren uns so nah! Da weiß man alles über den anderen. Er war ein guter Mensch, ein treuer Ehemann und hatte mit niemandem Streit.“

Plötzlich weiteten sich ihre Augen.

„Wenn man ihn nun verwechselt hat?“

„Diese Möglichkeit gibt es natürlich auch und wir gehen dem nach. Seine Kollegen und der Schulleiter haben nur gut über ihn geredet. Aber … ich wollte Ihnen das nicht sagen, er ist mit sehr vielen Messer­stichen getötet worden, so, als wäre der Täter in großer Wut vorgegangen.“

Tiana drückte ihre Hände ins gerötete Gesicht und schluchzte, sodass ihr ganzer Körper geschüttelt wurde. Bianca sah Robin an und er verstand: Es war genug. Wenn sie weiter fragen würde, käme es womöglich zu Komplikationen. Wie zur Ermahnung öffnete sich die Tür und der Arzt kam herein.

„Wenn Sie jetzt bitte gehen würden! Frau Bern ist in keiner guten Verfassung. Es ist nicht richtig, dass Sie sie so bedrängen. Sie hat doch schon ihren Mann verloren, da müssen Sie die Frau nicht auch noch mit Ihren Fragen belasten.“

„Wir wollten eben gehen. Frau Bern, wir werden den Mörder finden, das verspreche ich.“

Die Kommissare verließen das Krankenhaus und fuhren ins Büro.

„Was denkst du?“, fragte Robin.

„Ich denke, Eick Bern war ein guter Mensch und ist durch Zufall in die Schusslinie geraten oder er war nicht der, der er vorgab zu sein. Ach, es ist irgendwie nicht zu durchschauen. Mein Bauch sagt, seine Frau hat Recht, aber mein Kopf sieht die Fakten und zweifelt.“

„Du hast doch ein sagenhaftes Bauchgefühl, wie alle sagen …“

„Oh, wer sagt das denn?“

„Naja … ähm … ich habe mich eben ein bisschen umgehört. Man will doch wissen, mit wem man es zu tun hat.“

Jetzt begann Bianca zu lachen, denn Robins Gesicht war tiefrot geworden und er wusste nicht, wohin er schauen sollte.

„Entschuldige“, stammelte er.

„Alles gut! Mach dich nicht verrückt. Ich kann das verstehen. Wenn ich Zeit gehabt hätte, hätte ich mich auch nach deinen Macken erkundigt.“

„Hast du nicht?“

„Nein, denn ich wollte dir eine Chance geben, ohne Vorurteile. Was hätte ich denn erfahren?“

„Nichts Spektakuläres und das mit meiner Ex habe ich dir ja gleich erzählt. Ich wollte nicht mit einem Geheimnis starten.“

„Das finde ich gut. Also, hör zu. Ich bin Bianca, mein Bauchgefühl ist sehr gut ausgeprägt und das hat uns schon bei vielen Fällen geholfen. Mein erster Partner wurde mein Mann, aber er ist tot. Ein Verbrecher hat ihn und einen weiteren Freund und Kollegen in die Luft gesprengt. Ich habe mir oft gewünscht, auch tot und bei ihm zu sein, doch dann kam Eric und ich habe mich wieder verlieben können. Wir hatten viel Stress, aber im Moment läuft es so gut, dass wir überlegen zusammen zu ziehen. Ferdinand ist mein bester Freund. Er und auch ich wurden schon einmal angeschossen. Aber es hat uns nicht umgehauen, sondern stärker gemacht. Das war es.“

„Wow, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mira, meine Ex, war meine große Liebe, aber sie hat mich eingeengt, mir die Luft zum Atmen genommen. Angeschossen wurde ich noch nie, aber verprügelt wur­de ich schon öfter. Wir haben viele Einsätze bei Fußballspielen gehabt und da geht es sehr ruppig zu. Ich hatte noch nie einen Mordfall. Ich möchte mir gern die Wohnung ansehen, es wäre toll, mit euch in einem Haus zu wohnen. Und das wäre auch praktisch: Wir könnten eine Fahrgemeinschaft bilden.“

Die beiden grinsten und stießen mit den Kaffeetassen an. In dem Moment piepte Biancas Handy und sie sah auf das Display.

„Du wirst sterben!“

Die Nummer war eine andere, der Text derselbe. Bianca war kurz zusammengezuckt, aber Robin hatte es nicht bemerkt, denn er war an die Tafel getreten und malte ein großes Fragezeichen an den Rand.

Bianca dachte: Wer schreibt mir diesen Mist? Wer erlaubt sich so einen makabren Scherz? Hatte sie jemanden verärgert? War das jemand, den sie mal verhaftet hatte?

Sie verglich die Nummern, aber anscheinend hatte der Anrufer sich die Mühe gemacht, eine neue Telefonkarte zu besorgen. Woher hatte diese Person ihre Nummer? Und dann kam ihr eine Frage in den Sinn, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte: Musste sie die Drohung ernst nehmen?

Als Robin sie jetzt ansah, runzelte er die Stirn.

„Ist etwas passiert?“

Bianca bemerkte, dass sie immer noch auf ihr Handy starrte. Sie legte es aus der Hand und lächelte.

„Nein, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur nachgedacht.“

Robin ahnte, dass sie log, aber vielleicht hatte sie Ärger mit ihrem Staatsanwalt. Er wollte sich nicht einmischen.

„Wenn Eick Bern so war, wie er beschrieben wurde, warum tötet man ihn dann auf solche Weise? Wem ist er in die Quere gekommen?“

Bianca sprang auf und stellte sich auch vor die Tafel.

„Was wäre denn, wenn er etwas beobachtet hat?“

„Zum Beispiel?“

„Eine Straftat. Einen Überfall? Eine Drogenübergabe? Der Fundort ist ein Parkplatz, da käme das schon infrage.“

„Mensch, ich dachte immer: Eltville, Rheingau, Idylle pur.“

„Du dachtest, du kannst hier gemütlich deine Dienstzeit absitzen?“

Robin zuckte mit den Schultern und grinste schuldbewusst. Er hatte natürlich vorher im Internet recher­chiert, in welche Gegend er sich versetzen ließ. Konnte man denn ahnen, dass hier so viel los war?

„Ach was“, brummte er, „besser als zu Tode langweilen.“

„Das ist die richtige Einstellung. Du kennst ja Hannes schon. Er arbeitet oft bei uns und ist die Verbindung ins Rhein-Main-Gebiet. Fahr doch mal zu ihm und finde heraus, ob an der Drogen-Idee etwas dran sein könnte.“

Nachdem Robin das Büro verlassen hatte, setzte sich Bianca an den Schreibtisch. Sie fuhr den Computer hoch und ließ die vergangenen Fälle an sich vorüberziehen. Wer könnte ihr mit dem Tod drohen?

Nach einer Stunde wusste sie immer noch nicht, wie sie die beiden Nachrichten einordnen sollte. Eigentlich muss ich Ferdinand informieren, dachte sie. Und Eric. Oh weh, Eric und Ferdinand würden sie sofort aus dem Verkehr ziehen und in Watte packen.

„Nein!“, rief sie entschlossen. „Ich muss dieses Problem selbst lösen.“

Sie recherchierte die beiden Telefonnummern, doch sie wiesen nur auf zwei Prepaid-Nummern hin, die nicht nachzuverfolgen waren. Als ihr einfiel, dass sie ja einfach nur ein neues Handy bräuchte, hatte sie einen Plan. Sie zog sich an und fuhr auf den Parkplatz am Rhein. Sie tat so, als würde sie alles nochmal untersuchen und ging später ans Ufer. Hinter den Bäu­men sah sie niemand und so holte sie aus und warf das Handy mit Schwung in das dunkle Wasser.

„Oh je, jetzt ist mir doch glatt das Handy in den Rhein gefallen.“

Sie fuhr zurück ins Büro und setzte sich an den Computer, um nach einem Geschäft zu suchen, in dem sie sich ein neues Handy kaufen konnte. Kurze Zeit später rief Eric auf dem Festnetztelefon an.

„Ja bitte?“

„Schatz, ich versuche dich schon eine halbe Stunde zu erreichen. Warum gehst du nicht dran? Wo bist du?“

„Ich sitze im Büro.“

„Warum gehst du nicht ans Handy?“

„Es ist mir in den Rhein gefallen.“

„Ach du je! Wie konnte das denn passieren? Kein Wunder, dass ich dich nicht erreiche. Pass auf, ich habe Hunger. Lass uns etwas essen gehen, dann erzählst du mir die Geschichte und wir kaufen dir ein neues Telefon, einverstanden?“

Bianca sagte zu, zog sich an und wartete auf Eric, der versprochen hatte, sie abzuholen. Sie lächelte und atmete tief durch.

6

Der Sonntagmorgen begann mit einer weiteren Leiche. In der Nacht hatte man eine tote Frau am Bahnhof gefunden. Sie war mit zahlreichen Messerstichen hingerichtet worden. Bei Falk, den man aus dem Bett geholt hatte, klingelten alle Alarmglocken. Nach einer nächtlichen Obduktion stand fest: Die Frau war mit demselben Messer getötet worden wie Eick Bern. Um sieben Uhr rief er bei Bianca an, die noch in den Armen von Eric lag und tief und fest schlief. Weil sie nicht dranging, wählte er die Nummer des Staatsanwaltes.

Eric war wach geworden und hatte nach dem Telefon auf dem Nachttisch gegriffen. Dann war er aus dem Schlafzimmer geschlichen.

„Auf Biancas Handy meldet sich niemand, aber ich dachte mir, dass ihr beide zusammen seid.“

„Ja, Bianca hat ihr Handy in den Rhein fallen lassen. Wir haben zwar ein neues gekauft, aber sie muss euch noch die Nummer sagen. Was ist denn passiert?“

„Eine junge Frau wurde gefunden, erstochen. Und weil es so viele Messerstiche waren, die sie getötet haben, musste ich direkt an euch denken. Ich hatte sie heute Nacht auf dem Tisch. Es war dieselbe Waffe wie bei Eick Bern.“

„Mist! Das darf doch nicht wahr sein?“

„Was darf nicht wahr sein?“, hörte Eric jetzt Biancas Stimme hinter sich.

„Wir machen uns auf den Weg, so schnell wir können“, sagte er in den Hörer und legte auf.

Dann drehte er sich zu Bianca um, nahm sie in den Arm und küsste sie.

„Falk hat eine Leiche auf dem Tisch und es scheint, als wenn unser Messerstecher erneut zugeschlagen hat.“

Bianca zog die Luft durch die Zähne und ließ Eric los.

„Das darf wirklich nicht wahr sein. Lass uns frühstücken und in die Gerichtsmedizin fahren. Ich habe zwar heute frei, aber wenn es zu unserem Fall gehört, dann möchte ich das jetzt wissen. Ich gehe ins Bad, du rufst Robin an und wirfst ihn aus dem Bett.“

Rasch war Bianca unter der Dusche verschwunden und Eric kochte Kaffee. Er schob zwei Toastscheiben in den Toaster und wartete, bis sie wieder heraussprangen, um das Ganze zu wiederholen. Die vier Scheiben legte er in den Brotkorb und holte Wurst, Käse und Erdbeermarmelade aus dem Kühlschrank.

Falk war so lange in der Gerichtsmedizin geblieben und saß am Computer. Als Bianca und Eric eintraten, stand er auf und gab ihnen einen Wink, ihm zu folgen. Nebenan lag die Leiche einer jungen Frau auf dem kalten, glatten Edelstahltisch. Ihre blonden langen Haare waren wir ein Kranz um ihren Kopf gelegt. Die Vorderseite des Körpers wies zahlreiche Stichwunden auf, dass Bianca unwillkürlich zu zählen begann.

Falk sah die Bewegungen ihrer Lippen und sagte: „Neunzig.“

„Oh mein Gott.“

„Du sagst es. Vorn sind es zweiundfünfzig. Wie ihr seht, hat der Täter auch wieder auf Arme und Beine eingestochen. Er war entweder rasend vor Wut oder verrückt und voller Mordlust.“

„Was wissen wir über sie?“

Falk holte einen Plastikbeutel vom Regal und gab ihn Bianca. Die hob ihn hoch und sah ein Handy, ein Schlüsselbund und einen Personalausweis. Außerdem befanden sich einige zerknitterte Geldscheine in dem Beutel. Bianca reichte ihn Eric, nachdem sie den Ausweis entnommen hatte.

„Kristin Brutz. Sie ist zweiundzwanzig. Erst müssen wir einer hochschwangeren Frau sagen, dass ihr Mann nicht mehr lebt und nun gehen wir zu einer Mutter und verkünden ihr den Tod ihres Kindes. Es ist grausam. Was macht dich so sicher, dass es derselbe Täter ist?“

„Klinge, Schnittkanal, Breite der Wunden. Ich bin mir sehr sicher, dass hier dasselbe Messer benutzt wurde. Ich habe mal ein Bild ausgedruckt, seht es euch an. So könnte das Ding aussehen.“

Als Falk Eric das Bild gab, fühlte der die Stiche beinahe körperlich.

„Wie verzweifelt muss man sein, um so zu töten?“, hörte er Bianca sagen.

„Wie kommst du darauf?“

„Mein Bauch sagt mir, dass wir auch hier kein Motiv finden werden. Irgendetwas Schwerwiegendes muss den Täter dazu bewegen.“

Eric runzelte die Stirn. Er wollte nie wahrhaben, dass Bianca solch einen sicheren Instinkt hatte, aber die Erfahrung hatte ihn eines Besseren belehrt. Sie hatte immer Recht behalten, auch wenn oft genug alles gegen ihre Theorien sprach.

„Soll ich mitkommen zu den Eltern?“

„Ich rufe Robin an. Er hatte noch nie einen Mordfall und bei Tiana Bern war ja noch Ferdinand mit. Ich will ihn ins kalte Wasser werfen.“

„Ach, der kriegt das schon hin.“

„Robin wird danach zu uns kommen. Ich möchte, dass du ihm deine Wohnung zeigst.“

Eric sah Bianca überrascht an und Falk ließ die Blicke hin und her gehen. Dann begann der Gerichtsmediziner zu lachen.

„Hier ist klar, wer die Hosen anhat.“

„Jaja, Bianca ist da sehr konsequent.“

„Aber hallo!“, rief sie. „Du hängst doch eh nur in meiner Wohnung rum. Dann können wir die andere auch Robin überlassen. Wer weiß, wen man uns sonst ins Haus setzt.“

Eric legte seinen Arm um Bianca und zog sie mit sich. Falk winkte und ging zurück an den Computer.

Draußen wurde Bianca wieder ernst.

„Ob sie einen Freund hatte? Mal sehen, wen wir bei der Adresse antreffen.“

Sie fuhren in die Felsstraße. Diese Adresse hatte im Ausweis gestanden und weckte sowohl bei Bianca als auch bei Eric heftige Erinnerungen. Das verbrannte Haus war abgerissen worden und wurde gerade durch einen Neubau ersetzt. Bianca und Eric sahen sich an, dann nahm er ihre Hand.

„Eine aufregende Zeit, oder?“

Die Kommissarin nickte. Peter Jischeck und seine Tochter waren nach Hattenheim gezogen. Ab und zu begegneten sie sich in Eltville, denn er war der Kirchengemeinde treu geblieben.

Bianca stieg aus und wartete auf Robin, nachdem sie am Telefon das Geschehene zusammengefasst hatte. Eric war losgefahren. An der Klingel des alten, aber gepflegten Hauses standen zwei Namen: Kristin und Monique Brutz.

Mutter? Schwester? Oma? Mit wem mochte Kristin hier gelebt haben? In dem Moment hielt ein Auto neben ihr und Robin sprang heraus.

„Guten Morgen!“

„Gut ist anders. Hast du schon mal eine Todesnachricht überbracht?“

„Nicht direkt, aber es wird schon gehen. Ich war bei Unfällen manchmal mit, aber meistens habe ich im Auto gewartet.“

Bianca klingelte und eine Frau um die vierzig öffnete. Sie lächelte freundlich und sah die beiden Besucher fragend an.

„Frau Monique Brutz?“

„Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich bin Bianca Verskoff und das ist mein Kollege Robin Hinschler von der Polizei. Dürfen wir reinkommen?“

Schlagartig verdüsterte sich der Blick der Frau. Sie trat zur Seite und ließ die beiden eintreten. Als Bianca und Robin wieder auf der Straße standen, war der junge Kollege blass und still. Er setzte sich hinter das Steuer und legte den Kopf aufs Lenkrad, während Bianca sich auf den Beifahrersitz fallen ließ und ihren Kollegen voller Mitgefühl anschaute.

„Geht es?“

Robin hatte feuchte Augen, als er wieder aufsah.

„Mann, Mann, Mann, das ist hart. So habe ich das noch nie erlebt. Wie kannst du da nicht sofort losheulen? Du bist doch ein Mädchen?“

Bianca verkniff sich ein Grinsen über das „Mädchen“ und legte ihrem Kollegen eine Hand auf den Arm.

„Wir sind die, die den Mörder zur Strecke bringen. Wir sind die, die stark sein müssen, damit die Hinterbliebenen die Zuversicht haben, dass der, der einem Familienmitglied etwas angetan hat, bestraft wird. Wir vermitteln ihnen Sicherheit, dass wir das schaffen. Ich fühle immer mit ihnen, aber was in meinem Inneren los ist, hilft ihnen nicht. Du spürst, wenn du jemanden in den Arm nehmen musst oder wenn er ärztliche Hilfe braucht.“

„Mensch, ich hätte beinahe mit ihr geweint.“

„Ich verstehe dich, aber ich hoffe, du musst das hier nicht zu oft tun.“

„Ich auch. So ein junges Mädchen. Es war furchtbar.“

„Sie ist eine harmlose Studentin, die zu einer Party wollte und ich denke mal, dass sie genauso wenig Schlimmes getan hat wie Eick Bern.“

„Und das heißt?“

„Das heißt, dass es womöglich weitergehen wird. Und das heißt, dass wir nicht wissen, wonach wir suchen. Wenn man ein Motiv hat, dann ist es leichter, ein Täterprofil zu erkennen. Aber so müssen wir abwarten. Eric wird uns den Kopf abreißen, wenn noch jemand stirbt.“

„Du und der Staatsanwalt, das ist etwas Festes? Wollt ihr heiraten? Wie habt ihr euch kennengelernt?“

„He, du bist ganz schön neugierig, aber du hast recht, es ist etwas Festes. Wir hatten ein paar Startschwierigkeiten, doch jetzt ist alles gut. Ich habe ihn kennengelernt, als er undercover gearbeitet hat.“

„Das hört sich cool an. Entschuldige, wenn ich neugierig war. Die Frau eben hat mich ganz schön fertig gemacht. Ich wollte an etwas anderes denken.“

„Du darfst gerne traurig sein. Es ist gut, wenn du das alles nicht als eine Art Actionfilm siehst. Bei den ganz jungen Polizisten kommt das schon mal vor. Ich bin froh, dass du ein Herz hast.“

286,32 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
200 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783750235854
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают