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2. KAPITEL
Die Hexen der Walpurgisnacht anno 1304, 30. April

Alljährlich treffen sich die Hexen aus der ganzen Welt, um zusammen die Nacht zu Walpurgis zu feiern. Wie jedes Jahr wird auch diesmal über die schaurigen Machenschaften der gesamten Hexenschar berichtet. Die Hexe jedoch, die den stärksten und mächtigsten Zauber anwenden kann, wird fortan die Hexenschar leiten und die Untaten der anderen überwachen. Dabei werden Bosheiten für das ganze nächste Jahr ausgeheckt. Seit nunmehr 150 Jahren ist es immer Crudelis, die den ehrenvollen Titel der Ober-Hexe der gesamten Hexenschar nicht mehr aus ihren Händen gibt. Nachdem Crudelis den Sieg errungen hatte, wurde ihr das Buch der sieben Todsünden ausgehändigt. Genau mit diesem Buch konnte sie ihre Macht noch verstärken, gerade so wie es noch keiner, auch nicht der schrecklichsten Hexe je gelungen ist.

Xantippe, die kleine nette, unscheinbare Hexe mit ihrer bunt geflickten Blümchenschürze und ihren auch für eine Hexe kleinen 140 cm ist die wohl zerstreuteste aller Hexen, sie liegt auf ihrer Wiese genau vor ihrer Höhle. Sie hat einen langen Grashalm im Mund und blickt verträumt den vorbeiziehenden Wolken nach. Sie bemerkt nicht einmal den langen Schatten, den ihre Freundin genau auf sie wirft, als sie neben ihr landet. Aurora betrachtet Xantippe eine Weile, doch dann kann sie nicht mehr an sich halten.

»Ha, ha, ha«, sprudelt es aus ihr heraus. »Du siehst aus, als ob du schon seit Wochen in diese Trance versunken wärst. Ha, ha, ha.«

Ganz Langsam und bedächtig kehrt Xantippe aus ihren Träumen in die Wirklichkeit zurück. »Oh, hallo, Aurora, bist du schon lange hier?«

»Nein, leider musste ich dich stören, du weisst doch, was heute für ein Tag ist?«

»Ah, ja, es könnte Mittwoch oder vielleicht doch schon Donnerstag sein?«, sagt Xantippe unbesonnen vor sich hin.

»Na, das kann ja noch heiter werden! Heute Nacht ist Walpurgisnacht! «

»Au weia, heute, bist du ganz sicher?«

»Also, wusste ich es doch, du hast es vergessen!«

»Nun ja, wäre möglich, aber nun weiss ich es ja und ich komme immer noch rechtzeitig zu der schönen Feier.«

Darauf seufzt Aurora: »Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall, wann hast du das letzte Mal mit einer der Hexen gesprochen?«

Xantippe schaut ganz belämmert aus der Wäsche. »Seit der letzten Walpurgisnacht nicht mehr, die Zeit verging aber auch wie im Fluge.« Darauf mehr zu sich selbst: »Was habe ich bloss getan, in diesem ganzen Jahr?«

»Jetzt sag bloss, dass du nichts mitgekriegt hast von dem ganzen Ärger?«

Zögernd antwortet Xantippe: »Nein, waruuuum solllllte ich?«

»Nun, Rana hat dich doch immer wieder aufgesucht während des Jahres. Ist dir denn nicht aufgefallen, dass sie nie bei dir erschienen ist?«

»Nein, aber jetzt, wo du es sagst, fällt mir auf, dass ich sie wirklich vermisst habe.«

Aurora atmet hörbar aus, bevor sie weitererzählt. »Unsere grosse Ober-Hexe, die mächtigste aller Hexen, ist ihr begegnet. Ancilla, die sich in der Nähe aufhielt, versteckte sich in einem Gebüsch und konnte von dort aus alles beobachten. Rana kam des Weges gelaufen und auf einmal, wie aus dem Boden geschossen, stand die grosse Ober-Hexe Crudelis vor ihr. Ancilla sagt, es sei schrecklich gewesen zu beobachten, wie sich Crudelis an Rana rächte, nur weil Rana die allerschönste Hexe von allen war.«

»Ja, das ist sie wirklich. Was heisst denn hier war? Du willst doch nicht sagen …« In Xantippes Augen bilden sich Tränen und sie vermag nicht mehr weiterzusprechen.

»Also hör zu, es trug sich folgendermassen zu: Crudelis begrüsste Rana mit folgenden Worten. ›Wo gehst du hin? Rana?‹ Darauf antwortete diese: ›Geh mir aus dem Weg, du hässliche Kröte, nur weil du die Ober-Hexe bist, musst du dich hier nicht so aufplustern.‹ Und Ancilla, die dies alles mit anhörte, wäre beinahe in Ohnmacht gefallen vor Schreck. Crudelis, die wegen dieser ungehörigen Bemerkung ganz grün im Gesicht wurde, sagte zuckersüss: ›Nun, du scheinst keine hohe Meinung von der obersten aller Hexen zu haben?‹ ›Ja, ich habe schon immer auf mich selbst gehört und das wird sich wegen dir bestimmt nicht ändern!‹ Ancilla traute ihren Ohren nicht, was hatte Rana bloss vor, dass sie Crudelis dermassen provozierte? Doch genau in diesem Moment nahm Crudelis ihren Zauberstab und verhexte Rana mit folgenden Worten: ›Rana, Rana, ut ranam.‹ Darauf wurde Rana zu einem hässlichen Frosch.«

Xantippe, auf einmal hellwach: »Aber es gibt doch keinen Zauber, den wir gegeneinander anwenden können!«

Aurora: »Ja, das haben wir alle gedacht, aber offensichtlich ist es Crudelis nun doch gelungen, mächtiger zu werden als wir uns das je vorstellen konnten. Einige versuchten, denselben Zauber bei ihren Artgenossinnen anzuwenden, doch zum Glück ist es keiner gelungen. So, jetzt beeil dich, wir sind sehr spät dran.« Aurora ruft ihren Besen und macht sich sofort auf den Weg.

Xantippe muss erst noch ihren Besen suchen, da fällt ihr doch tatsächlich der Zauberspruch, mit dem sie den Besen zum Fliegen bringt, nicht mehr ein. Ratlos steht sie auf ihrer Wiese. Ancilla dachte sich schon etwas Ähnliches und schiesst aus heiterem Himmel wieder zurück: »Dachte ich’s mir doch, du hast schon wieder den einfachsten Zauber vergessen!«

»Ja«, gibt Xantippe klein bei. Da ruft Aurora: »Scopae, vola!« Mit diesen Worten entschwindet sie wieder in den Lüften. Gefolgt von Xantippe.

Gerade als Xantippe und Aurora auf die Wiese fliegen, können sie wieder die merkwürdigsten Dinge beobachten. Ein Hase sitzt da, wie versteinert, Büsche fangen wie aus heiterem Himmel Feuer, Steine kullern ohne Grund bergaufwärts, um dann mit einem riesigen Getöse wieder hinunter zu preschen. Aber auch Hexen werden auf einmal vom Besen ihrer Konkurrentin angegriffen. Dieser ganze Tumult macht auf Xantippe keinen Eindruck, sie sammelt als einzige Blumen und bindet diese zu einem Haarband.

Die anderen Hexen werden sofort auf Xantippe aufmerksam und treiben ihren Schabernack mit ihr. Gerade als sie eine Margerite pflückt, zischt ein greller Blitz knapp oberhalb ihres Rückens vorbei. Und doch noch nahe genug, um eine ihre feuerroten abstehenden Locken zu erwischen, welche mit einem Zisch schmilzt, es riecht sofort nach verbranntem Haar.

In diesem Moment fliegt die grosse Ober-Hexe Crudelis mit einem ohrenbetäubenden Lärm auf die Wiese und fordert alle auf, am Feuer Platz zu nehmen. Die Hexen versammeln sich wie geheissen um das Feuer in der Nacht zu Walpurgis, als ein Getuschel durch die Reihen geht. »Hast du schon gehört? Heute wird die schlechteste Hexe verbannt und darf erst wieder in den Kreis eintreten, wenn sie etwas Gigantisches vollbracht hat, das sogar Crudelis beeindrucken soll.«

»Bist du dir ganz sicher? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die schlechteste Hexe so etwas zustande bringt.«

»Ja, und falls sie es nicht schafft, wird sie endgültig aus unserem Kreis ausgeschlossen und muss fortan bei diesen stinkenden Kreaturen leben.«

»Du meinst … die Menschen? Das ist ja entsetzlich, da wird mir ganz übel.«

»Lass bloss Crudelis dein Gejammer nicht hören, du weisst ja, was die Grosse Ober–Hexe, die Unbesiegbare, für eine Macht hat, sie ist die Besitzerin des Buches der mächtigsten Zauberkünste, der sieben Todsünden.«

»Wer ist denn nun eigentlich die schlechteste Hexe?«

»Was?« Laut lacht die Hexe heraus. »Das weisst du nicht?«

»Nein, wirklich nicht.«

»Dann lass dich überraschen, du wirst gleich sehen.«

So tuscheln die Hexen rund um das Feuer. Es entsteht beinahe eine kleine Feststimmung, alle freuen sich, der zu erwartenden Bestrafung der schlechtesten Hexe beiwohnen zu können.

Auf einmal ertönt ein Donnern, begleitet von einem tiefen Grollen, die Erde erbebt spürbar mehrfach hintereinander, diese Ereignisse lassen alle Hexen zusammenfahren und aufhorchen. Für einen kurzen Moment herrscht Totenstille. Jetzt erleuchtet eine Fülle aus Licht die Wiese, diese ist zudem in unheimlichen Nebel gehüllt. Selbst der mutigsten Hexe stockt der Atem. Das unheimliche Getöse will nicht mehr verklingen. Als Crudelis zu sprechen beginnt, ist es sofort mucksmäuschenstill und alle schauen beklommen in die Runde. Selbst der Donner hat aufgehört.

Ein grausiges Lachen ertönt, jetzt, da absolute Ruhe eingekehrt ist, läuft auch der abgeschlagensten Hexe noch ein Schauer über den Rücken. Da plötzlich ertönt wieder Donnergrollen, Blitze und meterhohe Feuerschwaden erleuchten den Platz auf der Wiese am Berg taghell. Doch im nächsten Moment ist es stockdunkel, die Hexen können die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Durch einen stockdicken Nebel, der sich nur sehr langsam wieder zu heben beginnt, sieht man die Umrisse einer Hexe. »Ha, ha, ha, was seid ihr doch für ein feiges Pack!« Crudelis ist die mächtigste aller Hexen, sie ist so böse, dass sich alle vor ihr fürchten, selbst die Hexenschar, nie ist man vor ihren Wutausbrüchen sicher. Sofort kehrt erschreckende Stille ein, statt des Lärms, der vorher noch herrschte, könnte man jetzt eine Stecknadel fallen hören. Aurora läuft es eiskalt den Rücken hinunter, ehrfürchtig sieht sie sich das Schauspiel an.

Crudelis lacht ihr hässlichstes Lachen, das durch Mark und Bein dringt. Und jetzt erhebt sie ihre markdurchdringende Stimme im Hintergrund: »Wir sind nicht zusammen gekommen, um zu feiern, setzt euch auf eure Plätze.«

Alle Hexen beeilen sich sofort, dem Befehl der grossen Crudelis nachzukommen. Keine sagt mehr ein Wort und alle schauen betreten zu Boden.

»Ha, ha, ha, was seid ihr doch für Ungeziefer, keinen Mumm in den Knochen. Wie sollen wir eine böse Hexenschar bleiben, wenn nur noch Jammerlappen in unserer Runde sitzen?« Crudelis hat eine besonders hässliche Visage, auf ihrer grossen hakenförmigen Nase thront eine riesengrosse dunkelbraune Warze, aus der ein dickes schwarzes Haar, das die Länge von 3 cm hat, herausragt. Ihre Augen sind grasgrün und sehr klein und bei näherem Hinsehen erinnert der Blick von Crudelis an den einer Schlange. Wenn sie sich in die Enge gedrängt fühlt, werden die Augen zu kleinen Schlitzen, dann gilt es definitiv, die Flucht zu ergreifen. Dazu ist ihre Stimme grollend tief und triefend vor Hass und Zorn. Ihre Stirn wird fast vollkommen von dem schwarzen Zauberhut überdeckt, die Haut ist aschfahl. Ihre Hände sind übersäht mit Warzen und die knorrigen Finger sind so lang und dürr, dass sie an brüchige Äste erinnern.

»So, ich habe euch etwas sehr Trauriges mitzuteilen.« Mit ihren grasgrünen Augen mustert sie jede der Hexen aufmerksam, bis ihre Augen auf die kleine Xantippe fallen. Die kümmert sich offensichtlich nicht um Crudelis, denn sie bindet gerade ein Blumenband, das sie sich um den Kopf legt. Crudelis wird wegen dieser Ungehörigkeit ganz grün im Gesicht. »Was tust du da!!!!! Hexen machen keine Blumenkränze oder benehmen sich sonst so gewöhnlich wie du!!!«

Da Xantippe wieder völlig in Gedanken ist, bemerkt sie nicht, dass sie angesprochen – oder muss man sagen, angezischt wird. Da fliegt schon ein greller Feuerball so knapp an ihrem Ohr vorbei, dass sie die Hitze noch spüren kann. »Ja aber …«

»Still! Duuuu sprichst nur, wenn du gefragt wirst!!«

Es herrscht Totenstille. Keine der Hexen macht auch nur die geringste Bewegung. »Also, beantworte meine Frage!!«

»Was hast du denn gefragt?«

Crudelis wird ganz grün im Gesicht: »Na, für dich nehme ich mir später noch Zeit!!«

Damit lässt sie Xantippe für den Moment stehen und beginnt mit ihrem Anliegen. »Also, heute wird die schlechteste Hexe aus unserem Kreis ausgeschlossen, bis zu dem Tag, an dem sie einen Zauber gegen eine oder mehrere von uns gefunden hat. Falls dies je der Fall ist, wird von uns bestimmt, an wem sie den Zauber demonstrieren darf. Also, nun zu euren Untaten während des letzten Jahres.« Der Reihe und ihrer Machtstellung nach erzählen die Hexen, was sie im letzten Jahr alles an Unfug getrieben haben. Crudelis gibt sich ruhig und gelassen, lobt sogar die eine oder andere für ihre besondere Untat. Wenn eine Hexe keine so schlechte Tat vorzuweisen hat, dann tadelt sie dieselbe sofort schonungslos.

Dann, als letzte fällt die Reihe auf Xantippe, noch von ihrer einzigen Freundin angestachelt: »Sag einfach etwas, auch wenn es nicht stimmt, du bist eine Hexe und somit musst du nicht die Wahrheit sagen, auch lügen kann bei uns ein Vorteil sein.«

So beginnt Xantippe zu erzählen: »Ich habe mich angestrengt. Aber ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas Böses tun soll und deshalb habe ich immer wenn ich böse Gedanken hatte, eine gute Tat begangen.«

Crudelis wechselt bereits mehrfach die Gesichtsfarbe, von Weiss zu Grün und umgekehrt, fragt aber zuckersüss: »Was hast du denn für gute Taten vollbracht?«

»Nun, zum Beispiel half ich alten Damen über die Strasse oder habe kleinen Kinder die Katzen von den Bäumen runtergeholt, die meiste Zeit jedoch habe ich die Wolken beobachtet, wie sie am Himmel entlang ziehen. Ach ja, und einmal hat mich jemand sogar mit einem Goldstück belohnt für meine gute Tat.«

Als Crudelis dieses Goldstück, das Xantippe mit einer unbeschreiblichen Freude in die Luft streckt, sieht, wird ihr sofort speiübel. Unter gewaltiger Anstrengung fragt sie zuckersüss: »Von wem hast du das bekommen?«

»Es war eine nette ältere Dame, ich glaube sie hiess Imelda Proof.«

Das genügt Crudelis und sie schmettert los: »Imelda Proof? Imelda Proof?« Crudelis spuckt die Worte aus, begleitet von grüner schleimiger Galle, die sofort das Gras der Wiese versengt. »Weisst du denn nicht, dass sie unsere erklärte Todfeindin ist?« Ungläubig schüttelt Crudelis den Kopf, die anderen Hexen stecken die Köpfe zusammen und tuscheln, somit entsteht eine ungewollte Unruhe auf der Wiese. Crudelis schmettert einen ihrer berühmten Blitze in die Runde, wobei sie Ancilla an der Stirn trifft und diese schreiend durch den Kreis rennt. »So, jetzt gehst du und vergräbst das Goldstück. Du musst diesen Ort mit einem schrecklichen Zauber belegen, dass nie eine andere Hexe die Möglichkeit hat, dieses Goldstück auszugraben oder sonst irgendwie in die Finger zu bekommen. Mach das du sofort aus unserem Kreis verschwindest, du kannst erst wieder zu uns zurück kommen, wenn du etwas wirklich Gigantisches gezaubert hast!«

»Warum?«, setzt Xantippe an, wird jedoch sofort barsch von Crudelis unterbrochen. »Geh!!!! Oder ich verwandle auch dich in einen Frosch!!!! Wage es ja nicht, zu uns zurückzukehren, ohne eine wirklich böse Tat begangen zu haben!«

Angstvoll packt Xantippe ihren Besen und macht sich schnellstens davon.

Die Hexen starren weiter wie gebannt auf die böse Ober-Hexe. »Wagt es ja nicht, mit so einem Goldstück bei mir aufzutauchen. Jede, die sich auch nur in die Nähe von dieser verrückten Imelda Proof« (sie spuckt die Worte richtiggehend aus) »befindet, wird ein so schreckliches Schicksal erleiden, wie ihr es euch in den schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen könnt. Das ist mein letztes Wort.«

Damit beginnt sie mit ihrem mächtigen Zauber. Das Feuer der Walpurgisnacht erreicht sofort die zehnfache Höhe, Rauch und Nebel steigen gleichzeitig in den Himmel und verdunkeln diesen für einen langen Moment. Die gemeinen Hexen, die sich ums Feuer gedrückt haben, verstecken sich feige im angrenzenden Gebüsch. Denn alle hören von Ancilla, wie Crudelis die schöne Rana ohne mit der Wimper zu zucken in einen Frosch verwandelt hat. So manch eine ist dem Frosch während des Jahres begegnet. Aber keine konnte oder wollte die schöne Rana zurückverwandeln.

Xantippe fliegt verdrossen ihres Weges und überlegt fieberhaft, wo und wie sie das Goldstück vergraben könnte. Da findet sie einen Ort, der ihr selbst so gut vorkommt, dass selbst sie von sich selbst überrascht ist.

Als sie das Goldstück nun endlich vergraben hat, belegt sie den geheimen Ort mit einem Fluch: »Relegare aeternitas«, der, wie sie selber nicht weiss, sehr, sehr mächtig ist, so dass selbst der grösste aller Zauberer Mühe hätte, dieses Goldstück wieder auszulösen.

Nachdem sie mit ihrer Handlung fertig ist, wird sie sofort wieder zu einer richtigen Hexe und beginnt ihre neue Aufgabe, die ihr Crudelis gestellt hat, wahrzunehmen.

»Was könnte ich tun, damit ich Crudelis beeindrucken kann?« Sie stellt sich selbst diese Frage und ganz in diese Gedanken versunken schlendert Xantippe des Weges. Sie ist so in ihre neue Aufgabe vertieft, dass sie den Anblick, der sich direkt vor ihren Augen abspielt, um ein Haar nicht bemerkt hätte. Genau vor ihr auf dem Weg stehen fünf Zwerge, die sich über einen Maulwurf bücken. Sie kann ihr Glück nicht fassen, sofort ist sie hellwach, jetzt kommt Leben in die kleine Hexe und sie streckt ihre Arme aus, um mindestens einen Zwerg oder noch besser, gleich alle fünf Zwerge zu fangen. Doch leider bemerken auch die Zwerge, dass sich ihnen eine Hexe nähert. Und so misslingt es Xantippe kläglich, auch nur eines dieser sonderlichen Geschöpfe in die Hände zu kriegen.

Wie von Geisterhand lösen sich alle Zwerge in Luft auf. Plupp, plupp, plupp, einer nach dem anderen verschwindet, zuerst steigen sie allesamt in eine riesengrosse Seifenblase, dann platzt dieselbe, es ist nichts mehr zu sehen und die Zwerge bleiben verschwunden.

Da hat Xantippe eine Idee, wie sie Crudelis und alle anderen Hexen beeindrucken könnte. Ein unheimliches Grinsen macht sich auf ihrem Gesicht breit. Wie wundervoll diese Idee ist, was sie damit alles erreichen kann, vor ihr liegt jedoch noch eine Menge Arbeit, bis sie ihren Plan vollenden kann. Ganz erfreut und voller guter Dinge fliegt sie auf ihre kleine Wiese, dort beginnt sie sofort mit einem für sie sehr ungewöhnlichen geschäftigen Treiben. Für sich denkt sie: »Ganz egal wie lange ich dafür brauche, ich werde es schaffen.«

Wochenlang steht Xantippe in ihrer Hexen-Küche und versucht, ihre Idee umzusetzen. Sie braut einen Zaubertrank nach dem anderen und quält sich selbst über mehrere Tage und Nächte hinweg.

Ihre Gedanken verweilen nur noch bei dieser einen Aufgabe und niemand bekommt sie während dieser Zeit zu sehen. Nach 70 qualvollen Tagen atmet Xantippe auf. Endlich hat sie ihr Ziel erreicht. Bevor sie ihren Triumph ausspielen kann, legt sie sich einen Moment hin, um noch einmal darüber zu schlafen. Im Traum erscheint ihr eine böse Warnung, sie muss sich selber vor dem Trank schützen. Noch einmal sieben Tage und dann ist sie am Ziel ihrer Träume. Den Trank, den sie für sich selber bereitet hat, stellt sie neben den Eingang der Höhle. Jetzt ist es ein leichtes, ihren Plan auszuführen. Ohne weiter nachzudenken spricht sie den fürchterlichsten aller Zaubersprüche. »Transitus, omnis, venefica, nanus, undec, dracos.« Sie nimmt den Trank und macht sich auf einen langen Flug. Xantippe breitet den Trank über der gesamten Welt aus. Als sie mit ihrem Besen zu der Höhle zurückkehrt, sieht sie, wie der Drache Zacko auf ihrer Wiese herumhüpft. Gerade als Xantippe im Sturzflug auf ihre Wiese stürmt, muss sie mitansehen, wie Zacko den Krug mit dem für sie selbst bestimmten Trank, der zum Gegenmittel gegen den Fluch, den sie jetzt auf der ganzen Welt verteilt hat, bestimmt war, in die Hände nimmt. »He du da, sofort fallen lassen oder ich verbanne dich in alle Ewigkeit!«

Verstohlen schaut der Drache in die verbotene Höhle, da trinkt er auch schon den Trank, den Xantippe für sich selber zubereitet hat. »Ah, habe ich einen Durst, dieser Schluck, damit kann ich meinen Durst ein wenig löschen.« In einem gierigen Zug leert er den ganzen Topf. Beim Schlucken sieht Zacko grüne und gelbe Blitze vor den Augen. »Au weia, das war ja schon schlecht! Ach, wieso kann ich denn nichts stehen lassen.« Mit diesen Worten fällt Zacko in einen tiefen, sehr lange dauernden und traumlosen Schlaf.

Von Xantippe ist nur noch ein letzter verklingender und schwächer werdender Schrei zu hören und danach herrscht Totenstille.

3. KAPITEL
700 Jahre später, das Jahr 2017

Es ist ein wunderschöner warmer Sommertag, die Sonne scheint und die Vögel zwitschern in den Bäumen. Die Sonne scheint so hell und keine einzige Wolke ist am Himmel zu sehen. Die gesamte Umgebung erstrahlt in einem goldenen Licht, selbst die blassesten Blumen erhalten einen goldenen Schimmer. Die Welt zeigt sich heute von ihrer friedlichsten und schönsten Seite.

Ganz verträumt steht Ursian am Waldrand und lauscht dem Vogelgezwitscher, dem Wind, der leise durch die Äste pfeift. Er hat ein friedliches Lächeln auf seinem Gesicht. Immer wenn er die Zeit findet, um sich alleine im Wald aufzuhalten, geht er los und geniesst die Stille der Natur. Er holt tief Luft und lässt den wunderbaren Atem ganz bewusst durch seine Lungen strömen. Er fühlt sich stark und mit Natur und Umwelt im Einklang.

Ganz unbewusst nimmt Ursian ein entferntes Geräusch wahr, sein Kopf schnellt in die Höhe. Seine verträumte Ruhe macht sofort einer aufmerksamen Wachheit Platz. Was ist das für ein Geräusch? Es zerstört diesen Augenblick der vollkommenen Ruhe blitzartig.

Zuerst hört Ursian nur ein leises Wimmern, das Wimmern wandelt sich in lautes Schluchzen und das Geräusch kommt näher und näher. Jetzt ist es endgültig vorbei mit der Ruhe. Ursian macht sich auf um zu erkunden, woher dieses Wimmern kommt. Ursian steht nun wieder aufrecht und kann ein ziemliches Stück des Weges beobachten. Er sieht wie ein kleines Mädchen tränenüberströmt vom Dörfchen Bacus in die Richtung des angrenzenden Waldes rennt, sie weint herzzerreissend und trotz der Tränen rennt sie immer weiter, immer tiefer in den dunklen Wald hinein.

Durch den Tränenschleier kann sie den Weg offensichtlich nicht mehr richtig erkennen, denn sie irrt in einem wahren Zickzack umher, trotzdem rennt sie immer weiter und weiter. Dann auf einmal plumps, das Mädchen fällt der Länge nach hin, im ersten Moment bleibt sie liegen, es scheint ihr egal zu sein, was um sie herum geschieht. So bleibt sie reglos auf dem Waldboden liegen.

Ursian, der beobachten konnte, wie das Mädchen gestürzt ist, läuft los in die Richtung, in der das Mädchen am Boden liegt. Nach kurzer Zeit kann er erkennen, dass das gestürzte Mädchen seine Freundin Pia ist. Doch er ist zu weit weg, so dass er den genauen Weg, den Pia genommen hat, nicht gleich findet. Offensichtlich hat sie sich wieder aufgerafft und rennt weiter. Ursian kann Pias blaues Halstuch durch die Bäume hindurch erkennen.

Doch im nächsten Moment hat er den Sichtkontakt verloren und kann nichts mehr erkennen. »Jetzt habe ich doch gerade noch Pias Halstuch entdecken können.« Ursian ist sich unterdessen sicher, dass es seine Freundin Pia ist, die er in den Wald rennen sah. Weiter hinten im Wald kann er wieder Pias Umrisse sehen, doch Ursian kann seinen Augen nicht trauen, ein heller Lichtkegel erleuchtet ganz kurz die Felswand, die sich mitten im Wald befindet. Ursian sieht einen hellen Schein, der immer leuchtender und heller wird und plötzlich finstere Dunkelheit. Ursian reibt sich die Augen. »Was ist denn jetzt los? Ich habe Halluzinationen.« Ursian steht da und kann nicht glauben, dass er Pia nicht mehr sehen kann.

Dabei könnte Ursian schwören, dass Pia in dieses gleissende Licht gehüllt wurde und daraufhin verschwunden ist. Das Licht scheint Pia aufgesogen zu haben und was zurück bleibt, ist beissende Dunkelheit.

Ursian reibt sich die Augen, er glaubt, dass ihn ein Sonnenstrahl geblendet haben muss. Als er die Augen wieder aufschlägt, wird er wieder von diesem hellen, gleissenden Licht geblendet. Da er unterdessen weitergegangen ist, befindet er sich noch viel näher an der Stelle als vorher. Ursian will jetzt wissen, was hier vor sich geht und sieht vorsichtig in das gleissende Licht hinein. Was er jetzt sieht, versetzt ihm beinahe einen inneren Schrecken. Pia steht genau vor ihm. Ohne gross auf Ursian zu achten, tritt sie wieder in den Wald hinaus. Ursian traut seinen Augen nicht.

»Pia, was ist hier los?« Ursian reibt sich die Augen und denkt für sich: »Was habe ich da gerade gesehen? Das kann doch nicht sein, mir spielt das Licht einen bösen Streich.«

»Oh Ursian, ich habe dich gar nicht gesehen,« sagt Pia, obwohl sie beinahe durch Ursian hindurchgegangen wäre.

Ursian kann nichts im Gesicht von Pia ablesen, sie sieht aus wie immer und hat sogar ein kleines Lächeln im Gesicht. »Es interessiert mich sehr«, denkt Ursian vor sich hin, »was Pia so schnell beruhigen konnte, sie wirkt ja beinahe fröhlich.«

»Pia, warte auf mich!«

»Oh Ursian, ich bin so froh, dich zu sehen«, sagt sie und fliegt ihm freudig in die Arme. Die beiden setzen sich aufs weiche Moos auf dem Waldboden. »Was ist denn geschehen?«, fragt nun Ursian.

»Jetzt ist Pia wenigstens nicht mehr so verzweifelt wie vorhin. Mich nimmt nur Wunder, was wirklich geschehen ist«, sagt Ursian zu sich selbst.

»Ich dachte eben, dass du verschwunden bist, aber dann bist du sofort wieder erschienen. Was ist denn bloss geschehen?«, fragt Ursian.

»Also, ich war länger …«, Pia unterbricht ihre Rede, da sie etwas hört.

»Pia, hörst du das auch?«, fragt nun Ursian. Beide Kinder hören nun mit erhobenen Häuptern in den Wald. Sie schauen sich schweigend an, können jedoch nichts erkennen.

Pia und Ursian hören ein leises Wimmern, als sie einen kleinen Moment innehalten, hören die beiden ein leises Stöhnen. Oder war es schon fast ein trauriges Wimmern? Voller Schrecken springt Ursian in die Höhe und versucht auszumachen, woher dieser Ton kommt. Seine Augen haben sich bereits an die Dunkelheit im tiefen, finsteren Wald gewöhnt. So kann er schnell erkennen, dass weiter vorne etwas auf dem Boden liegt und sich krümmt. Von dort kommen auch die unheimlichen Geräusche.

Es wird Pia Angst und Bange, denn auch sie hat dieses Etwas gesehen. Schon sieht sie, wie Ursian so schnell er nur kann zu diesem Etwas hinrennt. Also macht sich auch Pia, allerdings etwas bedächtiger, zu der Stelle auf.

Ursian entdeckt Imelda Proof, die sich halb bewusstlos auf dem Boden wälzt. »Frau Proof, Frau Proof, was um Himmels Willen ist hier geschehen??«

Doch Imelda Proof ist bewusstlos und kann keine Antwort geben.

Da rennt Ursian an das nahegelegene Bächlein und befeuchtet sein knallrotes Halstuch, das er immer bei sich trägt. So schnell er kann rennt er zurück und kühlt die Stirn der alten Dame.

Unterdessen ist auch Pia bei den beiden angelangt. »Kann ich etwas tun?« Pia befürchtet schon das Schlimmste, weil Imelda Proof ihre Augen gar nicht mehr aufschlägt. Den Tränen nahe steht sie neben den beiden und weiss sich und Imelda Proof nicht zu helfen. Ursian bemerkt nicht, dass Pia ganz weiss im Gesicht wird, er ist mit Imelda Proof beschäftigt.

Endlich schlägt sie die Augen auf, schaut sehr verwirrt in die Gegend, erkennt aber sofort den Jungen: »Ursian, was ist denn bloss los? Wo bin ich?«

»Im Wald, ich konnte nicht sehen, was geschehen ist, ich bin bloss Pia gefolgt.«

Im selben Moment erschüttert etwas die Erde. Als Ursian sich umdreht, sieht er Pia auf dem Boden liegen, vor lauter Schreck ist sie in Ohnmacht gefallen.

Erneut befeuchtet er sein knallrotes Halstuch, diesmal aber für Pia. Kurz nachdem Ursian Pia das feuchte Halstuch auf die Stirn gelegt hat, ist sie wieder bei Bewusstsein. »Bleib so liegen Pia, ich komme gleich wieder zu dir.«

Er eilt wieder zu Imelda Proof. »Jetzt muss ich aber sofort erfahren, was hier vorgefallen ist, Ursian.« Mit diesen Worten nimmt sie Ursian am Arm und bedeutet ihm, sich neben sie zu setzen. »Komm erzähl, wieso liege ich hier?«

»Also, wenn ich das recht erkenne, sind Sie von einem herab fallenden Ast getroffen worden.« Während er spricht sieht er zu Pia hinüber, in der Angst, dass sie noch einmal ohnmächtig werden könnte. »Ich muss nach Pia sehen. Ihr geht es nicht so gut.« Gesagt, getan, er geht zu Pia, zieht sie mit seinen starken Armen hinüber auf das weiche Moos.

Imelda Proof schaut sehr erstaunt auf Pia hinunter. »Was hast du denn, mein Kind?«

»Ach, mir ist nur ein bisschen übel geworden. Als Sie so bewegungslos hier lagen, hatte ich Angst, dass Sie schlimmer verletzt sein könnten, da wurde mir schwindelig«, antwortet Pia.

»Also gut, hilfst du mir, Frau Proof nach Hause zu bringen?«, fragt Ursian Pia.

»Oh ja, gerne.«

»Ich bin doch kein kleines Kind mehr, den Nachhauseweg habe ich noch immer gefunden.«

»Kommen Sie, ich helfe Ihnen zuerst mal auf die Beine:«

Widerwillig lässt sich Imelda helfen. Kaum auf den Beinen, wird ihr wieder schwindelig. »Ja«, knurrt sie, »Es sieht so aus als ob ich für eure Hilfe froh und dankbar sein muss«, sagt sie und macht sich zwischen den beiden Kindern auf den Weg nach Hause.

»Wissen Sie, wie sich das zugetragen hat?«, fragt nun Ursian. Imelda Proof erinnert sich, dass sie wie jeden Tag an ihre altvertraute Stelle in den Wald ging. »Bereits den ganzen Nachmittag sass ich an meinem Plätzchen. Gerade als ich wieder nach Hause gehen wollte, konnte ich beobachten, wie das kleine Mädchen des Weges gerannt kam. Ich sah sofort, dass es sich um Pia handelt, die bei Pfarrer Romuald Rommel und ihrem gleichaltrigen Freund Ursian aufwächst. Jetzt will ich aufstehen und Pia zu mir rufen. Doch genau in diesem Moment knarrt es im Geäst. Als ich den Blick nach oben richte, kann ich noch sehen, wie ein dicker Ast, der morsch und faul war, geradewegs auf mich zufällt. Ich kann im Augenwinkel noch erkennen, wie das kleine Mädchen in gleissendes Licht gehüllt wird. Dann wird mir sofort schwarz vor Augen und ich verliere das Bewusstsein.«

»Ja, der Ast liegt noch hier, der kleine Übeltäter«, sagt Ursian. »Was ist das für ein ekliger Geruch?? Pia, irgendetwas stinkt hier erbärmlich«, sagt Ursian auf dem Nachhauseweg.

»Au ja, jetzt rieche ich es auch, fürchterlich«, stimmt Imelda Proof zu. Dabei überschlagen sich ihre Gedanken geradezu. »Wann habe ich diesen Geruch zum letzten Mal wahrgenommen? Oh, wie ich diesen Geruch liebe. Es muss nun doch satte 700 Jahre her sein, dass ich es zum letzten Mal gerochen habe. Und die farbigen Tupfer auf dem T-Shirt der Kleinen. Ich weiss nur einen Ort, an dem diese intensiven Farben vorkommen«, so denkt Imelda Proof vor sich hin. »Ob das Mädchen weiss, wie ich den geheimen Ort wiederfinden könnte? Aber es ist schwierig, denn die Gefahr, in der sich Pia befindet, ist unschätzbar. Ich werde sehr behutsam vorgehen müssen, zuerst ist es jetzt wichtig, dass ich die Kinder nicht aus den Augen lasse. Wer weiss, ob ich sie überhaupt beschützen kann? Jetzt heisst es aufmerksam und auf der Hut zu sein. Ebenfalls muss ich dafür sorgen, dass den Kindern dabei nichts geschieht. Schnellstens muss ich jetzt meine Vorbereitungen treffen. 700 Jahre, 700 Jahre, soll nun endlich die Erlösung stattfinden?«

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