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In die gleiche Richtung weist die von Kaiser Hadrian veranlasste Verkündung eines ewigen Edikts (edictum perpetuum) für Prätoren und Statthalter: Während die jährlichen Edikte der Magistrate Ausdruck ihrer eigenen Jurisdiktionsgewalt waren und trotz Anlehnung an das Edikt des Vorgängers auf eigener Schöpfung beruhten, ließ Kaiser Hadrian durch den Juristen Julian (2. Jahrhundert n. Chr.) eine allgemeingültige Version des prätorischen Edikts vorbereiten. Dieses Edikt wurde um 130 n. Chr. durch einen Senatsbeschluss in Kraft gesetzt und bildete fortan die unveränderliche Grundlage der Rechtsprechung in Rom und in den Provinzen. Zwar stand den Juristen weiterhin die Interpretation und interpretative Ergänzung von Ediktsklauseln offen, durch die Fixierung des Edikts wurde aber der Rechtssetzungsspielraum der Magistrate begrenzt und vor allem schon im Vorhinein durch den princeps kontrolliert.

Die Zeit der severischen Kaiser (193 – 235 n. Chr.) gilt in verschiedener Hinsicht als Höhepunkt des Einflusses der Juristen auf die Staatsgeschäfte. Schon seit Hadrian (117 – 138 n. Chr.) waren die Juristen sowohl im kaiserlichen Rat (consilium) als auch in der kaiserlichen Kanzlei unmittelbar an der Rechtssetzung durch den princeps beteiligt. In der Epoche der Severer wirkten mit Aemilius Papinianus (Papinian), Iulius Paulus (Paulus) und Domitius Ulpianus (Ulpian) gleich drei Juristen, die auch durch ihre Schriften zu den bedeutendsten Fachvertretern zählen, als kaiserliche Beamte und Mitglieder des Rates. Alle drei hatten die Position des Prätorianerpräfekten (praefectus praetorio) inne und waren damit direkte Vertreter des Kaisers in der Zivilverwaltung und Rechtsprechung. Auf diese Weise waren sie für die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit zuständig und konnten in Vertretung des Kaisers auch Berufungsverfahren (appellationes) gegen Urteile durchführen. Auch in weniger prominenter Stellung wirkten sie auf die kaiserliche Rechtssetzung ein, indem sie als Kanzleibeamte die kaiserlichen Antworten (rescripta, davon Reskripte) auf Rechtsanfragen aus dem ganzen Reich vorbereiteten und als Beratungsgremium für das Kaisergericht dienten. Diese doppelte Funktion ist typisch für die Juristen der gesamten Kaiserzeit, die uns durch ihre ‚private‘ literarische Produktion (Rechtsliteratur) in Justinians Digesten bekannt sind.

In Übersicht 6 sind die Namen der im Folgenden am häufigsten zitierten Juristen – geordnet nach der kaiserlichen Dynastie, unter der sie wirkten – aufgeführt:

Übersicht 6: Die Jurisprudenz der Kaiserzeit


Die zeitliche Zuordnung eines Juristen zu einer bestimmten kaiserlichen Dynastie kann Aufschluss über die Rahmenbedingungen seines Wirkens geben und erlaubt, seinen Platz innerhalb der verschiedenen Juristengenerationen zu bestimmen. Die Details dieser Geschichte der römischen Jurisprudenz bleiben hier jedoch ebenso wie die Biographien und die Beschreibung der Schriften der einzelnen Prinzipatsjuristen ausgeklammert. Festzuhalten ist lediglich, dass der Prinzipat mit seiner engen Verbindung zwischen Kaisertum und Jurisprudenz die Voraussetzungen bot, die fachwissenschaftliche Diskussion auch literarisch zu fixieren und eine juristische Fachliteratur auszuprägen. Schon in der an die Severerzeit anschließenden Epoche, die als Zeit der „Soldatenkaiser“ (235 – 284 n. Chr.) bezeichnet wird, weil die häufigen Herrscherwechsel meist durch militärische Umstürze erfolgten, geht diese Möglichkeit wieder verloren. Dies lag vor allem daran, dass die kaiserliche Verwaltung aufgrund der gewaltsamen Herrscherwechsel in dieser Zeit nicht mehr von Juristen, sondern von Militärs dominiert wurde. Wenngleich die kaiserliche Kanzlei weiterhin Rechtsauskünfte erteilte und Recht setzte, verlor die Jurisprudenz ihre herausragende und mächtige Stellung, die sie seit Oktavian innehatte. Allerdings wirkten die Juristen des Prinzipats über ihre Schriften auch auf die Rechtssetzung der nachfolgenden Kaiser ein. Dies gilt in besonderem Maße für die Kaiser Diokletian (Ostrom, 284 – 305 n. Chr.) und Maximian (Westrom, 286 – 305 n. Chr.), die versuchten, die Herrschaft über das römische Reich durch dessen Neuorganisation zu sichern, und dabei in ihrer Rechtsprechung bewusst an die Vorbilder des Prinzipats anknüpften.

2.1.3 Die Spätantike

Die Zäsur zur Spätantike bildete der mit Kaiser Konstantin I. (306 – 337 n. Chr.) beginnende Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion. Die Berufung auf eine göttliche Legitimation der Herrschaft führte zu einer Veränderung der Herrschaftsbegründung und der Herrschaftsformen, und die Gebote des Christentums veränderten die Vorgaben für das Recht. Dennoch blieben die Schriften der Prinzipatsjuristen und die Rechtssetzungsakte der früheren römischen Kaiser auch im 4. Jahrhundert n. Chr. bekannt und wurden weiter abgeschrieben und verbreitet. In der Zeit der Völkerwanderung (4. und 5. Jahrhundert n. Chr.) wurden sowohl die Rechts- als auch die Reichseinheit geschwächt: Während im Osten des Reiches die antike Tradition fortlebte, endete das Westreich mit dem Tod des letzten von Byzanz anerkannten weströmischen Kaisers Julius Nepos (474 – 480 n. Chr.).

2.1.4 Zeitlicher Rahmen dieses Lehrbuchs

Die Zeitspanne, für welche die Entwicklung des römischen Erbrechts zu betrachten sein wird, ist gegenüber dem skizzierten zeitlichen Rahmen begrenzt. Sie betrifft – allein schon aufgrund der Quellenlage (Kap. 1.2) – vorrangig die Zeit vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. (in der Übersicht 7 hervorgehoben). Historisch gesehen erfasst die Darstellung damit die ausgehende römische Republik sowie die römische Kaiserzeit (Prinzipat).

Übersicht 7: Zeitlicher Rahmen dieses Lehrbuchs


Auch dieser Zeitraum von knapp 400 Jahren ist – wie schon die skizzierte historische Entwicklung gezeigt hat – keine homogene Epoche. In der justinianischen Kompilation der römischen Juristenschriften (Digesten) finden sich aber nahezu ausschließlich Werke aus diesem Zeitraum mit einem Schwerpunkt im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Es ist daher die Rechtsanschauung dieser Juristen der Prinzipatszeit, die auch die Darstellung der römischen Rechtsentwicklung prägt.

2.2 Rechtsschichten des römischen Privatrechts

Die römischen Juristen des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. unterscheiden verschiedene Rechtsschichten, das heißt Regelungen, die einer gemeinsamen Entwicklungsstufe angehören. Diese Unterscheidung von Rechtsschichten nach historischem Ursprung und damit verbunden abweichender rechtspolitischer Zwecksetzung dient den Juristen als elementare Rechtsquellenlehre. Dabei ordnen die römischen Juristen die Rechtsquellen nicht hierarchisch, sondern genetisch, indem sie eine nachfolgende oder hinzutretende Rechtsschicht vor allem in ihrer Gegensätzlichkeit zum bestehenden Recht kennzeichnen. Die Forschung zum römischen Recht bedient sich dieser Ansätze, um die römische Rechtsordnung zu charakterisieren. Man spricht daher von den ‚Rechtsschichten des römischen Privatrechts‘. Damit ist die bereits beschriebene historische Anlagerung von Normen unterschiedlicher Provenienz und Zielsetzung gemeint, die das römische Privatrecht kennzeichnet (Kap. 1.3.1). Da dieses Rechtsschichtenmodell auch bei der Darstellung der erbrechtlichen Institute zugrunde gelegt werden wird, sind im Folgenden die in den Juristenschriften anzutreffenden Charakterisierungen verschiedener Rechtsschichten vorzustellen.

2.2.1 Ius naturale

Den theoretischen Ausgangspunkt der Reflexion über Rechtsschichten in den Juristenschriften bildet das ius naturale („natürliches Recht“), das nicht mit dem heutigen Naturrecht verwechselt werden darf:

D. 1.1.1.3 Ulpianus 1 institutionumIus naturale est, quod natura omnia animalia docuit: Nam ius istud non humani generis proprium, sed omnium animalium, quae in terra, quae in mari nascuntur, avium quoque commune est. Hinc descendit maris atque feminae coniunctio, quam nos matrimonium appellamus, hinc liberorum procreatio, hinc educatio: Videmus etenim cetera quoque animalia, feras etiam istius iuris peritia censeri.

Das natürliche Recht besteht aus dem, was die Natur alle Lebewesen gelehrt hat: Denn dieses Recht ist nicht der Menschheit vorbehalten, sondern ist allen Lebewesen, die auf der Erde und die im Meer geboren werden, und auch den Vögeln gemeinsam. Von diesem Recht stammt die Verbindung von Mann und Frau ab, die wir als Ehe (matrimonium) bezeichnen; ebenso die Zeugung von Kindern und ihre Erziehung. Wir sehen nämlich, dass auch die anderen Lebewesen, sogar die wilden Tiere, durch die Kenntnis dieses Rechts erfasst werden.

Ulpian (3. Jahrhundert n. Chr.) definiert als ius naturale das von der Natur gegebene Recht, das als ursprünglich vorgefundenes Recht dem vom Menschen geschaffenen Recht gegenübersteht. Da das menschliche Recht dem naturgegebenen Zustand widersprechen kann, bildet das ius naturale einen Ansatzpunkt für Rechtskritik:

D. 1.1.11 Paulus 14 ad SabinumIus pluribus modis dicitur: Uno modo, cum id quod semper aequum ac bonum est ius dicitur, ut est ius naturale. Altero modo, quod omnibus aut pluribus in quaque civitate utile est, ut est ius civile. […].

Der Begriff „Recht“ wird auf mehrere Weisen verwendet: In der einen Weise, wenn das, was immer billig und gut ist, als Recht bezeichnet wird, das heißt das ius naturale. Auf andere Weise, was allen oder der Mehrheit in jeder beliebigen Gemeinde nützlich ist, das heißt das ius civile. […].

Während das ius naturale der allgemeinen Gerechtigkeit (aequitas) verpflichtet ist, dient das ius civile, das heißt das für die Bürger einer Gemeinde geschaffene Recht, der Nützlichkeit (utilitas). Das ius civile kann daher einseitig bestimmte Gruppen oder Personen begünstigen, was gegen die allgemeine Gerechtigkeit, also das ius naturale, verstößt. Die Berufung auf die grundlegende Rechtsschicht des ius naturale kann daher – genau wie die Berufung auf die aequitas – dazu dienen, Rechtsänderungen und Anpassungen der bestehenden Regelungen zu fordern.

2.2.2 Ius civile

Die grundlegende Rechtsschicht des vom Menschen geschaffenen Rechts bildet das ius civile:

Gai. 1,1Omnes populi, qui legibus et moribus reguntur, partim suo proprio, partim communi omnium hominum iure utuntur: Nam quod quisque populus ipse sibi ius constituit, id ipsius proprium est vocaturque ius civile, quasi ius proprium civitatis; […].

Alle Völker, die von Gesetzen und Sitten regiert werden, wenden teils ihr eigenes, teils das allen Menschen gemeinsame Recht an. Denn was ein jedes Volk selbst für sich als Recht festsetzt, das ist sein eigenes und wird ius civile genannt, sozusagen „das eigene Recht der Gemeinde (civitas)“; […].

Das ius civile ist das innerhalb einer Bürgerschaft (civitas) geltende Recht; die Berufung auf dieses Recht setzt die Zugehörigkeit zur Bürgerschaft, also das Bürgerrecht, voraus.8 Hauptquellen des ius civile in Rom sind das Zwölftafelgesetz (ca. 450 v. Chr.) und andere Volksgesetze (leges) der republikanischen Zeit. Seinen Gegenpol bildet das über die Gemeinde (Rom) hinausweisende Recht, das unabhängig vom Bürgerrecht Anwendung findet und das als ius gentium (‚Völkergemeinrecht‘) bezeichnet wird. Dieses Völkergemeinrecht ist nicht wie das ‚Völkerrecht‘ auf die zwischenstaatliche Sphäre beschränkt, sondern umfasst auch das Privatrecht, das heißt Rechtsverbindungen zwischen Bürgern verschiedener Gemeinden, zum Beispiel in Handelsbeziehungen. Im hier untersuchten Erbrecht spielt das ius gentium keine Rolle, was sich aus der engen Verbindung zum Familien- und Personenrecht erklären lässt: Solange das Erbrecht in der archaischen Zeit der Fortsetzung der Familie über den Tod hinaus dient, gibt es kaum Raum für Übertragungen auf Nichtrömer (peregrinus = „fremd, ausländisch“, davon Peregrine). Soweit im Verlauf von Republik und Kaiserzeit auch das Erbrecht von Nichtrömern zum Thema wurde, wurden die Lücken des ius civile durch das prätorische Recht (ius praetorium) und das Kaiserrecht geschlossen.

2.2.3 Ius praetorium und ius honorarium

Das ius praetorium oder ius honorarium bildet die zweite wichtige Rechtsschicht des vom Menschen geschaffenen Rechts:

D. 1.1.7.1 Papinianus 2 definitionumIus praetorium est, quod praetores introduxerunt adiuvandi vel supplendi vel corrigendi iuris civilis gratia propter utilitatem publicam. Quod et honorarium dicitur ad honorem praetorum sic nominatum.

Das prätorische Recht ist dasjenige, das die Prätoren um der Unterstützung oder der Ergänzung oder der Korrektur des ius civile willen zum öffentlichen Wohl eingeführt haben. Dieses wird auch als ius honorarium bezeichnet, das zu Ehren (honor) der Prätoren so genannt wurde.

Der Name ius praetorium leitet sich vom Amt des Gerichtsmagistraten (praetor oder allgemeiner honor = „Amt“, daher auch „Amtsrecht“) ab, verweist also darauf, dass das Recht auf dem prätorischen Edikt beruht. Sein Zweck ergibt sich aus dem Rechtsdurchsetzungszweck des prätorischen Edikts: Das Edikt stellt die Klageformeln und Einreden zur Verfügung, die Voraussetzung für die Gewährung von Rechtsschutz sind. Aus diesem Grund wird das ius praetorium vorrangig in seiner Funktion für das ius civile, verstanden als Summe der für den römischen Bürger geltenden Rechtsgrundsätze und Rechtsinstitute, definiert. Das prätorische Recht als Prozessrecht des ius civile dient in dieser Perspektive zunächst dazu, das ius civile zu unterstützen und bei dessen Lückenhaftigkeit zu ergänzen. Der vom Prätor gewährte Rechtsschutz kann aber auch eine das ius civile korrigierende Funktion haben. Auch diese Korrekturwirkung kann – wie das gesamte ius praetorium – aus dem öffentlichen Auftrag des Prätors gerechtfertigt werden.

Auf diese Weise besteht tendenziell ein Spannungsverhältnis zwischen ius civile und ius praetorium. Diese Dualität beider Rechtsschichten dauert auch nach Beginn des Prinzipats fort. Obwohl das Edikt seit Kaiser Hadrian (117 – 138 n. Chr.) als kaiserliches Recht wirkt (Kap. 2.1.2), wird es in den Juristenschriften weiter als ius praetorium bezeichnet. Auch das ius civile wird bis in die Kaiserzeit als eigenständige Rechtsschicht angesehen, wenngleich das Kaiserrecht auch für dieses neue Vorgaben setzt und unmittelbar verändernd in das ius civile eingreift.

2.2.4 Ius civile und ius novum im Prinzipat

Das Kaiserrecht, verstanden als dritte Rechtsschicht des menschlich geschaffenen Rechts, besteht aus Senatsbeschlüssen (senatusconsulta) und kaiserlichen Konstitutionen (constitutiones). Beiden Rechtssetzungsakten kommt nach Meinung der kaiserzeitlichen Juristen Gesetzeskraft zu:

Gai. 1,4Senatus consultum est, quod senatus iubet atque constituit; idque legis vicem optinet, quamvis [de ea re] fuerit quaesitum.

Ein Senatsbeschluss ist, was der Senat befiehlt und festsetzt. Und dieser erhält die Aufgabe eines Gesetzes, obwohl diese Wirkung in Frage gestellt wurde.

Als Senatsbeschluss (senatusconsultum) wird eine verbindliche Anordnung des Senats bezeichnet. Gaius (2. Jahrhundert n. Chr.) erkennt ihr Gesetzesgleichheit zu, wobei er andeutet, dass diese Wirkung umstritten war. Diese knappe Bemerkung spielt auf die Entwicklung des Senats zu einem Gesetzgebungsorgan des princeps an: In der Republik war der Senat die Versammlung der früheren Höchstmagistrate (Prätoren und Konsuln). Seine Hauptbefugnisse waren die staatsrechtliche Genehmigung (auctoritas patrum) von Gesetzen (leges) und die Erteilung von ‚Ratschlägen‘ (consultum von consulere = „um Rat fragen“) an Magistrate. Auf Antrag des Höchstmagistraten trat der Senat zusammen, beriet und entschied über die magistratischen Anfragen. Dieses Antragsrecht vor dem Senat (ius agendi cum senatu) kam in der Kaiserzeit dem princeps aufgrund der tribunicia potestas (Kap. 2.1.2) zu. Mit dem Ausbau der kaiserlichen Macht und der Dominanz des kaiserlichen Antrags (oratio principis) über die senatorische Diskussion wurde das senatusconsultum zur Rechtsquelle, das heißt zum allgemeinverbindlichen Rechtsakt.

Auch die mit dem Sammelbegriff als Konstitutionen (von constitutum, constituere = „festlegen“) bezeichneten weiteren Rechtssetzungen des princeps sind allgemeinverbindlich:

D. 1.4.1pr.-1 Ulpianus 1 institutionumpr. Quod principi placuit, legis habet vigorem: Utpote cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat. 1 Quodcumque igitur imperator per epistulam et subscriptionem statuit vel cognoscens decrevit vel de plano interlocutus est vel edicto praecepit, legem esse constat. Haec sunt quas volgo constitutiones appellamus.

pr. Was dem princeps gefiel, hat Gesetzeskraft, weil ja mit dem Königsgesetz (lex regia), das hinsichtlich seines imperium erlassen worden ist, das Volk ihm und auf ihn all seine Befugnis und Macht überträgt. 1 Es steht daher fest, dass alles, was der Herrscher folglich durch einen Brief und eine Subskription festgelegt hat oder als Gerichtsherr geurteilt oder durch formlosen Zwischenbescheid befunden hat oder durch Edikt festgelegt hat, Gesetz ist. Dies sind diejenigen Dinge, die wir gemeinhin Konstitutionen nennen.

Die Verbindlichkeit der Konstitutionen wird von Ulpian (3. Jahrhundert n. Chr.) darauf zurückgeführt, dass der princeps selbst durch ein Königsgesetz (lex regia) in seine Amtsbefugnisse eingesetzt worden sei. Es liegt nahe, dieses Königsgesetz mit einem Antrittsgesetz (lex de imperio) in Verbindung zu bringen. Ein solches ist für den Kaiser Vespasian (69 – 79 n. Chr.) auf einer Bronzetafel überliefert, aber auch für andere Kaiser zu vermuten. Mit diesem Antrittsgesetz werden dem neuen princeps von Volk und Senat die kaiserlichen Machtbefugnisse zugestanden. Da das Volk und der Senat Gesetzgeber sind – so Ulpians Argument –, erhält der princeps gleichfalls die Kompetenz eines Gesetzgebers.

Von den genannten Konstitutionen sind zunächst die Edikte (edicta) zu betrachten: Während das Edikt in der Republik die Anordnung eines Magistraten in seinem Kompetenzbereich bezeichnet, mit der die Grundzüge der Amtsführung festlegt werden (Kap. 2.1.1), kommt dem princeps als Inhaber des imperium proconsulare maius et infinitum die Befugnis zu, generell verbindliche Edikte zu erlassen. Das bekannteste und vielleicht wichtigste dieser Edikte ist die unter Kaiser Caracalla 212 n. Chr. erlassene constitutio Antoniniana (von Antoninus = Caracalla), durch die allen Bewohnern des römischen Reiches das römische Bürgerrecht verliehen wird.

Dagegen sind die übrigen Konstitutionen ihrer Natur nach Einzelfallentscheidungen. Die wichtigsten sind die Reskripte (rescripta, von rescribere = „zurückschreiben, schriftlich antworten“), das heißt Rechtsauskünfte, welche die kaiserliche Kanzlei auf Anfrage erteilt. Die genaue Form des Reskriptes richtet sich nach seinem Adressaten: Das Reskript erfolgt in Briefform (epistula), wenn sich der Bescheid an bedeutende Persönlichkeiten, Beamte des Kaisers oder eine Gemeinde richtet. Allen übrigen Privatleuten wird der kaiserliche Bescheid dagegen formlos auf dem Anfrageschreiben mitgeteilt, was den Namen subscriptio (wörtlich: „Unterschrift“) erklärt. Verbindlich war diese Auskunft zunächst nur für den Sachverhalt, auf den sich die Anfrage bezog; der gegenüber dem Kaiser niederrangige Entscheidungsträger, zum Beispiel ein Richter, ist also bei seiner Entscheidung an die kaiserliche Rechtsauskunft gebunden. Darüber hinaus erhalten Reskripte präjudizielle Wirkung, indem sie auch in Rechtsstreitigkeiten zitiert werden, die zwar nicht Anlass für die Anfrage waren, aber eine vergleichbare Rechtsfrage betreffen. Eine vergleichbare Wirkung kommt den vom Kaiser als Gerichtsherrn erlassenen Urteilen (decreta) oder Zwischenbescheiden (interlocutiones) zu, da sie über den Einzelfall hinaus als Präjudizien verwendet werden.

Die Gleichstellung der kaiserlichen Rechtssetzung mit dem Volksgesetz (lex) erklärt, warum das Kaiserrecht auch als Rechtsquelle des ius civile genannt wird:

D. 1.1.7pr. Papinianus 2 definitionumIus autem civile est, quod ex legibus, plebis scitis, senatus consultis, decretis principum, auctoritate prudentium venit.

Das ius civile aber besteht aus dem, was sich aus Gesetzen, Plebisziten, Senatsbeschlüssen, Urteilen der Kaiser und aus der Auslegung der Rechtsgelehrten herleitet.

Rechtsquellen des ius civile sind sowohl die republikanischen Volksgesetze (leges) und Plebiszite (plebiscita) als auch die Senatsbeschlüsse (senatusconsulta) und kaiserlichen Urteile (decreta principum). Als letzte Rechtsquelle nennt Papinian die Autorität der Rechtsgelehrten (auctoritas prudentium). Damit werden die Ansichten und Lehrmeinungen, welche die Juristen als Berater von Parteien, Prätoren oder auch dem Kaiser vertraten oder in ihren Schriften niederlegten, bezeichnet. Grundlage für die Geltung dieser Ansichten bildete der fachwissenschaftliche Konsens zwischen verschiedenen Juristen über die richtige Lösung eines Falls oder einer abstrakten Rechtsfrage. Sie wird seit Augustus durch das kaiserliche Privileg des Respondierrechts verstärkt (Kap. 2.1.2).

Die Liste der bei Papinian aufgeführten Rechtsquellen belegt, dass das ius civile auch im 3. Jahrhundert n. Chr. keine abgeschlossene Rechtsschicht bildet, sondern auch in der Kaiserzeit weiter anwächst. Dabei ist einerseits zu beobachten, dass die Konstitutionen, für die Papinian stellvertretend die Urteile (decreta) nennt, das bestehende ius civile für den Einzelfall konkretisieren. Nur soweit sich im Einzelfall ein Bedürfnis ergibt, wird das bestehende Recht verändert und entsprechend dem Bedürfnis angepasst. Vorbild dieser schrittweisen kaiserlichen Rechtsanwendung ist die kasuistische Methode der Juristen (Kap. 1.3.2). Andererseits gibt es Senatsbeschlüsse, mit denen der Kaiser ein neues und abweichendes Recht (ius novum) gegenüber dem tradierten ius civile setzt und durchsetzt.

Das Kaiserrecht ist also nicht lediglich als eine dritte Rechtsschicht zu verstehen, die sich über dem überkommenen ius civile und ius praetorium anlagert. Vielmehr umgreift das Kaiserrecht aufgrund des Anspruchs, umfassendes Recht zu sein, die bestehende Ordnung und nimmt sie in sich auf, soweit dies mit den rechtspolitischen Zielen des Herrschers vereinbar ist. Dieses Selbstverständnis entspricht der verfassungsrechtlichen Konstruktion des Prinzipats: Genauso wie die Staatsform des Prinzipats die in der Republik für bestimmte Amtsträger ausgebildeten Befugnisse verwendet, um eine die republikanischen Befugnisse überschreitende Herrschaft des princeps zu legitimieren (Kap. 2.1.2), nimmt auch das vom princeps gesetzte Recht das republikanisch gebildete Recht in sich auf und bildet es unter Anlehnung an das republikanische Vorbild fort.

Das Festhalten an republikanischen Rechtsvorstellungen zeigt sich sogar dort, wo die Kaiser bewusst neues Recht (ius novum) schaffen: Dies geschieht einerseits – wie gesehen – durch Senatsbeschlüsse, also einer bereits zu Zeiten der Republik bekannten Rechtssetzungsform, andererseits im Rahmen kaiserlich geschaffener Gerichte mit Spezialzuständigkeiten. Das für einzelne Fragen von kaiserlichen Beamten angewandte Verfahren wird als cognitio extra ordinem, das heißt „außerordentliches Erkenntnisverfahren“ (davon: „Kognitionsverfahren“), bezeichnet. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass die kaiserlichen Gerichte nicht nach den Regeln des prätorischen Edikts, sondern allein nach den vom Kaiser formulierten Regeln Recht sprechen. Die Besonderheiten der cognitio extra ordinem liegen mithin sowohl in den Durchführungsfragen des Prozesses als auch in den für die erörterten Rechtsfragen geltenden Regeln. Obwohl die kaiserlichen Spezialzuständigkeiten im Laufe der Kaiserzeit eine wichtige Quelle neuen Rechts (ius novum) werden, bleibt es formell bei der Begrenzung auf Spezialfragen und auf die kaiserliche Gerichtsbarkeit. Indem jedoch die kaiserliche cognitio extra ordinem neben die bestehenden Jurisdiktionsinstanzen, vor allem den Prätor und den Statthalter tritt, geraten diese unter Konkurrenz- und Anpassungsdruck. Auf diese Weise führt das durch die Kognition geschaffene ius novum ganz allmählich zur Ablösung der aus ius civile und ius praetorium gebildeten Ordnung, ohne dass diese jemals formell außer Kraft gesetzt würden.

Übersicht 8: Rechtsschichten der Kaiserzeit


Die beschriebenen Entwicklungsstufen des römischen Privatrechts, die sich aus Sicht der kaiserzeitlichen Juristen als unterschiedliche Rechtsschichten darstellen, sind im Folgenden für das römische Erbrecht zu untersuchen.

7 Das Gesetz ist nicht erhalten; es wird aufgrund von Zitaten vor allem aus der juristischen und antiquarischen Literatur rekonstruiert, dazu zuletzt Oliviero Diliberto, Materiali per la palingenesia delle XII Tavole, Vol. 1, Cagliari 1992; Michel Humbert/Andrew D. E. Lewis/Michael H. Crawford, Lex duodecim tabularum, in: Michael H. Crawford (Hrsg.), Roman Statutes II, London 1996, 555 – 721. Nützlich die zweisprachige Ausgabe von Dieter Flach/Andreas Flach (Hrsg.), Das Zwölftafelgesetz. Leges XII tabularum, Darmstadt 2004.

8 Daher wird das ius civile in traditionellen Formulierungen auch als ius Quiritium = „Recht der Quiriten“, von quirites = „römische Bürger“, bezeichnet.

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