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Lebt der Verlag vom Kinder- und Jugendbuch?

… oder ist KJB nur ein Bereich unter vielen? Gut die Hälfte der KJBV sind auf das KJB spezialisiert. Die übrigen KJBV sind nur ein Teilbereich eines größeren Gesamtunternehmens. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil es erheblichen Einfluss auf die Arbeitsweise des Verlags hat, ob das KJB ökonomisch den Kern des Verlags bildet oder ob es eine mehr oder weniger gewichtige Ergänzung im Gesamtprogramm darstellt. Kann die für das KJB verantwortliche leitende Person wie ein Verleger arbeiten oder ist sie ein Abteilungsleiter unter vielen? Diese Konstellation hat Einfluss darauf, ob der KJB-Teil die personellen und infrastrukturellen Ressourcen bekommt, die er braucht, um im Wettbewerb mit seinen KJB-Konkurrenten zu bestehen:

• Ist das Lektorat mit genügend, qualifiziertem und gut vernetztem Personal ausgestattet?

• Verfügt das KJB über eine eigene Pressestelle oder wird es als Teil der Gesamt-Pressearbeit bedient?

• Ist der Vertrieb im Innen- wie im Außendienst auf KJB spezialisiert oder Teil des allgemeinen Vertriebs?

• Gibt es eigenes Lizenz-Personal für das KJB (Inland/Ausland) oder findet der Lizenzverkauf im Rahmen der Gesamt-Lizenzabteilung statt?

• Ist die Buchherstellung auf die besonderen gestalterischen und produktionstechnischen Anforderungen des KJB eingerichtet?

• Wird ausreichende Unterstützung durch die zentralen Abteilungen (z.B. IT, Personal, Vertrags- und Honorarwesen) gewährt?

Ein hilfreiches Bild, um sich klarzumachen, wie wichtig diese Fragen sind, kann die Vorstellung sein, der Verlag stecke in einer Krise – egal, ob hausgemacht oder von der Branchenkonjunktur ausgelöst. Bei jedem Versuch, eine Krise zu bewältigen, wird irgendwann der Satz zu hören sein, man müsse sich ›auf das Kerngeschäft konzentrieren‹, oder es gehe jetzt darum, ›den Markenkern zu bewahren‹. Falls eine solche Krise etwa den Ravensburger Verlag beträfe (ein rein fiktives Beispiel), müsste der Verlag gewiss seine Stärken und Schwächen, sein Portfolio, seine Prozesse, sein Personal etc. einer kritischen Analyse unterziehen. Aber es wäre kaum anzunehmen, dass er sich die Frage stellen würde, ob er überhaupt KJB verlegen soll. Ravensburger ist nämlich eine Marke (mit einem fabelhaften Bekanntheits- und Sympathiegrad), die sofort und überall mit der Zielgruppe Kinder und Familien verbunden wird.

Betrachten wir einen ebenfalls markenstarken Verlag wie Rowohlt. Falls dieser Verlag eine vergleichbare Krise zu bewältigen hätte (ebenfalls eine rein fiktive Annahme), könnte das Management auf die Idee kommen, im Zuge der Konzentration auf die Kern-Kompetenzen die KJB-Aktivitäten zu verkaufen oder einzustellen – ohne die starke Marke Rowohlt wesentlich zu schwächen. Zwar gibt es Rowohlt Rotfuchs als Untermarke, aber lebensnotwendig für den Verlag ist dieser Bereich nicht. Mit dieser Unterscheidung soll nicht suggeriert werden, dass nur in einem ›reinen‹ KJBV auf Dauer gut gearbeitet werden könne – die Prosperität der Verlagsarbeit hängt vor allem vom Können und Willen der Personen ab, die den Verlag betreiben, und nicht nur von seiner Struktur.

In einem Kleinverlag kann es sein, dass alle oder fast alle Verlagsfunktionen bei einer Person angesiedelt sind. Der Verleger ist dann der beste Presse-Kontaktmann für seinen Verlag, den man sich denken kann. Ab einer bestimmten Größe jedoch ist das nur noch arbeitsteilig zu bewältigen. Und nicht jede Funktion muss mit einer Person besetzt sein, die im eigenen Haus angestellt ist. Deshalb bieten sich für zahlreiche Verlagsfunktionen freie Mitarbeiter oder professionelle Dienstleistungsunternehmen an; diese Organisationsform nennt man Outsourcing. Wenn ein Verlag z. B. nur wenige deutschsprachige Originalbücher herausbringt, wird sich die Position eines Lizenzmitarbeiters nicht rentieren. Dafür kann man Agenten oder Agenturen engagieren, die z.B. über die einschlägigen Kontakte für Auslands-Lizenzrechte oder für Filmrechte verfügen. Ein solcher Dienstleister kann – gegen Honorierung durch eine Provision – wesentlich effizienter arbeiten, als der Verlag dies aus eigener Kraft zu leisten vermag. Aber auch hier gilt: Wer auch immer diese Aufgabe übernimmt, muss sich im KJB auskennen, sonst wird er nicht über Kontakte zu den passenden Verlagen bzw. den richtigen Personen in diesen Verlagen verfügen.

OUTSOURCING(Ausgliederung, Fremdbeschaffung) bezeichnet die unternehmerische Entscheidung, für einzelne Leistungen oder Geschäftsprozesse externe Dienstleister hinzuzuziehen, die in die Wertschöpfungskette integriert werden. Das Unternehmen kann sich dadurch auf seine Kernkompetenzen fokussieren und muss kein Know-how in Randbereichen aufbauen, wo Spezialisten ihr Wissen und Können zur Verfügung stellen. Neben einer optimierten Prozessorganisation spielen auch Kostengesichtspunkte eine Rolle.

2.2
Der Vertrieb: Nadelöhr oder Türöffner?

Ein Verlag mag das erlesenste Programm auf die Beine stellen – wenn es ihm nicht gelingt, seine Bücher in sichtbarer Weise auf den Markt zu bringen und dort Resonanz zu erzeugen, wird er über kurz oder lang scheitern. Der #Vertrieb stellt eine Schlüssel-Funktion dar.

Falls KJB eine Produktgruppe unter vielen auf der Agenda der Vertriebsperson bzw. im Musterkoffer des Außendienst-Mitarbeiters sind, kann es geschehen, dass ihnen nicht genügend Zeit, Beachtung und Gewicht gewidmet wird. Dergleichen muss gar nicht aus Desinteresse oder mangelnder Qualifikation geschehen, sondern schlicht aus Überlastung oder angesichts ungenügender Ressourcen.

Ein Beispiel: dtv hat mit seinen Bereichen Literatur, Unterhaltung, Sachbuch und KJB ein vielfältig aufgestelltes und wachsendes Programm. An einem bestimmten Punkt hat man festgestellt, dass eine angemessene Betreuung des ebenfalls wachsenden KJB-Bereichs nicht mehr gewährleistet wurde. Die Kapazitäten für das Erwachsenen-Programm waren zusätzlich dem KJB-Programm ›belastet‹, die für das Kinderbuch Verantwortlichen waren unzufrieden mit der in ihren Augen nicht ausreichenden Intensität der Betreuung. Andererseits war das KJB wiederum ökonomisch nicht gewichtig genug, um dafür eine eigene Vertriebsorganisation aufzustellen. Ein Blick auf den KJB-Markt ergab, dass da einige Verlage unterwegs sind, die ein ähnliches Problem haben. Also kam man auf die Idee, eine auf das KJB zugeschnittene Vertriebsorganisation zu gründen, die das eigene Programm dtv-junior, aber auch andere KJBV im Portfolio führen würde. Ab 2012 hat dtv diesen neuen Weg beschritten, und er ist offensichtlich sowohl für dtv selbst als auch für die beteiligten anderen Verlage erfolgreich.

Der Vertriebs-Innendienst und das Key Account-Management (siehe Kap. 4.4) sind bei dtv fest angestellt. Folgende Verlage gehören der dtv-Vertriebs-Kooperation an (Stand 2020): dtv junior, dtv – Reihe Hanser, Usborne Verlag, Klett Kinderbuch Verlag, Atlantis Bilderbuch, OrellFüssli Kinderbuch, Globi Verlag, DAV Der Audio Verlag (Kinderprogramm), Bindewerk – Feine Papierwaren.

Eine Reihe weiterer Verlage wird vom Außendienst der dtv-Vertriebskooperation vertreten, hat aber die Vertriebsleitung und den Key Account bei Bücherwege angesiedelt, ein weiterer Vertriebs-Dienstleister, der in Hamburg in Nachbarschaft zur W1-Verlagsgruppe sitzt: Nord-Süd Verlag, Atrium Kinderbuch, Arctis Verlag, WooW Books, von Hacht Verlag, Arche Kalender, JUMBO (Kinderbücher/Hörbücher), Goya libre.

Auch andere Verlage haben ähnliche Überlegungen angestellt. So betreibt der Aufbau Verlag eine Tochterfirma, die den Vertrieb der eigenen Verlage übernimmt, aber auch für andere Verlage arbeitet, so für die deutschen HarperCollins-Verlage, darunter auch die Kinderbuchverlage Dragonfly und SchneiderBuch. Die Aufbau Vertrieb GmbH ist nicht auf den KJB-Bereich spezialisiert, hat aber auch die KJBV der Glöckler Verlagsgruppe im Gepäck: Annette Betz, Ueberreuter, Nilpferd und G&G.

Bei einigen Verlage bestehen Kooperationen in der Weise, dass ein größerer Verlag einem kleineren seine Vertriebsorganisation zur Verfügung stellt. So werden z. B. der Moritz Verlag und der Mixtvision Verlag vertrieblich von der Verlagsgruppe Beltz betreut. In den ersten Jahren seines Bestehens gab es eine ähnliche Zusammenarbeit zwischen dem neugegründeten Magellan Verlag und der Verlagsgruppe Oetinger. Seit der Verlag beträchtlich gewachsen ist, hat Magellan seine eigene Vertriebsorganisation.

Es gibt weitere Formen der Kooperation bei kleineren Verlagen, z.B. Indiekids: Zunächst 7 Verlage hatten sich von 2012 bis 2020 zu einer Vertriebskooperation zusammengetan: àbac, aracari, Baobab Books, Edition Bracklo, Edition Pastorplatz, Jacoby & Stuart, Schaltzeit Verlag. Dazu gehörte, dass sie alle ihre Bücher bei derselben Auslieferung hatten: Runge Verlagsauslieferung in Steinhagen. Seit 2021 sind nur noch àbac, aracari und Baobab Books dabei. Sie nennen das gemeinsame Konditionenmodell das »vertriebliche Herzstück der Kooperation«:

1.einheitlicher Grundrabatt von 40 % bei allen Verlagen

2.kein Mindestbestellwert

3.Bündelung der Novitätenauslieferung an drei Terminen (= ein Paket und eine Rechnung für die sieben Verlage)

4.Bei Nachbestellungen gilt die gemeinsame Rechnungsfaktur aller Medien Service Runge-Verlage, sowie die Sendungsbündelung aller Runge-Verlage

5.Gemeinsamer Vorschauversand« (www.indiekids.de).

Ein solches Modell verbindet die Vorteile eines selbstständigen Verlags (Indie = unabhängig) mit einer erheblichen Vereinfachung der Bestell- und Auslieferungsmodalitäten und vor allem auch der entsprechenden Kosten.

Man kann die Kooperation auch eine Stufe niedriger ansetzen, wie das z.B. KuK tut – die Kooperation unabhängiger Kinderbuchverlage, eine 2007 gegründete Vertriebsgemeinschaft der Verlage Jungbrunnen, Kindermann und Peter Hammer. Die drei Verlegerinnen verkünden:

Mit gemeinsamen Aktionen für den Buchhandel können wir mehr erreichen, als wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. Durch die Kooperation haben wir die Möglichkeit, dem Handel attraktive Angebote zu machen, die den einzelnen Verlagen nicht möglich wären. Kooperation ist uns wichtiger als Konkurrenz, denn wir haben dasselbe Ziel: hochwertige Kinderbücher ins Kinderzimmer zu bringen. (www.peter-hammer-verlag.de)

2.3
Aufmerksamkeit gewinnen

Für Bücher wird gegenüber dem Publikum fast nie Werbung gemacht, für KJB erst recht nicht. Selbst der Börsenverein hat mit seinen großangelegten Kommunikationskampagnen für das Medium Buch unter dem Slogan »Vorsicht Buch!« eher Spott eingefahren als messbare Erfolge, auch wenn sie später umbenannt wurde in »Jetzt ein Buch!«. Bücher sind eben doch recht anders beschaffene Konsumgüter als Markenartikel. Daher wird für Bücher, wenn überhaupt, meist bei Buchhändlern geworben – in den allgemeinen Fachzeitschriften Börsenblatt, BuchMarkt, Buchreport und in den speziellen KJB-Magazinen Eselsohr, JuLit, kjl&m – forschung.schule.bibliothek, Buch + Maus, 1001 Buch. Es hat sich eingebürgert, dass etwa Mitte März und Mitte September in den buchhändlerischen Fachzeitschriften Börsenblatt, BuchMarkt und Buchreport Schwerpunkthefte zum KJB erscheinen.

Manche Buchhändler stellen eigene Kundenmagazine her, allerdings mit sehr unterschiedlichen Konzepten. Wer als Verlag seinen Titel in einem Kinderbuchprospekt bei Groß-Filialisten wie Hugendubel oder Thalia unterbringen will, muss dafür bezahlen. Das gleiche gilt für Werbemagazine, die jede Buchhandlung beziehen kann, bei großen Auflagen sogar in individualisierter Form. Die auf KJB spezialisierte Bücherbox wird herausgegeben von der avj und vertrieben durch die zur SPIEGEL-Gruppe gehörende Harenberg Kommunikation, der Verlag des Buchreport. Das Buchjournal (im Verlag des Börsenblatts) erscheint zweimal im Jahr als Wendemagazin; von der einen Seite betrachtet heißt es BuchjournalKids und richtet sich an erwachsene Leser, die nach geeigneten Büchern und Geschenk-Empfehlungen für Kinder suchen. Um 180 Grad gewendet liest man BuchjournalTeens, das soll »ältere Kids und Jugendliche« mit Lesetipps ansprechen.

Engagierte Buchhandlungen mit besonderem Anspruch stellen eigene Buchempfehlungen oder Lesemagazine her. Einige Beispiele:

5plus ist das Magazin der Buchhandlungen der 5plus-Gruppe. Hier schreiben Verleger, Autoren, Buchhändler, Journalisten über Bücher und Themen der Zeit, darunter immer auch über KJB.

• Die Buchhandlung Lehmkuhl in München, ein Mitglied der 5plus-Gruppe, veröffentlicht zusätzlich jedes Jahr zu Weihnachten Lehmkuhls beste Seiten!: Mitarbeiter der Buchhandlung stellen ihre persönlichen Empfehlungen vor, selbstverständlich einschließlich KJB.

• Die Buchhandlung RavensBuch in Ravensburg produziert einen Jahreskatalog NEUE BÜCHER voller empfohlener und kommentierter Bücher, mit dabei KJB.

• Ein ästhetisch und inhaltlich herausragendes Werbemittel ist schmitzkatze, herausgegeben von der Buchhandlung Schmitz in Essen. Interviews, ausführliche Besprechungen und als Besonderheit auch Tipps zu neuen Jazz-CDs – und selbstverständlich ein guter Anteil KJB.

• Der Buchhändler Thomas Schmitz und seine erste liga büro für gestaltung geben außerdem Kilifü – Almanach der Kinderliteratur einmal jährlich heraus. Ein knapp 200 Seiten umfassendes Kompendium der KJB-Neuheiten, das von jeder Buchhandlung bei interessierten Kunden eingesetzt werden kann.

Alle diese Druckerzeugnisse sind letzten Endes Werbemittel, die von Titelgebühren und Anzeigen der Verlage bezahlt werden. Die Investition der Verlage wie der federführenden Buchhandlungen dienen natürlich dem Ziel, Buchkäufe zu initiieren, deren Erlöse die Kosten solcher Werbemittel übersteigen. Quantitativ wird sich das eher selten messen lassen; für die Kundenbindung sind sie gewiss förderlich.

Um Beachtung bei den Medien kümmern sich die Presseabteilungen der Verlage (siehe Kap. 4.3) oder PR-Beauftragte außerhalb, die fest engagiert sind, aber selbstständig oder in Dienstleistungsbüros agieren. Hat man es bei Büchern für ein erwachsenes Publikum mit dem Feuilleton, Themenredaktionen, Fachzeitschriften etc. zu tun, fühlen sich beim KJB noch eine Vielzahl interessierter Vereinigungen, Institutionen und Fachleute angesprochen, die sogenannte ›Szene‹– eine Vielzahl von Organisationen und Aktivisten.

Eine originelle Methode, um die Aufmerksamkeit und Sympathie des Buchhandels vor Ort zu gewinnen, sind die ›Kinderbuchsalons‹, zu denen die Kinderbuchverleger Ralf Rebscher (Magellan), Sebastian Zembol (Mixtvision) und Herwig Bitsche (NordSüd) immer wieder an verschiedenen Orten einladen. Für die Buchhändler ist es etwas Besonderes, die Verleger in einem überschaubaren Kreis persönlich zu treffen, und die Verleger ihrerseits bekommen Kontakt mit ihren wichtigsten Kunden. Dass man ersatzweise ähnliche Effekte auch online erzielen kann, hat die KJB-Pressebörse ›8 auf einen Streich‹ im Juli 2020 gezeigt, die eigentlich vor Ort in Hamburg stattfinden sollte. Auf Initiative der Carlsen-Pressefrau Katrin Hogrebe präsentierten die Verlage aracari, Atlantis/Orell Füssli Kinderbuch, Carlsen, Dragonfly, dtv junior/dtv-Reihe Hanser, Peter Hammer, Gerstenberg, minedition, Moritz und moses in jeweils vier Minuten einen Einblick in ihre Neuheiten. Beachtenswert, dass es sich dabei um Verlage äußerst unterschiedlicher Größe und Ausrichtung handelt.

2.4
Alternative Verlagsformen – Ergänzung, Erweiterung oder Überflutung des Marktes?

Verlage sind frei darin, welche Bücher sie unter Vertrag nehmen und welche nicht. Schon immer gab es Menschen, die Manuskripte verfasst haben, die sie Verlagen angeboten haben und die darauf entweder gar keine Antwort, eine schematisierte, nicht auf den konkreten Text eingehende Absage oder sogar eine längere Erklärung erhielten, warum man diese Geschichte nicht ins Verlagsprogramm aufnehmen wolle. Die Enttäuschung darüber führt dann mitunter dazu, den Verlagen pauschal eine angebliche ›Wagenburg-Mentalität‹ oder Arroganz zu unterstellen bzw. sie als ›Bücher-Verhinderer statt Bücher-Macher‹ anzuprangern. Diese Situation nützen sogenannte Zuschuss-Verlage aus, indem sie gegen beachtliches Honorar und / oder Erstattung der Herstellungskosten anbieten, solch ein Manuskript zu drucken, es mit einer ISBN auszustatten und damit bestellbar zu machen. Da das Lektorat ausbleibt, fehlt derartigen Publikationen in der Regel ein wesentliches Qualitäts-Kriterium.

ISBNDie Internationale Standard-Buchnummer identifiziert nicht-periodische Publikationen mit einem Zahlen- oder einem entsprechenden Balkencode. In Deutschland seit den 1970er Jahren als DIN-ISO-2108-Norm in Gebrauch, umfasste sie bis zum Jahr 2006 zehn Stellen. Seit der Koppelung an das EAN-System (EAN = european article number), das heute von der Organisation GS 1 (Global Standard One) koordiniert wird, ist die ISBN 13-stellig. Im herstellenden Buchhandel begleitet sie Verlagsprodukte von der Herstellung über die Lagerhaltung bis hin zum Vertrieb.

Publikumsverlage nehmen bei der Frage, ob sie ein Manuskript unter Vertrag nehmen, eine Risiko-Einschätzung vor: Wird dieses Buch voraussichtlich so viele Leser finden, dass wir eine gewinnbringende Auflage in Auftrag geben können? Wann immer eine solche Überlegung positiv entschieden wird, begeben sich Verlage ins unternehmerische Risiko. Der Autor bekommt eine gewisse Grundsicherung durch eine garantierte, auch im Falle eines Misserfolgs nicht zurückzahlbare Vorauszahlung auf sein Absatzhonorar – so ist es bei einem seriösen Verlag üblich. Für den Verlag gibt es jedoch keinerlei Garantie, dass er nicht auf einem Teil seiner gedruckten Bücher sitzenbleibt. Ausnahmen gibt es auch hier, etwa im ›Corporate Publishing‹ (wenn ein Verlag eine Auftragsproduktion realisiert) oder bei Festabnahmen etwa bei der Zusammenarbeit mit Museen oder anderen öffentlichen Institutionen.

Print-on-DemandDurch die Entwicklung der digitalen Drucktechniken ist es inzwischen möglich, gut gedruckte und buchbinderisch ordentlich verarbeitete Bücher auch in sehr kleinen Auflagen relativ kostengünstig herzustellen. Im Extremfall kann das sogar ein einziges Exemplar sein. Spezielle Druckereien verfügen über Maschinen, die für das ›Print-on-Demand-Verfahren‹ entwickelt worden sind.

Auch Publikumsverlage können auf dieses Verfahren zugreifen, z.B. um ein 25-bändiges Gesamtwerk eines Autors vollständig lieferbar zu halten. Wenn einzelne Bände einer solchen Edition vergriffen sind, pro Band aber nur sehr niedrige Absatzzahlen erreicht werden, lassen sich reguläre Nachauflagen nicht rechnen. Man kann dann auf Print-on-Demand zurückgreifen, um das Gesamtwerk weiterhin anbieten zu können.

Self-PublishingWenn der Autor selbst zum Verleger seines eigenen Buches, zum ›Self-Publisher‹ wird, kann er damit die ›Torwächter‹-Funktion der Publikumsverlage umgehen. Niemand hindert ihn daran, das Buch so drucken zu lassen, wie er es will. Inzwischen ist das Geschäftsmodell sogar bereits so weit entwickelt, dass man ein Korrektorat, ein Lektorat, eine Titelgestaltung und vieles mehr buchen kann – wofür man dann auch bezahlen muss.

Allein das einschlägige Unternehmen Books on Demand meldet 90.000 lieferbare Self-Publishing-Titel. BoD wurde 2001 als Tochtergesellschaft von Libri gegründet, einem der drei Barsortimente, die in Deutschland für die Übernacht-Lieferung der meisten Bücher so wichtig sind. Im Angebot überwiegen die sogenannten Genre-Titel, also Büchern in bekannten Kategorien wie Fantasy, Krimi, Ratgeber – das gilt auch im Jugendbuchbereich. Erfolgsgeschichten von selbstverlegenden Autoren haben sich tatsächlich zugetragen, sind aber eher selten – etwa wie Stories der Sorte ›Vom Tellerwäscher zum Millionär‹. Einige wenige Autoren verkaufen ihre Bücher so stark, dass sie gutes Geld verdienen, manchmal sogar viel mehr, als es mit einer regulären Verlagsausgabe möglich wäre. In solchen Fällen kommt es auch vor, dass KJB-Verlage an die Autoren herantreten und ihnen ein Angebot für eine Verlagsausgabe machen.

Hybrid-Publishing2006 wurde in Hamburg der Verlag Tredition gegründet, der einen hybriden Ansatz verfolgt. Dort war man frühzeitig davon ausgegangen, dass E-Books zwar durchaus eine neue zusätzliche Buchform sind, man damit aber nur Teile des Marktes abdecken kann. Völlig zurecht, wenn man sich den Umsatzanteil mit E-Books ansieht, der sich am deutschen Markt bei etwa 5 % stabilisiert hat. Daher geht man bei Tredition davon aus, möglichst viele Buchformen gleichzeitig anzubieten: Hardcover, Taschenbuch, E-Book. Das Selbstbild von Tredition besagt:

Wir […] achten auf die Qualität eines Buches. Es ist unsere Zielsetzung, dass ein Buch, das bei uns im Self-Publishing veröffentlicht wurde, traditionellen Verlagstiteln in nichts nachsteht. Wir achten auf die Rechtschreibung, das Erscheinungsbild und darauf, ob es gegen geltendes Recht verstößt. Wir entscheiden nicht, ob ein Titel spannend oder langweilig ist. Das entscheidet der Leser. (www.tredition.de)

Der Verlag hat eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht und publiziert sie auf seiner Website: Die Zahl der Neuheiten beim gedruckten Buch sinkt tendenziell über die letzten Jahre, die der bei Self-Publishern veröffentlichten Titel steigt:


© tredition GmbH

Im Buchhandel wird diese Entwicklung wohl kaum begrüßt, denn schon jetzt sind es vor allem die Buchhändler, die aus nachvollziehbaren professionellen Gründen immer wieder an die Verlage appellieren: »Macht weniger Bücher!« Das wird allerdings nicht gefordert, weil sich die Buchhandlungen öffnen wollen für Tausende von meist gutgemeinten, oft schlecht lektorierten und eben nicht verlegerisch verantworteten Titeln.

Einige Verlage reagieren auf diese Entwicklung so, dass sie neben ihrem bisherigen Hauptgeschäft spezielle Labels gründen, die solchen ambitionierten Autoren ihren Service anbieten, in der Hoffnung, dass sich hier zukünftige Begabungen ausprobieren können, deren Werke später im Hauptverlag erscheinen. Auch bei den großen KJBV gibt es Bemühungen, verborgene Talenthoffnungen durch eigene Imprints abzufangen.

Der Oetinger Verlag z. B. hat sich im Herbst 2020 ein neues Imprint zugelegt: migo. Dieser Verlagsteil ist anders in die Struktur der Verlagsgruppe eingegliedert, indem er vom Vertriebs-Geschäftsführer Thilo Schmid zusammen mit der ›Business-Developerin‹ Carmen Udina geführt wird. Im Buchreport berichten die beiden darüber, »wie die neue Art des Verlegens interne Arbeitsweisen verändert«.

[…] Das Imprint Migo ist ein projekt- und vertriebsgesteuerter Verlagsbereich, der besonders schnell auf Trends reagieren will und Bedürfnisse und Themen aus Kundenperspektive entwickelt. […] Es geht nicht nur um noch etwas Neues, sondern um etwas wirklich anderes. Es ist eine Riesenherausforderung, das Tradierte in Frage zu stellen und verschiedene Systeme parallel laufen zu lassen, nach Schnittstellen zu suchen und zu schauen, wer was von wem lernen kann. Dabei werden Geschäftsmodelle rund ums Storytelling entstehen, die mit dem jetzigen nichts mehr zu tun haben oder nur noch im Ansatz. (Thilo Schmid, Carmen Udina, buchreport Herbst 2020)

Auch hier zeigt sich der grundsätzlich andere Zugang zur Frage, was denn ein Verlag veröffentlicht. Das erinnert an die prägnante Formulierung des legendären Verlegers Kurt Wolff, der gesagt hat:

Man verlegt entweder Bücher, von denen man meint, die Leute sollen sie lesen, oder Bücher, von denen man meint, die Leute wollen sie lesen. (Kurt Wolff)

Für Verleger der zweiten Sorte (»die dem Publikumsgeschmack nachlaufen«) gilt:

Man liefert die Ware, die gefragt wird. (zitiert nach Groothuis 2000, S. 15)

Wer mit Traditionen bricht, gilt gemeinhin als fortschrittlich. Auch hier könnte die Überlegung weiterhelfen, dass ›Fortschritt‹ ähnlich wie ›Qualität‹ (siehe Kap. 3.7) nicht auf einer eindimensionalen Skala verläuft, sondern ein vielgestaltiges Phänomen ist. Werden die Bücher durch solche Verfahren ›besser‹? Werden sie tatsächlich besser verkauft? Werden damit mehr potenzielle Leser erreicht? Die Ankündigung einer unternehmerischen Neuerung macht sich immer gut; man kann aber davon ausgehen, dass die entsprechenden Verlage nur im Erfolgsfall mit weiteren Berichten an die Öffentlichkeit treten. Über einen etwaigen Flop wird kaum geredet, daher wird es oft schwierig, solche Projekte nachzuverfolgen.

Digital PublishingMit dem Aufkommen der Digitalisierung haben sich auch im Verlagswesen völlig neue Produktions- und Distributionsmöglichkeiten erschlossen. Wenn ein E-Book einmal geschrieben, lektoriert und in Form gebracht ist, ist es technisch möglich, das Werk ohne jeden Qualitätsverlust in beliebiger Stückzahl zu vervielfältigen und zugänglich zu machen – die rechtlichen Voraussetzungen dafür einmal beiseite gelassen. Wenn also ein Buch zur Vervielfältigung und Zugänglichmachung nicht mehr auf Papier gedruckt werden muss, ist es auch möglich, ein rein digitales Buch zu erzeugen. Das ermöglicht denselben Inhalt in einer anderen dinglichen Form. Alexander Skipis hat das auf den Buchtagen des Börsenvereins 2010 in Leipzig erstmals vor großem Publikum als ›Das Prinzip Buch‹ erklärt:

Gerade die traditionellen Eigenschaften des Buches machen es zu dem überlegenen Medium für die Aneignung von Langtexten. Als solches wird es in der wachsenden Vielfalt der Medien zunehmend geschätzt und nachgefragt sein. Das ›Prinzip Buch‹ – damit meine ich das Bedürfnis nach längeren, vertiefenden, nachhaltigen, zuverlässigen, relevanten Texten: Dieses Prinzip hängt nicht an der Frage analog oder digital. Sondern es ist die perfekte Antwort auf ein Bedürfnis des Lesers, der, selbst wenn er auf einem Monitor im Buch läse, auch als User ein Leser bliebe. Das scheint eine anthropologische Konstante zu sein. (Skipis 2011)

Das digitale Buch hat gegenüber dem gedruckten einige große Vorteile:

• man muss sich nicht im Vorhinein für eine bestimmte Auflagenmenge entscheiden;

• man muss kein Lager anlegen;

• man kann über einen einzigen Vertriebskanal jeden Interessierten erreichen;

• es besteht kein Remissionsrisiko;

• allfällige Korrekturen lassen sich umgehend anbringen.

Ob es allerdings für Kinder ein geeignetes Medium ist, sei an dieser Stelle zunächst offengelassen.

Auch Carlsen betreibt einen Verlagsteil, in dem ausschließlich digitale Bücher erscheinen: Impress (gegründet 2013) »steht für gefühlsstarke, mitreißende Fantasy für Jugendliche und junge Erwachsene, der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf ›Romantasy‹ und ›Paranormal Romance‹. Dark Diamonds (gegründet 2016) spricht Leserinnen zwischen 18 und 25 Jahren an, »die gerne Fantasy und Romance lesen. Die Heldinnen sind junge Erwachsene, die ihre Jugend hinter sich gelassen, aber noch nicht so recht ihren Platz in der Erwachsenen Welt gefunden haben.« Die beiden Imprints wurden 2020 unter dem Namen Impress zusammengeführt.

Ein eigens für E-Books im Jahre 2012 gegründeter Verlag ist Dotbooks. Die Gründerin und Verlegerin Beate Kuckertz hat vorher reichlich Erfahrung in Publikumsverlagen gesammelt. Das Unternehmen bezeichnet sich als »ein Verlag, in dem Schriftsteller nicht nur gestreichelt werden – wir fordern sie heraus, stellen unbequeme Fragen und arbeiten mit ihnen gemeinsam daran, aus ihren Rohdiamanten echte Schmuckstücke zu schleifen. Bei dotbooks wird jeden Tag intensiv über Inhalte diskutiert, um die richtige Titelformulierung gerungen, gemeinsam an der Veröffentlichungsstrategie gefeilt. Harte Arbeit – und doch immer ein Vergnügen. Denn: Wir lieben Bücher!«.

Hier erscheinen auch jede Menge Genre-Bücher, aber auch Kinderbuch und Jugendbuch sind gut bestückt. Viele KJB-Autoren haben hier offenbar einen Ort gefunden, an dem sie Bücher wiederveröffentlichen können, die ihre früheren Verlage nicht mehr auflegen wollten. Nichts in der Verlagswelt ist so eindeutig, dass es nicht auch wieder anders sein könnte. Inzwischen gibt es bei Dotbooks sogar gedruckte Bücher!

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9783959031080
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