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Der jüdische Krieg

Soziale und kulturelle Konflikte

Unmittelbarer Auslöser für den jüdischen Krieg159 war das Verhalten des letzten römischen Prokurators Gessius Florus (64–66 n.Chr.), der sich am Tempelschatz vergriff160, was im April/Mai 66 n.Chr. in Jerusalem und in anderen jüdischen Gebieten zu einem offenen Volksaufstand führte. Im Jerusalemer Tempel wurde das tägliche Opfer für den Kaiser eingestellt, was einem offenen Bruch mit Rom gleichkam. Zugleich kam es innerhalb des Judentums zu erbitterten Auseinandersetzungen. Die Hohepriester, die Pharisäer und die Herodianer wollten eine weitere Eskalation des Konfliktes mit den Römern vermeiden, während vor allem die Zeloten für die Auseinandersetzung mit Rom waren und sich letztlich mit brutaler Gewalt durchsetzten. Sie vertraten eine radikalisierte politische Theologie, die in der Durchsetzung der kultischen ‚Reinheit‘ des Tempels und ganz Israels die Erfüllung des Willens Gottes sahen161. Deshalb mussten die ‚Unreinen‘ und d.h. zuallererst die Römer aus dem Land vertrieben werden. Die Zeloten standen zunächst unter der Führung von Menahem, einem Sohn des Zelotengründers Judas Galilaios, der sich in Jerusalem als König verehren ließ und wahrscheinlich messianische Ansprüche erhob162. Die Kriegspartei unter der Führung der Zeloten zündete den Palast des Hohepriesters an und verbrannte auch das Stadtarchiv, wofür Josephus als Grund angibt: „Danach legten sie Feuer an das Archiv und beeilten sich, die Schuldverschreibungen der Gläubiger zu vernichten, um so die Eintreibung der Schulden unmöglich zu machen und die Menge der Schuldner auf ihre Seite zu ziehen, sowie die Armen, ohne dass diese noch etwas zu fürchten brauchen, gegen die Reichen aufzuwiegeln“ (Bellum 2,427). Hier zeigt sich deutlich, dass ein Motiv des Aufstandes auch die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit in Judäa war. Offensichtlich wollten Teile der Zeloten eine Neuverteilung des Grundbesitzes erreichen, der hauptsächlich in der Hand der Oberschicht lag. Hinzu kamen ethnisch bedingte Konflikte, denn in vielen Gebieten Palästinas kam es nun zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen zwischen jüdischen und griechischen Bevölkerungsteilen, die einen Kampf gegen Rom befürworteten bzw. ablehnten. Auch ein Stadt-Land-Konflikt ist unübersehbar, denn während griechisch beeinflusste Städte wie Sepphoris und Tiberias mehrheitlich gegen den Krieg waren, wurde er von der zumeist armen Landbevölkerung unterstützt. Der weitere Verlauf der Auseinandersetzungen ist vielschichtig163. Nach anfänglichen Erfolgen der Aufständischen beauftragte Kaiser Nero seinen General Vespasian mit der Niederwerfung des Aufstandes in Judäa. Dieser begann seinen Feldzug im Frühjahr 67 mit seinem Sohn Titus, ihnen standen ca. 60 000 gut ausgebildete Männer zur Verfügung. Vespasian näherte sich immer mehr Jerusalem, musste aber wegen des Todes von Kaiser Nero (68 n.Chr.) und der damit verbundenen unsicheren Lage in Rom zunächst einmal alle Aktivitäten ruhen lassen. Am 1. Juli 69 wurde Vespasian von den ägyptischen Legionen zum Kaiser ausgerufen und innerhalb sehr kurzer Zeit vom ganzen Ostteil des Reiches als Kaiser anerkannt. Vespasian selbst konzentrierte sich nun auf die Ereignisse in Rom und beauftragte seinen Sohn Titus mit der Fortsetzung des Krieges. Im Frühjahr 70 begannen die Römer mit der Belagerung Jerusalems, schließlich wurde im August 70 n.Chr. der Tempel erobert und niedergebrannt, zudem auch die ganze Stadt fast völlig zerstört. Der Krieg war damit entschieden, obwohl die Zeloten noch bis 73 n.Chr. auf der Festung Massada anhaltenden Widerstand leisteten. Für den erbitterten Widerstand der Juden in Jerusalem macht Josephus vor allem das Auftreten von Propheten verantwortlich, die um den Tempel herum das Auftreten einer messianischen Rettergestalt verkündeten und so das Volk anstachelten (vgl. Bellum 6,285.311f).

Die Folgen der Niederlage waren für die Juden verheerend. Es änderte sich der politische Status, denn Judäa wurde eine selbständige römische Provinz, für die der syrische Legat nicht mehr zuständig war, und dort wurde eine ständige Legion stationiert. Ganze Siedlungen waren zerstört und entvölkert. Viele Menschen fanden bei den Kämpfen oder infolge der Kämpfe den Tod, andere wurden in die Sklaverei verkauft. Insgesamt kam ca. ein Drittel der Bevölkerung um. Der Grundbesitz fiel an den Kaiser, wobei unklar ist, ob es sich um den gesamten Grundbesitz handelte oder um den sogenannten Kronbesitz. Die ohnehin durch den Krieg schon stark benachteiligte Landbevölkerung verarmte noch mehr. Fast alle jüdischen Bauern wurden zu Pächtern, die das Land gegen Pachtzins bearbeiteten. Das bisherige religiöse Leben, das seit Jahrhunderten auf den Jerusalemer Tempelkult ausgerichtet war, konnte nicht mehr weitergeführt werden. Die Juden mussten nicht nur ohne Staat, sondern auch ohne Tempel leben. Damit war auch das Ende des Hohepriesteramtes gekommen. Von den Religionsparteien vor 70 n.Chr. gingen die Zeloten, Sadduzäer und Essener unter; nur die gemäßigten Pharisäer/Schriftgelehrten blieben übrig, die dann als Rabbinen in die jüdische Geschichte eingingen. Das frühe Christentum wurde durch die Ereignisse des Jahres 70 ebenfalls schwer getroffen, denn die Jerusalemer Gemeinde ging in den Wirren des Krieges unter (s.u. 9.2). Damit hatte die Bewegung ihren Ausgangspunkt und bleibenden Orientierungspunkt verloren. Zugleich bewahrte aber die vor allem von Paulus betriebene Verlagerung der Missionsaktivitäten nach Kleinasien, Griechenland und Rom das Christentum vor dem Untergang.

Für die Römer zählte der Sieg über die Juden keineswegs nur als einer unter vielen. Titus kehrte nach Rom zurück und feierte im Jahr 71 zusammen mit seinem Vater Vespasian einen Triumphzug164. Schon dies war außergewöhnlich, denn normalerweise wurde ein solcher Siegeszug nur bei der Eroberung einer neuen Provinz abgehalten, hier gelang aber lediglich die Befriedung eines Teils der bestehenden Provinz Syrien165. Zudem wurden im ganzen Reich Münzen geprägt mit der Aufschrift: „Judaea capta“ („Judäa besiegt“). Der Sieg Jupiters über Jahwe dokumentiert sich auch in der Einführung des ‚fiscus Judaicus‘, einer Steuer (s.u. 9.2), die von jedem Juden (auch in der Diaspora) erbracht werden musste und die faktisch an die Stelle der Tempelsteuer trat166. Der nach dem Tod des Titus (81 n.Chr.) errichtete Titusbogen in Rom zeigt schließlich, wie stark die Flavier den Sieg über die Juden propagandistisch nutzten.

Titusbogen in Rom (heute Forum Romanum); nach dem Sieg wird Kriegsbeute aus dem Tempel abtransportiert: Schaubrottisch, siebenarmiger Leuchter/Menora, zwei silberne Trompeten (Foto: Udo Schnelle).

Bar Kochba-Aufstand

Das Judentum lebte nach 70 in Palästina unter erschwerten Bedingungen weiter. Von den jüdischen Gruppen überlebten nur die Pharisäer und Schriftgelehrten, die nun die Transformation des allein an der Tora orientierten rabbinischen Judentums herbeiführten (s.u. 11.5). Die Diaspora blieb ein Zentrum des Judentums, wurde aber auch durch den Ausgang des Krieges in Mitleidenschaft gezogen. Vor allem in Syrien, Ägypten und der Kyrenaika schlug der Hass gegen die Juden in offene Freindschaft um, der durch dorthin geflohene radikale Zeloten noch gesteigert wurde. In Kyrene inszenierte um 73/74 n.Chr. Jonathan der Weber einen messianischen Aufstand, der von den Römern blutig niedergeschlagen wurde167. Zwischen 115–117 n.Chr. kam es unter der Herrschaft Trajans zu Aufständen auf Zypern, in Ägypten und der Kyrenaika, die wiederum allesamt blutig beendet wurden168. Das endgültige Ende jeder jüdischen Eigenstaatlichkeit bedeutete schließlich der Bar Kochba-Aufstand (132–135 n.Chr.)169. Wahrscheinlich befahl Kaiser Hadrian um 130 n.Chr. die Umformung Jerusalems in eine hellenistische Stadt mit dem Namen Aelia Capitolina170; er verschärfte das Beschneidungsverbot und errichtete in Jerusalem ein Jupiter-Heiligtum auf den Ruinen des alten Tempels. Daraufhin brach unter Führung eines Simon bar Kochba ein Aufstand aus, der von Rabbi Aquiba mit dem messianischen Prädikat aus Num 24,17 ‚Sternensohn‘ (= Bar Kochba) versehen wurde171. In einem Guerilla-Krieg (z.B. mit Überraschungsangriffen aus unterirdischen Höhlenkomplexen heraus) vornehmlich im Süden Judas hatten die Aufständischen zunächst große Erfolge, wurden dann aber von den Römern in verlustreichen Kämpfen aufgerieben und vernichtet. Danach verfügte der Kaiser in einem Erlass, dass kein Jude mehr Jerusalem und die benachbarten Gebiete betreten durfte. Der Provinzname wurde in Syria Palästina umgewandelt, so dass es kein Land der Juden mehr gab.

3.3.1 Die jüdische Religion

WILHELM BOUSSET, Die Religion des Judentums, hg. v. Hugo Gressmann, HNT 21, Tübingen 41966 (= 1925). – OTTO PLÖGER, Theokratie und Eschatologie, WMANT 2, Neukirchen 31968. – MEINRAD LIMBECK, Die Ordnung des Heils, Düsseldorf 1971. – JOHANN MAIER/JOSEF SCHREINER, Literatur und Religion des Frühjudentums, Würzburg/Gütersloh 1973. – ANDREAS NISSEN, Gott und der Nächste im antiken Judentum, WUNT 15, Tübingen 1974. – MAX KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, Freiburg(H)/Göttingen 1979. – DAVID HELLHOLM (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983. – JOHN J. COLLINS, The Apocalyptik Imagination, New York 1984. – RUDOLF MEYER, Zur Geschichte und Theologie des Judentums in hellenistisch-römischer Zeit, Berlin 1989. – KARLHEINZ MÜLLER, Studien zur frühjüdischen Apokalyptik, SBAB 11, Stuttgart 1991. – MEINRAD LIMBECK, Das Gesetz im Alten und Neuen Testament, Darmstadt 1997. – JOHN J. COLLINS, Jewish Wisdom in the Hellenistic Age, Louisville 1997. – GEORGE W. E. NICKELSBURG, Jewish Literature between the Bible and the Mishna, Minneapolis 22005. – ULRIKE MITTMANN-RICHERT, Einführung zu den historischen und legendarischen Erzählungen, JSHRZ VI, Gütersloh 2000. – GERBERN S. OEGEMA, Apokalypsen, JSHRZ VI, Gütersloh 2001. – HERMANN LICHTENBERGER/ GERBERN S. OEGEMA (Hg.), Jüdische Schriften in ihrem antik-jüdischen und urchristlichen Kontext, Gütersloh 2001. – GERBERN S. OEGEMA, Unterweisung in erzählender Form, JSHRZ VI, Gütersloh 2005.

Das theologische Denken des Judentums ist von einer tiefgreifenden Transformation im Gefolge des babylonischen Exils (598/587–537 v.Chr.) geprägt, denn das Zusammenbrechen der vorexilischen Ordnungen musste theologisch bewältigt werden. In das Zentrum der Religion treten der exklusive Monotheismus, das Erwählungsbewusstsein, die Tora und das Land als Heilsgaben Gottes sowie der Tempel als Ort der Gegenwart Gottes. Man hofft auf Gottes anhaltende Treue trotz der Bedrängnisse der Gegenwart und unternimmt den Versuch, sich durch rituelle Abgrenzung von den anderen Völkern neu zu definieren172.

Monotheismus

Die Einzigkeit und Einzigartigkeit Gottes ist die Basis des jüdischen Glaubens173; es gibt nur einen Gott, außer dem kein Gott ist (Dtn 6,4b: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist einer!“; vgl. ferner Jes 44,6; Jer 10,10; 2Kön 5,15; 19,19 u.ö.). In Arist 132 beginnt eine Belehrung über das Wesen Gottes mit der Feststellung, „dass nur ein Gott ist und seine Kraft durch alle Dinge offenbar wird, da jeder Platz voll seiner Macht ist“. In scharfem Kontrast zur antiken Vielgötterei betont Philo: „So wollen wir denn das erste und heiligste Gebot in uns befestigen; Einen für den höchsten Gott zu halten und zu verehren; die Lehre der Vielgötterei darf nicht einmal das Ohr des in Reinheit und ohne Falsch die Wahrheit suchenden Mannes berühren.“174 Der Monotheismus begründete die Besonderheit, aber auch Faszination des Judentums in der Antike175.

Erwählung

Mit dem einen wahren Gott verbindet sich die Erwählungsvorstellung. In Dtn 7,6–8 („… Dich hat der Herr, dein Gott, aus allen Völkern der Erde für sich erwählt als sein Volk …“) und Dtn 14,2 („Denn du bist das Volk, das dem Herrn, deinem Gott, geweiht ist, und dich hat der Herr aus allen Völkern auf der Erde für sich erwählt als sein eigenes Volk“) wird der Grundgedanke der Erwählungslehre klassisch formuliert: Gott erwählte Israel aus freier Entscheidung und grundloser Zuneigung aus allen Völkern und begründet damit dessen Sonderstellung. Dabei wird der Exodus aus Ägypten als bleibende Verpflichtung und als Grundmodell des rettenden Handelns Gottes angesehen (vgl. Dtn 7,8: „Weil der Herr euch liebte und weil er den Eid hielt, den er euren Vätern geschworen hatte, darum führte euch der Herr heraus mit starker Hand und befreite dich aus dem Sklavenhaus, aus der Hand des Pharaos, des Königs von Ägypten“). Diese frühexilische Erwählungsvorstellung wurde vor allem in der deuteronomisch-deuteronomistischen Theologie mit der Bundesvorstellung kombiniert (vgl. Ex 19,4–8) und bestimmte das Denken des gesamten Judentums. Vor allem in Qumran dominiert die Erwählungsvorstellung, so heißt es z.B. in 1QS 4,22 über die ‚Söhne des Lichts‘: „Denn sie hat Gott erwählt zum ewigen Bund.“ Ebenso ist die jüdische Apokalyptik von einem Erwählungsbewusstsein geprägt (vgl. z.B. 4Esra 5,27: „Aus all den vielen Völkern hast du dir das eine Volk erwählt, und das von allen als gut anerkannte Gesetz hast du diesem Volk gegeben, das du geliebt hast“).

Gesetz/Tora

Die Selbstbindung Gottes an sein Volk findet in der Gabe des Gesetzes/der Tora ihren Ausdruck176. Die Tora ist zuallererst Lebensgabe und Lebensordnung (vgl. Dtn 30,15f: „Siehe, ich habe dir heute das Leben vorgelegt … Ich gebiete dir heute, den Herrn, deinen Gott zu lieben, auf seinen Wegen zu gehen und seine Gebote und Satzungen und Rechte zu halten“)177. Die Tora wird als Gnadengabe Gottes und als Urkunde seines Bundes verstanden (vgl. z.B. Sir 24; Jub 1,16–18), ihre Beachtung bedeutet, in Gottes Herrschaft einzutreten, sie anzuerkennen und durchzusetzen. Toratreue als Beachtung und Respektierung des Willens Gottes ist deshalb die von Israel erwartete Antwort auf die Erwählung Gottes. Die Tora vermittelt nicht die Gottesbeziehung, vielmehr ist sie Wegweiserin in der von Gott gewährten Ordnung der Schöpfung. Innerhalb dieses Gesamtkonzeptes ist Gerechtigkeit nicht das Resultat menschlicher Leistung, sondern Gottes Verheißung für die Menschen (vgl. Jub 22,15: „Und er erneuere seinen Bund mit dir, dass du ihm ein Volk bist zu seinem Erbteil in allen Ewigkeiten. Und er sei dir und deinem Samen Gott in Wahrheit und in Gerechtigkeit in allen Tagen der Erde“). Maßstab der Gerechtigkeit Gottes und der Gerechtigkeit des Menschen ist das Gesetz. Mose gab das Gesetz „um der Gerechtigkeit willen zur frommen Beachtung und zur Bildung des Charakters“ (Arist 144), „alles ist zum Zwecke der Gerechtigkeit gesetzlich geregelt“ (Arist 168; vgl. 147). Die Treue zur Tora gewährt Gerechtigkeit und Leben. Allerdings ist die Tora über lange Zeit keine wortwörtlich feste Größe, sondern was Tora jeweils ist, kann in einzelnen Schriften (z.B. die vorqumranische Tempelrolle, Jubiläenbuch, Qumranschriften, Philo) durchaus unterschiedlich entfaltet werden.

Land, Tempel und Sabbat

Mit der Erwählung und der Gabe der Tora verbindet sich die Gabe des Landes (Dtn 7,1: „Wenn der Herr, dein Gott, dich in das Land bringt, in das du ziehst, um es in Besitz zu nehmen …“). Die Landverheißung und die Landnahme sind der zentrale Inhalt des geschichtlichen Handelns Gottes (vgl. Dtn 11,29; 15,4; 18,9; 26,1; 30,5; Jos 21,43; Ps 25,13 u.ö.). Das Land Israel ist Jahwes Eigentum (vgl. Lev 25), in dem die Tora uneingeschränkt gilt und es keinen Götzendienst gibt. Deshalb ist das Bleiben im Land an das Halten der Tora gebunden (vgl. Dtn 4,1.26). Mit dem Land untrennbar verbunden sind Jerusalem als heilige Stadt und der Tempel als Wohnort Gottes. Der Tempel in Jerusalem ist der Thron Gottes, hier nimmt Gottes Königtum Wohnung (vgl. Jes 8,18; 1Kön 8,12ff; Ps 9,12; 74,2; 76,3; 132,13), hier erscheint er und lässt sich begegnen (vgl. Ex 29,43–45). Ebenso ist der Tempelberg der ‚heilige Berg‘ (vgl. Ps 2,6; 48,3) und Jerusalem die ‚heilige Stadt‘ (vgl. Jes 48,2; 52,1; Neh 11,1.18) und die ‚Stadt Gottes‘ (vgl. Ps 46,5; 48,2.9; 87,3). Seit der persischen Zeit wird der Sabbat zunehmend zum zentralen Zeichen jüdischer Identität178. Die relativ kurzen Ausgangstexte Ex 23,10; 34,18–23;35,1–3 (vgl. ferner Ex 16,23–30; Lev 25,1–7) wurden im Rahmen einer vornehmlich priesterlich-rigoristischen Interpretation immer mehr ausgeweitet, wie exemplarisch ein Vergleich von Jub 50; CD 10,14–11,18 und dem Mischnatraktat Schabbat zeigt. Aus der von Gott gebotenen Ruhepflicht am 7. Tag entwickelte sich nach und nach ein umfangreiches Regelsystem; so wurden in Schabbat VII 2 ‚vierzig weniger eins‘ verbotene Hauptarbeiten aufgelistet.

Mit der am Monotheismus, der Erwählung und der Tora orientierten theologischen Grundkonstruktion verbinden sich im Judentum zwei wirkmächtige geistige Strömungen, die auch das frühe Christentum beeinflussten: Apokalyptik und Weisheit.

Apokalyptik

Apokalyptisches Denken

Die Apokalyptik ist gleichermaßen ein geistiges und literarisches Phänomen, das vor allem zwischen 200 v.Chr. und 100 n.Chr. das jüdische, aber dann auch das frühchristliche Denken stark prägte179. Apokalyptik ( = „Offenbarung/Enthüllung“) ist eine bestimmte Art und Weise, mit Hilfe jenseitiger Erkenntnis Geschichte zu interpretieren, die in Apokalypsen ihren literarischen Niederschlag findet180. Die Grundannahme ist die Vorstellung, dass Idealgestalten der jüdischen Geschichte eine außerordentliche Einsicht/Erleuchtung/Offenbarung erhielten, die Gottes Plan für die Zukunft enthüllen und in Schriften für die Orientierung späterer Generationen niedergelegt wurden. Man wähnt sich am Ende der Tage und erhofft Gottes baldiges Eingreifen, um die Dinge grundlegend zum Guten zu wenden. Zur Matrix des apokalyptischen Denkens zählen: 1) Pseudepigraphie als Inanspruchnahme legendärer Gestalten der Vergangenheit (z.B. Henoch, Baruch, Mose, Esra), um so das neue Wissen zu legitimieren; 2) Visionen mit Offenbarungen über die Geschichte (vornehmlich des jüdischen Volkes); 3) Himmelsreisen und Jenseitsschilderungen, die dem Apokalyptiker gewährt werden; 4) Geschichtsüberblicke, die häufig auf einem weisheitlich-periodischen Geschichtsdenken basieren, wonach die Bedrängnisse der Gegenwart von den Freuden der Zukunft abgelöst werden; 5) die Hoffnung auf eine Wende in der Geschichte hin zu einem Endzustand, der dem Urzustand entspricht; 6) eine lebhafte und bunte Bildersprache, die teilweise verschlüsselt ist und nur von der eigenen Gruppe verstanden werden soll; 7) Paränese und Paraklese, die vor allem darauf zielen, den Versuchungen der Gegenwart zu widerstehen; 8) Gebete um Hilfe und Rettung aus der gegenwärtigen Situation, die als Endzeit/letzte Zeit verstanden wird; 9) Zuschreibungen der eigenen Erwählung und der Verwerfung anderer, die sich häufig mit deterministischen und dualistischen Aussagen verbinden; 10) die Erwartung zukünftiger Heilsgestalten, die oft in einer Art Endkampf widergöttliche Mächte/eschatologische Gegenspieler überwinden und von Gott in eine Herrscherposition (z.B. Menschensohn; Messias) eingesetzt werden. Apokalyptik ist gleichermaßen ein literarisches und theologisches Phänomen, das Geschichte deutet, indem wechselseitig die kommende Geschichte und die gegenwärtige Situation interpretiert werden. So entsteht ein umfassendes, teilweise verschlüsseltes Bild von Weltlauf und Weltende in Gestalt einer von Gott heraufgeführten Katastrophe.

Haupttexte der jüdischen Apokalyptik sind: äthHenoch (= 1Hen: umfangreiche Sammlung der Henochliteratur, deren älteste Teile in die vormakkabäische Zeit zurückreichen); Daniel; Jesajaapokalypse (Jes 24–27); Jubiläenbuch; Himmelfahrt Moses; Sibyllinen, 4Esra; slHenoch (= 2Hen), syrBaruch; Apokalypse Abrahams; Teile der Qumranschriften; grBaruch181. Als ein Mustertext der jüdischen Apokalyptik kann das im 4./3. Jh. v. Chr. entstandene Joel-Buch gelesen werden. Es entfaltet in exemplarischer Weise das apokalyptische Gesamtszenario (1,2-20: dem Tag des Herrn geht eine allgemeine Not voran; 2,1-11: es folgt die allgemeine Vernichtung; 2,12-27: Gott eröffnet für die Umkehrwilligen aus Israel eine neue Heilszeit; 3,1-5: Ausgießung des Geistes/Rettung Israels; 4,1-16: Vernichtung der Heiden; 4,17-21: Unheil über die Heiden/endzeitliche Errettung Jerusalems). Am Ende der Zeiten erfolgt dann der ‚heilige Krieg‘ (Joel 4,9) Jahwes gegen die Heiden. Zahlreiche Texte der Apokalyptik wurden im Laufe ihrer Tradierung weitergeschrieben und umgestaltet182. Motiv- und traditionsgeschichtlich fließen in der jüdischen Apokalyptik vor allem mit der Gestalt des Henoch verbundene und aus Ezechiel gespeiste Traditionen der Himmelsreisenden und Offenbarungsmittler sowie die vor allem mit Mose verbundene Sinaitradition ineinander.

Schreiber als Traditionsgaranten

Maßgebliche Träger der jüdischen Apokalyptik dürften die ‚Schreiber/Schriftgelehrten‘ gewesen sein, torakundige Gelehrte, zu deren Aufgaben die Auslegung der Tora, die Ausbildung von Schülern in der Tora und die Rechtssprechung nach der Tora zählten. Wahrscheinlich ab dem 4. Jh. v.Chr. bildete sich aus der Priesterschaft der Stand der ‚Schreiber/Schriftgelehrten‘, der in Esra seine idealtypischen Ursprünge sah (Esr 7,6.11: Esra als Schriftgelehrter und Priester). Jesus Sirach zeichnet um 180 v.Chr. ein Idealbild des weisen Schreibers/Schriftgelehrten (Sir 38,24–39,11), dessen Weisheit und Einsicht vor Gott und der Welt gelobt wird und der sich uneingeschränkt auf die Tora konzentriert. Die ‚Schreiber/Schriftgelehrten‘ gehörten in der Anfangszeit mehrheitlich zur niederen Priesterschaft, sie dienten der Tempelaristokratie (vgl. Sir 39,4), waren aber zugleich Träger der jüdischen Tradition und Wahrer der jüdischen Identität. Während sich die Tempelaristokratie – vor allem die Hohepriester und die ihm nahe stehenden Kreise der höheren Priesterschaft – der hellenistischen Assimilation öffneten oder sogar selbst Hellenisierung betrieben, distanzierte sich die Mehrheit der Schreiber/Schriftgelehrten davon183. Ihren Protest gegen die hellenistische Assimilierung formulierten Schreiber/Schriftgelehrte auch in Apokalypsen. So spricht Hen 12,4 („Henoch der Schreiber“) dafür, dass hinter der umfänglichen und über Jahrhunderte weiterentwickelten Henochliteratur Schreiber/Schriftgelehrten-Kreise standen (vgl. auch Jub 4,16.17). Auch Dan 1,4; 11,33; 12,3.10 weisen auf Schreiber/Schriftgelehrte als Trägerkreise hin. Sie gerieten wahrscheinlich vor allem seit dem Makkabäeraufstand in einen tiefgreifenden Konflikt, denn die Einzigartigkeit und Reinheit des erwählten Gottesvolkes stand nun auf dem Spiel und musste geschützt werden. Immer mehr Schreiber/Schriftgelehrte lösten sich vom Tempel und leiteten so die Öffnung für Nichtpriester ein. Apokalypsen sind deshalb in vielen Fällen auch Ausdruck und Mittel politischer Agitation, zunächst vor allem gegen die Seleukiden, später gegen die Römer (vgl. z.B. PsSal 2; 17; AssMos 7; 10,7–10).

Die jüdische Apokalyptik ist ein bildungsmäßig anspruchsvolles Phänomen und wurzelt sowohl im prophetischen (Ansage und Enthüllung zukünftiger Geschehnisse) als auch im weisheitlichen (Pseudonymität, Naturbeobachtung, Auslegung von Traumgesichten, Berichte von Himmelsreisen, periodische Geschichtsschau) und priesterlichen Denken (Bewahrung des Erbes der Väter, Hochschätzung der Tora, idealer Tempel, kultische Reinheit, Kalenderfragen)184.

Weisheit

Weisheit als Lebensklugheit

Die jüdische Weisheitsliteratur185 gehört in den großen Bereich der altorientalischen Weisheitsliteratur, die vor allem in Ägypten und in Mesopotamien verbreitet war. Die Weisheit ist ein Bildungsphänomen, das Einsicht in alle wesentlichen Erfahrungszusammenhänge vermittelt und darauf zielt, sich positiv in die Gesetzmäßigkeiten des individuellen und sozialen Lebens einzuordnen. Die kluge Lebensführung ist eine Gabe Gottes (Sir 1,1–10) und zugleich eine menschliche Fähigkeit, die jedem offen steht (Sir 51,21–24). Grundthemen der Weisheit sind: Die Erkenntnis Gottes als Garant und Stifter der Weltordnung, das Verhältnis Weiser und Tor, Gerechter und Frevler in ihrem Tun und Ergehen; Armut und Reichtum; die rechte Zeit für ein glückliches Leben. Der Anfang der Weisheit ist nach Prov 9,10 „die Furcht des Herrn“, Quelle der Weisheit vor allem die Tora, die z.B. in Sir 24,23 und Bar 3,9–4,4 mit der Weisheit identifiziert wird (vgl. Ps 19,8; 119,98). Als literarische Gattung liegt die Weisheitsliteratur vorwiegend als Weisheitsspruch und den daraus entstandenen Spruchsammlungen vor. Diese wurden in Schreiberschulen gepflegt bzw. überliefert und richteten sich vor allem in den didaktischen Formen der Mahn- und Lehrworte auf den gesamten Bereich der Erkenntnis, Erziehung, Lebenseinstellung und Lebensführung. Wie die Apokalyptik ist auch die Weisheit nicht sauber von anderen Bereichen zu trennen, sondern weisheitliche Gedanken haben in fast alle Denk- und Überlieferungsformen jüdischen Denkens Einzug gehalten.

Krise der Weisheit

Eine Krise des weisheitlichen Denkens dokumentiert sich in der Rahmenerzählung (Hi 1–2; 42,7–14) des Hiobbuches (5./4. Jh. v.Chr.), wo sich der Fromme unvermutet, unverschuldet und unverstanden der Feindschaft Gottes ausgesetzt sieht und die Logik des Tun-Ergehen-Zusammenhanges nicht mehr greift186. Die Glaubwürdigkeit Gottes und der von ihm gesetzten Ordnung steht auf dem Spiel: Warum ist der Frevler glücklich und weshalb leidet der fromme Gerechte, obwohl er sich nicht verfehlt hat? Während bei Hiob das Vertrauen in Gottes Macht und Walten wiederhergestellt wird (vgl. Hi 38–42,6), findet sich im Predigerbuch (Kohelet) um 200 v.Chr. eine andere Position187. Auch hier wird der Zusammenbruch des Tun-Ergehen-Zusammenhanges konstatiert (vgl. Pred 7,15f; 8,12–14), aber die Schlussfolgerung ist eine andere als bei Hiob: Gott ist unberechenbar, seine gerechte Ordnung ist nicht erkennbar und deshalb gilt: ‚alles ist nichtig/absurd‘ (vgl. Pred 1,2; 8,14; 12,8 u.ö.). Es herrscht ein religiös-philosophischer Pessimismus vor, der eine deutliche Nähe zum griechischen Skeptizismus, aber auch zu Epikur zeigt. Es gilt, die wenigen Momente der Lebensfreude und des Glücks zu ergreifen (vgl. Pred 5,17– 19; 9,7–10; 11,9), die einem zufällig vergönnt sind. Dieses ‚carpe diem‘ vertraut nicht mehr der unerschütterlichen Ordnung Gottes, sondern weiß sich in einer von Nichtigkeit geprägten Welt auf sich selbst gestellt.

Das Judentum in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende herum war durch eine innere Differenzierung und Pluralisierung gekennzeichnet, die sich vor allem in den Gruppenbildungen zeigte. Mit diesem Prozess verbanden sich massive innere und äußere Machtkonflikte: Einzelne Gruppen kämpften um die Deutungshoheit jüdischer Existenz, was vor allem durch die römische Präsenz in Palästina verstärkt wurde. Das Auftreten Johannes d. Täufers und Jesu von Nazareth müssen als ein Teil dieser Entwicklung verstanden werden.

Tafel 2: Chronologie der jüdischen Literatur


400–300 v.Chr.Bildung des hebräischen Kanons in Hauptzügen abgeschlossen
3. Jh. v.Chr.äthHenoch 1–36 (1Hen: Wächterbuch)
3. Jh. v.Chr.äthHenoch 72–82 (1Hen: astronomisches Buch)
3. Jh. v.Chr.Tempelrolle (11QT)
~ 250 v.Chr.Beginn der Septuaginta-Übersetzung
~ 200 v.Chr.Prediger Salomo
200–150 v.Chr.Jubiläenbuch
~ 190 v.Chr.Testament der zwölf Patriarchen
~ 180 v.Chr.Jesus Sirach
~ 170 v.Chr.Kriegsrolle (1QM)/Sprüche Salomos
165/164 v.Chr.Endredaktion des Daniel-Buches
~ 100 v.Chr.Gemeinschaftsregel (1QS)/Damaskusschrift (CD)/1Makkabäerbuch
~ 50 v.Chr.Psalmen Salomos
~ 0–30 n.Chr.Himmelfahrt Mosis
~ 15–45 n.Chr.Schriften Philos
~ 50–70 n.Chr.slawisches Henochbuch (2Hen)
~ 100 n.Chr.4Esra
~ 120 n.Chr.syrBaruch

3.4 Die politische und wirtschaftliche Situation im Imperium Romanum des 1./2. Jh. n.Chr.

Das römische Kaiserreich als globaler Politik-, Wirtschafts- und Kulturraum ist eine entscheidende geschichtliche Voraussetzung für die Entstehung des frühen Christentums. In diesem relativ einheitlichen Bereich fand das frühe Christentum innerhalb des politisch und wirtschaftlich stabilen 1./2. Jh. n.Chr. beste Voraussetzungen für seine Verbreitung.

THEODOR MOMMSEN, Römische Kaisergeschichte, hg. v. Barbara u. Alexander Demandt, München 2005 (= 1882/86). – JOCHEN BLEICKEN, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreiches I–II, Paderborn 31989–1994. – KARL CHRIST, Geschichte der römischen Kaiserzeit, München 42002. – HEINZ BELLEN, Grundzüge der römischen Geschichte II: Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian, Darmstadt 1998. − HEINRICH SCHLANGE-SCHÖNINGEN, Augustus, Darmstadt 2005. − RALF VON DEN HOFF/WILFRIED STROH/MARTIN ZIMMERMANN, Divus Augustus, München 2014. − GREG WOOLF, Rom. Die Biographie eines Weltreichs, Stuttgart 22015.

Die römische Republik188 befand sich seit dem ausgehenden 2. Jh. v.Chr. in einer schweren Dauerkrise, die ab 52 v.Chr. eskalierte. Aus dem Bürgerkrieg 49 v.Chr. ging Julius Gaius Caesar als Sieger hervor, 48 v.Chr. starb sein hartnäckiger Rivale Pompeius. In dem Augenblick, als Caesar die Hand nach der Alleinherrschaft ausstreckte, wurde er ermordet (15.3.44 v.Chr.)189. Die Mörder Caesars konnten sich jedoch nur für kurze Zeit behaupten. Dann machten Octavian und Antonius, die sich zum Kampf gegen die Caesarenmörder verbündet hatten, ihrem Regiment ein Ende (42 v.Chr.). Die Sieger teilten sich das Reich: Antonius übernahm die Herrschaft im Osten, lebte in Alexandria und bestimmte von dort auch die Geschicke Syriens und Palästinas; Octavian regierte in Rom über Italien und den Westen des Reiches. Doch diese Regelung sollte nicht von Dauer sein, da es bald zum Zerwürfnis zwischen den beiden Herrschern kam. Nach dem Sieg in der Seeschlacht bei Actium (31 v.Chr.) war Octavian alleiniger Herrscher über das Römische Reich.

Augustus

Die Stellung des Octavian wurde gefestigt190, indem sein Adoptivvater Caesar auf Beschluss des Senats unter die Götter erhoben wurde; Octavian nannte sich fortan Sohn des göttlichen Caesar. Obwohl die alte römische Verfassung wieder in Kraft gesetzt worden war, lag die tatsächliche Regierungsgewalt allein bei Octavian. Als er im Jahr 27 v.Chr. in einem öffentlichen Staatsakt alle ihm übertragenen Sondervollmachten niederlegte und sie dem Senat zurückgab, damit die alte Ordnung wiederhergestellt werde, ersuchte ihn der Senat, seine Stellung zu behalten, damit er den Frieden schütze und weiterhin für die Wohlfahrt des Staates sorge. Daraufhin nahm Octavian die Vollmachten, die er soeben abgelegt hatte, wieder vom Senat entgegen. Damit entstand eine neue Regierungsform. Zwar blieb der Senat oberste Behörde Roms, aber Octavian war der erste Bürger des Staates, der als der Princeps seine Geschicke lenkte. Zugleich wurde ihm der Name ‚Augustus‘ (= „der Erhabene“) verliehen, der seiner Herrschaft eine sakrale Aura verlieh. Zwar hütete sich Octavian mit der römischen Tradition zu brechen, die streng zwischen Göttern und Menschen unterschied, aber indem er sich Augustus nennen ließ, brachte er unmissverständlich die unvergleichliche Hoheit seiner Machtstellung zum Ausdruck. Zugleich gelang es Augustus aber, diese Machtfülle als ein unentwegtes Dienen für Rom erscheinen zu lassen. Es setzte ein umfassendes Programm der Sakralisierung ein, das sich in Bauten (in Rom und überall im Reich), auf Münzen und nicht zuletzt in Literaturwerken zeigte (Ovid, Vergil, Horaz)191. Mit Augustus begann eine bis dahin nicht gekannte Literalisierung und Visualisierung der Welt. Nachdem im Jahre 12 v.Chr. Augustus auf Grund einer Volksabstimmung das höchste priesterliche Amt des pontifex maximus übertragen worden war192, wurde schließlich die Reihe der Ehrennamen nochmals vermehrt, als ihn 2 v.Chr. der Senat als pater patriae (= „Vater des Vaterlandes“) bezeichnete. Die kluge und maßvolle Politik, mit der Augustus das Reich regierte, fand nahezu allgemeine Zustimmung193. Nach den lange währenden Schrecken der Kriege war endlich Friede eingekehrt und im ganzen Reich wurde Augustus als Friedensherrscher gefeiert194. Überall im Reich wurden neue Städte gegründet, Bauten von Tempeln, Theatern, Wasserleitungen und anderen öffentlichen Einrichtungen durchgeführt und vor allem Verkehrswege angelegt. Wirtschaft und Handel blühten auf und weiteten sich auch über die Grenzen des Reiches bis an den Atlantik, die Ostsee und nach Afrika aus. Das römische Bürgerrecht wurde über Italien hinaus auch auf verdiente Einwohner in den Provinzen ausgedehnt. Jeder Bürger des Reiches durfte frei umherreisen, nur an den Provinzgrenzen wurde ein geringer Zoll erhoben. Die Bevölkerung des ganzen Reiches erlebte ein zuvor nicht gekanntes Gefühl von Sicherheit, endlich war man frei von Bedrohung an Leib und Leben. Die Neuordnung des Reiches, die während der langen friedlichen Regierungszeit des Augustus getroffen wurde, war am Ende seines Lebens so gefestigt, dass sie über seinen Tod hinaus Bestand hatte.

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1571 стр. 670 иллюстраций
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9783846352298
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