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In Berlin freute sich CDU-Chefin Gerkel über einen gefühlten Wahlsieg, sie verspürte Rückenwind für sich und ihre Partei, doch auch die anderen Parteien waren nicht gerade unzufrieden, von der FDP mal abgesehen. Die SPD hatte weitaus Schlimmeres befürchtet gehabt, schließlich gab es in Deutschland aufgrund der neuen Zählweise plötzlich über fünf Millionen Arbeitslose und das war natürlich ein Pfund, mit dem man nur sehr schwer wuchern konnte. Hinzu kam die Visa-Affäre, welche vor allem die Grünen mit ihrem Außenminister Mischer sehr beschäftigte und auch nicht gerade zur Mobilisierung der eigenen Klientel beigetragen hatte. Alles in allem war das ganze Spiel irgendwie Unentschieden ausgegangen, wenngleich sich Heike Bisonis an ihren Stuhl klammerte, denn Macht macht süchtig.

Mitte März 2005: Erst gab es eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers, dann ein Gipfeltreffen mit den Spitzen der Union, doch zur selben Zeit fand in Kiel ein Drama statt, das seinesgleichen suchte. Schräder versprach Steuersenkungen für Unternehmen, wollte den Mittelstand entlasten und war auf das Gesprächsangebot der Oppositionsführer eingegangen, Deutschland mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung weiterzuhelfen. Es ging also schon alles in Richtung Große Koalition, was nicht weiter verwunderte, denn die Grünen waren mit sich selbst, also der Visa-Affäre, beschäftigt und im Bundesrat hatten ohnehin CDU/CSU das Sagen. Von daher machte es durchaus Sinn, sich zum "Job-Gipfel" zu treffen.

Derweil nahm die Katastrophe in Schleswig-Holstein ihren Lauf. Heike Bisonis und Peer Larry Garstensen hatten sich als zu wählende Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufstellen lassen. 35 Stimmen waren im ersten Wahlgang erforderlich, das Duell endete 34 zu 33 für Bisonis. In den drei weiteren Wahlgängen endete das Duell der Beiden jeweils 34:34, wobei sowohl Bisonis als auch Garstensen im dritten und vierten Wahlgang die einfache Mehrheit der Stimmen, also bereits ein 34:33 gereicht hätte. Danach war Schluß mit lustig, die CDU-Vertreter freuten sich ausgelassen und bei der gescheiterten "Dänen-Ampel" herrschte Grabesstimmung. Damit war "Pattex-Heike", wie sie fortan in den Medien genannt werden sollte, weg vom Fenster, was viele Außenstehende durchaus mit Schadenfreude bedachten, denn letzten Endes hatte sie sich genauso an ihren Stuhl und die damit verbundene Macht geklammert wie die Herren Wiedenkopf und Träufel, für die sie immer nur Spott übrig gehabt hatte. Trotz allem trieb die Möchtegernkoalitionäre fortan die Frage um: Wer hat uns verraten? Für die Grünen sowie den SSW stand die Antwort recht schnell fest: Sozialdemokraten. Zumindest eine oder einer von denen. Es wurde viel spekuliert, doch man kann ziemlich sicher davon ausgehen, daß das Ganze von der CDU eingefädelt worden war. Sie hatte vermutlich einen SPD-Abgeordneten, welcher Bisonis eher nicht wohlwollend gegenüberstand, bestochen und sich damit die Gewißheit gesichert, daß es höchstwahrscheinlich eine Große Koalition unter der Führung von Garstensen geben würde. Allein die Tatsache, daß die erste Abstimmung 34:33 für Bisonis endete, läßt eindeutig darauf schließen, daß das so abgemacht war, um die Ministerpräsidentin in die Falle laufen zu lassen. Schließlich konnte sie ja darauf hoffen, im dritten oder vierten Wahlgang mit 34:33 die Abstimmung zu gewinnen und so im Amt zu bleiben. Dabei hatte einer aus der CDU oder der FDP nur im ersten Wahlgang absichtlich nicht für Garstensen gestimmt, damit die Anderen glaubten, sie hätten noch eine Chance. Die CDU hatte Bisonis blamieren wollen und das war ihr gelungen. Wie viel sie dafür bezahlt hat, wird vielleicht irgendwann mal rauskommen, aber da solche Geschichten im politischen Geschäft leider an der Tagesordnung waren, man erinnere sich nur an das Geschmiere 1972, sollte man es auch nicht zu hoch hängen.

18.03.2004: "Heike Bisonis gibt auf", lautete die Schlagzeile der SZ. Was blieb ihr auch Anderes übrig? Schließlich wußte sie nun, daß es da eine Person gab, welche ihre Macht genutzt hatte, um sie als Ministerpräsidentin zu verhindern, von daher gab es nur noch die Möglichkeit des Rückzugs. Wir aber hören uns derweil ein Gespräch von Bundeskanzler Schräder und Außenminister Mischer an. "Hast Du gesehen, wie interessiert sich die Gerkel in meinem Büro umgeschaut hat? Die glaubt wohl, daß sie dort schon bald sitzen wird", erwähnte Bernd. "Na ja, immer noch besser als der Sträuber. Aber sag mal, Bernd, was habt Ihr Euch denn da in Schleswig-Holstein geleistet? Also das geht ja nun mal gar nicht", kritisierte Mischer. "Hör mir bloß mit den Pappnasen dort oben auf! Die sind so was von unfähig, das hält man doch im Kopf nicht aus. Wenn ich daran denke, wie oft es uns hier gelungen ist, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, obwohl wir auch mehr als wackelige Mehrheiten hatten, dann merkt man sofort, was das dort oben für Amateure sind." "Oder eben Profis. Die Sache stinkt gewaltig und ich glaube, genauso wie Euer Finanzminister Gegner, daß dort bestochen worden ist." "Und wenn schon? Was wäre das für ein ehrloser Sozialdemokrat, der sich von den Schwarzen schmieren ließe?" "Vielleicht einer, der noch eine Rechnung mit der Heike offen hatte." "Kann schon sein, ich fand sie ja auch manchmal ziemlich anstrengend, aber so einen Abgang hat sie wirklich nicht verdient. Was ist jetzt mit Eurer Visa-Geschichte?" "Na ja, die Aufregung wird sich hoffentlich legen." "Das möchte ich auch ganz stark hoffen, denn wenn wir die Wahlen in NRW verlieren, dann ist Schicht im Schacht." "Wie meinst Du das, Bernd? "Ja glaubst Du etwa, daß ich und der Mütze dann noch den Laden hier zusammenhalten können?" "Aber wenn Ihr in Schleswig-Holstein mit der CDU eine Große Koalition macht, dann kann doch Schwarz-Gelb in NRW gewinnen und hat trotzdem keine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat." "Mag sein, aber wenn uns unser Stammland flöten geht, dann wird es ungemütlich im Bundestag, denn dann tanzen unsere linken Mäuse wieder auf dem Tisch und fordern mehr sozialdemokratisches Programm oder solche Scherze." "Ach du Schande, das würde uns ja gerade noch fehlen." "Allerdings. Deshalb sieh zu, daß diese Visa-Sache endlich in Ordnung kommt!"

11.04.2005: "Wahlkampfendspurt in Nordrhein-Westfalen: Verzagte Rote, euphorische Schwarze", hieß es sechs Wochen vor den Landtagswahlen in NRW in der Süddeutschen Zeitung. Die Meinungsumfragen waren mehr als deutlich: Schwarz-Gelb lag überaus komfortabel vor Rot-Grün und im Grunde wußten alle, was die Stunde geschlagen hatte. Ministerpräsident Seinglück von der SPD versuchte zwar noch, in die Offensive zu kommen, indem er bemerkte, er könne sich auch andere Regierungspartner als die Grünen vorstellen, doch erstens wußte man das schon von ihm und zweitens würde er mit jener Aussage das Ruder auch nicht mehr herumreißen können. Alle warteten gebannt und gespannt auf den 22.Mai, an dem die für den Bund vorentscheidende Wahl stattfinden sollte. Noch einmal hatten alle Parteien sämtliche Register gezogen gehabt und alles an Bundesprominenz aufgeboten, was sie in ihren Reihen vorzuweisen hatten. Doch nicht einmal das Staraufgebot der SPD konnte die enttäuschten Wähler der Sozialdemokraten mobilisieren, ganz im Gegenteil. Nachdem sie sich Schräder und Seinglück angehört hatten, gingen die meisten Anhänger nach Hause, obwohl doch auch noch Parteichef Mützewirsing sprechen sollte. Würde es nach fast vier Jahrzehnten SPD-Herrschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland einen Regierungswechsel geben oder gab es für die vermeintlichen Verlierer noch Hoffnung auf ein Wunder?

Mitte April 2005: "Frust über Dan" in der SPD. Nach einem Jahr an der Spitze der Partei war die Euphorie längst gewichen. Zum Einen hatte auch "Mütze" den Absturz der SPD in der Wählergunst nicht aufhalten können und zum Anderen hatte er sich mit einigen autistisch anmutenden Entscheidungen, welche die Fraktion dann nur noch abnicken sollte, bei den eigenen Leuten unbeliebt gemacht. Nun stand die Ernennung des neuen Wehrbeauftragten an und in der SPD fürchtete man einen Denkzettel für den Dan, denn dafür war die Kanzlermehrheit nötig und das Gegrummel in der Partei war schon deutlich vernehmbar. Man wollte schließlich mitbestimmen und mitreden, nicht nur als Stimmvieh ge- und mißbraucht werden, sonst hätte man ja gleich in die CDU oder in die CSU eintreten können. Wenn man sich all das vor Augen führte, dann wurde einem vielleicht klar, warum Mützewirsing ausgerechnet jetzt einen Nebenkriegsschauplatz eröffnete, mit dem er die eigenen Reihen zu schließen versuchte. Die "Heuschrecken-Debatte" war geboren, "Mütze" kritisierte global operierende Unternehmen, welche in Deutschland Leute beschäftigten und fette Gewinne machten, allerdings keine Steuern zahlten und so wie Heuschrecken über den Planeten zogen, Menschen sowie Maschinen ausbeuteten, aber keinen Beitrag für das Wohl der Allgemeinheit leisteten. Die Linken in der SPD waren begeistert, die FDP sowie die Wirtschaft waren angesäuert, doch dem Dan war es wieder mal gelungen, ein Thema zu setzen und zu besetzen, mit dem er natürlich auch hoffte, die SPD-Anhänger in Nordrhein-Westfalen dazu motivieren zu können, zur Landtagswahl am 22.05. zu gehen und dort, so wie früher immer, für die SPD zu stimmen.

Für ihn ging alles gut aus, der Wehrbeauftragte wurde gewählt und konnte sich ins Amt robben, die Weltuntergangsszenarien, welche die Opposition bereits für Rot-Grün gesponnen hatte, erwiesen sich zunächst als Wunschträume und Rot-Grün hatte sich noch einmal eine Verschnaufpause verschafft, vielleicht die letzte.

Für eine andere Politikerin sah es derweil überhaupt nicht mehr gut aus, weshalb sich Marina Kohlfeier mit ihrem ehemaligen Vertrauten Johannes Raedke unterhielt. "Ihr seid doch wirklich zu allem zu blöd! Erst fliegen Eure dilettantischen Fälschungen auf und jetzt konntet Ihr nicht mal diesem Verräter Bunker das Maul stopfen!" schimpfte Mari. "Du, dafür kann ich nun wirklich nichts. Ich habe andauernd bei dem angerufen und ausrichten lassen, daß er die Klappe halten soll", verteidigte sich der Angegriffene. "Aber wie stehe ich denn jetzt da? Mein Job ist in Gefahr." "Und was soll ich da erst sagen? Außerdem war das Ganze schließlich Deine Idee gewesen. Du wolltest ja unbedingt bayerische Ministerpräsidentin werden." "Und das völlig zurecht. Als Tochter des Königs von Bayern stand mir diese Aufgabe nämlich zu. Ich hätte mich nie mit Euch Amateurfälschern einlassen, sondern mich statt dessen an Profis wenden sollen. Ihr mit Eurer kleinkriminellen Energie wart für so eine große Aufgabe einfach nicht geeignet." "Aber am Anfang hat es doch immer gut funktioniert mit den Mitgliederkäufen und den dadurch manipulierten Abstimmungen." "Ja, aber Ihr habt trotzdem viel zu viele Fehler gemacht, sonst würde das alles ja jetzt nicht in der Zeitung stehen. Nur gut, daß mich der Sträuber nicht entlassen kann, weil ich viel zu viel über seine Vergangenheit weiß." "Na also, wieso regst Du Dich denn dann so auf?" "Weil der Plan nicht funktioniert hat. Ihr Vollidioten hättet das alles konspirativ durchziehen sollen und nicht den unterlegenen Kontrahenten stecken dürfen, was Ihr da veranstaltet habt. Kein Wunder, daß die Euch dann bei der Staatsanwaltschaft angezeigt haben." "Und wenn schon? Dein Vater hatte keine Angst vor bayerischen Staatsanwälten." "Ja, weil er die alle im Griff hatte und einfach versetzen ließ, wenn sie nervig wurden. Aber heutzutage geht das leider nicht mehr so einfach. Wie dem auch sei, jetzt gelte ich plötzlich als Drahtzieherin und stehe allein im Regen." "Jeder bekommt was er verdient." "Dabei habe ich doch so großartig gelogen, genau wie ich es von meinem Papa gelernt hatte." "Na ja, wir haben es wenigstens versucht." "Scheitern als Chance, oder wie? Aber nicht mit mir. Erst galt ich nur als Mitwisserin und jetzt sieht es so aus, als würde ich im selben Sumpf wie Ihr versinken." "Und das ist auch gut so, schließlich war das Ganze Deine Idee gewesen. Sogar der Sträuber hat uns damals gelobt. "Hund seid’s scho", hat er zu uns gesagt, aber das streitet er jetzt natürlich auch ab." "Ja, am Teflon-Egi bleibt leider nie etwas hängen. Na ja, vielleicht hält mich mein Wissen über ihn ja im Amt."

"Kohlfeier tritt zurück", hieß es in der Zeitung, doch das konnte man so und so verstehen. "- und will sich wehren", hieß es zusätzlich noch, damit waren jegliche Zweifel ausgeräumt und alle wußten, was Sache war. Sie blieb bei ihrer Version, mein Name ist Marina, ich wußte von nichts, doch die Anschuldigungen im Untersuchungsausschuß konnte auch sie nicht länger ignorieren. Schaden von der Partei wolle sie abwenden, hieß es, wie edel, nobel, hilfreich und gut sie doch war. Wer weiß, vielleicht täuschten sich fast alle in dem Menschen Marina Kohlfeier und sie war tatsächlich in eine Falle gelockt worden. Oder die Kritiker, Gegner und Konkurrenten hatten eben doch Recht und sie war ein verlogenes Luder, dem es nur um die Macht ging. Womöglich und höchstwahrscheinlich lag die Wahrheit, wie so oft, irgendwo dazwischen, also vermutlich in der goldenen Mitte. Egal, Fakt war jedenfalls, daß die Familie Braus von jenem 15.04.2005 an nichts mehr in der CSU zu sagen hatte und das war ja dann irgendwie doch ein historisches Ereignis. Sträuber hatte damit ein Problem weniger, auch wenn ihm nicht ganz zu Unrecht vorgeworfen wurde, viel zu lange an der Marina festgehalten zu haben. Da jener Vorwurf eben nicht nur von der Opposition kam, von der man so etwas natürlich erwartete, sonst hätte sie definitiv ihren Beruf verfehlt, sondern auch aus den eigenen Reihen, insbesondere aus der Münchner CSU, hatte das alles einen bitteren Beigeschmack. Dabei war sie einst gefeiert und begeistert empfangen worden, als sie ungefähr zwei Jahre zuvor den Bezirksvorsitz der Münchner CSU übernommen hatte, doch das war lange her. Seitdem war viel Wasser die Isar hinunter gelaufen und sie hatte es sich mit etlichen Leuten verscherzt gehabt. Vielleicht war sie unschuldig oder mitschuldig, doch eventuell trafen all die Vorwürfe auch voll ins Schwarze; wenn eine wußte, was wirklich dran war an den Gerüchten und Geschichten, dann sie. Auf jeden Fall hatte sich viel angestaut gehabt und so kam der Rücktritt von ihr, der freiwillig erfolgt war, für alle zur rechten Zeit und für einige viel zu spät. Erleichterung mischte sich mit Wehmut, wieder einmal war ein großes politisches Talent den hohen Erwartungen nicht gerecht geworden und hatte sich statt dessen in den Niederungen der Parteipolitik beschmutzt. Oh wie schade!

22.05.2005: Das war der Tag, an dem für die SPD die Welt in Trümmer fiel. Die unausweichliche Katastrophe hatte stattgefunden, CDU und FDP würden fortan in Düsseldorf über Nordrhein-Westfalen regieren, es gab keine einzige rot-grüne Landesregierung mehr und weil man im Grunde ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte, setzte man alles auf eine Karte und rief Neuwahlen aus oder kündigte sie zumindest für den Herbst an. Ausrufezeichen!

Ein taktisch genialer Schachzug von Schräder und Mützewirsing, denn auf einmal redete niemand mehr über den sensationellen Wahlsieg von Rüttlers und Co., sondern alle sprachen nur noch von den in wenigen Monaten stattfindenden Neuwahlen und spekulierten, wer da wohl die größten Chancen haben würde. Ein letztes Mal war es der SPD gelungen, das Heft des Handelns festzuhalten und es auch zu nutzen. Aber nicht nur die Oppositionsparteien, sogar der Koalitionspartner der SPD, die Grünen, wurden vom Vorpreschen der SPD-Spitze kalt erwischt, weshalb sich die Begeisterung dort sehr in Grenzen hielt. Schräder wollte es noch einmal wissen, alles oder nichts, er konnte bei der ganzen Sache nur gewinnen, denn in den Umfragen lag die SPD so weit unten, daß es gar nicht mehr schlimmer für sie kommen konnte. Spannende Monate standen Deutschland bevor.

23.05.2005: Festerbelle und Gerkel im Gespräch: "Ich kann unser Glück immer noch nicht fassen. Da fordere ich seit Jahren quasi täglich Neuwahlen und jetzt gibt es sie tatsächlich. Steter Tropfen höhlt eben doch den Stein!" freute sich Guildo. "Na ja, ich glaube kaum, daß der Schräder und der Mützewirsing wegen Dir die Neuwahlen ausgerufen haben, vom Ergebnis der FDP in NRW werden sie wohl kaum so schockiert und überrascht gewesen sein, daß sie sich zu diesem Schritt gezwungen fühlten", erläuterte Gerkel. "Ach, das ist doch jetzt auch total egal. Ich bin völlig aus dem Häuschen, mein zuckersüßes Mäuschen." "Langsam reiten, Homo laber, erst einmal haben wir eine Wahl zu gewinnen und bei den mickrigen paar Prozent, die Deine Partei immer bei den Landtagswahlen auf die Waage gebracht hat, bin ich mir nicht so sicher, daß es für Schwarz-Gelb tatsächlich reichen wird." "Keine Sorge, wir werden liefern, das verspreche ich Dir hoch und eilig, äh, heilig, lieber Engel, äh, liebe Andrea. Deine Union bringt 40 Prozent Wählerstimmen mit und den Rest besorgen wir, dann reicht es auf alle Fälle", behauptete Festerbelle. "Also gut, darauf können wir uns einigen. Diese Regierung ist so was von im Arsch, da sollten 40 Prozent nun wirklich machbar sein. Hat ja schließlich schon der Sträuber 38,5 % geschafft und der war im Norden, Osten und Westen ja dermaßen unbeliebt, daß ich ihn dort überhaupt nicht unterbieten kann." "Na siehst Du, ich habe es doch gleich gesagt. Oh ich freue mich schon so darauf, dieses Deutschland endlich durchzureformieren. Ich weiß nur noch nicht, welchen Ministerposten ich mir aussuchen soll." "Da kann ich Dir leider auch nicht weiterhelfen, Guildo. Nur eines steht fest: Verteidigungsminister wirst Du definitiv auf gar keinen Fall, das können wir den deutschen Soldaten nicht zumuten, daß sie dann immer mit einem Brett vorm Arsch in Reih und Glied stehen müßten." "Aber warum denn nicht? Die könnten doch dafür das Brett hernehmen, das sie immer vor dem Kopf haben. Ist mir auch nicht so wichtig, ich habe ja eh schon einen Freund. Aber was wird aus dem Sträuber?" "Ja, das ist leider eine gute und mehr als berechtigte Frage, die mich seit Wochen nicht schlafen läßt. Wohin mit dem alten Mann aus Bayern?" "Wir könnten ja ein Ministerium zusammen basteln, in dem er keinen Schaden anrichten kann." "So etwas gibt es leider nicht, ansonsten würden wir es für Dich auch hernehmen. Na ja, wer weiß, vielleicht erledigt sich das Problem anderweitig." "Wie meinst Du das? Glaubst Du an ein sozialverträgliches Frühableben seinerseits? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, der Mann ist topfit." "Das weiß ich auch, genau deshalb nervt er mich ja auch so. Nein, vielleicht merkt er ja doch noch rechtzeitig, daß Berlin nichts für ihn ist." "Na ja, wir werden sehen. Ich für meinen Teil mache jetzt erst mal ein paar Monate lang fröhlich Wahlkampf und wenn alles gut läuft, dann werden wir sogar zweistellig." "Nichts dagegen, denn je größer unsere Mehrheit im Parlament ist, desto mehr können wir durchregieren." "Oh ja, diese Deutschen müssen endlich mal raus aus der Stagnation." "Wir aber auch." Sie grinsten sich überglücklich an.

Die Freude war also allerorten groß, nur die Grünen waren immer noch verschnupft, weil sie scheinbar überhaupt nicht mehr gefragt und gebraucht wurden. Zwar gab es diverse Verfassungsrechtler, die der Meinung waren, daß das alles verfassungsrechtlich äußerst bedenklich wäre, doch solche Kommentare beeindruckten Schräder und Mützewirsing kein bißchen. Man hatte noch einmal gezeigt, daß man immer für eine Überraschung gut war und da nun alles so schnell von statten gehen würde, bestand auch keine Gefahr von der WASG (Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit), die bei den Wahlen in NRW immerhin über zwei Prozent der Stimmen abbekommen hatte, was in so einem großen Flächenland durchaus beachtlich war. Jetzt aber ging für jene neue Bewegung vermutlich alles ein bißchen zu schnell, doch deren Vertreter waren auch nicht dumm. Sie hofften auf Oswald Afroträne als zugkräftigen Spitzenkandidaten sowie auf eine Listenverbindung mit der PDS, welche im Westen traditionell schwach abschnitt. Von daher war von der linken Seite schon noch einiges möglich.

Sören Rüttlers hatte derweil ganz andere Probleme. Plötzlich wollten alle was von ihm und die meisten von denen würde er nicht so einfach wie seine Frau mit einer Spülmaschine abspeisen können. Viele Leute wanzten sich an ihn heran, in der Hoffnung auf einen guten Posten oder anderweitige Vergünstigungen. Auf einmal war der ehemalige NRW-Oppositionsführer ein gefragter Mann. Dumm an der Sache war nur, daß er zum Einen über einen Koalitionspartner verfügte, auf den er ebenfalls Rücksicht zu nehmen hatte und daß er in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit nichts Großartiges unternehmen durfte, da ja nun plötzlich Bundestagswahlkampf war. Das bedeutete auch, daß sein großer Triumph weitestgehend unbeachtet blieb; zwar konnte er zurecht darauf verweisen, durch seinen Wahlsieg die Neuwahlen im Bund ausgelöst zu haben, doch da alle nur noch von der Btw. redeten, kam der liebe Sören in den Berichterstattungen fast überhaupt nicht mehr vor, was ihn durchaus nicht unberührt ließ. Andererseits hatte er etwas, worauf er ganz besonders stolz sein konnte, denn zum ersten Mal hatten in NRW die Arbeiter mehrheitlich CDU gewählt und das war etwas, das noch nicht viele vor ihm zustande gebracht hatten. Chapeau!

Bayern hatte währenddessen ganz andere Probleme. Da nun mal stark davon auszugehen war, daß die CSU in Berlin demnächst wieder mit in der Regierung sitzen würde und weil Egmont Sträuber im Kabinett Gerkel eine herausragende Rolle spielen wollte, stellte sich die Frage, wer denn dann bayerischer Ministerpräsident werden würde. Im Grunde gab es drei mögliche Bewerber und zwar Blackschein, Zuber und Kehrmann. Letzterer wollte nicht wirklich, von daher würde es wohl auf ein Duell zwischen Zuber und Blackschein hinauslaufen. 2002 wäre es ja auch schon fast soweit gewesen, doch nachdem Sträuber nicht deutscher Bundeskanzler geworden war, hatte er weiterhin mit dem Posten als bayerischer Minipräsi vorlieb nehmen müssen. Damals wäre Zuber ganz bestimmt sein Nachfolger geworden, jedoch hatte sich der Merlin in den vergangenen Jahren in der Fraktion ziemlich unbeliebt gemacht, von daher wollten nicht mehr sonderlich viele CSU-Politiker auf ihn wetten. Blackschein dagegen erfreute sich in der Fraktion allergrößter Beliebtheit und hatte dort sicherlich die Nase vorn. Allerdings spielte natürlich auch eine gewichtige Rolle, wen Egmont Sträuber höchstpersönlich für seine Nachfolge als am besten geeignet hielt und da wiederum war Zuber klar die Nummer eins. Es würde also mal wieder spannend werden, nicht nur im Bund, sondern selbstverständlich, wie eigentlich fast immer, auch in Bayern. Ja mei.

Ende Mai 2005: Wahlkampfzeiten waren und sind nun mal besondere Zeiten. Im Grunde kann man fest davon ausgehen, daß die meisten Politiker an ihrem Dasein den Wahlkampf am meisten lieben, denn darin können und sollen sie den politischen Gegner beschimpfen, dürfen sich und die eigene Partei ohne falsche Kompromisse und ohne Rücksicht auf irgendwelche Koalitionspartner in den leuchtendsten Farben präsentieren und können so tun, als hätten sie die Probleme des Landes schon längst gelöst, wenn nicht die Anderen so unfähig wären und andauernd blockieren würden. So etwas machte einfach Spaß, nicht umsonst bezeichneten viele Politiker den Wahlkampf als ihren "Jungbrunnen".

Eine Nachricht schlug dann doch ein wie eine Bombe: "Afroträne tritt gegen die SPD an", hieß es in der SZ. Aber um gegen die SPD antreten zu können, mußte man natürlich erst einmal aus ihr austreten und genau das hatte der "Napoleon von der Saar" nun endlich vor, nachdem er schon lange nicht mehr mit den Genossen warm geworden war und, so wie Andere aus Bequemlichkeit oder alter Verbundenheit nicht aus der Kirche austraten, trotzdem in der SPD geblieben war. Es würde vermutlich eine PDS-Liste geben, auf der viele Mitglieder der WASG vertreten sein sollten, damit wollte man in ganz Deutschland antreten, am liebsten mit den Zugpferden Fysi und Afroträne an der Spitze.

Aber auch bei den Grünen war die Stimmung gut. Man fühlte sich frei; endlich, nach fast sieben Jahren in der Regierung, konnte man wieder man selbst sein und mußte sich nicht um des lieben Koalitionsfriedens willen verbiegen oder Sachen zustimmen, die man für unsinnig hielt. "Grün pur", und "auf die Grünen kommt es an", hieß es nun plötzlich, die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln wirkte wie eine Frischzellenkur. In den vergangenen Tagen hatte es massive Absetzbewegungen zwischen SPD und Grünen gegeben, die Neuwahlentscheidung hatte die SPD bereits ohne die Grünen getroffen und so würde man fortan getrennt marschieren, was beiden Seiten irgendwie recht war. Nach sieben gemeinsamen Jahren an der Regierung hatte man sich auseinandergelebt, es war im Grunde wie in einer Ehe das verflixte siebte Jahr, das höchstwahrscheinlich die Trennung bringen würde. Jetzt ging es nur noch darum, daß der eigene Spitzenkandidat, Ansgar Mischer, wieder in die Gänge kam, den Ballast der Visa-Affäre endgültig abwarf und 20 Kilo abnahm, denn er hatte in den letzten Jahren wieder stark zugelegt gehabt.

Ganz anders sah es bei der Union aus. Dort wurde bereits spekuliert, wer für welches Ministeramt in Frage kommen würde, weil das bekanntlich am allermeisten Spaß machte. Das Fell des Bären zu verteilen, noch bevor er erlegt worden war, gehörte zu den Dingen, denen man sich nur allzu gerne hingab. Bereits 2002 hatte man das praktiziert gehabt und wie die Sache am Ende ausging, ist hinlänglich bekannt. Wie auch immer, über all den Personalfragen schwebte der große Egmont Sträuber wie der Geist von Wildbad Kreuth, denn erst wenn man für den zukünftigen Superminister einen geeigneten Platz gefunden hatte, konnte man sich Gedanken darüber machen, wer noch alles einen Ministerposten abbekommen sollte. Doch der Zauderer aus der Münchner Staatskanzlei wollte sich am liebsten alles offen halten. Es hieß, man müsse erst das Wahlergebnis in Bayern abwarten, außerdem wollte er keine Diskussion über seine Nachfolge in Bayern, welche ansonsten alle anderen Fragen ständig überlagert hätte.

Fysi und Afroträne sprachen derweil über eine mögliche gemeinsame politische Zukunft. "Erst einmal Glückwunsch zum Austritt aus der SPD. Hat zwar lange gedauert, aber besser spät als nie", stellte Fysi fest. "Vielen Dank für die Blumen! Mir blieb ja gar nichts Anderes übrig, jetzt, nachdem die SPD mit der Agenda 2010 und Hartz IV in den Wahlkampf ziehen will", machte Afroträne deutlich. "Was aber auch seine guten Seiten hat. Für die PDS und die WASG wird das jede Menge Stimmen bringen. Deshalb sollten wir uns auch unbedingt zusammentun." "Das sehe ich ganz genauso. Die PDS ist im Westen zu schwach, die WASG hat im Osten keinerlei Erfolgsaussichten, von daher macht das wirklich Sinn. Und wenn wir es erst mal in den Bundestag geschafft haben, dann können wir auch über die Gründung einer gemeinsamen Partei nachdenken." "Absolut richtig. Es wird zwar nicht ganz einfach werden, das unseren alten PDS-Veteranen schonend beizubringen, aber irgendwie bekommen wir das schon hin." "Keine Sorge, die Vorbehalte bei den West-Linken sind auch nicht von Pappe. Aber langfristig brauchen wir eine gemeinsame Partei, daran führt überhaupt kein Weg vorbei." "Auf alle Fälle. Was aber ist unser eigentliches Wahlziel, außer natürlich in den Bundestag zu kommen?" "Ganz einfach: Wir wollen sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Gelb verhindern." "Aber dann gibt es ja eine Große Koalition." "Ganz genau. Und dank der werden wir bei den darauffolgenden Wahlen noch mehr an Gewicht zulegen." "Oswald, Du bist wirklich ein schlauer Fuchs." "Ich weiß. Aber leider nicht immer, denn ansonsten hätte ich es nie zugelassen, daß der Schräder Kanzler wird." "Na ja, das schon, doch immerhin hast Du ihn ja jetzt zum Rücktritt aufgefordert." "Mag sein, aber jetzt ist das keine Kunst mehr, das hätte ich vor über sechs Jahren machen sollen, als ich noch Parteivorsitzender der SPD war."

Besagter Schräder dagegen schien völlig losgelöst von der Erde, er fühlte sich gut und strotzte nur so vor Selbstvertrauen. Nun würde es also wieder auf ihn ganz allein ankommen; eine Situation, die ihm mehr als vertraut war und die er mehr genoß als alle seine Genossen, weil er wußte, daß er sich auf sich selbst verlassen konnte. Der Bundeskanzler kannte natürlich die Umfragen, in denen die SPD 15 Prozent hinter der Union lag und dabei handelte es sich noch um die bereinigten Zahlen, bei der politischen Stimmung betrug der Abstand zwischen CDU/CSU und SPD sage und schreibe 25 Prozent. Gerkel hatte ihn auch bei der Frage, wen sich die Deutschen als Kanzler oder Kanzlerin wünschen, deutlich überholt, aber nichtsdestotrotz waren seine persönlichen Werte viel besser als die seiner Partei, so wie er das schon seit jeher kannte. Es würde also wieder mal auf ihn ankommen, er wurde im Wahlvolk immer noch gut bewertet, ganz so, als ob er mit der rot-grünen Bundesregierung nicht wirklich was zu tun gehabt hätte. Vielleicht imponierte den Wählern aber auch in erster Linie seine Durchsetzungskraft und sein Durchhaltevermögen. Egal, auf jeden Fall war die Schlacht noch lange nicht verloren, man war bereits ganz unten, von daher konnte es nur noch besser werden. Bernhard Schräder war ein Profi und ein begnadeter Wahlkämpfer, er würde sich ganz bestimmt nicht kampflos geschlagen geben und die Vorbehalte gegenüber den schwarz-gelben Oppositionsparteien waren in der Bevölkerung weitaus stärker ausgeprägt als es die Meinungsumfragen erkennen ließen. Die Schlacht konnte also beginnen, würde der alte Kämpfer sie wieder gewinnen?

Ende Juni/Anfang Juli 2005: Mit dem Vertrauen war und ist es ja immer so eine Sache. "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", lautete einer der Sprüche in jenem Zusammenhang. Nun wiederum sollten sich die SPD-Abgeordneten nach den Vorstellungen ihres Fraktionschefs Mützewirsing bei der Vertrauensfrage, welche der Kanzler Anfang Juli im Parlament stellen wollte, vertrauensvoll enthalten. Das führte zu Irritationen und durchaus lustigen Wendungen. Plötzlich sprachen ausgerechnet die größten Agenda-Kritiker ihrem Kanzler das Vertrauen aus; eben jene Leute, denen Schräder mißtraute und wegen denen er die Neuwahlen ausrufen hatte lassen. Eine ziemlich groteske Situation. Andere Genossen befürchteten wiederum, sie hätten im anstehenden Wahlkampf ein Glaubwürdigkeitsproblem und könnten es ihren Wählern nicht vermitteln, daß sie Schräder, obwohl der das ja so wollte, das Mißtrauen aussprachen, aber andererseits mit ihm an der Spitze in den Wahlkampf zogen. Das Leben war manchmal wirklich nicht leicht.

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9783738030754
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